Wirkeintrittes und der hohen Emesisrate ist Tramadol nicht als Mittel der ersten Wahl in
der Notfallmedizin zu empfehlen, insbesondere weil man davon ausgehen kann, dass
die größte Übelkeit nach der schnellen intravenösen Applikation auftritt (Adams et al.,
1999). Manche Autoren kommen sogar zu dem Schluss, dass Tramadol in der
Notfallmedizin eigentlich nichts verloren habe, insbesondere weil auch bei leichten bis
mittelgradigen Schmerzen durchaus potente Alternativpräparate vorliegen (Sittl et al.,
1994), wie zum Beispiel niedrigdosiert Piritramid oder Morphin, sowie in der Klasse der
Stufe I Analgetika nach dem WHO-Schema Metamizol (Rawal et al., 2001;
Schockenhoff, 1999; Torres et al., 2001).
4.2.5 Einsatz von L-ASS
Im Landkreis Neuwied werden in den Notarztwagen Lysinacetylsalicylsäure (Aspisol
)
und Metamizol (Novalgin
) als Nichtopoide zur intravenösen Applikation benutzt, sowie
für Kinder in Form von Suppositorien Paracetamol in den Dosierungen 125, 250 und
500 mg. Paracetamol wird allerdings auf Grund der unterschiedlichen
Applikationsweisen nicht in die Betrachtung mit einbezogen werden können.
Insgesamt wurde L-ASS bei jedem 10. Patienten, der notärztlich behandelt wurde
eingesetzt und war somit das am häufigsten verwendete Schmerzmittel. Die Zahl der
Patienten, die wegen thorakaler Schmerzen, die nicht mutmaßlich vom
Bewegungsapparat ausgingen, behandelt wurden, war dabei um 10 % niedriger als die
Häufigkeit des Medikamenteneinsatzes, was darauf hindeutet, dass L-ASS nicht nur im
Rahmen von einer thorakalen Schmerzsymptomatik verabreicht wurde.
Ähnlich wie in anderen Studien (Kern, 1997) verabreichten auch bei unserer
Untersuchung Anästhesisten deutlich seltener das Medikament als die anderen
Fachgruppen.
Weiterhin war auffallend, dass Neurologen zwar seltener Acetylsalicylsäure einsetzten,
dafür aber, entgegen dem Trend der zuvor besprochenen Medikamente durchschnittlich
höher dosierten. Die durchschnittlich verabreichte Menge lag dabei fast ausschließlich
im Bereich von 500 mg, vereinzelt wurden auch 1000 mg verabreicht. Bei den Ärzten
ohne näher bezeichnete Fachrichtung gab es keine differenzierte Therapie, sondern es
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wurde jeweils 500 mg des Medikamentes verabreicht, was allerdings dem allgemeinen
Durchschnitt im Dosierungsverhalten entsprach.
Dosierungen über 300 mg machen zur Beeinflussung der Thrombozytenaggregation
wenig Sinn, da es zu keinem zusätzlichen Benefit des Patienten durch eine höhere
Dosierung kommt (Gross et al., 1994; Parsi et al., 2001).
Verwendet man hingegen L-ASS in einer höheren Dosis, so kann es als durchaus
starkes Analgetikum wirken. Zur Behandlung des akuten Myokardinfarktes wird es, wie
aus der mittleren Dosierung ersichtlich, in erster Linie von den Notärzten zur
Thrombozytenaggregationshemmung eingesetzt. Ein synergistischer Effekt mit anderen
zentralwirksamen Analgetika ist dabei zu erwarten, so dass die Dosis von Opiaten in der
Kombination mit L-ASS reduziert werden kann (Larsen, 1994).
Dies hat gerade beim Herzinfarkt zur Folge, dass mit einer niedrigeren Dosierung von
Morphin die kreislaufsupprimierende Nebenwirkung reduziert werden kann. Eine
weitestgehende Schmerzfreiheit sollte gerade bei der Behandlung des akuten
Herzinfarktes wie auch bei der Lungenembolie oberstes Ziel sein, um den myokardialen
Sauerstoffbedarf möglichst zu reduzieren (Adams et al., 1999).
Aus diesen Überlegungen heraus erscheint es nicht nur sinnvoll, sondern es ist absolut
notwendig, bei einem Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom eine Behandlung mit
Acetylsalicylsäure frühzeitig einzuleiten. Selbst wenn sich die Verdachtsdiagnose nicht
bestätigen sollte, und es sich bei dem thorakalen Schmerz um zum Beispiel ein akutes
Aortenaneurysma oder eine andere notfallmäßig operativ zu versorgende Erkrankung
handelt, ist die Gefahr eines erhöhten Blutverlustes nicht größer als bei Eingriffen ohne
Thrombozytenaggregationshemmer, wie vergleichende Untersuchungen ergaben
(Amrein et al., 1981).
Betrachtet man die Zahl der verabreichten Dosen von Aspisol
im Vergleich zu den
Patienten, bei denen Schmerz das Leitsymptom für einen Myokardinfarktinfarkt
darstellte, so kann man davon ausgehen, nahezu 100 % der Patienten, bei denen der
Verdacht auf einen Herzinfarkt bestand mit L-ASS behandelt wurden. Acetylsalicylsäure
wurde dabei in der weitaus überwiegenden Mehrheit als Thrombozytenaggregations-
hemmer eingesetzt.
Die Tatsache dass L-ASS bei traumtologischen Patienten in nur 3 Fällen eingesetzt
wurde, belegt den geringen Stellenwert in der traumatologischen Patientenversorgung.
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4.2.6 Einsatz von Metamizol
In dem von uns untersuchten Kollektiv wurde Metamizol in insgesamt 2,7 % der Fälle
als Analgetikum eingesetzt. Dabei wurde Metamizol allerdings nicht in erster Linie bei
abdominellen, postoperativen oder chronischen Schmerzen angewendet (Schockenhoff,
1999) sondern zur Versorgung traumatologischer Patienten.
Der Anteil von Metamizol an verabreichten Schmerzmitteln entsprach 11 %.
Allgemeinmediziner und Neurologen verabreichten das Medikament am häufigsten,
während die Anästhesisten eher zurückhaltend in der Anwendung waren. Die
durchschnittliche Dosierung lag bei 2500 mg, wobei die Anästhesisten doch im
Durchschnitt 25 % niedriger das Medikament dosierten. Wesentliche Unterschiede im
Dosierungsverhalten zwischen Fachärzten und Weiterbildungsassistenten waren nicht
zu erkennen.
Eine kritische Überdosierung von 10000 mg Metamizol wurde verabreicht, jedoch ist es
durchaus denkbar, dass es sich in diesem Fall um einen Schreibfehler im
Notarztprotokoll handelte, da normalerweise keine vier Ampullen Novalgin
auf dem
Rettungswagen vorhanden sind, es sei denn es wurden aus dem Notfallkoffer des
NEF’s noch Ampullen hervorgeholt. Falls sich kein Fehler ins Notarztprotokoll
eingeschlichen hat, handelt es sich bei der verabreichten Dosis um eine deutliche
Überdosierung, von der kein zusätzlicher analgetischer Effekt zu erwarten ist.
Die empfohlene Einzeldosis liegt bei 1 - 2,5 g Metamizol je nach Körpergewicht. Setzt
man den 75 kg Patient voraus, wird das Medikament regelmäßig bei der notärztlichen
Versorgung zu hoch dosiert, was im Endeffekt zu einer größeren Gefahr im Hinblick auf
das mögliche Auftreten von Nebenwirkungen führt, die Analgesie aber nicht wesentlich
verbessert wird.
Ähnlich wie in einer Würzburger Untersuchung (Kern, 1997) waren es auch bei uns die
Allgemeinärzte, die dieses Medikament am häufigsten einsetzten, genauso wie die
Anästhesisten eher auf andere Medikamente auswichen. Hinsichtlich der
Berufserfahrung ergaben sich auch bei uns ähnliche Ergebnisse. Man kann davon
ausgehen, dass gerade bei weniger erfahrenen Ärzten und bei Ärzten, die im klinischen
Alltag seltener mit stärkeren Schmerzmitteln zu tun haben, das Medikament doch eher
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