5 Zusammenfassung und Fazit
Die vorliegende Arbeit gibt einen detaillierten Überblick über den Status praesens der
analgetischen Therapie im Rahmen der notärztlichen Versorgung im Landkreis
Neuwied. Es wurde untersucht, ob es Unterschiede im Verordnungsverhalten von
Analgetika zwischen den Notärzten verschiedener Fachrichtungen gibt. Ferner sollte
dargestellt werden, inwieweit Einflüsse des Patienten sich auf mögliche unterschiedliche
Verordnungsweisen der Notärzte niederschlagen.
Hierzu wurden die Notarztprotokolle des Jahres 2001 im gesamten Landkreis Neuwied
ausgewertet. Der Landkreis verfügt über fast 185.000 Einwohner.
Insgesamt wurden 4045 Protokolle erfasst, von denen 4016 zu verwerten waren.
Patienten, bei denen wegen Todes kein weiterer Transport stattfand, wurden
ausgeschlossen. Es handelte sich dabei um 236 Patienten. Kinder waren ausdrücklich
nicht ausgeschlossen worden.
Insgesamt wurden die Daten von 2191 Männern und 1854 Frauen erhoben. Das
Durchschnittsalter lag bei 46 Jahren. Wegen einer positiven Schmerzanamnese wurden
1553 Patienten behandelt, bei 55 % handelte es sich dabei um ein Trauma, 34 % der
Patienten litten unter Brustschmerzen, 7 % unter abdominellem Schmerz, und jeweils
4 % wurden wegen Kopfschmerzen oder Schmerzen im Bewegungsapparat behandelt.
Die Schmerzstärke wurde mittels einer Verbalen Rating Scale (VRS IV) ermittelt.
Insgesamt wurden 54,5 % der Patienten, die mit Schmerzen von einem Notarzt
behandelt wurden, auch analgetisch versorgt.
Bei 1092 Patienten wurden keine Angabe zur Schmerzintensität gemacht aber 12% der
Patienten behandelt, 1779 (44 %) der Patienten gaben an, keine Schmerzen zu haben.
Behandelt wurden aber in dieser Gruppe 5,9 % mit einem Analgetikum. Von 521
Patienten mit leichten Schmerzen wurden 157 (30 %) therapiert. Während bei 115
Patienten mit mittelschweren Schmerzen 61 (53 %) behandelt wurden, erfuhren 509
Patienten mit schweren Schmerzen 406 (80 %) eine Schmerzmittelbehandlung.
Physikalische Maßnahmen spielten eine untergeordnete Rolle.
Die Zuordnung der Patienten in eine bestimmte Schmerzgruppe war abhängig vom
Fachgebiet des Notarztes, während die Therapie insbesondere schwerer Schmerzen
unabhängig vom Fachgebiet erfolgte. Die Dosierung wiederum war zwischen den
einzelnen Fachgebieten doch unterschiedlich. Während Allgemeinmediziner Patienten
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mit schweren Schmerzen mit höheren Dosen behandelten, dosierten vor allem Ärzte
nicht genannter Fachgruppen deutlich niedriger.
Es gab auch Unterschiede in der Anwendung der einzelnen Präparate. Dabei war
festzustellen, dass die einzelnen Fachgruppen bestimmte Medikamente bevorzugten.
Bei diesen Medikamenten korrelierte die Höhe der Dosierung mit der Anzahl der
Anwendungen. Ebenfalls fiel auf, dass die durchschnittliche Dosierung von Analgetika
im Laufe der Berufsjahre deutlich ansteigt. Fachärzte dosierten bei fast allen
Medikamenten höher als Weiterbildungsassistenten. Es bleibt also festzustellen, dass
die Sicherheit im Umgang mit einem Medikament die Höhe der Dosierung beeinflusst.
Betrachtet man die Vigilanz der Patienten, so gaben Nichtanästhesisten weniger
Schmerzmittel je schwerer sie die Erkrankung einschätzten und je geringer die Vigilanz
des Patienten war. Über die Hälfte der intubierten Patienten erhielten von
Nichtanästhesisten kein Analgetikum, während bei Anästhesisten jeder fünfte intubierte
Patient kein Schmerzmittel erhielt.
Eine Abhängigkeit der Schmerzmitteltherapie von der Behandlungszeit konnte nicht
nachgewiesen werden. Es scheint diesbezüglich bei den Notärzten im Landkreis keine
“Load and go“ Einstellung zu geben, sondern der akute Schmerz wird vor Ort behandelt.
Auf Grund der erhobenen Daten ergeben sich folgende Folgerungen für die Praxis:
1. Es ist richtig, dass die Notärzte, die ihr Medikament am besten kennen, dieses
auch einsetzen. Dieses Dosierungsverhalten verspricht die höchste
Patientensicherheit.
2. Bei der Schmerzanalyse ist der Einsatz einer kategorialen verbalen Rating-Skala
IV nicht ausreichend. Neurovegetative und nonverbale Befunde müssen
Beachtung finden.
3. Die Notärzte, insbesondere die Nichtanästhesisten sollten bemüht sein,
insbesondere schnellwirksame und hochpotente Analgetika besser kennen zu
lernen, damit ein sicherer Umgang damit entstehen kann.
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4. Mit Hilfe schnell wirksamer Analgetika sollte versucht werden, im Sinne einer
Patienten kontrollierten Analgesie (PCA) auch während eines Notarzteinsatzes
eine Analgesie durchzuführen. Gerade Medikamente mit einem schnellen
Wirkeintritt wie Ketamin, Fentanyl, Alfentanil oder Remifentanil eignen sich
hervorragend für einen solchen Einsatz. Auch besteht dadurch eine recht hohe
Patientensicherheit.
5. Um die Dosis von Opiaten zu reduzieren, lassen sich nichtsteroidale
Antiphlogistika (NSAID’s) einsetzen, wie dies ja schon – wenn auch aus anderen
Gründen- beim akuten Koronarsyndrom der Fall ist. Synergieeffekte könnten
sinnvoll genutzt werden.
6. Am Notarztwesen teilnehmende Notärzte müssen nicht nur sicher in der
Durchführung einer endotrachealen Intubation sein, sondern sollten auch
Grundkenntnisse von Narkosen besitzen. Eine Hospitation in einer
anästhesiologischen Abteilung wäre dafür nützlich. Die neuen Voraussetzungen
für die Zusatzbezeichnung Notfallmedizin fordern dies bereits, eine
Nachschulung wäre zu diskutieren.
7. Um ein einheitliches Vorgehen bezüglich der Analgesie in Notfallsituationen zu
erreichen, ist eine Standardisierung sinnvoll und notwendig. So sollte ein
einheitliches Konzept erarbeitet werden und allen tätigen Notärzten als
verbindlicher Leitfaden ausgehändigt werden.
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