beliebt ist, was wahrscheinlich auf das relativ geringe Nebenwirkungsprofil
zurückzuführen ist.
4.2.7 Einsatz von Ketamin
Das Hypnotikum Ketamin wurde in unserem Kollektiv von den Notärzten insgesamt bei
1,9 % aller Patienten eingesetzt (7 % aller verabreichten Analgetika). Das
Haupteinsatzgebiet war die traumatologische Patientenversorgung. Neurologen
applizierten signifikant häufiger Ketamin, gefolgt von Allgemeinmedizinern, während vor
allem Anästhesisten sich deutlich beim Einsatz von Ketamin zurückhielten. Beim
Dosierungsverhalten war ersichtlich, dass zwar die Neurologen Ketamin am häufigsten
anwendeten, jedoch deutlich niedriger dosierten, als Ärzte anderer Fachrichtungen,
während die Chirurgen im Durchschnitt am höchsten das Medikament dosierten. Eine
Abhängigkeit zwischen der Berufserfahrung und der Dosisstärke lässt sich in sofern
herstellen, als dass Weiterbildungsassistenten fast 20 % niedriger dosierten als
Fachärzte.
Berücksichtigt man, dass mehr als die Hälfte der behandelten Schmerzen
traumatologischer Ursache sind, lässt sich feststellen, dass Ketamin nicht als Mittel der
Wahl bei verletzten Patienten war. Vielmehr wurden Opiate und Metamizol zur
Schmerzbehandlung vorgezogen. Dies steht im Wiederspruch zu anderen
Untersuchungen, bei denen deutlich die Rolle von Ketamin in der Notfallmedizin
herausgestellt wurde. So gaben in einem Würzburger Kollektiv über 80 % der Notärzte
an, dass Ketamin angewendet werde. Entgegen unserer Erfahrung waren bei der
Würzburger Untersuchung vor allem die Anästhesisten und Chirurgen die Fachgruppe,
die Ketamin anwendeten (Kern, 1997).
In unserer Untersuchungsgruppe waren vor allem die Neurologen diejenigen, die
Ketamin am häufigsten anwendeten, aber auch in der niedrigsten Dosierung, und das
bei der längsten durchschnittlichen Behandlungszeit. Vergegenwärtigt man sich, dass
Ketamin bei einer intravenösen Verabreichung – und eine solche wird, wenn irgendwie
möglich, in der Rettungsmedizin angestrebt – eine durchschnittliche Wirkdauer von 15
Minuten hat, und betrachtet man dagegen die Transportzeit, die durchschnittlich in
Asbach - wo die Gruppe der Neurologen notärztlich tätig ist - 38 Minuten beträgt, so ist
75
bei einer normalen empfohlen Dosierung von 0,125 - 0,25 mg eine Analgesie während
der Behandlungszeit bei einem durchschnittliche Erwachsenen sehr schwer aufrecht zu
erhalten.
Wird hingegen bei einem kreislaufstabilen Patienten eine Analgesie mit einem
längerwirkenden Opioid durchgeführt, so reicht normalerweise die Zeit, bis der Patient
im Krankenhaus eintrifft mühelos aus, mit einem Einmalbolus eine Analgesie aufrecht
zu erhalten.
Vergleichende Untersuchungen von Marcus und Mitarbeitern (2000) zwischen Morphin
und Ketamin ergaben keine wesentlichen Unterschiede in der Analgesie zwischen
Morphin und Ketamin. Zusätzlich war die Inzidenz der Übelkeit in beiden Gruppen gleich
stark.
Vor diesem Hintergrund muss überlegt werden, ob die Indikation für Ketamin so eng
gefasst werden sollte, dass das Medikament nur bei kreislaufinstabilen Patienten
eingesetzt werden sollte. Eine weitere Indikation könnte bei Patienten sein, bei denen
der Schmerz so stark ist, dass bei einer Opioidtherapie eine Ateminsuffizienz riskiert
werden würde und eine Narkose aus verschieden Gründen der Patientensicherheit oder
Unsicherheit des Notarztes nicht durchgeführt werden kann.
Eine Analgesie mit Opioiden hat gegenüber der Kombination Ketamin/ Midazolam den
Vorteil, dass nur ein Substanz verwendet wird. Zusätzlich erfolgt der Transport in einer
- ohnehin für den Patienten stressigen - Situation unter einer leichten Euphorie,
während es bei Ketamin auch in der Kombination mit Midazolam zu heftigen
Traumerlebnissen kommen kann, die häufig auch Albtraumcharakter haben können. Da
es sich bei dieser Überlegung um Patienten handelt, die zwar starke Schmerzen haben,
die Schmerzen aber nicht so stark sind, dass dadurch eine Schocksituation entstanden
ist, ist es durchaus vertretbar, die etwas verlängerte Wirkzeit bis zum Einsetzen der
Wirkung eines Opioides in Kauf zu nehmen.
Aus diesen Überlegungen heraus kann man zu dem Schluss kommen, dass bei
traumatisierten Patienten, solange keine beeinträchtigende Kreislaufsituation oder
pulmonale Insuffizienz vorhanden ist, einer Analgesie mittels Opioiden der Vorrang
gegenüber Ketamin gegeben werden kann. Nicht zuletzt wurde Ketamin von den
Notärzten auch wesentlich seltener eingesetzt als Opioide.
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4.3 Einflussfaktoren auf die analgetische Therapie
4.3.1 Schmerzskala
Bei der Untersuchung der Patienten wurde die 4- punktige Schmerzskala zu Grunde
gelegt, die auf dem Notarztprotokoll zweimal vorhanden ist. Die Skala kann bei Beginn
eines Einsatzes und zum Ende eines Einsatzes ausgefüllt werden. Die auf dem
Notfallprotokoll gemachten Angabe waren bei fast dreiviertel aller Patienten von den
Notärzten ausgefüllt worden. Bei gut der Hälfte der Patienten, die notärztlich behandelt
wurden, lagen keine Schmerzen vor; ein Drittel der Patienten hatte Schmerzen, die in
der Schmerzskala zwischen leicht, mittel und Schwer einzustufen waren.
Bei dem Ergebnis der Untersuchung konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen
der Häufigkeit und Sorgfalt der Dokumentation sowie dem Auftreten von Schmerzen
gezeigt werden. Häufig wurden anscheinend Schmerzen nicht in dem Maße
dokumentiert, wie sie de facto der Patient empfand (vgl. Tab. 6.2).
Mit der Qualität der Dokumentation lässt sich eine Verbesserung der Anamnese
erzielen. Allerdings muss dies auch nicht zwangsläufig mit einer verbesserten Therapie
einhergehen. Die Gruppe der Ärzte ohne nähere Gebietsbezeichnung dokumentierte
häufiger Schmerzen, behandelte insgesamt aber deutlich seltener analgetisch.
Auf der anderen Seite war auffallend, dass auch Patienten mit recht hohen Dosen
analgetisch behandelt wurden, obwohl dezidiert dokumentiert war, dass kein Schmerz
vorlag.
Weiterhin war ersichtlich, dass bei den Algemeinmedizinern, die zwar seltener als
andere Schmerzen dokumentierten, häufiger und höher dosiert ein Analgetikum
eingesetzt wurde.
Es ist also auf der einen Seite deutlich ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von
dokumentierten Schmerzen zu erkennen und der Qualität der Dokumentation, auf der
anderen Seite aber auch, dass verbesserte Dokumentation nicht zwangsläufig mit einer
verbesserten Schmerztherapie korreliert, insbesondere wenn sich keine Konsequenz
durch den behandelnden Notarzt erkennen lässt.
Sicherlich ist es ein Problem, den Schmerz in einer Notfallsituation zu quantifizieren und
dann auch noch zu dokumentieren, so dass bei unserer Untersuchung auf eine visuell-
analoge-scale (VAS) verzichtet wurde.
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