Analgetische Therapie durch Notärzte im Rettungsdienst Eine retrospektive Analyse von 4045 Einsätzen unter besonderer Berücksichtigung der Facharztgruppen und patientenbezogener Parameter



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Vielmehr  handelt sich bei der Skala  um  eine Verbale Rating-Skala mit vier Punkten

(VRS   IV),   die   in   ihrer   Aussagekraft   immer   vom   Therapeuten   und   dem   Patienten

abhängig ist, beziehungsweise von der Kommunikation zwischen den beiden.

Die   Sensitivität   ist   jedoch   gegenüber   einer   visuell-analogen   Skala   geringer,   ebenso

können   Patienten,   die   entweder   die   Sprache   nicht   verstehen   oder   nicht   sprechen

können,   wie   z.B.   bei   einer   Aphasie,   keine   Schmerzen   angeben   (Ziegenfuss,   1996).

Obwohl die Sensitivität der verbalen rating scale (VRS) geringer ist, so besteht doch

immerhin eine hohe Korrelation zwischen vergleichenden Ergebnissen zwischen VAS

und VRS. Für den klinischen Gebrauch - und speziell den Gebrauch im Notarztwagen -

scheint die Schmerzmessung, wie sie in unserem Fall durchgeführt wird, ausreichend

und praktikabel (Briggs et al., 1999; Ricard-Hibon et al., 1997).

Eine Behandlung der Schmerzen erfolgte nicht in jedem Fall. Vielmehr war deutlich zu

erkennen,   dass   eine   Schmerzbehandlung   eher   bei   starken   Schmerzen   durchgeführt

wurde als bei mittelstarken oder leichten Schmerzen.

Selbst bei Patienten, die starken Schmerzen äußerten, wurde nicht zwangsläufig ein

Analgetikum   gegeben.   So   blieben   20   %   dieser   Patientengruppe   unbehandelt.   Noch

auffallender   war   die   Zurückhaltung   bei   Patienten   mit   mittelstarken   Schmerzen.   Hier

wurde nur die Hälfte der Patienten analgetisch behandelt. 

Insgesamt   gibt   es   wenig   vergleichende   Literatur   über   die   Qualität   präklinischer

Schmerztherapie in Anlehnung an Schmerzskalen. 

Ähnliche   hohe   Zahlen   von   nicht   analgetisch   behandelten   Patienten   konnten   auch

Hofmann-Kiefer   und   Mitarbeiter   (1998)   nachweisen,   die   von   35   %   unbehandelter

Patienten mit hohen Schmerzscores berichten.

Ricard-Hibon und MItarbeiter hingegen kommen 1997 zu einem ähnlichen Ergebnis wie

in unserer Studie. In einer Untersuchung über die notärztliche Versorgung der Stadt

Beaujeu   (Frankreich)   kommt   die   Gruppe   zu   dem   Schluss,   dass   nur   die   Hälfte   der

Patienten, die behandlungsbedürftige Schmerzen angaben  auch adäquat analgetisch

behandelt   wurden.   Es   wurde   die   gleiche   Beobachtung   gemacht   wie   bei   unserem

Patientengut: eine ausreichende Dokumentation bedeutet nicht automatisch auch eine

ausreichende Analgesie. Der Schmerz wurde zwar richtig evaluiert, aber unadäquat in

vielen Fällen behandelt (Kelly, 2000).

In einer großen amerikanischen Studie wird berichtet, dass weniger als zwei Prozent der

Patienten   mit   Frakturen   präklinisch   analgetisch   behandelt   wurden.   Hingegen   wird   in

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dieser Studie von einer deutlich höher Zahl an physikalischen Maßnahmen berichtet,

die präklinisch durchgeführt wurden, als die bei uns der Fall war (White et al., 2000).

In   unserer   Untersuchung   ist   anzunehmen,   dass   die   Zahl   der   Patienten,   die   mittels

physikalischer Maßnahmen behandelt wurden doch deutlich über derjenigen liegt, die

tatsächlich dokumentiert wurde. 

Die   Möglichkeit,   nach   erfolgtem   Einsatz   den   Erfolg   einer   Schmerztherapie   zu

dokumentieren, wurde nur sehr selten wahrgenommen. Insgesamt wurde bei 11,6 %

eine   erfolgreiche  Schmerztherapie  durchgeführt.   Aus  der  Studie   lässt   sich allerdings

nicht   eindeutig   ableiten,   ob   es   zu   keiner   Schmerzreduktion   durch   präklinische

Schmerzmittelversorgung   gekommen   ist,   oder   ob   die   positiven   Ergebnisse

unzureichend dokumentiert wurden. 

4.3.2 Glasgow-Koma-Skala

Gerade   durch   den   GCS,   der   eine   sehr   valide   Untersuchungsmethode   in   der

Notfallmedizin   darstellt,   lässt   sich   die   Schwere   einer   akuten   Erkrankung   einordnen

(Adams et al.,1999; Norwood et al.,2002; Sternbach, 2001).

Insgesamt wurden 3780 Angaben zum Glasgow-Coma-Scale (GCS) erfasst. Der größte

Teil   der   Patienten   lag   mit   einem   GCS   über   14   in   einem   Bereich,   in   dem   eine

ausreichende   Vigilanz   vorhanden   ist.   Auffallend   war   allerdings,   dass   die

Schmerzmitteldosierung   deutlich   von   der   Vigilanz   abhängig   war.   Insbesondere

Patienten die einen GCS zwischen 6 und 9 aufwiesen, erhielten im Vergleich zu den

anderen weniger Schmerzmittel (vgl. Abb. 31).

Vielmehr   ist   es   so,   dass   Patienten,   bei   denen   eine   ausreichende

Kommunikationsmöglichkeit zwischen dem Notarzt und dem Patienten besteht deutlich

mehr   Schmerzmittel   erhielten,   als   Patienten,   bei   denen   die   Vigilanz   deutlich

eingeschränkt war. Die höhere Zahl der Schmerzmitteldosierung im Bereich der schwer

vigilanzgestörten   Patienten   mit   einem   GCS   unter   6   lässt   sich   durch   die   Anzahl   der

durchgeführten Narkosen erklären.

Anhand  der erhobenen  Daten  kann  man nicht  eindeutig feststellen,  ob  die  niedriger

verabreichte   Schmerzmitteldosis   bei   Patienten   mit   einem   GCS   unter   15   darauf

zurückzuführen ist, dass der jeweilige Notarzt den Patienten, der “sich nicht meldet“,

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weniger gut versorgt, oder ob weniger Schmerzmittel benötigt wird. Die Korrelation von

0,62 jedenfalls spricht nicht für eine lineare Abhängigkeit der Schmerzmitteldosierung

vom  GCS.   Gerade  die  Gruppe  der schwer bewusstseingestörten   Patienten  korreliert

stark mit der Schwere der Erkrankung und der Prognose einer schweren Erkrankung

(Adams   et   al.,   1999;   Norwood   et   al.,   2002).   In   mehreren   Untersuchungen   wurde

herausgestellt,   dass   posttraumatische   Belastungsstörungen   auch   bei   Patienten

auftraten,   die   während   oder   in   Folge   des   Traumas   offensichtlich   bewusstlos   waren

(Capuzzo et al., 2001; Klein et al., 2003; Mayou et al., 2000; Turnbull et al., 2001).

Da   es   sich   bei   den   Patienten   mit   einem   GCS   unter   10   aber   über   3   um   eine

Patientengruppe handelt, bei denen ein Restbewusstsein vermutet werden muss oder

noch vorhanden ist, sollte gerade bei dieser Gruppe von Patienten eine ausreichende

Analgesie gegebenenfalls in Kombination mit einem Sedativum erfolgen. Ein Sedativum

alleine   scheint   jedenfalls   nicht   auszureichen,   eine   posttraumatischen

Belastungsreaktion zu verhindern oder abzumildern, weil das Schmerzempfinden auch

bei Bewusstlosen noch vorhanden ist (Capuzzo et al., 2001).

Auf   Grund   der   erhobenen   Datenlage   muss   also   in  Zweifel   gezogen   werden,   ob   die

Analgesie   insbesondere   bei   komatösen   Patienten   auch   wirklich   ausreichend   ist.

Vielmehr   lassen   sich   die   Daten   so   interpretieren,   dass   komatöse   Patienten   deutlich

weniger   Schmerzmittel   erhalten,   obwohl   sie   doch   gerade   zu   der   Patientengruppe

gehören, die im Laufe eines Notarzteinsatzes mit am meisten von einer ausreichenden

Analgesie profitieren würden. 

Es ist zu vermuten, dass der Schmerzsituation nicht ausreichend Beachtung geschenkt

wird,   insbesondere   weil   der   Patient,   da   er   somnolent   oder   komatös   ist,   sich   nicht

adäquat im Sinne der Verbalen Rating Scale (VRS) äußern kann. 

Hinsichtlich   dieser   Problematik   müssen   weitere   Indizes,   die   auf   eine   verstärkte

Schmerzsituation   hindeuten   zu   Rate   gezogen   werden,   wie   zum   Beispiel   die

Kreislaufsituation, die Mimik, die Lakrimation, die Schweißneigung. Also Faktoren, die

darauf hindeuten, dass der Patient sich in einer Stresssituation befindet.

In diesem Zusammenhang ist auch die Beobachtung unserer Studie zu sehen, dass die

Gruppe   der   Allgemeinmediziner   zwar   überdurchschnittlich   häufig   Narkosen

durchführten, aber unterdurchschnittlich häufig Schmerzmittel bei den durchgeführten

Narkosen   verwendete   (vgl.   Tab.   8).   Die   Gruppe   der   Ärzte   ohne   nähere

Gebietsbezeichnung setzte sogar bei den durchgeführten Narkosen kein einziges Mal

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