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Wie sehr ein Teil der Ökonomen von dem der Warenwelt anklebenden Fetischismus oder dem gegen-
ständlichen Schein der gesellschaftlichen Arbeitsbestimmungen getäuscht wird, beweist u. a. der lang-
weilig abgeschmackte Zank über die Rolle der Natur in der Bildung des Tauschwerts. Da Tauschwert eine
bestimmte gesellschaftliche Manier ist, die auf ein Ding verwandte Arbeit auszudrücken, kann er nicht
mehr Naturstoff enthalten als etwa der Wechselkurs.
Da die Warenform die allgemeinste und unentwickeltste Form der bürgerlichen Produktion ist, weswegen
sie früh auftritt, obgleich nicht in derselben herrschenden, also charakteristischen Weise wie heutzutag,
scheint ihr Fetischcharakter noch relativ leicht zu durchschauen. Bei konkreteren Formen verschwindet
selbst dieser Schein der Einfachheit. Woher die Illusionen des Monetarsystems? Es sah dem Gold und
Silber nicht an, daß sie als Geld ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis darstellen, aber in der Form
von Naturdingen mit sonderbar gesellschaftlichen Eigenschaften. Und die moderne Ökonomie, die vor-
nehm auf das Monetarsystem herabgrinst, wird ihr Fetischismus nicht handgreiflich, sobald sie das Kapi-
tal behandelt? Seit wie lange ist die physiokratische Illusion verschwunden, daß die Grundrente aus der
Erde wächst, nicht aus der Gesellschaft?
Um jedoch nicht worzugreifen, genüge hier noch ein Beispiel bezüglich der Warenform selbst. Könnten
die Waren sprechen, so würden sie sagen, unser Gebrauchswert mag den Menschen interessieren. Er
kommt uns nicht als Dingen zu. Was uns aber dinglich zukommt, ist unser Wert. Unser eigner Verkehr als
Warendinge beweist das. Wir beziehn uns nur als Tauschwerte aufeinander. Man höre nun, wie der Öko-
nom aus der Warenseele heraus spricht:
"Wert"(Tauschwert)"ist Eigenschaft der Dinge, Reichtum"(Gebrauchswert)"des Menschen. Wert
in diesem Sinn schließt notwendig Austausch ein, Reichtum nicht."[34] "Reich-
tum"(Gebrauchswert)"ist ein Attribut des Menschen, Wert ein Attribut der Waren. Ein Mensch
oder ein Gemeinwesen ist reich; eine Perle oder ein Diamant ist wervoll...Eine Perle oder ein
Diamant hat Wert als Perle oder Diamant."[35]
[34] "Value is a property of things, riches of man. Value, in this sense, necessarily implies ex-
change, riches do not."("Observations on some verbal disputes in Pol. Econ., particularly relating
to value, and to supply and demand", Lond. 1821, p. 16.)
[35] "Riches are the attribute of man, value is the attribute of commodities. A man or a commu-
nity is rich, a pearl or a diamond is valuable...A pearl or a diamond is valuable as a pearl or dia-
mond."(S. Bailey, l. c. p. 165 sq.)
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Bisher hat noch kein Chemiker Tauschwert in Perle oder Diamant entdeckt. Die ökonomischen Entdecker
dieser chemischen Substanz, die besondren Anspruch auf kritische Tiefe machen, finden aber, daß der
Gebrauchswert der Sachen unabhängig von ihren sachlichen Eigenschaften, dagegen ihr Wert ihnen als
Sachen zukommt. Was sie hierin bestätigt, ist der sonderbare Umstand, daß der Gebrauchswert der Dinge
sich für den Menschen ohne Austausch realisiert, also im unmittelbaren Verhältnis zwischen Ding und
Mensch, ihr Wert umgekehrt nur im Austausch, d. h. in einem gesellschaftlichen Prozeß. Wer erinnert
sich hier nicht des guten Dogberry, der den Nachtwächter Seacoal belehrt:
"Ein gut aussehender Mann zu sein ist eine Gabe der Umstände, aber lesen und schreiben zu kön-
nen kommt von Natur."[36]
[36] Der Verfasser der "Observations" und S. Bailey beschuldigen Ricardo, er habe den Tau-
schwert aus einem nur Relativen in etwas Absolutes verwandelt. Umgekehrt. Er hat die Schein-
relativität, die diese Dinge, Diamant und Perlen z. B., als Tauschwerte besitzen, auf das hinter
dem Schein verborgene wahre Verhältnis reduziert, auf ihre Relativität als bloße Ausdrücke
menschlicher Arbeit. Wenn die Ricardianer dem Bailey grob, aber nicht schlagend antworten, so
nur, weil sie bei Ricardo selbst keinen Aufschluß über den inneren Zusammenhang swischen
Wert und Wertform oder Tauschwert fanden.
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Der Austauschprozeß
Die Waren können nicht selbst zu Markte gehn und sich nicht selbst austauschen.
Wir müssen uns also
nach ihren Hütern umsehn, den Warenbesitzern. Die Waren sind Dinge und daher widerstandslos gegen
den Menschen. Wenn sie nicht willig, kann er Gewalt brauchen, in andren Worten, sie nehmen.[37] Um
diese Dinge als Waren aufeinander zu beziehn, müssen die Warenhüter sich zueinander als Personen ver-
halten, deren Willen in jenen Dingen haust, so daß der eine nur mit dem Willen des andren, also jeder nur
vermittelst eines, beiden gemeinsamen Willensakts sich die fremde Ware aneignet, indem er die eigne
veräußert. Sie müssen sich daher wechselseitig als Privateigentümer anerkennen. Dies Rechtsverhältnis,
dessen Form der Vertrag ist, ob nun legal entwickelt oder nicht, ist ein Willensverhältnis, worin sich das
ökonomische Verhältnis widerspiegelt. Der Inhalt dieses Rechts- oder Willensverhältnisses ist durch das
ökonomische Verhältnis selbst gegeben.[38] Die Personen existieren hier nur
[37] Im 12., durch seine Frömmigkeit so berufenen Jahrhundert, kommen unter diesen Waren oft
sehr zarte Dinge vor. So zählt ein französischer Dichter jener Zeit unter den Waren, die sich auf
dem Markt von Landit einfanden, neben Kleidungsstoffen, Schuhen, Leder, Ackergeräten, Häu-
ten usw. auch "femmes folles de leur corps"[1*] auf.
[38] Proudhon schöpft erst sein Ideal der Gerechtigkeit, der justice éternelle[2*], aus den der Wa-
renproduktion entsprechenden Rechtsverhältnissen, wodurch, nebenbei bemerkt, auch der für alle
Spießbürger so tröstliche Beweis geliefert wird, daß die Form der Warenproduktion ebenso ewig
ist wie die Gerechtigkeit. Dann umgekehrt will er die wirkliche Warenproduktion und das ihr ent-
sprechende wirkliche Recht diesem Ideal gemäß ummodeln. Was würde man von einem Chemi-
ker denken, der, statt die wirklichen Gesetze des Stoffwechsels zu studieren und auf Basis dersel-
ben bestimmte Aufgaben zu lösen, den Stoffwechsel durch die "ewigen Ideen" der "natu-
[1*] "Frauen mit feurigem Körper" – [2*] ewigen Gerechtigkeit
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füreinander als Repräsentanten von Ware und daher als Warenbesitzer. Wir werden überhaupt im Fort-
gang der Entwicklung finden, daß die ökonomischen Charaktermasken der Personen nur die Personifika-
tionen der ökonomischen Verhältnisse sind, als deren Träger sie sich gegenübertreten.
Was den Warenbesitzer namentlich von der Ware unterscheidet, ist der Umstand, daß ihr jeder andre Wa-
renkörper nur als Erscheinungsforn ihres eignen Werts gilt. Geborner Leveller und Zyniker, steht sie da-
her stets auf dem Sprung, mit jeder andren Ware, sei selbe auch ausgestattet mit mehr Unannehmlichkei-
ten als Maritorne, nicht nur die Seele, sondern den Leib zu wechseln. Diesen der Ware mangelnden Sinn
für das Konkrete des Warenkörpers ergänzt der Warenbesitzer durch seine eignen fünf und mehr Sinne.
Seine Ware hat für ihn keinen unmittelbaren Gebrauchswert. Sonst führte er sie nicht zu Markt. Sie hat
Gebrauchswert für andre. Für ihn hat sie unmittelbar nur den Gebrauchswert, Träger von Tauschwert und
so Tauschmittel zu sein.[39] Darum will er sie veräußern für Ware, deren Gebrauchswert ihm Genüge tut.
Alle Waren sind Nicht-Gebrauchswerte für ihre Besitzer, Gebrauchswerte für ihre Nicht-Besitzer. Sie
müssen also allseitig die Hände wechseln. Aber dieser Händewechsel bildet ihren Austausch, und ihr
Austausch bezieht sie als Werte aufeinander und realisiert sie als Werte. Die Waren müssen sich daher als
Werte realisieren, bevor sie sich als Gebrauchswerte realisieren können.
Andrerseits müssen sie sich als Gebrauchswerte bewähren, bevor sie sich als Werte realisieren können.
Denn die auf sie verausgabte menschliche Arbeit zählt nur, soweit sie in einer für andre nützlichen Form
verausgabt
ralié"[1*] und der "affinité"[2*] ummodeln wollte? Weiß man etwa mehr über den "Wucher",
wenn man sagt, er widerspreche der "justice éternelle" und der "équité éternelle"[3*] und der
"mutualité éternelle"[4*] und andren "vérités éternelles"[5*], als die Kirchenväter wußten, wenn
sie sagten, er widerspreche der "grâce éternelle", der "foi éternelle", der "volonté éternelle de
dieu"[6*]?