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der der Konflikt entstanden ist. Die hierarchische Entscheidung ist so in vielen
Fällen von politischen Erwägungen getragen; sie ist keine ExpertInnen-
Entscheidung, keine Problemlösung.
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Auswirkungen von Sieg und Niederlage
Die unterlegene Gruppe ist frustriert und demotiviert. Ihre Kohäsion nimmt stark ab.
Die offiziellen Vorgesetzten verlieren an Autorität, die informellen werden unter
Umständen abgesetzt. Zu neuen informellen FührerInnen werden solche gekürt,
die schon immer stärker von den offiziellen Normen abwichen. Die Realisierung der
Lösung wird torpediert.
Nehmen wir an, die oben als Beispiel angeführte Organisationsabteilung hätte
sich mit ihrem Konzept eines zentralen Schreibpools in einer Gewinner-Verlierer-
Situation durchgesetzt. Die opponierenden Abteilungen und SekretärInnen würden
alles daran setzen zu demonstrieren, daß ein solcher Schreibpool nicht funk-
tionieren kann. Die siegreiche Abteilung erfreut sich ihres Erfolges und ihres
Machtzuwachses. Ihre Neigung, sich um Problemlösungen zu bemühen, nimmt ab.
Erfolgskonzepte durchzusetzen ist einfacher, ob sie passen oder nicht. In beiden
Parteien festigen sich die jeweils negativen Bilder von der anderen Partei. Neue
Konflikte werden vielleicht weniger heftig ausgetragen, weil die Machtunterschiede
größer geworden sind. Problemlösungen werden es aber kaum sein.
7.2.2.
Rückzug und Isolation
Unter Umständen gelingt es Abteilungen, sich von anderen, zu denen konfliktreiche
Beziehungen bestehen, abzukoppeln. Die Interdependenzen werden soweit wie
möglich programmiert und normiert. Tiefgreifende Probleme werden nicht thematisiert.
Wenn es geht, versucht man sich durch den Erwerb eigener Ressourcen von an-
deren Abteilungen unabhängig zu machen. Man schafft sich einen kleinen eigenen
Computer an, um nicht von der EDV-Abteilung abhängig zu sein und Konflikte mit ihr
austragen zu müssen; man schafft sich ein eigenes kleines Labor an, um nicht vom
zentralen Labor abhängig zu sein, man stellt eine/n eigene/n MaschinenschlosserIn
ein, um nicht von der Instandhaltungsabteilung abhängig zu sein.
Diese Strategie führt zu schlecht abgestimmten Teillösungen und zu nicht ausge-
nutzten Doppelkapazitäten. Es ist eine kostspielige Strategie. Deshalb wird sie in
Zeiten der Mittelknappheit kaum aufrecht erhalten werden können, zumindest in
privatwirtschaftlichen Organisationen.
7.2.3.
Verhandlung, Kompromiss, Teilen des Streitwertes
Diese Strategie wird durch das folgende Beispiel umrissen: Die Zentrale eines großen
Konzerns kam auf der Basis einer von ihr durchgeführten Analyse zu dem Schluss,
daß das Personal in einem bestimmten Werk um 25 % reduziert werden könnte. Eine
von diesem Werk selbst durchgeführte Studie erbrachte das Ergebnis, dass
höchstens 10 % einzusparen seinen. Nach längeren Verhandlungen, in denen auch
nicht geklärt werden konnte, welches die „wahre Größe“ ist, einigte man sich auf 16
% Personaleinsparungen.
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Diese Konfliktlösungsstrategie geht von der Annahme aus, dass es die beste Lösung
für ein Problem nicht gibt, daß man immer Lösungen aushandeln kann,
die für beide
Seiten akzeptabel sind, dass es mehr bringt, die Wünsche der beteiligten Parteien
soweit wie möglich zu befriedigen, als dem Problem auf den Grund zu gehen, um die
beste Lösung zu finden.
Der Vorteil dieser Strategie ist, dass die beschriebenen negativen Folgen der Gewin-
ner-Verlierer-Situation vermieden werden. Mitunter ist ein Kompromiss auch relativ
schnell gefunden.
Es kann sich jedoch herausstellen, dass der gefundene Kompromiß die wirklichen
Probleme ungelöst lässt, dass die eigentlichen Schwierigkeiten nicht behoben werden
und dass sich neue einstellen.
7.2.4.
Beispiel einer Konfliktbearbeitung (Ablaufschritte)
Im folgenden soll skizziert werden, wie eine Problemlösung aussehen kann. Um diese
Skizze konkret zu gestalten, wollen wir wieder das Beispiel der Organisationsab-
teilung bemühen, die mit der bestehenden Schreibdienstorganisation unzufrieden ist.
1. Die Abteilungen einigen sich auf die Definition des Problems und legen
die Ziele für die Problemlösung fest.
In unserem Beispiel könnten sich die Fachabteilungen und die Organisations-
abteilung zusammensetzen, um gemeinsam einen Konsens über Mängel in der
bestehenden Schreibdienstordnung herzustellen. Man könnte sich darauf einigen,
daß eine Schreibdienstorganisation zu schaffen ist, die die Qualität und Quantität
des gefertigten Schriftgutes erhöht und die spezifischen Anforderungen der Fach-
abteilungen besser als der bisherige Schreibdienst berücksichtigt.
Wichtig ist, dass sich die beteiligten Abteilungen in diesem frühen Stadium der
Konfliktlösung nicht auf bestimmte Lösungskonzepte festlegen.
2. Die beteiligten Abteilungen einigen sich auf Methoden, mit denen der Ist-
Zustand analysiert werden soll.
In unserem Beispiel müssen sich die Organisations- und Fachabteilungen über
Interviewleitfäden, über Auswertungen des Schriftgutes und über andere Metho-
den der Ist-Analyse einigen.
3. Die beteiligten Abteilungen evaluieren gemeinsam die Ergebnisse der
Ist-Analyse.
Sie versuchen, Konsens darüber herzustellen, welche Mängel vorliegen und wel-
che Ursachen für diese Mängel verantwortlich zu machen sind.
4. Die beteiligten Abteilungen entwickeln gemeinsam Alternativen.