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Ziel ist es, möglichst viele Alternativen zu entwickeln. Um wieder auf unser
Beispiel zurückzukommen: Zwischen einem Schreibpool und Abteilungssekre-
tärInnen gibt es viele Zwischenformen von Schreibdiensten: kleine dezentrale
Schreibgruppen, duale Schreibdienste, die sowohl dezentrale SekretärInnen als
auch einen kleinen zentralen Schreibpool umfassen usw. Alle diese Alternativen
wären als Grobkonzepte zu konkretisieren.
5. Die Abteilungen bewerten gemeinsam die entwickelten Alternativen im
Hinblick auf die vereinbarten Ziele und einigen sich auf ein zu realisieren-
des Konzept.
Die Vorteile dieser Konfliktlösungsstrategie liegen auf der Hand: Jede Abteilung
trägt ihr spezifisches Wissen zur Lösung bei. Ein breiter Lösungsraum wird aus-
gelotet. Die gefundene Lösung wird als gemeinsames Produkt betrachtet, mit dem
sich beide Abteilungen identifizieren. Beide Abteilungen bleiben motiviert: die
geschilderten negativen Effekte von Machtkämpfen stellen sich nicht ein.
Warum, so fragt man sich nun, trifft man in Organisationen so selten auf Pro-
blemlösungen zwischen Abteilungen und so oft auf Gewinner-Verlierer-Situationen,
wenn die erste Strategie so viel besser ist? Es liegt vor allem daran, daß Pro-
blemlösungen hohe Anforderungen an die Organisation und an die Beteiligten
stellen, die nicht so einfach zu erfüllen sind:
• Die Beteiligten müssen sich vorurteilsfrei begegnen. Streben nach Machtgewinn
darf nicht ihr Handeln bestimmen und sie müssen sogar auf den Gebrauch
vorhandener Macht verzichten. Diese Anforderung ist fast übermenschlich -
zumindest „überorganisations-menschlich“.
• Sie müssen viel Zeit aufbringen können. Wer kann sich aber in dem erforder-
lichen Maße in Organisationen von Routineaufgaben freimachen?
• Sie müssen fachliche Kommunikationsbarrieren überwinden. Um unser Beispiel
noch einmal zu strapazieren: Die Mitglieder der Fachabteilung müssen in die Ter-
minologie und in die Methoden der Organisation eindringen; die Organisato-
rInnen müssen die fachlichen Probleme der Fachabteilung verstehen. Große
Know-How-Defizite sind auf beiden Seiten zu überwinden.
• Sie müssen zu hierarchiefreier, kreativer Teamarbeit fähig sein. Nach einer lan-
gen Zeit der Sozialisation zu Einzelkämpfern in Kindergarten, Schule, Universität
und Beruf fällt das den meisten Menschen sehr schwer.
Da diese Voraussetzungen in Organisationen sehr schwer zu erfüllen sind, ist die
Problemlösungsstrategie sehr selten zu beobachten. Eine „reine“ Problemlösungs-
strategie gibt es ohnehin nicht. Jeder Konflikt enthält Elemente des Machtkampfes, der
Isolation und Rückzuges. Es kommt aber darauf an, bei wichtigen Problemen
möglichst viele Elemente der Problemlösung zu realisieren. Wie aber kann dies
bewerkstelligt werden?
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7.2.4.1.
Organisationale Maßnahmen zur Förderung der
Problemlösung als Konfliktlösungsstrategie
Um Vorurteile von Abteilungen gegen andere Abteilungen abzubauen, kann die Or-
ganisation Techniken der Organisationsentwicklung einsetzen. Vor allem wird zu die-
sem Zweck die Technik der Konfrontationssitzung angewandt. Sie läuft in folgen-
den Schritten ab:
1. Ein/e neutrale/r BeraterIn (Drittpartei) gewinnt die Zustimmung der beiden
betroffenen Gruppen zu einer gemeinsamen Problembearbeitung.
2. Ein gemeinsames Treffen außerhalb der Alltagsroutine wird vereinbart.
3. Der/der BeraterIn und der/die ManagerIn der jeweiligen Gruppe beschreiben
Ziel und Zweck der Veranstaltung. Sie weisen darauf hin, dass es vor allem
um die Verbesserung der Intergruppen-Beziehungen geht. Danach soll jede
Gruppe folgende oder ähnliche Fragen beantworten:
• Welche Eigenschaften charakterisieren am besten unsere Gruppe?
• Welche Eigenschaften charakterisieren am besten die andere Gruppe?
• Wie glauben wir, beschreibt uns die andere Gruppe?
4. Die beiden Gruppen diskutieren und beantworten die Fragen in getrennten
Räumen. Der/die BeraterIn ermuntert sie zu möglichst offener, freizügiger Dis-
kussion.
5. In der anschließenden gemeinsamen Sitzung trägt jeweils ein/e Gruppen-
sprecherIn die Antworten vor. Es sind lediglich Informationsfragen erlaubt, kei-
ne Wertungen oder Rechtfertigungen.
6. Danach trennen sich die beiden Gruppen wieder.
7. Die
aufgetretenen
Beurteilungsunterschiede
und Wahrnehmungsverzerrungen
werden konstruktiv bearbeitet, d.h. sie werden nicht als falsch oder richtig
bewertet, sondern als Fakten hingenommen, und es wird nach den Ursachen
für deren Entwicklung und nach Lösungen für die Probleme gesucht.
8. In der anschließenden gemeinsamen Sitzung werden die Unterschiede und
Gemeinsamkeiten erörtert und die jeweiligen Lösungsstrategien diskutiert. Eine
Liste der ungelösten Probleme wird erstellt.
9. Die beiden Gruppen beschließen nun über konkrete Aktionen und Vorgehens-
weisen zur Verbesserung der Intergruppen-Beziehungen.
10. Ein Termin für eine gemeinsame Evaluationssitzung wird vereinbart, auf der
die bisherigen Bemühungen beurteilt und neue Maßnahmen eingeleitet wer-
den.
Um das Problem zu überwinden, dass die Problemlösung von Routineproblemen
verdrängt wird, kann die Organisation Projektgruppen einrichten, die außerhalb der
bestehenden Hierarchie arbeiten. Diese Gruppen sind mit Vertretern der be-