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10. Kooperationsentwicklung als
Konfliktmanagementstrategie
rundlage für die Theorie der Kooperationsentwicklung nach Axelrod ist ein
Computerturnier, dem eine Variante des sogenannten „Gefangenendilemmas“
als Ausgangspunkt diente.
10.1.
Gefangenendilemma (Variante)
Spiel mit 2 SpielerInnen, von denen jede/r 2 Entscheidungsmöglichkeiten hat, nämlich
zu kooperieren oder nicht zu kooperieren. Jeder muss eine Wahl treffen, ohne zu wis-
sen, wie sich der/die andere verhalten wird.
Das Dilemma liegt darin, dass es für jede/n SpielerIn, unabhängig vom Verhalten
des/der anderen vorteilhafter ist, zu defektieren (auszubeuten oder zu übervorteilen),
dass jedoch beiderseitige Defektion für jeden Spieler ungünstiger ist als wechsel-
seitige Kooperation.
Es wird angenommen, dass die Belohnung für wechselseitige Kooperation größer ist
als der durchschnitt aus der Versuchung des Übervorteilens und Ausbeutung des
Opfers.
• Belohnungsregel
Defektion 5
Pkt.
Kooperation
3 Pkt.
beidseitige Defektion
1 Pkt. für jede/n
• Schema
A (Verhalten) Pkt. Pkt. B (Verhalten)
Defektion 5
0 Kooperation
Kooperation 3
3
Kooperation
Defektion 1
1
Defektion
Kooperation 0
5 Defektion
• Ordnung
T = Erfolgreicher Versuch zu defektieren (5)
S = Auszahlung des Opfers (0)
R = Belohnung für Kooperation (3)
P = Strafe für wechselseitige Defektion (1)
G
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• Rangfolge T > R > P > S
Das Gewicht (oder die Bedeutung) des nächsten Zuges relativ zum nächsten lau-
fenden wird w genannt. W = Diskontparameter (w ist somit ein Parameter für die Be-
deutung der Zukunft, des zukünftigen Verhaltens)
Wird das Spiel über eine bekannte endliche Anzahl von Durchgängen gespielt, ha-
ben die SpielerInnen keinen großen Anreiz zu kooperieren. Gegen Ende des Spiels
wird jede/r versuchen, möglichst hohe Auszahlungen durch erfolgreiche Defektion zu
erhalten.
Bei einer unbestimmten Anzahl von Interaktionen kann Kooperation entstehen, d.h.
wenn die Zukunft nicht absehbar ist, kann es unter bestimmten Voraussetzungen
langfristig günstiger sein zu kooperieren, als durch gegenseitige Defektion ständig zu
verlieren.
• Weitere Regeln (des Computerturniers)
• Die einzige Information über den jeweiligen Partner, die zur Verfügung steht, ist
die Vergangenheit (Geschichte) der bisherigen Interaktion.
• Es gibt kein Mittel, den anderen Spieler zu beseitigen (töten) oder die
Interaktion zu verlassen.
• Es gibt keine Möglichkeit, die Belohnungsregel (Moral der Geschichte) zu
verändern.
• Es existiert keine feste Regel unabhängig der, die der andere Spieler
verwendet.
„Anders als beim Schach kann ein Spieler beim Gefangenen-
dilemma nicht sicher annehmen, dass der andere ihn schlagen will.“
(Axelrod)
10.1.1.
Tit for Tat
Programmschema (vereinfacht)
1 Schritt 1 kooperieren
2 Schritt 2 tue was Dein Gegenüber tut
„Der verblüffende Tatbestand ist der, dass kein einziges der
komplexen Programme, die eingereicht wurden, in der Lage war,
seine Aufgabe so gut zu erfüllen, wie das einfache Original (Tit for
Tat). Überraschender Weise gibt es eine einzige Eigenschaft, mit
der relativ erfolgreiche von erfolglosen TeilnehmerInnen unter-
schieden werden können. Diese Eigenschaft besteht darin, freund-
lich zu sein, d.h. nicht als erste/r zu defektieren.“
(Axelrod)
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Freundliche Regeln kooperieren praktisch von Anfang bis zum Ende des Spiels und
erreichen dabei kontinuierlich sichere Auszahlungen. „Spekulationsprogramme“, die
auf eine Wahrscheinlichkeit des Verhaltens des Gegenüber setzen, kriegen Prob-
leme, wenn sie annehmen, dass der andere von vornherein nicht kooperativ ist. (Ge-
winner-Verlierer-Schema). Sie werden meist bestraft und geraten in eine Negativkette
von Defektionen.
Kalkül zu Beginn einer Beziehung als Strategie schafft also Probleme. Wichtig ist in
dem Zusammenhang, dass Schritt 2 Nachsicht beinhaltet. Wenn ein Spieler nach
einer Reihe von Defektionen wieder kooperiert, lässt diese Regel die Vergangenheit
auf sich beruhen.
Hinterlist macht sich auf die Dauer auch nicht bezahlt, weil es zu Echoeffekten ver-
anlasst, welche zu ständigen Defektionen führen. Schritt 1 des Programmes
signalisiert darüber hinaus Optimismus, d.h. es steigt in eine Begegnung
grundsätzlich freundlich ein, in der Annahme, das Gegenüber sei ebenso eingestellt.
Ganz allgemein kann man festhalten, daß Tit for Tat deshalb so erfolgreich war, weil
alle anderen im Hinblick auf ihren eigenen Vorteil zu sehr auf Wettbewerb (Sieger-
Verlierer) eingestellt waren.
„Beruht nämlich der Erfolg einer Entscheidungsregel auf ihrer Fähig-
keit zur Ausbeutung anderer Regeln, dann wird durch das Aus-
sterben der ausgebeuteten Regeln das Fundament für den Aus-
beuter selbst untergraben und es teilt schließlich deren Schicksal.“
(Axelrod)
10.2.
Grundlagen der Kooperationsentwicklung
Kooperation ist nicht deshalb eine erfolgreiche Taktik, weil man andere besiegt,
sondern weil sie ein Verhalten auslöst, welches allen Beteiligten ermöglicht, gut
abzuschneiden.
• Basis für die Entwicklung von Kooperation ist die Gegenseitigkeit.
(Leben und leben lassen)
Heute gehen Staaten ohne zentrale Kontrollinstanz miteinander um. Deshalb sind
die Bedingungen für die Entstehung von Kooperation bedeutsam für viele zentrale
Fragen der internationalen Politik. Das wichtigste Problem ist das Sicherheits-
dilemma: Staaten verwenden für ihre eigene Sicherheit häufig solche Mittel, die die
Sicherheit anderer bedrohen. Dieses Problem taucht bei eskalierenden lokalen
Konflikten und beim Rüstungswettlauf auf.
•
Die Verfolgung individueller Interessen ist Teil der Entstehung von
Kooperation.
Selbst unter lauter Egoisten setzt sich Kooperation als mittel- und langfristige
Strategie durch. Ein starkes Ego stützt sogar die Stabilität von Kooperation, weil