Mitteleuropa zwischen Ost und West Kosmische und menschliche Geschichte Sechster Band



Yüklə 0,84 Mb.
səhifə12/23
tarix01.08.2018
ölçüsü0,84 Mb.
#60482
1   ...   8   9   10   11   12   13   14   15   ...   23

Was ist denn das wesentlichste Kennzeichen dieses traumartigen Bewußtseins der alten Atlantier? Das wesentlichste Kennzeichen ist, daß die Menschen, die damals lebten - verzeihen Sie, wenn das, was ich sage, materialistisch ausschaut; aber das Materialistische erkennt man eben nur dann, wenn man es beherrscht, wenn man weiß von den Impulsen des Geistigen -, so lebten, daß mit ihrem seelischen Leben ihr Ernährungs-, ihr Essensleben in einer sehr nahen Beziehung stand. Sie können ja natürlich dann einwenden: Nun, eine genügend nahe Beziehung herrscht schon auch zwischen dem Seelenleben manches Menschen der Gegenwart und demjenigen, was er ißt! - Das ist alles richtig, wir wissen, daß ein großer Teil der gegenwärtigen Menschheit das Essen keineswegs unterschätzt. Es braucht das auch nicht als ein Vorwurf an sich schon bezeichnet zu werden. Aber der Unterschied zwischen dem inneren Erleben beim Schmecken einer Speise, dem Wohlgefühl, das ein heutiger Mensch empfindet, wenn er die Speise mit

sich leiblich verbindet, und dem inneren Erleben der atlantischen Menschheit in der Zeit, von der ich jetzt spreche, ist doch ein großer. Der atlantische Mensch aß, er aß diese oder jene Speise; er nahm also diese oder jene Stoffe zu sich, und indem er sie mit seinem leiblichen Dasein verband, ging in seinem Bewußtsein eine Erkenntnis davon auf, von welchen Elementargeistern dieser Stoff durchdrungen ist. Er schlang also nicht so wie der gegenwärtige Mensch mit großer Bewußtlosigkeit den Stoff hinunter, sondern war sich bewußt, welche Elemen-targeistigkeiten er mit sich vereinte, indem er den Stoff mit seinem leiblichen Dasein verband. Der Stoffwechsel war damals zu gleicher Zeit ein Geistes Wechsel, ein Elementargeister Wechsel.

Es war so, daß man die Stoffe bezeichnen konnte als Träger dieser oder jener elementargeistigen Impulse oder sogar Wesenheiten, daß man fühlte, es gehen mit dem Essen geistige Kräfte in einen hinein, und daß man fühlte, indem man verdaute: es arbeiten geistige Impulse in einem. So einer setzte sich nicht bloß hin und verdaute wie ein gegenwärtiger Mensch, sondern fühlte sich leiblich durchdrungen von diesen oder jenen Elementargeistern, so daß ein Materialismus, wie er heute herrscht, in der damaligen Zeit eigentlich gar nicht möglich war. Man konnte gar nicht sagen, man glaube nur an die Sterblichkeit des Daseins, denn man aß ja die geistigen Impulse, sie durchwallten einen, indem man verdaute. Man brauchte gewissermaßen, um Antimateria-list zu sein, nur zu essen. Und das Hinuntergehen in die Dumpfheit des Unbewußtseins, das ist wesentlich eine Errungenschaft dieses fünften atlantischen Zeitraumes. Das Essen und Verdauen wurde gewissermaßen ungeistiger; es blieb aber immer noch etwas im sechsten atlantischen Zeitraum, was noch geistiger war: das war das Atmen.

Wenn heute der Mensch einatmet oder ausatmet, so kommt ihm zum Bewußtsein, daß er die Luft ein- oder ausatmet; wenigstens sagt es ihm so der Chemiker. Dazumal war nicht dies bloß im Bewußtsein, sondern es war - das hielt noch im ganzen sechsten atlantischen Zeitraum an - dem Menschen klar: mit der eingeatmeten Luft nahm er elementargeistige Kräfte ein, und mit der ausgeatmeten atmete er elementargeistige Kräfte aus. Das Atmen wurde von vornherein durch das, was es eben war, als ein geistig-seelischer Vorgang, nicht nur als

ein körperlich-leiblicher Vorgang angesehen. Und im letzten atlantischen Zeitraum nahm dann etwas ab, was bis dahin geblieben war, was später eigentlich nur noch in der Erinnerung lebte: Indem man Töne hörte, Farben sah, war man sich klar, daß in dem Tone, den man hörte, in der Farbe, die man sah, Geistiges lebte, daß geistige Kräfte ins Auge drangen, wenn man Farben sah, und geistige Kräfte in das Innere drangen, wenn man Töne hörte. Diese Dinge sind alle im dumpfen Bewußtsein der damaligen Zeit vorhanden gewesen. Die Menschen haben sich das hellere Bewußtsein erobert, aber auf Kosten ihres geistigeren Bewußtseins haben sie die Durchgeistigtheit ihres Wechselverkehrs mit der äußeren Welt aufgeben müssen. Jede Epoche hat eben ihre besondere Eigentümlichkeit. So wie der einzelne Mensch Lebensalter durchmacht und die Lebensalter in bezug auf leibliche und seelische Beschaffenheit verschieden sind, so macht eben auch die ganze Menschheitsentwickelung Zustände durch, und die späteren Entwicke-lungszustände sind verschieden von den früheren. Es wäre töricht, wenn ein Mann zwischen fünfzig und sechzig Jahren glauben würde, daß das, was sein leiblich-geistiges Dasein ist, wieder zurückrufen sollte sein Dasein zwischen dem zehnten und zwanzigsten Jahre, wie es töricht wäre, wenn man nicht unterscheiden würde zwischen den verschiedenen Lebensaltern in ihren Qualitäten. Töricht ist es, zu glauben, daß dasjenige, was in einer späteren Lebensentwickelungsepoche das Artgemäße ist, auch so war in einer früheren. Die Dinge kehren niemals wieder, und sie sind in aufeinanderfolgenden Lebensaltern verschiedener als man denkt.

Ich habe mir nun angelegen sein lassen, gerade etwas zu erfahren über die Lebensalter der Menschen in der nachatlantischen Zeit. Derjenige, der bloß von Analogien ausgeht, der kann ja auch auf die Entwickeln g der Menschheit hinblicken, dann wird er sich sagen: Wie der einzelne Mensch durchmacht Kindheit, Jugend, Mannheit, Alter, so wird es auch die Menschheit durchmachen. Wenn man aber auf die wirkliche Beobachtung, auf die wirklichen Tatsachenverhältnisse eingeht, so stimmt das nicht. Man kann einfach diese Analogien nicht zugrunde legen, und nur, wenn man es ernst meint mit der Geistesforschung, dann findet man, was eigentlich zugrunde liegt. Und da hat

sich mir denn herausgestellt, daß etwas ganz anderes zugrunde liegt als das, was man vielleicht so bezeichnen könnte, daß man sagt, wie der einzelne Mensch, so mache auch die Menschheit Jugend, Mannbarkeit und Alter durch. - Das ist nicht richtig. Es hat sich mir herausgestellt, daß die Menschheit in der ersten nachatlantischen Kulturperiode, der urindischen, in einem gewissen Lebensalter allerdings war, aber in einem Lebensalter, das sich nicht mit der Jugend vergleichen läßt, sondern das sich vergleichen läßt mit dem individuellen menschlichen Lebensalter vom sechsundfünfzigsten bis zurück zum neunundvierzigsten Lebensjahr. Wenn man also das Alter von dazumal für die ganze Menschheit mit dem Lebensalter des einzelnen Menschen vergleichen will, muß man es nicht mit der Jugendperiode, sondern mit diesem reiferen Lebensalter vergleichen. Dann kommt die urpersische Kulturperiode. Da macht die Menschheit, indem sie sich weiter entwickelt, ein Lebensalter durch, das nun, wenn man es vergleichen will mit einem Lebensalter des einzelnen, dem vom neunundvierzigsten bis zum zweiundvierzigsten Lebensjahre entspricht. Der Mensch wird älter, die Menschheit wird jünger. Der ägyptische Zeitraum muß verglichen werden beim Einzelmenschen mit dem Lebensalter zwischen dem zweiundvierzigsten und fünfunddreißigsten Lebensjahr. Der griechisch-römische Zeitraum muß verglichen werden mit dem Lebensalter des einzelnen zwischen dem fünfunddreißigsten und achtundzwanzigsten Lebensjahre, und die jetzige fünfte nachatlantische Kulturperiode ist vergleichbar mit dem Lebensalter des Menschen vom achtundzwanzigsten bis einundzwanzigsten Jahre. Und wenn wir fragen: Wie alt ist die jetzige Menschheit? - so müssen wir antworten: Sie hat ein Alter von ungefähr siebenundzwanzig Jahren. Und nur dann versteht man alles das, was sich innerhalb der Menschheit zugetragen hat, wenn man dieses merkwürdige Geheimnis der Entwickelung vor seine Seele hintreten läßt. Denn so verhält sich die Sache wirklich.

Das aber hat ganz bestimmte Folgen, hat ganz bestimmte Wirkungen in bezug auf das Erleben der Menschen. Was heißt denn: In der ersten nachatlantischen Kulturperiode war die ganze Menschheit in einem Alter von sechsundfünfzig bis neunundvierzig Jahren? Das heißt: der einzelne Mensch machte selbstverständlich das durch, daß er zu-

erst ein, zwei, drei Jahre alt wurde; aber das Grundhafte der Menschheit, in das der einzelne sich hineinlebte, was die ganze Menschheit umfaßte, bot etwas dar, was der individuelle Mensch erst erlebt zwischen dem neunundvierzigsten und sechsundfünfzigsten Lebensjahr. Daher kommt auch in dieser Zeit so viel vor von ursprünglichem, elementarischem Wissen der Menschheit, das wir bewundern können, weil die ganze Menschheit so alt war, und weil man hineinwuchs in eine so alte Menschheit. Man nahm als junger Dachs von fünfundzwanzig Jahren mit der Menschheitsaura dasjenige auf, was weisheitsvoll ist, wie wenn es von einem älteren Menschen kommt. Das Weisheitsvolle war über die ganze Menschheit ausgegossen. Man nahm auch moralisch in dieser Weise auf, indem man dasjenige schätzte, in das man hineinwuchs wie in die Menschheitsaura, so wie man ein grau gewordenes Haupt schätzt deshalb, weil es grau geworden ist. Und so war ausgegossen über dem menschlichen Kulturleben ein Gefühl der Andacht und Pietät, das selbstverständlich war. Es hatte das die weitere Folge, daß man mit seiner individuellen Entwickelung hinauswuchs über das, was Gemeingut der Menschheit war, erst nachdem man sechsundfünfzig Jahre alt geworden war. Erst dann konnte man von einer eigenen Entwickelung reden, dann erst konnte man sich individuell herausheben aus dem Untergrund desjenigen, was einem von außen zufloß. Allerdings kamen damals viele Menschen nicht dazu, eine der Lebensperiode zwischen dem neunundvierzigsten und sechsundfünfzigsten Lebensjahre entsprechende innere Entwickelung durchzumachen. Dann wurden sie wie Kinder angesehen, fühlten sich auch wie Kinder, die um sich herum spüren den geistigen Inhalt des Menschheitsalters.

Der nächste Zeitraum, der urpersische, brachte schon nicht mehr solch hohe Offenbarungen und Kulturimpulse, wie sie die weisen Väter im ersten nachatlantischen Zeitraum durch ihren Umgang mit geistigen Wesenheiten in die Menschheit getragen haben. Die ganze Menschheit zeigte nur jene Reife, die sich vergleichen läßt mit dem individuellen menschlichen Lebensalter zwischen dem neunundvierzigsten und zweiundvierzigsten Lebensjahre. Und wollte man gewissermaßen individuell hinauswachsen über die allgemeine Menschheitsaura, so

konnte man das erst mit dem neunundvierzigsten Lebensjahre. Aber man wuchs durch die individuelle Entwickelung in eine Reife hinein, die eben erst eintreten konnte mit dem neunundvierzigsten Lebensjahre.

Und so war es wiederum in der chaldäisch-ägyptischen Zeit. Die Aura, in die man hineinwuchs, läßt sich vergleichen mit dem Lebensalter des einzelnen Menschen zwischen dem zweiundvierzigsten und fünfunddreißigsten Lebensjahre; in der griechisch-lateinischen Zeit mit dem Lebensalter zwischen dem fünfunddreißigsten und achtundzwanzigsten Jahre. Das ist das Merkwürdige dieser griechisch-lateinischen Zeit, daß die individuelle Lebensmitte des Menschen zusammenfällt mit der Lebensmitte der allgemeinen Menschheit, nur daß die Menschheit im allgemeinen Strom herunterläuft, der Mensch aber hinaufsteigt. Daher das eigentümlich Harmonische der griechischen Bildung, von der die gegenwärtige Menschheit nur so wenig einen Begriff hat. Aber wenn dafür ein Grieche fünfunddreißig Jahre alt war, dann blieb er gewissermaßen ein Durchschnittsmensch, blieb immer fünfunddreißig Jahre alt, wenn er nicht etwas Individuelles in sich entwickelte, das über die allgemeine Menschheitsaura hinausging. Dafür wurde nämlich in den älteren Zeiten gesorgt, daß sich der einzelne hinaufentwickeln konnte.

Nun kam die fünfte nachatlantische Zeit, in der wir leben. Die Menschheit wird in dieser fünften nachatlantischen Zeit durchmachen ein Lebensalter, das sich vergleichen läßt mit dem individuellen Lebensalter zwischen dem achtundzwanzigsten und einundzwanzigsten Jahre. Das heißt: ein Mensch, der sich nur im allgemeinen dem Strom des Daseins überläßt, demjenigen, was in das Seelenleben einfach dadurch eingeht, daß man Mensch ist, der wird nicht älter als achtundzwanzig Jahre. Sorgt er nicht durch eine spirituelle Entwickelung dafür, daß er seine Seele individuell vorwärts bringt, so bleibt er immer achtundzwanzig Jahre, besser gesagt, er wird nicht über siebenundzwanzig Jahre kommen. Die allgemeine Menschheit kann uns nicht mehr geben, als daß sie uns bis zum siebenundzwanzigsten Lebensjahre bringt. Suchen wir nicht in unserer Zeit nach einer Anfeuerung und Aneiferung der individuellen Seelenkräfte, die uns über den Strom

des allgemeinen Menschheitsdaseins hinübertragen, so werden wir, auch wenn wir hundert Jahre alt werden, nie älter als siebenundzwanzig Jahre. Und ob wir manuelle Arbeiter sind oder Professoren, oder was immer: Wenn wir nicht eine spirituelle Entwickelung suchen, die der Seele Begriffe gibt, welche die äußere Menschheit ihr nicht geben kann, bleiben wir immer siebenundzwanzig Jahre alt. Gewiß, wir werden äußerlich selbstverständlich älter, die Zeit läßt sich nicht aufhalten; aber unsere Seele erlangt ohne eigene Entwickelung nicht mehr als eine Reife von siebenundzwanzig Jahren. Man versteht unsere Zeit wirklich nicht, wenn man nicht diese Eigentümlichkeit, die eben geschildert worden ist, entsprechend ins Auge faßt. Ich habe mir wirklich im Laufe der Jahre viele charakteristische Fragen unserer Zeit vorgelegt, Fragen des Lebens, der Kulturentwickelung, der Menschheitsmisere, über das, was die gegenwärtige Menschheit freut, worunter sie leidet: der Schlüssel zum Verständnis unserer Zeit ist erst gegeben, wenn man die Tatsache ins Auge faßt, die ich eben auseinandergesetzt habe. Das, was unserer Zeit fehlt, kann man nicht durchdringen, wenn man nicht dieses ins Auge faßt.

Wir erleben Philosophien, vor denen wir deshalb staunend stehen, weil sie bei allgemeinen Deklamationen stehenbleiben und nicht die geringste Fähigkeit zeigen, in konkrete Wirklichkeiten einzutauchen. Woher kommt das? Ich habe mir gegenüber einer einzelnen Persönlichkeit diese Frage vorgelegt. Da habe ich gefunden, daß der Träger der Euckenschen Philosophie ein Mann ist, der alles Feuer hat eines Menschen, der nicht älter werden kann als siebenundzwanzig Jahre. Gewiß, er redet dann weiter - denn er hat heute schon ein erkleckliches Alter erreicht —, er redet mit etwas rauher Stimme, bewegt sich mit anderen Gesten, lernt noch etwas dazu. Aber das bedeutet nichts; die ganze Art ist nicht älter als siebenundzwanzig Jahre. Diese siebenund-zwanzigjährige Art trägt man durchs ganze leben hindurch. Das wird besonders auffällig, wenn Menschen Ideen ins Leben einführen sollen, wenn sie Ideen hegen sollen, durch die das Leben beherrscht wird.

Nun kommen wir da auf ein etwas gefährliches Gebiet; aber machen wir das so, daß wir möglichst weit die Beispiele suchen. Ich habe mir

bei verschiedenen Persönlichkeiten der Gegenwart, welche die Aufgabe haben, Ideen zu entwickeln, die in das gegenwärtige Leben eingreifen, so eingreifen, daß die Zeitereignisse von diesen Ideen beherrscht werden sollen, die Frage vorgelegt, wie es mit ihnen steht. Da gibt es nun eine charakteristische Persönlichkeit. Ich habe mir viel Mühe gegeben, auf diesem Gebiet ja nicht danebenzuhauen, aber es nützt nichts, wenn man den Dingen nicht auf den Grund geht in ihren konkreten Erscheinungen. Sucht man nach einer Persönlichkeit, die ganz so ist, daß sie niemals älter werden kann als siebenundzwanzig Jahre, niemals reifere Ideen haben kann als ein Mensch mit siebenundzwanzig Jahren, so findet man sie merkwürdigerweise, als eine besonders charakteristische Persönlichkeit, zum Beispiel in dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn man die verschiedenen Programme studiert, die er entwickelt hat, so tragen diese den besonderen Typus eines Menschen, der nicht älter werden kann als siebenundzwanzig Jahre, weil diese Seele niemals das Geringste von dem aufgenommen hat, was nicht von außen den Seelen zugetragen wird. Gewiß, ein Mensch kann mehr oder weniger begabt sein. - Begabung mag einem solchen Menschen zugestanden werden -, aber die Ideen, die er entwickelt, sind in bezug auf Reife der Anschauung, auf Durchschlagskraft und auf das Praktische des Lebenssinnes siebenundzwanzig Jahre alt und werden nicht älter, und wenn der Mann hundert Jahre alt wird, wenn er nicht anfängt sich spirituell zu vertiefen und der Seele Feuerkraft zuzuführen von innen.

Wir leben heute in einem solchen Zeitalter, daß wir das, was über das siebenundzwanzigste Lebensjahr hinausgeht, von innen den Seelen zuleiten müssen. Im siebenundzwanzigsten Jahre sind die Menschen noch nicht lebenspraktisch; sie können noch so sehr sich dafür halten, sie sind nicht lebenspraktisch. Das ist der Grund, warum die verschiedenen Ideen des Wilson so unpraktisch und sprunghaft sind, und warum sie in weitesten Kreisen so gefallen. Sie gefallen mit derselben Gefallenskraft, mit der jugendliche Ideen eben gefallen, jugendliche Ideen, die sich ergeben in allerlei Deklamationen von Freiheiten der Völker und dergleichen. Das ist ja alles sehr schon! Aber so regiert man heute die Welt, die Anforderungen stellt an die Durchschlagskraft der Ideen,

daß man eine große Deklamation erläßt über den Frieden, und dann -den Krieg um so stärker entfesselt!

Man möchte so recht eine Empfindung hervorrufen von dem, was in die Wirklichkeit einschlagende Ideen sind, Ideen, die Schlagkraft haben, die mit der Wirklichkeit verwachsen können. Ideen, die bloße Deklamationen sind, schöne Ideen werden ja viel geäußert; gerade junge Ideen sind ja schön. Aber wir brauchen Ideen, die den Menschen verbinden mit der Wirklichkeit. Was ist es denn für eine wunderschöne Idee, wenn sich einer heute hinstellt und sagt: Die Welt muß eine Neuorientierung empfangen! — Von dieser hat sich bis jetzt als das Schönste erwiesen das Wort selber! Das ist das einzig schöne: das Wort selber, denn stellt man sich hin und redet davon, so ist das gewiß sehr schön. Sehr schön ist es auch, zu sagen: Der Tüchtigste muß an den richtigen Ort gestellt werden. - Wunderbar schöne Ideen! Aber wie ist es, wenn just der Neffe oder der Schwiegersohn der Tüchtigste ist? Mit der schönen Idee ist gar nichts getan, sondern mit der realen Erkenntnis der Wirklichkeit, mit der Fähigkeit für das, was real ist, was wirklich ist.

Dies ist so einer der Gesichtspunkte, um die es sich handelt, wenn man in einem tieferen Sinn verstehen will, wie die Kultur der gegenwärtigen Zeit ist, Durch diese Eigentümlichkeit der Zeit drängt sich ja gerade auf, wie notwendig es ist, daß die Menschen sich heute seelisch vertiefen, daß sie suchen, für das spätere individuelle Lebensalter dasjenige durch individuelle Entwickelung zu erlangen, was die allgemeine Menschheit nicht mehr hergibt. Es ist natürlich leichter, in Euckenscher Weise zu reden von Wiedererneuerung des Lebens, Erfassung der Lebensmächte im Inneren, von allen möglichen Dingen, bei denen man sich ganz schön jugendlich erheben kann, die aber zu nichts anderem geeignet sind als zu Deklamationen. Und wenn man gar politische Programme macht mit solchen Ideen wie Wilson, dann ist das von unabsehbaren Folgen! Es ist natürlich leichter, als in ernster Forschung, in ernster Vertiefung die Wirklichkeit aufzusuchen und in die tieferen Impulse des Lebens einzudringen.

Soll unsere geisteswissenschaftliche Bewegung einen wirklich tiefen Sinn haben, dann muß sie vor allen Dingen den Willen in sich

bergen, in die konkreten Entwickelungsimpulse der Menschheit einzudringen, muß dafür vorhanden sein, diese großen Zusammenhänge des Lebens zu erfassen, denn sonst bleibt auch innerhalb unserer Geisteswissenschaft alles bloße Theorie. Und bloße Theorie ist gar nichts wert, wenn man noch so sehr sich selbst erhaben dünkende Empfindungen damit verbinden will. Einzig und allein das, was unterzutauchen vermag in das Leben, was das Leben erfaßt, ist wirklich von Wert. Allerlei Mystik, wobei die Menschen darnach streben, in sich selbst das oder jenes zu finden, das kann ja sehr schöne Resultate zeitigen, aber wir müssen von uns absehen und auf die großen Menschheitsaufgaben hinsehen können, um vor allen Dingen zu verstehen, was not tut, was man eigentlich verstehen muß, was man verstehen soll. Sonst wird man gerade über die wichtigsten Dinge der Geisteswissenschaft einfach hinweghören. Und über wichtige Dinge der Geisteswissenschaft ist ja im Laufe der Jahre, seitdem wir unsere anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft haben, eigentlich in großem Maßstabe hinweggehört worden.

Wenn sich die lieben Freunde nur einmal erinnern würden, welche Antwort von mir immer gegeben worden ist seit vielen Jahren, wenn ich gefragt worden bin, wie es sich denn verhalte mit der Reinkarnation, da doch die Menschheit immer zunehme, wenn sich die Freunde erinnern möchten, wie seit Jahrzehnten die stereotype Antwort gegeben worden ist: Es könnte sein, daß die Menschen sehr bald erfahren, welche Dezimierung der Menschheit stattfinden könnte gerade in Europa -, dann werden Sie ermessen, was gemeint war, wenn Sie jetzt zurückblicken, und wenn Sie sich erinnern an den Ton, mit dem diese Antwort gegeben worden ist. Immer wurde gesagt, wenn von der Zunahme der Bevölkerung gesprochen wurde: Es könnte sehr bald eine Zeit kommen, wo auch in schmerzlicher Art eine Abnahme der Bevölkerungszahl eintreten könnte! - Es handelt sich auf geisteswissenschaftlichem Gebiete wirklich nicht darum, mit Theorien den leichtgeschürzten Bedürfnissen mancher Menschen entgegenzukommen, sondern aus den Impulsen der Zeit heraus auch auf nebenher gestellte Fragen Antwort zu geben. Und beim Entgegennehmen der Geisteswissenschaft handelt es sich viel mehr darum, das Gewicht desjenigen, was

gesagt werden soll, aufzufassen und ins Herz zu schließen, als die Neugierde, und wenn sie eine scheinbar noch so hochstehende ist, zu befriedigen.

Dies, meine lieben Freunde, wollte ich zunächst als den ersten Teil der Betrachtungen Ihnen überliefern, die bei entsprechender Berücksichtigung zum Verständnis unserer Zeit gerade führen sollen, und die wir in diesen Tagen tiefer pflegen wollen.

Da die Zeit abgelaufen ist, die verwendet werden muß zu den allgemeinen Betrachtungen, so darf ich vielleicht, ohne daß jemand den Vorwurf erheben kann, daß ich etwas abknipse von dem eigentlich anthroposophischen Inhalt, übergehen zu etwas, was schon einmal mit ein paar Worten angedeutet werden muß. Ich kann aber nicht dazu übergehen, ohne auch mancher Seelen zu gedenken, die von dem physischen Plan hinübergegangen sind in das geistige Leben, die manchen von denen nahegestanden haben, welche heute hier sitzen. Es ist nicht möglich, auf die einzelnen Namen alle einzugehen. Von der Aufrichtigkeit der Empfindungen gegenüber allen, die von dem physischen Plan nach dem geistigen hinweggegangen sind, sind ja wohl unsere lieben Freunde entsprechend orientiert. Nicht umhin kann ich aber, gerade eines Mannes dem Namen nach zu gedenken, der nach mancherlei Hindernissen sich zuletzt gerade mit der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft so schön, so innig zusammengefunden hat, und der gerade in der letzten Zeit für die Vertretung dieser Geisteswissenschaft nach außen ganz Erhebliches und Bedeutsames geleistet hat. Ich meine unseren lieben Freund Ludwig Deinhard, bei dessen Übergabe des physischen Leibes an die physischen Elemente und Hinweggehen der Seele in die geistige Welt unser lieber Freund Seilin so schöne Worte gesprochen hat. Er mußte um so mehr geschätzt werden, als er nicht aus einem blinden Glauben, aus blinder Anhängerschaft, sondern gerade nach mancherlei Widerstand sich so schön mit unserer Strömung zusammengefunden hat, und in der letzten, immer schwieriger gewordenen Zeit rückhaltlos nichts gescheut hatte, um vor der breiteren Öffentlichkeit für diese geistige Strömung mit ganzer Seele einzutreten. Ich scheue mich nicht, ausdrücklich zu sagen, daß ich die Art und Weise, wie Ludwig Deinhard vor der breiten

Öffentlichkeit für diese Bewegung eingetreten ist, zu dem ganz besonders Wertvollen zähle.

Dann darf ich auch gedenken des in diesen Tagen verstorbenen Professors Sachs, der sein ganzes Leben einer großen Idee nachgegangen ist, einer großen musiktechnischen Idee, und der stets zu verbinden wußte das bescheidene Wirken, in das der einzelne Mensch eingespannt werden kann, mit umfassenden Ideen, und mit dem es wirklich erhebend war zu sprechen, weil das, was er als Mensch wollte, immer einmündete in großes künstlerisches Wollen. Man kann sich glücklich schätzen, gerade solche Menschen inmitten unserer Bewegung zu haben.


Yüklə 0,84 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   8   9   10   11   12   13   14   15   ...   23




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə