Mitteleuropa zwischen Ost und West Kosmische und menschliche Geschichte Sechster Band



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Nach diesen erhebenden Ausblicken bin ich schon einmal genötigt, wieder einmal genötigt, einige weniger erhebende Ausblicke zu pflegen, weil ich durch das, was sich zugetragen hat, in gewisser Beziehung doch zu einschneidenden Maßnahmen gezwungen bin, insofern mein Anteil an der geisteswissenschaftlichen Bewegung, die durch die An-throposophische Gesellschaft gepflegt werden soll, in Betracht kommt. Es hat sich ja im Laufe der Zeit etwas, was in hohem Grade ein Segen sein sollte innerhalb der gegenwärtigen Kulturentwickelung, die an-throposophische Bewegung, durch viele ihrer Erscheinungen mehr oder weniger zu einer Art von Hemmnis entwickelt für das, was von mir gemeint ist als die geisteswissenschaftliche Bewegung. Und es nützt nichts, über diese Dinge etwa sich hinwegzutäuschen, insbesondere nützt es nichts, wenn Gefahr vorhanden ist, daß mancherlei Dinge, die mit der Anthroposophischen Gesellschaft verknüpft sind, Hemmnisse werden könnten gerade für die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft. Gestatten Sie deshalb - da wir lange Jahre miteinander gewirkt haben, so dürfen solche Dinge rückhaltlos besprochen werden -, daß diese Dinge von mir ganz offen, so wie es mir ums Herz ist, behandelt werden. Man kann sagen: Im allgemeinen hat sich innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft gewohnheitsmäßig etwas herausgebildet, was in dieser Weise nicht weiter bestehen darf, weil die Urteile der gegenwärtigen Welt über das, was Anthroposophie oder Geisteswissenschaft will, allzusehr getrübt werden müßten, wenn es in derselben Weise weiterginge, wie es bisher gegangen ist.

Gehen wir von einer Einzelheit aus: Oftmals wird in der Außenwelt

draußen gesagt - und es ist das schon Usus geworden -, daß ich wegen geisteswissenschaftlicher Dinge selber eigentlich weniger angegriffen werde, wegen dessen, was mit der Gesellschaft zusammenhängt, sehr viel. Insbesondere ist einer der Vorwürfe, die erhoben werden, der, daß in der Gesellschaft ein blinder Autoritätsglaube herrsche, eine blinde Anhängerschaft, daß hier vieles aus reiner Devotion gemacht werde und dergleichen. Darf ich demgegenüber auch einmal meinen Eindruck vorbringen, so muß ich sagen: Für die meisten Dinge liegt das vor, daß zuallerletzt das geschieht, was eigentlich von mir als das Richtige angesehen wird, von mir als das angesehen wird, was vielleicht wünschenswert wäre. Ich glaube nicht, daß in irgendeiner sonstigen Gesellschaft so sehr nichts gegeben wird auf das, was eigentlich die speziellen Wünsche irgendeines in ihr Wirkenden sein können. Wenn das auch anders aussieht, es ist doch so. Nur muß die Dinge niemand übelnehmen. Und daß man die Augen zudrückt, den Kopf in den Sand steckt, das ist nur von Übel.

Meine lieben Freunde, ich habe mancherlei über Stimmungen in der hiesigen Anthroposophischen Gesellschaft in diesen Tagen gehört. Ich kam heute Abend hierher, hier in den Vorraum, und entgegen strömte mir der frömmste Weihrauchduft. Glauben Sie nicht, daß jemand, der auf das Sachliche, Innere sich richtet, gerade besondere Wünsche darnach hat, daß ihm das Sprechen den ganzen Abend schwer gemacht wird dadurch, daß zu dieser Äußerlichkeit des frommen Weihrauchduftes gegriffen wird, und daß er sich Kopfschmerzen nach Hause tragen muß wegen des frommen Weihrauchduftes, wobei ich noch ganz absehe davon, wie die Wahrheit mißverstanden wird, wenn der Weihrauchduft - verzeihen Sie - in die profane Welt hinausduftet. Es mag ja unangenehm sein, dergleichen besonders zu erwähnen, aber symptomatisch sind solche Dinge doch. Fragen Sie einmal nach, ob von mir jemals zu etwas so Äußerlichem eine Initiative ausgegangen ist? Doch das nur nebenher.

Das aber, was mir das Allerwichtigste ist, das ist, in welcher Weise sich die Mitgliedschaft in Verbindung fühlt mit dem, was als geistiges Leben durch die anthroposophisch orientierte geisteswissenschaftliche Bewegung geht. Sehen Sie, es sind in der letzten Zeit, wie Sie wissen,

die mannigfaltigsten Angriffe, zum Teil gedruckt, zum Teil noch gedruckt werdend, in die Öffentlichkeit gekommen. Wenn von der heutigen äußeren Welt gegen die Geisteswissenschaft Einwürfe kommen, braucht man sich darüber weder zu wundern, noch braucht man das besonders schmerzlich zu empfinden; das ist nur natürlich, nur selbstverständlich. Dem kann schon begegnet werden. Vor sachlichen Diskussionen braucht sich Geisteswissenschaft wahrhaftig nicht zu scheuen. Vor dem, was gerade aus der Mitgliedschaft emporwirbelt, braucht man sich vielleicht auch nicht zu scheuen. Aber folgendes schadet ungeheuer demjenigen, was die Kraft unserer Bewegung eigentlich sein soll: Man darf schon sagen, es steht einzig da in dieser Bewegung, in dieser Gesellschaft vor allen Dingen, daß die wohlwollendsten Absichten und Maßnahmen, die wohlwollendsten Verhaltungsmaßregeln gegenüber den Mitgliedern gerade hier am meisten in Gift und Galle und auch in das Kleid der Verleumdung, der Verunglimpfung, des aller-persönlichsten Angriffs getaucht werden, was alles nach einer sehr bekannten Richtung hinzielt. Die Dinge, die geleistet werden, vielleicht aus mystischem Bedürfnis heraus - ich weiß es nicht -, an reinen Erfindungen, an reinen Unwahrheiten, die sind eigentlich so leicht nirgends anders zu finden. Der Wille aber, sich richtig zu diesen Dingen zu verhalten, der wird nicht energisch genug gepflegt. Ja, der Wille, die Dinge nur wirklich unbefangen zu sehen, wird auch nicht energisch genug angestrebt.

Der Ernst, der in der geisteswissenschaftlichen Bewegung liegt, die besondere Art, mit der sie vertreten werden muß, sollte wenigstens studiert werden. Was der einzelne tun kann, hängt natürlich von den Lebensverhältnissen und von dem Verschiedensten ab; aber studieren sollte man doch das, was ist, und sich nicht allen möglichen Wahnideen hingeben. Sachlichkeit und Unpersönlichkeit ist ja insbesondere innerhalb unserer rein den geistigen Dingen gewidmeten Bewegung notwendig, und nichts ist schädlicher, als wenn persönlichste Interessen, Eitelkeit, Ehrgeiz in die Reihen unserer Bewegung hereingetragen werden. Gewiß, die Dinge treten verbrämt, maskiert auf, aber man sollte auf das wahre Antlitz der Dinge hinschauen, sollte sie so betrachten, daß man auf die Wahrheit der Sache kommt. Wenn irgend jemand

eine Summe von Angriffen verfaßt und ganz gut weiß, was hinter den Angriffen steckt, ganz gut weiß, wie gerade das, was er angreift, so sein muß, wegen des eigentümlichen Charakters der Geisteswissenschaft, dann tut man nicht genug, wenn man Satz für Satz widerlegt. Behauptet und widerlegt werden kann viel, nämlich alles, aber oftmals kommt es bei den Dingen nicht auf das an, was gesagt wird: die Gründe liegen ja in etwas ganz anderem. Wenn jemand dem Philosophisch- Anthroposophischen Verlag eine Schrift anträgt und diese zurückgewiesen werden muß, und der Betreffende dann Feind wird, so sind die Ursachen doch woanders zu suchen als in den Sätzen, die der Betreffende drechselt. Und man erfährt nicht die Wahrheit, wenn das Allerwichtigste, wenn die eigentlichen Gründe in den Hintergrund treten.

Wenn jemand diesen oder jenen Angriff drechselt über allerlei törichte esoterische Wirkungen, deren Torheit handgreiflich ist für jeden, der nicht blind ist, dann geht man auch fehl, wenn man dergleichen Dinge, die reine Erfindungen sind, nicht zurückführt auf die ganze Sachlage. Dann steckt vielleicht ein Mensch dahinter, der einmal in einem kleinen Orte Mitteldeutschlands gelebt hat, dem plötzlich die Idee kam, ein großer Mann zu werden. Zuerst suchte er ein großer Mann zu werden auf eine kleine Weise; er schrieb an Frau Dr. Steiner, was er denn tun solle, um aus den engen Verhältnissen der kleinen Stadt befreit zu werden. Soll er in ein Geschäft hinein heiraten, oder dies auf irgendeine andere Weise bewirken? Wenn ihm dann bedeutet wurde, daß wir uns mit der Entscheidung der Frage, ob man einheiraten soll oder nicht, nicht befassen, wird er vielleicht immer noch nicht abgedrängt. Er kommt weiter, kommt heran, nimmt Teil an manchem, stellt sich vielleicht auch vor die Gesellschaft, wenn eine große Versammlung ist, und deklamiert mit riesiger Lungenkraft ein Schiller-sches Gedicht, obwohl er von Deklamation nicht die geringste Ahnung hat. Er wird ausgelacht. Das beleidigt den Ehrgeiz. Dann will er ein großer Maler werden. Es wird sogar eingegangen bis zu einem gewissen Grade auf die Idee. Es wird alles getan, um den Betreffenden zu unterstützen, daß er etwas lernen kann; es wird ihm entgegengekommen. Allein der Betreffende will ein Künstler werden, findet es aber unbe-

quem, etwas zu lernen. Er will nicht ein Künstler werden eigentlich, sondern will es sein, und wenn dann die anderen aus innerster Überzeugung nichts anderes tun können, als den Rat geben, etwas zu lernen, dann ist es kränkend. Man ist doch ein Genie, und die muten einem zu, daß man erst etwas lernen soll! Sie tun zwar alles, ihn etwas lernen zu lassen, aber gerade das ist kränkend.

Nun, in solcher Linie könnte noch manches angeführt werden. Das sind die wahren Gründe, warum man ein Feind einer solchen abscheulichen Gesellschaft werden muß. Dann wird allerlei Zeug geschrieben. Was geschrieben wird, auf das kommt es wenig an. Es könnte natürlich ebensogut etwas anderes geschrieben werden, denn die wirklichen Gründe sind ganz woanders zu suchen. Und so kann es weitergehen, und wird weitergehen, wird noch ganz andere Dimensionen annehmen. Alle diese Dinge haben aber mit Geisteswissenschaft als solcher nicht das geringste zu tun. Aber sie können sich mit großer Intensität entwickeln aus einer Gesellschaft heraus, welche versucht, nicht auf der sachlichen Basis, welche die Geisteswissenschaft als solche liefert, sich aufzubauen, sondern welche innerhalb derselben allerlei Cliquenwesen sucht, allerlei persönliche soziale Verhältnisse. Sie sehen, ich deute nur das eine oder das andere an. Vielleicht läßt sich noch in den folgenden Tagen das eine oder das andere sagen. Aber all das geht wirklich nicht auf Geisteswissenschaft zurück, sondern geht zurück auf die Auffassung, die vielfach herrscht über das, was in der Gesellschaft geschehen soll. Gerade diejenigen, für die am meisten gesorgt worden ist, gehören zu denen, die jetzt mit Verunglimpfungen, mit reinen Erfindungen am allermeisten hausieren.

Deshalb bin ich genötigt, meine lieben Freunde, zu einschneidenden Maßregeln zu greifen. Ich bitte Sie wenigstens darum, die zwei Teile dieser Maßregeln immer wirklich zu nennen, damit nicht wiederum neuerdings Verleumdungen entstehen, indem man nur einen Teil mitteilt. Wenn diese Maßregel hart ist für manchen, dann bitte, bedenken Sie, daß sie für mich ebenso hart ist wie für die davon Betroffenen, daß es mir ebenso leid tut, daß sie notwendig ist, und daß Sie sich nicht an mich wenden, sondern an diejenigen, die diese Maßregeln verursacht haben. Suchen Sie dort die Gründe, suchen Sie dort aber auch das, was

in der Zukunft zu geschehen hat, zu erkennen, indem Sie Ihre Betrachtung dahin lenken: wovon die Verleumdungen ausgegangen sind. Das ist vielfach das, was als Persönliches spielt. Gewiß, ich bin jedem mit persönlichem Rat zur Seite gestanden: für esoterische Dinge war diese persönliche Aussprache sehr häufig ziemlich unnötig und, was das Esoterische betrifft, so werde ich Sorge tragen, daß ein guter Ersatz da sein kann. Aber weil das Persönliche dazu geführt hat, ist es nötig, daß künftighin alles im vollsten Licht der Öffentlichkeit vor sich geht. Daß dabei jeder zu seinem esoterischen Recht kommen kann, dafür werde ich sorgen; aber ich werde niemand mehr zu einer sogenannten esoterischen Privatbesprechung aus der Gesellschaft heraus empfangen. Diese Privatbesuche muß ich ausnahmslos einstellen, damit nicht gerade von diesen Privatbesuchen die Verleumdungen hergeholt werden können. Ist für den einen oder anderen dies hart, so muß doch gerade aus zwei Gründen diese Maßregel getroffen werden: erstens weil für den Betrieb des esoterischen Lebens gerade diese Dinge nicht notwendig sind. Das werde ich sehr bald beweisen. In kurzer Zeit sollen Sie einen vollständigen Ersatz haben, trotzdem die Privatgespräche wegfallen müssen, die sich häufig so abspielten, daß die Mitglieder mit Dingen herankamen, die mit dem esoterischen Leben nichts zu tun hatten. Zweitens aus dem Grunde, weil ich dadurch dokumentiere, wie das aus der Luft gegriffen ist, daß für das esoterische Leben des einen oder anderen nicht gesorgt wurde. Lesen Sie nur «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» Niemand hat es nötig, nach so und so vieler Zeit gerade einen persönlichen Impuls zu erlangen. Das zweite, was zu dieser Maßregel gehört und was ich bitte, nicht zu vergessen, ist, daß ich jeden, der Privatbesprechungen bis jetzt gehabt hat, entbinde irgendeines Versprechens, was ja auch niemals gegeben worden ist, irgendeiner Gepflogenheit, über solche Privatbesprechungen nicht zu sprechen. Von mir aus kann jeder, so viel er will, mitteilen von dem, was ich mit irgend jemand gesprochen habe, denn ich habe nichts zu verbergen. Wer will, kann jedem alles mitteilen. Auch das Vergangene kann in das volle Licht der Öffentlichkeit gestellt werden. Dann wird am besten die Möglichkeit gewonnen werden, die Unwahrheit von der Wahrheit zu unterscheiden, wird am besten der Maßstab dafür gefun-

den werden können, wieviel gerade innerhalb unserer Bewegung geflunkert wird. Aber die beiden Maßregeln gehören zusammen. Noch einmal wiederhole ich, daß derjenige nicht die Sache im wahren Licht vertreten wird, der nur den ersten Teil mitteilt; der andere gehört dazu.

Noch will ich erwähnen, meine lieben Freunde: Sollte es manchem schwer sein, dann bitte, wenden Sie sich an diejenigen Orte, die Sie ja insbesondere hier leicht finden können, wenden Sie sich an diejenigen, die diese Dinge notwendig gemacht haben. Es geht nicht, daß dasjenige, was die geisteswissenschaftliche Bewegung für die Welt sein soll, unmöglich gemacht werden sollte durch die Cliquenwirtschaft innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft, denn dadurch wird gerade das, was als Nerv in der Geisteswissenschaft lebt, am meisten den Mißverständnissen der äußeren Welt ausgesetzt. Glauben Sie, daß die Dinge, die im Sinne der Gesellschaft unternommen werden müssen, zu meiner persönlichen Befriedigung unternommen werden? Man hat mir vorgeworfen, daß ich nach der einen oder anderen Richtung irgend etwas der Gesellschaft entzöge, weil zum Beispiel der Dorn-acher Bau unternommen werden mußte. Glauben Sie, daß mir persönlich an dem Dornacher Bau irgend mehr liegen kann als einem anderen Mitglied, das es ernst meint mit unserer Sache, daß ich bei diesem Bau irgendwelche persönlichen Aspirationen gehabt habe? Würde der Bau nicht möglich gewesen sein, ich wäre der allerletzte gewesen, der sich in die Notwendigkeit nicht gefügt hätte. Daß irgend etwas von dem, was vertreten werden muß, auch aus so wichtigen Dingen heraus, wie es der Dornacher Bau ist, anders vertreten werden sollte, als es aus den inneren Gründen der Dinge sein muß, das dürfte nimmer geschehen.

Die einschneidenden, eben erwähnten Maßregeln müssen insbesondere aus dem Grunde endlich einmal getroffen werden, weil, nachdem ich jahrzehntelang über das eine und andere hinlänglich geredet habe, nie der Ernst meiner Worte empfunden worden ist. Vielleicht wird dieser Ernst empfunden werden, wenn nun diese Maßregel eingeführt wird. Es bestehen ja auch andere Gesellschaften, ohne daß sie zu denselben Dingen führen, die gerade in dieser Gesellschaft vorgekommen sind.

Dies, meine lieben Freunde, mußte gerade wegen unserer Freundschaft gesagt werden, darf nicht ungesagt bleiben. Wer es ernst meint mit der anthroposophischen Bewegung, wird den Weg finden, wenn durch den Ernst der Sachlage auch solche Maßnahmen nötig sind. Denn die Bewegung als solche ist zu heilig, als daß sie durch allerlei persönliche Aspirationen ausgelöscht werden dürfte, und es ist ja hinlänglich viel nach dieser Richtung geschehen. Diejenigen unserer lieben Mitglieder - und es gibt ja viele gerade solche -, die in hingebungsvoller Art, in aufopferungsvoller Art in der Bewegung, in der Gesellschaft arbeiten, werden die letzten sein, die über diese Maßregeln sich beschweren, die werden sie am allerbedeutungsvollsten finden. Ich glaube nicht, daß ich gerade von denjenigen mißverstanden werde, welche es wirklich ernst und aufrichtig mit unserer Bewegung meinen; die werden mir recht geben. Es werden auch solche da sein, die mir unrecht geben; dieses Unrecht nehme ich gerne hin.

Die Zeit ist vorgeschritten. Ich werde in den Betrachtungen, die ich heute angestellt habe, morgen fortfahren und vielleicht auch noch einige Bemerkungen hinzusetzen zu dem, was ich zuletzt über allerlei in der Gesellschaft gesagt habe. Es ist oft recht hart gewesen, manchem zuzuschauen.

ACHTER VORTRAG

München, 20. Mai 1917

Aus den gestrigen Auseinandersetzungen konnten Sie ersehen, wie in unserer Zeit der Mensch drinnensteht in der gesamten Entwickelung der Menschheit. Es wurde gezeigt, was gewissermaßen durch die Entwickelung der Menschheit selbst an die einzelne Persönlichkeit herankommt, und wie es diese Menschheitsentwickelung durchaus erfordert, daß immer mehr der Trieb erwache, das Innere der Seele zu befeuern, zu erwecken, so daß der Mensch den Fortschritt immer weniger gewissermaßen als äußeren Anflug wird finden können, sondern daß er ihn aus seinem Inneren heraus sich wird aneignen müssen. Das ist ja der Sinn desjenigen, was die Geisteswissenschaft will: Die menschliche Individualität in die Möglichkeit zu bringen, weiter vorzuschreiten, während in alten Zeiten, einfach dadurch, daß der Mensch in die Menschheit hineingeboren worden ist, er eine gewisse Summe von Erlebnissen hatte, die ihn bis zu einem gewissen Grade reif machten. Sie werden fühlen, daß die Erkenntnis eines solchen Tatbestandes, wie wir ihn gestern schildern konnten, von einer ungeheuer großen Bedeutung ist und gründlich beleuchtet das, was unserer Zeit, was den Menschen unserer Zeit vonnöten ist.

So richtig in diese Dinge hineinkommen, wie man es soll im Sinne eines Geisteswissenschafters, kann man wirklich nur dadurch, daß man mit offenen Augen hinsehen will auf die Art und Weise, wie in der Gegenwart die Menschen sich zu der ganzen Erdenentwickelung stellen. Da kann man unendlich bedeutsame Entdeckungen machen. Man muß nur diese Entdeckungen so machen, daß man in die Lage kommt, die Tatsachen zu werten. Es gibt gewiß in unserer Zeit Menschen, die fühlen, daß etwas notwendig ist, um die Seele gewissermaßen über sich hinaus, das heißt über die siebenundzwanzig Jahre hinaus zu führen. Aber der Mut, die Energie, die auf äußeren Gebieten heute solche Wunder leistet, der Mut, die Energie, wirklich die inneren Seelenkräfte zur Entfaltung zu bringen, die sind heute nicht so häufig vorhanden. Und so kommt es denn, daß wir Menschen begegnen, die in ihrer Art ein

gewisses Streben haben, anderes zu finden, als dasjenige bieten kann, was an Zeitkultur, an Zeitenaufgaben in der Umgebung lebt. Aber sie haben nicht den Mut, an jene Wirkungsweise und Gesinnung heranzutreten, die etwas wirklich Neues will: an die Geisteswissenschaft. Und so erfahren wir denn, daß solche Menschen sich nicht klar sagen, aber fühlen: Früher gab die Umwelt den Menschen mehr, also müssen wir wiederum suchen, was früher die Welt den Menschen gab, wir müssen den Anschluß an frühere Menschheitsgaben wiederum finden. Das ist der Grund, warum gerade nach dem Geiste sehnsüchtigere Menschen, ich möchte sagen, aus Kraftlosigkeit heraus ihre Zuflucht nehmen zu allerlei, was eigentlich schon verglommen ist innerhalb der Menschheitsentwickelung. Überall könnten wir Beispiele dafür anführen. Lassen Sie uns ein ganz charakteristisches anführen in dem Schriftsteller Maurice Barres, der in jugendlichem Ungestüm einmal, man möchte sagen, den geistigen Himmel erstürmen wollte, dann aber, weil er doch nicht den Mut fand, irgendeiner neuen geistigen Bewegung sich anzuschließen, seinen Anschluß suchte an den Katholizismus, wie so viele in der Gegenwart. Aber es ist eine merkwürdige Gesinnung, die also statt einen Vorwärtsweg einen Rückwärtsweg sucht. Und charakteristisch sind Worte, mit denen Barres gerade sein Streben nach dem Katholizismus schildert, denn diese Worte bezeugen uns so recht, wie ein mutloser, energieloser Seelendrang, weil er Neues nicht suchen will, nach Altem greift. Aber wie er greift, das ist das Charakteristische. Nehmen Sie einmal eben die Worte eines solchen Geistes, der ganz aus der Bildung der heutigen Zeit hervorgegangen ist, ganz in derselben auch steht, und aus dieser Bildung heraus zum Katholizismus hin seine Neigung entwickelt hat, nehmen Sie diese Worte: «Es ist vergebliche Mühe, das Jenseits zu suchen. Es existiert vielleicht nicht einmal!» Denken Sie sich, nachdem einer diesen Anschluß an den Katholizismus gesucht hat, redet er so über das Jenseits: «Es ist vergebliche Mühe, das Jenseits zu suchen. Es existiert vielleicht nicht einmal; und wie wir es auch anpacken, wir können nichts davon erfahren. Überlassen wir jedweden Okkultismus den Erleuchteten und den Gauklern; welche Form der Mystizismus auch annehmen mag, er widerspricht der Vernunft. Aber geben wir uns dennoch der Kirche hin», - denken

Sie! - «erstens, weil sie untrennbar verbunden ist mit der Tradition Frankreichs. Und dann, weil sie mit der Autorität der Jahrhunderte und großer praktischer Erfahrung die Regeln jener Ethik formuliert, die man die Völker und die Kinder lehren muß. Und endlich, weil sie, weit davon entfernt, uns dem Mystizismus auszuliefern, uns direkt gegen ihn verteidigt, die Stimmen der geheimnisvollen Haine zum Schweigen bringt, die Evangelien auslegt und den großmütigen Anarchismus des Heilands den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft opfert.» Sie sehen die Motive eines für die Gegenwart charakteristischen Menschen, den es treibt, zu suchen nach dem Geist nach seiner Art: er greift nach dem, was die Menschheit ohne menschliche Anstrengung einstmals gehabt hat. Aber er nimmt es, ohne eigentlich irgendwie Anspruch zu machen auf den ganzen Sinn dessen, was er nimmt. Man möchte sagen, so etwas ist zynisch oder frivol, wenn nicht dahinter ein großer Ernst des Strebens läge. Aber das ist gerade das Verhängnisvolle: Der Ernst des Strebens wird selber frivol durch die Zeitverhältnisse. Nehmen Sie dieses Wort nicht leicht! Die großen Schäden unserer Zeit wurzeln darin, daß die Menschen immer geneigt sind, die Dinge leicht zu nehmen. Beispiele wie das des Maurice Barres könnte man ungezählt viele anführen. Es würde überall in den mannigfaltigsten Arten das hervortreten, was Charakteristikon unserer Zeit ist im Sinne des eben Ausgeführten.

Wir fragen uns: Was liegt denn der Sache zugrunde? Wir fragen uns deshalb so, weil es wichtig ist für uns, zu erkennen, wie wir es anders machen müssen. Darin können wir uns aber nur ordentlich zurechtfinden, wenn wir ein wenig Einblick haben in diese Misere der Zeit, in das, was einer solchen Gesinnung zugrunde liegt. Man muß schon ein wenig zurückblicken in den Sinn der Menschheitsentwickelung, wenn man verstehen will, was man verstehen muß in der Gegenwart, wenn es vorwärtsgehen soll. Geht man zurück in der Entwicke-lung der europäischen Menschheit und des zu ihr gehörigen asiatischen Teiles der Menschheit - man braucht nur zurückzugehen in das erste Drittel der nachatlantischen Zeit -, so findet man heute, selbst auf äußerlich forscherischem Weg, daß die Menschen dazumal klar unterschieden haben die drei Grundbestandteile des Menschenwesens, und

daß das alte, allerdings dumpfere, traumhaftere Verständnis dahin gekommen ist, daß die Menschen zu unterscheiden wußten zwischen den drei Grundbestandteilen des Menschenwesens. Und dies ist wiederum die Ursache, daß ich in meiner «Theosophie» mit besonderer Deutlichkeit hervorgehoben habe, daß der ganzen Gliederung des Menschen diese drei Grundbestandteile eben unterlegt werden müssen. Wenn wir zurückgehen, so finden wir überall, daß die Menschen überschauen, wie der Mensch zurückführbar ist auf Leib, Seele und Geist. Aber denken Sie einmal darüber nach, welche Unklarheit heute eingetreten ist selbst bei denen, die nach Klarheit suchen, in bezug auf eine Überschau über das Menschenwesen nach Leib, Seele und Geist! Sie können heute Philosophien nach Philosophien in die Hand nehmen, Sie können den nicht bloß deutschberühmten, sondern weltberühmten Wundt durchaus studieren mit heißem Bemühen, und Sie werden sehen, daß der Herr nicht imstande ist, die Seele vom Geist zu unterscheiden, trotzdem es heute zu den grundlegendsten Notwendigkeiten gehört, die Seele vom Geist zu unterscheiden. Wann ist denn eigentlich äußerlich zur Offenbarung gekommen, daß die Menschen die Seele mit dem Geist durcheinandergemuddelt haben? Wie gesagt, Sie können überall finden: der Mensch zerfällt in Leib und Seele, und in die Seele wird hineingemuddelt, ohne irgendwelche Unterscheidung, auch der Geist. So ganz klar zum Ausdruck gekommen ist dieses im Jahre 869 auf dem Konzil zu Konstantinopel, wo damals der Geist abgeschafft worden ist - verzeihen Sie den harten Ausdruck -, denn die Lehren, die dazumal formuliert worden sind, gipfelten im wesentlichen darin, es zum Dogma zu machen, daß der Mensch in sich eine denkende und eine geistige Seele habe. Man hat also den Geist abgeschafft und hat das bißchen Geist, das man damals noch ahnte, in die Seele hineingeschmuggelt, indem man sagte: Sie hat die Denkkraft und noch etwas Geistiges. Dann kam das Mittelalter mit seiner in vieler Beziehung bewunderungswürdigen scholastischen Forschung; aber diese stand überall unter dem energischen Zwang des Dogmas, und die sogenannte Trichotomie war streng verpönt. Man mußte den Geist überall auslassen. Und davon schreibt sich auch die Art und Weise her, wie über Seele und Geist denken - oder auch nicht denken - die modernen Universitätsprofes-


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