Mitteleuropa zwischen Ost und West Kosmische und menschliche Geschichte Sechster Band



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Sie wissen aber, wir haben in unserem Seelenleben außer dem Wahrnehmen und dem Vorstellen noch das Fühlen und das Wollen. Mit Bezug auf das Fühlen sind wir nicht wach, wenn wir uns auch wachend meinen, sondern mit Bezug auf das Fühlen wissen wir von alldem, was in uns vorgeht, wenn wir fühlen, nicht mehr, als was wir wissen, wenn wir im Schlafe träumen. Der Grad, die Intensität des Bewußtseins, in denen wir sind, während wir fühlen, ist ganz gleich dem Grad, der Intensität des Bewußtseins, wenn wir träumen. Und wie die Träume als Bilder heraufsteigen aus unbewußten Untergründen der Seele, so steigen als Gefühlskräfte eben die Gefühle herauf. Nicht wachender sind wir, indem wir fühlen, als indem wir träumen; nur daß wir die Träume, nachdem wir geschlafen haben, in das gewöhnliche wache, vorstellende Bewußtsein hereinbringen und den Traum von dem Wachen dadurch unterscheiden, daß wir uns an den Traum erinnern, während wir beim Gefühl das gleichzeitig machen. Das Gefühl selbst wird geträumt in uns, aber wir begleiten unser Gefühl mit den Vor-

Stellungen. In den Vorstellungen haben wir nicht das Gefühl drinnen, sondern wir schauen von dem Vorstellen auf das Gefühl so hin, wie wir nach dem Aufwachen auf den Traum hinschauen; nur tun wir das beim Gefühl gleichzeitig, daher werden wir dessen nicht bewußt, daß wir eigentlich im wirklichen Bewußtsein nur die Vorstellung des Gefühls haben. Das Gefühl ist unten in den Traumregionen wie der Traum selbst.

Und der Wille selber, Sie können es schon rein äußerlich erkennen: Was wissen Sie von dem, was eigentlich geschieht, wenn Sie den Entschluß fassen, ein Buch zu ergreifen und die Hand dann dieses Buch ergreift? Was wissen Sie, was sich da abspielt zwischen Ihren Vorstellungen, die Sie allein im Bewußtsein haben: Ich will das Buch ergreifen - und all den geheimnisvollen Vorgängen, die sich dann im Organismus abspielen? Wir kennen das, was wir über das Wollen denken, aber für das gewöhnliche Bewußtsein wissen wir nichts von dem Wollen. Während wir das Gefühl verträumen, verschlafen wir den eigentlichen wesentlichen Inhalt des Wollens. Indem wir wahrnehmender, vorstellender Mensch sind, wachen wir; indem wir aber während des Wachens fühlen und wollen, träumen und schlafen wir. So dehnt sich im Fühlen und im Wollen der Schlafzustand in unser wachendes Bewußtsein herein. Wir müssen daher sagen: Der Zustand, in dem wir vom Einschlafen bis zum Aufwachen mit Bezug auf unseren ganzen Menschen sind, eignet uns in bezug auf unser Fühlen und unser Wollen auch, wenn wir wachen.

Durch das Wahrnehmen und durch das Vorstellen lernen wir eine Welt um uns herum erkennen, die wir als die physisch-sinnliche Welt bezeichnen; durch das Fühlen und durch das Wollen lernen wir die Welt, in der wir sind als fühlende und wollende Menschen, nicht kennen. Wir sind fortwährend in einer übersinnlichen Welt. Aus dieser übersinnlichen Welt stammt unser Fühlen und unser Wollen mit Bezug auf ihre Kräfte gerade so, wie unser Wahrnehmen und unser Vorstellen aus der physisch-sinnlichen Welt stammt. Für das Fühlen und für das Wollen haben wir keine körperlichen Organe, für das Wahrnehmen und Vorstellen haben wir körperliche Organe. Daß die Physiologen glauben, es gäbe für Fühlen und Wollen Organe - manche Physiologen, denkende Physiologen, glauben es nicht -, das kommt nur daher,

daß sie nicht wissen, wovon sie reden und doch über etwas reden, wovon sie etwas wissen wollen und nichts wissen.

Das, was ich eben beschrieben habe, ist gewissermaßen der gesetzmäßige Zustand, in dem wir leben zwischen der Geburt und dem Tode. Da wachen wir in bezug auf unser Wahrnehmen und Vorstellen, da schlafen wir in bezug auf unser Fühlen, in bezug auf unser Wollen.

Anders ist es zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Da ist es in gewissem Sinne umgekehrt, da beginnen wir zu wachen in bezug auf unser Fühlen und unser Wollen. Und in einer gewissen Beziehung verschlafen wir dann - obwohl der Schlaf ein anderer Zustand ist in der Welt, in der wir dann mit unserer Seele leben - unser Wahrnehmen, unser Vorstellen. Aber Sie werden aus dem, was ich jetzt gesagt habe, erkennen können, daß sich die sogenannten Toten von den sogenannten Lebendigen im Grunde genommen nur dadurch unterscheiden, daß der sogenannte Lebendige dasjenige verschläft, in dem der sogenannte Tote eigentlich drinnensteht. Der sogenannte Lebendige verschläft das Fühlen und das Wollen, das fortwährend durch sein Wesen strömt; der Tote steht in diesem Fühlen und Wollen drinnen. Nicht schwer wird es Ihnen sein, zu verstehen, daß in derselben Welt, in der wir sind als sogenannte Lebende, auch die Toten sind. Wir sind von ihnen nicht anders getrennt als dadurch, daß wir die Welt, in der sie sind, in der sie leben und weben, nicht wahrnehmen. Immer sind um uns diejenigen, die tot sind, immer sind um uns diejenigen Wesen, die da leben, ohne daß sie es zu einer physischen Inkarnation gebracht haben. Wir nehmen sie nur nicht wahr. Sie brauchen sich nur die Vorstellung zu bilden eines im Zimmer schlafenden Menschen: die Gegenstände sind um ihn herum, er nimmt sie nicht wahr. Daß irgendetwas nicht wahrgenommen wird, ist ja kein Beweis dafür, daß es nicht da ist. Es sagt überhaupt gar nichts darüber aus, ob es um uns da ist oder nicht. In der Tat sind wir mit Bezug auf die Welt der Toten ganz in derselben Lage, in der wir mit Bezug auf die physischen Wesen sind, wenn wir schlafen. Wir leben in derselben Welt, in der die Toten und in der die übergeordneten Reiche der höheren Hierarchien sind; sie sind mitten unter uns, wir sind nur durch unsere Art des Bewußtseins von ihnen getrennt.

Dann aber ist die Sache doch so, daß der Mensch gewissermaßen nur einen Teil derjenigen Wirklichkeit wahrnimmt, nur einen Teil derjenigen Wirklichkeit auffaßt, in der er eigentlich drinnen ist. Wenn der Mensch die volle Wirklichkeit auffassen würde, dann würde selbstverständlich sein Wissen ganz anders aussehen, als es jetzt aussieht. Aber innerhalb dieses Wissens würden nicht nur die Kräfte sein, die aus den uns bekannten Naturreichen kommen, sondern innerhalb dieses Wissens würden auch die Kräfte von höheren geistigen Wesenheiten liegen und auch die aus dem Reiche der sogenannten Toten. Dies ist heute noch für die weitesten Kreise der Menschheit eine groteske Sache. Dies muß für weitere Kreise der Menschheit, insbesondere für diejenigen, die sich zu interessieren haben für Entwickelung und Fortgang des Menschenlebens, eine Sache werden, die erkenntnismäßig durchdrungen wird. Denn bis in unsere Zeit herein war der Mensch mehr oder weniger von dunklen, unbekannten Kräften geführt mit Bezug auf all dasjenige, was er nicht wahrnehmen kann in seiner Umgebung. Diese Führung durch dunkle, unbekannte Kräfte - wir werden davon noch zu sprechen haben am nächsten Zweigabend -, die hat in unserer Zeit mehr oder weniger aufgehört. Der Mensch muß in unserer Zeit in bewußter Art sich in Verbindung setzen mit gewissen Kräften, die aus jenem Reiche hereinragen in das unsere, in dem auch die sogenannten Toten sind. Es wird allerdings einige Schwierigkeiten machen, solche Dinge zu dem Bewußtseinsgrade der Menschheit zu bringen, der erforderlich ist, wenn anstelle mancher Phantastik, manches Ungenügenden, das die Gegenwart durchschwirrt und sie so katastrophal gestaltet hat, das Wirkliche, das Wahre treten soll. Ich will in dieser Richtung nur auf einen einzigen Punkt, auf eine einzige Sache einleitungsweise aufmerksam machen.

Unter mancherlei Betrachtungen, die man als sogenannte «wissenschaftliche» anstellt, befinden sich auch historische. Geschichte zum Beispiel wird gelehrt und gelernt in den Schulen. Aber was ist diese Geschichte? Geschichtswissenschaft ist ja - der Kundige weiß das -nicht viel älter als etwas über hundert Jahre. Wer die Literatur früherer Zeiten kennt, der weiß, daß das, was man jetzt Geschichtswissenschaft nennt, nicht viel älter ist. Darauf will ich nicht weiter eingehen.

Aber das, was jetzt Geschichte ist, das wird aufgefaßt von den Menschen, begründet von den Menschen mit denselben Vorstellungen, mit denselben Begriffen, die man im äußeren gewöhnlichen Leben hat, mit denselben Begriffen, die man anwenden kann, wenn man die Natur betrachtet. Und niemand fragt sich, ob es denn eigentlich angehe, das geschichtliche Leben auch so zu betrachten, wie man die äußere Natur betrachtet. Das geht nämlich nicht an. Denn in dem geschichtlichen Leben der Menschheit walten Impulse, die nicht erfaßt werden können mit den Vorstellungen, die wir in unserem wachen Bewußtsein haben. Aber wer Geschichte wirklich betrachten kann, der weiß, daß wir von solchen Impulsen im geschichtlichen Leben beherrscht werden, die für das gewöhnliche Bewußtsein nur dem Traumzustand zugänglich sind, höchstens dem Traumzustand. Das, was als Geschichte verfließt, verträumt die Menschheit. Geradeso wie die Menschheit ihr Gefühlsleben verträumt, so verträumt sie auch, was Geschichtsimpulse sind. Und will man mit den gewöhnlichen, für die Naturwissenschaft sehr guten Begriffen das geschichtliche Leben der Menschheit betrachten, so kann man es nicht erfassen. Man betrachtet es nur an seiner Oberfläche. Was ist das, was in den Schulen gelehrt und gelernt wird als Geschichte? Es ist nicht mehr in bezug auf die wirkliche Geschichte, als wenn Sie einen Leichnam betrachten, und das, was Sie beschreiben können an dem Leichnam, für die Beschreibung des Menschen halten. Leichnambetrachtung ist die ganze Geschichte, wie sie heute üblich ist. Die Geschichte muß die gründlichste Umgestaltung erfahren. Und dasjenige, was in der Geschichte waltet, wird man in der Zukunft nur mit Inspiration, mit inspirierten Begriffen erfassen können. Dann wird man eine wahre Geschichte haben. Dann wird man wissen, was in der Menschheit waltet, wird auch wissen, was aus dem geschichtlichen Leben in das soziale Leben hereinwirkt.

Das, was ich damit sage, hat eigentlich eine tiefgehende Bedeutung. Die Menschen glauben, das sozialgeschichtliche Leben zu verstehen. Sie verstehen es nicht, weil sie es nur auffassen wollen mit den gewöhnlichen Vorstellungen des wachen Tageslebens. Das zeigt sich natürlich nicht, wenn man Geschichte schreibt, denn da kommt nicht viel darauf an, ob man das Richtige trifft. Man könnte an naheliegenden Beispie-

len zeigen, daß nicht viel darauf ankommt! Nun, ich will solch ein naheliegendes Beispiel einmal vorbringen: Sie lernen in den Geschichtsbüchern gewöhnlich, glaube ich, daß 1492 Amerika entdeckt worden ist. Das ist ja auch der Fall. Aber man bildet sich dann durch das, was in den Geschichtsbüchern so vorkommt, überhaupt in der Geschichte vorkommt, die Vorstellung, daß Amerika früher ganz unbekannt war, so weit man auch zurückgehen mag. Das ist nicht der Fall. Amerika war kaum wenige Jahrhunderte hindurch unbekannt. Noch im 12., 13. Jahrhundert gab es einen lebhaften Verkehr von Island, von Irland nach Amerika hinüber. Insbesondere Heilkräuter und anderes wurde durch den lebhaften Verkehr nach Europa geführt. Und aus gewissen Gründen, die mit dem inneren Karma von Europa, mit der Rolle zusammenhängen, die in früheren Zeiten Irland gespielt hat, geschah es, daß von Rom aus alles getan worden ist, um Europa von Amerika abzuschließen und Amerika geradezu vergessen zu machen. Es war eigentlich das, was dazumal von Rom aus geschah, nicht einmal zu Ungunsten der europäischen Verhältnisse; es war gut gemeint mit Europa. Ich will mit diesem Beispiel nur anführen, daß dasjenige, was eine Tatsache ist, noch nicht eine historische Tatsache zu sein braucht, daß man über eine wichtige Sache historisch ganz unwissend sein kann.

Nun, auf der anderen Seite ist es aber bedeutsam, historisch wissend oder historisch unwissend zu sein in bezug auf das soziale, das gesellschaftliche Leben der Menschheit überhaupt. Das ist bedeutsam. Wie oft hört man heute, daß die Leute sagen: Über dieses Ereignis, über jenes Ereignis muß man so oder so denken, denn die Geschichte lehrt dies oder jenes. - Versuchen Sie einmal, sich die heutige, namentlich äußere publizistische Literatur vorzunehmen, so werden Sie sehen, wie oft Sie heute auf die Phrase stoßen: Die Geschichte lehrt dies oder jenes. - Historische Ereignisse, die der Mensch miterlebt, werden zwar zum Teil verschlafen, aber ihnen gegenüber bildet er sich doch ein Urteil, oder läßt es sich einimpfen. Sehr häufig hört man die Phrase, die Geschichte lehre das oder jenes. Und sehr bedeutsame Männer haben im Anfange dieses Krieges etwas darüber gesagt, was die Geschichte lehre. Es war dazumal die ehrliche Überzeugung von sogenannten gescheiten Leuten, daß dieser Krieg höchstens vier bis sechs

Monate dauern könne nach den allgemeinen sozialen und ökonomischen Verhältnissen der Erde. Das haben viele vorausgesagt: höchstens vier bis sechs Monate! Es ist dies geradeso eingetroffen, wie eingetroffen ist, was von einem viel Größeren als eine historische Prophetie ausgesprochen worden ist, aber eben nur als eine historische Prophetie aus gewöhnlichen Vorstellungen des gewöhnlichen Bewußtseins der Menschheit, welche eben Geschichte nicht einfangen können, weil Geschichte höchstens geträumt, zum Teil verschlafen wird und nur mit großen Begriffen erfaßt wird. Schiller, als er seine philosophische Je-nenser Professur antrat, hielt die weltbekannte Antrittsrede über das Studium der Geschichte. Diese Rede hielt er kurz vor Ausbruch der Französischen Revolution. Da sagte Schiller, also wahrhaftig keine unbedeutende Persönlichkeit, als seine aus der Geschichte geschöpfte Überzeugung - aber er hatte eben auch nur eine mit den gewöhnlichen Vorstellungen aus der Geschichte geschöpfte Überzeugung -, nicht wörtlich, aber dem Sinne nach: Die Geschichte lehrt uns zwar, daß in älteren Zeiten viele Streitigkeiten und Kriege unter den Menschen stattgefunden haben; aber aus alledem, was sich zugetragen hat, können wir entnehmen, daß in der Zukunft die europäischen Völker zwar noch Disharmonien haben werden, daß sie sich aber immer fühlen werden als die Glieder einer großen Familie und sich nicht gegenseitig zerfleischen werden. - So Friedrich von Schiller! Danach ist 1789 die Französische Revolution gekommen. Und was alles im 19. Jahrhundert gekommen ist über die Völkerfamilien von Europa, und was jetzt, so und so viele Jahre nachher, gekommen ist, das alles hat das sogenannte historische Urteil Schillers wahrhaftig in der gründlichsten Weise zunichte gemacht.

Geschichte wird erst dann etwas lehren, wenn man sie mit inspirierten Begriffen wird durchdringen können. Denn in das geschichtliche Leben der Menschheit spielen nicht nur die Lebenden herein, sondern die Seelen der sogenannten Toten, die Geister, mit denen die sogenannten toten Seelen so leben, wie wir mit den Wesenheiten des Tierreiches, des Pflanzenreiches und des Mineralreiches leben. Heute nimmt man das vielfach als Phrase. Aber die Menschheit wird sich gründlich abgewöhnen müssen, der Phrase jene Anerkennung entge-

genzubringen, die sie ihr gegenwärtig entgegenbringt. Das wird sie aber nur können, wenn sie wirklichkeitsgesättigte Begriffe, wahre Begriffe sich aneignet. Und ein besonders wichtiger, wahrer Begriff ist eben jener, der uns das Bewußtsein übermittelt, daß wir von den sogenannten Toten nicht getrennt sind durch etwas anderes als durch unser Bewußtsein, das mit Bezug auf die Welt, in der die Toten um uns herum sind, mit Bezug auf unsere Gefühls- und unsere Willenswelt ein schlafendes Bewußtsein ist, so wie sonst das Schlafbewußtsein ist vom Einschlafen bis zum Aufwachen gegenüber den Gegenständen um uns herum. Das hellsichtige Bewußtsein bietet auf Schritt und Tritt die Bestätigung für dasjenige, was ich jetzt in mehr allgemeinen Worten charakterisiert habe.

Aber es kann da doch die Frage auftauchen: Wie kommt es denn, daß der Mensch von der Welt, in der er so eigentlich drinnen lebt, die er mit jedem Schritt seines Lebens durchwandert, nichts weiß? - Ja, sehen Sie, gerade die Art und Weise, wie das hellsichtige Bewußtsein im Konkreten aufklärt über das, was wir den Verkehr mit den sogenannten Toten nennen können, ist der lebendige Beweis dafür, daß für das gewöhnliche Bewußtsein zunächst diese Welt, in der die Toten leben, unbekannt bleiben muß. Ich brauche Ihnen nur einige Züge jenes Verkehrs zu erzählen, der - allerdings bei einer gewissen Ent-wickelung des hellsichtigen, des schauenden Bewußtseins - mit den sogenannten Toten eintreten kann, dann werden Sie daraus sehen, worauf es beruht, daß man im gewöhnlichen Leben nichts weiß über den Verkehr mit den Toten. Es ist durchaus möglich, wenn es auch nach gewissen Richtungen hin seine bedenkliche Seite hat, daß der Mensch nach einer bestimmten Seite hin sein Bewußtsein so zum Erwachen bringt, daß die Welt der Toten offen ist, daß er die Welt der sogenannten Toten wahrnehmen kann, daß der Mensch mit den einzelnen Toten, wenn ich so sagen darf, zu verkehren in der Lage ist. Dann muß er, wenn er wirklich mit dem Toten sich verständigen will, eine ganz andere Art sich aneignen, im Bewußtsein sich zu verhalten, wenn er zu einem sicheren Verkehr kommen will. Eine ganz andere Art muß er sich aneignen, als die Bewußtseinsart ist, die man hier für die physische Welt hat. Ein paar Züge will ich anführen.

Sehen Sie, wenn man hier in der physischen Welt mit einem anderen Menschen verkehrt, hat man für diesen Verkehr gewisse Gewohnheiten. Wenn ich mit jemandem rede, so bin ich hier für den physischen Plan gewöhnt, daß, wenn ich ihn etwas frage, ihm etwas mitteile, ich dann rede, und ich bin mir bewußt, daß die Rede aus meiner Seele heraus, durch meine Sprachwerkzeuge zu ihm hingeht. Ich bin mir bewußt, daß ich rede. Auch mit Bezug auf die äußere Wahrnehmung bin ich mir dessen bewußt. Und wenn er mir antwortet oder mir etwas mitteilt, dieser andere Mensch hier auf dem physischen Plan, dann vernehme ich seine Worte, dann tönen seine Worte zu mir herüber.

So ist es nicht bei vollbewußtem Verkehr - bei halbbewußtem Verkehr ist es etwas anderes -, mit dem Toten. Da ist es gerade umgekehrt. Und es ist - wenn man sich so ausdrücken darf auf einem solchen Gebiete - so, daß es eben ganz anders ist, als wie man es erwartet. Wenn ich dem Toten gegenüberstehe, dann redet er in seiner Seele dasjenige, was ich ihn frage, oder was ich ihm mitteilen will; das bekomme ich von ihm her gesagt. Dasjenige, was er mir sagt, das tönt aus meiner eigenen Seele herauf.

An das muß man sich gewöhnen. Man muß sich daran gewöhnen, daß dasjenige, was der andere sagt, aus der eigenen Seele herauftönt, und das, was man selber sagt, einem von der geistigen Außenwelt entgegentönt. Das ist so unähnlich alledem, was der Mensch hier gewohnheitsmäßig in der physischen Welt erlebt, daß er gar nicht darauf kommt, irgendwie sich zu einer solchen Sache zu stellen. Denn denken Sie nur einmal: Wenn Sie durch das Leben gehen und bei irgendeiner Gelegenheit etwas aus Ihrer Seele herauftönt, so schreiben Sie es sich ja zu. Der Mensch ist in gewisser Beziehung doch wohl, wie mancher sagt, ein egoistisches Wesen, und er ist nicht leicht geneigt, dasjenige, was aus seiner Seele heraufsteigt, nun nicht seiner Eingebung oder seinem Genie - wie man es nun nennen will - zuzuschreiben. Daß unter dem, was aus unserer Seele aufsteigt, vieles ist, was uns in Wahrheit die Toten sagen, das lernt man erst erkennen im schauenden Bewußtsein. Das Reich der Toten spielt in unseren Willen, spielt in unsere Gefühle fortwährend hinein, steigt fortwährend herauf. Wir schreiben

vielleicht irgend etwas, was in uns aufsteigt, einem guten Einfall zu: in Wahrheit ist es die Verständigung mit einem Toten. Und das andere ist ja dem Menschen auch recht ungewöhnlich. Daher gibt er überhaupt auf so etwas nicht acht, ob aus der grauen Geistumgebung heraus, möchte ich sagen, ihm sein kann, wie wenn seine eigenen Gedanken ihn umgäben. Wenn er seinen Gedanken gegenüber so objektiv sein kann, daß sie ihn wie umschwirren, dann versteht der Tote diese Gedanken. Der Mensch steht schon im gewöhnlichen Bewußtsein in Verbindung mit den Toten, doch wird er das nicht gewahr, weil er die Tatsache, die ich eben angeführt habe, nicht auszudeuten in der Lage ist.

Um das einzusehen, muß man allerdings ins Auge fassen, daß wir noch zwei andere Bewußtseinszustände haben außer dem Schlafen und dem Wachen und dem Traume. Zwei andere wichtige Bewußtseinszustände, sogar außerordentlich wichtige Bewußtseinszustände haben wir noch, aber wir beachten sie nicht im gewöhnlichen Leben. Wir beachten sie aus einem gewissen Grunde nicht, der Ihnen einleuchten wird in dem Augenblick, wo ich diese zwei anderen Bewußtseinszustände nenne: Wir haben den Zustand des Einschlafens und den Zustand des Aufwachens. Nur dauern sie nicht lange; sie gehen so rasch vorüber, daß der Mensch sie ihrem Inhalte nach nicht beachtet. Im Momente des Einschlafens und im Momente des Aufwachens gehen die wichtigsten Dinge vor sich. Und lernt man ihrer Wesenheit nach die Momente des Einschlafens und des Aufwachens erkennen, dann bekommt man auch von einem gewissen Gesichtspunkte her rechte Begriffe über das Verhältnis des Menschen zu der Welt, in der auch die Toten mit uns zusammen sind.

Ich sagte: Der Mensch steht eigentlich fortwährend mit der Welt der Toten in Verbindung, und besonders rege ist diese Verbindung im Momente des Einschlafens und im Momente des Aufwachens. Und zwar ist es so, wie das hellsichtige Bewußtsein zeigt, daß im Momente des Einschlafens der Mensch besonders geeignet ist, Fragen an die Toten zu stellen, Mitteilungen den Toten zu bringen und so weiter, eben sich an die Toten zu wenden. Im Momente des Aufwachens ist der Mensch besonders geeignet, Mitteilungen, Botschaften von den Toten zu empfangen. Er bekommt sie rasch, diese Botschaften, er ist dann

sogleich aufgewacht. Das, was so vorübergehuscht ist, wird gleich übertönt von dem tumultuarischen Wachsein. In atavistischen Zuständen hat man das vor gar noch nicht langer Zeit bei primitiveren Menschen gewußt und auch angedeutet. Aber selbst in primitiveren Gegenden gehen solche Dinge nach und nach unter dem Einflüsse unserer materialistischen Kultur zugrunde. Wer bei unseren alten Leuten in Bauerngegenden aufgewachsen ist, der weiß, daß eine Grundregel der Leute war, man solle morgens, wenn man aufwacht, möglichst ein bißchen stille bleiben, nicht gleich ins durchleuchtete Fenster schauen, nicht ins Licht schauen, weil die Leute das, was aus dem Schlafe nachwirkt, was namentlich im Aufwachen an die Seele herantrat, sich nicht übertönen lassen wollten durch das stürmische Wachwerden. Der primitive Mensch wollte noch etwas im dunkeln Zimmer ruhig liegen, wollte nicht zum Fenster hinausschauen, wenn er aufgewacht war.

Nun gehört allerdings schon etwas dazu, obwohl es nicht allzu schwierig ist, es wahrzunehmen, daß mit dem Momente des Aufwachens und des Einschlafens etwas Besonderes verbunden ist. Um auf solche Dinge achten zu können, dazu gehört, wenn ich so sagen darf, eine gewisse Wachsamkeit des Denkens, eine Eigenschaft, die zu keiner Zeit so wenig vorhanden war wie zu unserer Zeit. Man könnte groteske Beispiele anführen, wie es mit der Wachsamkeit des Denkens ist. Banale Beispiele, die das alltägliche Leben durchziehen, man kann sie gewissermaßen auf der Straße finden. Ich will ein ganz banales Beispiel anführen.

Vor einigen Tagen fiel mein Blick auf eine Annonce, die so ziemlich ein Achtel des Blattraumes einer großen Zeitung ausfüllte, eine Annonce, von der ich aber gesehen habe, daß sie sehr verbreitet ist. Sie behandelte eine reklamehafte Anpreisung einer sehr weit verbreiteten Gedächtnislehre: Pöblmann, oder so etwa heißt es. Es wird ja viel Reklame gemacht. Diese Annonce begann etwa in der folgenden Weise: Sie wolle anzeigen, daß man nicht Einfluß gewinnen könne auf andere Menschen, wenn man sich nicht der Methode des Herrn Pöhlmann bediene, sondern einer anderen Methode. — Ich spreche jetzt nicht über die Erlaubtheit oder Unerlaubtheit, über Recht oder Unrecht von «Einflußgewinnen» und so weiter, das geht uns hier nichts an, aber ich

spreche über das, was in formaler Beziehung über die Sache gesagt wird in der Annonce. Da stand also: Gewisse Leute geben vor, durch Pflege des persönlichen Magnetismus, durch Erstarken von was weiß ich im menschlichen Wesen, Einfluß zu gewinnen auf andere. Man könne leicht diesen Menschen nachweisen, daß sie nicht die Wahrheit sprechen, denn es soll einer der Leute nur sagen, ob es ihm schon gelungen sei, durch persönlichen Einfluß es dahin zu bringen, daß ihm Rothschild oder andere reiche Leute eine Million überlassen haben. Da das nachweislich nicht gelungen sei, und es ganz gewiß versucht worden wäre, wenn es hätte gelingen können, so beweise das, daß man durch diese Methode keinen Einfluß auf die Menschen gewinnen könne. Denn Einfluß gewinne man nur auf dem Wege von Wissenschaft und Bildung. - Dann wird die Methode Pöhlmann beschrieben. Man weiß nun, daß eine ganze Anzahl von Menschen überzeugt werden davon: Die anderen Kerle alle gewinnen nicht die Möglichkeit, Fähigkeiten zu kultivieren, die einen Einfluß auf die Leute gewinnen, denn das zeige sich ja ganz klar, nicht wahr: Sie haben nicht einen solchen Einfluß auf Rothschild gewonnen, daß er ihnen seine Millionen überlassen hat. — Wie viele Menschen - das fragen Sie sich selbst - lesen einmal diese Annonce und machen sich nicht sofort den Einwand: Ja, hat denn der Pöhlmann so viele Schüler, die dem Rothschild eine Million abgewonnen haben? - Sie brauchen sich nur zu fragen, wie vielen dieser naheliegende Gedanke kommt!


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