Von Hinterpommern nach irgendwo …



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Gesprächen oder Briefen. Dieser Zufallsfund sollte 
sich für uns bald als sehr hilfreich erweisen.  
Über unsere Berliner Verwandten erfuhren wir 
durch eine ihnen überbrachte mündliche Botschaft, 
dass Vater von den Russen am 11. März 1945 abge-
führt worden und seitdem verschollen sei, Großmut-
ter und Großvater neben dem geplünderten und 
verlassenen Treck auf Großvaters Wunsch hin er-
schossen worden seien oder Großvater ihrem ge-
meinsamen Leben in dem Chaos selbst ein Ende 
gesetzt hätte, Mutter, Schwester und die beiden 
jüngeren Brüder allerdings in Klein Nossin überlebt 
hätten. Auch die Nachricht, dass Mutter und unsere 
Geschwister im Juli 1947 ausgewiesen worden und 
inzwischen in Dresden-Zschieren seien, erreichte 
uns über unsere Berliner Verwandten.  
Ich begab mich sogleich auf den Weg nach Dres-
den. In der Nähe Lüchows „machte ich über die 
Zonengrenze“ und fuhr von Salzwedel bis Dresden 
auf Puffern und Dächern von Eisenbahnwaggons. 
Ich war glücklich, Mutter und Geschwister in einem 
Hause an den Elbwiesen am 30. August 1947, dem 
Geburtstag meines jüngsten Bruders Fritz, wiederzu-
sehen. Meiner Schwester war ich schon auf dem 
Wege dorthin beim Arbeiten in einer Gärtnerei 
begegnet. Fritz entdeckte ich vor dem Hause auf 
einem Apfelbaum, in dessen Krone er Augustäpfel 
erntete. 
Das 
Wieder-
sehen in 
Dresden-
Zschieren 


145 
Schnell waren wir uns einig, dass ich über Bruno 
Leddin, dessen Anschrift in Hannover wir bereits 
erhalten hatten, versuchen sollte, eine Zuzugsgeneh-
migung nach Niedersachsen zu bekommen. 
Auf der Rückreise nach Salzwedel bevorzugte ich 
gleich wieder Plätze auf Puffern und Dächern und 
war wenig später schon bei Bruno Leddin in Hanno-
ver.  
Um auf dem Schwarzmarkt am Hauptbahnhof 
Hannover ein gutes Geschäft zu machen, packte ich 
sieben Flaschen selbst gebrannten Schnaps in mei-
nen Rucksack. Eine wollte ich Bruno Leddin mitbrin-
gen, der in der Dalemstraße in Hannover-Linden 
wohnte, kam hier aber ohne mein so wertvolles 
Geschenk an. Auf dem Bahnhof in Uelzen ereignete 
sich folgendes: Ich bot meinen Schnaps im Wartesaal 
zweiter Klasse jemandem für 180 Mark pro Flasche 
an. Nach anfänglichen Absagen verfolgte er mich 
dann aber vor Abfahrt des Zuges bis auf den Perron 
eines Waggons und erklärte mir dort sehr eilig seine 
Kaufbereitschaft für eine Flasche. Kaum hatte ich 
ihm vertrauensvoll meine Ware übergeben, stürzte 
er ohne zu bezahlen davon. Mit einem Hechtsprung 
folgte ich ihm, schnappte ihn mit beiden Händen an 
seiner Jacke, drückte seinen Rücken und Kopf gegen 
die schwere Eingangstür zum Wartesaal, entriss ihm 
meinen Schnaps und erreichte den Zug gerade noch 
während der Anfahrt. In Hannover bot ich meine 
Zum 
Schwarz-
markt in 
Hannover 


146 
Bei  
Leddins 
in Han-
nover 
Ware zum gleichen Preis erneut an und fand sofort 
zwei jüngere Interessenten, die mich zum Zwecke 
der Übergabe in das damalige Trümmergrundstück 
des Postamtes in der Nähe des Bahnhofs baten, 
angeblich, um nicht von der Polizei beobachtet 
werden zu können. Schwarzmarktgeschäfte waren ja 
verboten und unterlagen häufig Razzien, die zur 
Konfiszierung der Handelsware führten. Deswegen 
folgte ich ihnen ohne Argwohn. Kaum waren wir an 
einer etwas tiefer gelegenen Stelle des Grundstücks 
angekommen, baten sie mich, meinen Schnaps zu 
zeigen. Ich tat das bereitwillig, denn ich war von 
seiner Qualität fest überzeugt. Sie reichten mir dann 
grinsend 50 Reichspfennige mit der Bemerkung, 
dass sie mich zusammenschlagen würden, wenn ich 
das nicht akzeptiere oder gar um Hilfe riefe. So war 
ich zwar um einige Erfahrungen reicher, kam aber 
ohne eine Flasche Schnaps bei Leddins an.  
Bruno Leddin lag mit einer Grippe im Bett. Er und 
seine Frau freuten sich, von Paul und seiner Familie 
wieder etwas zu erfahren, und nachdem ich auch 
meine jüngsten Reiseerlebnisse geschildert hatte, 
wurde die Frage erörtert, wohin ich denn unsere 
Familie gerne haben würde. Angesichts der hun-
gernden Menschen in den Städten und meiner 
Erlebnisse auf den Bahnhöfen von Uelzen und 
Hannover entschied ich mich für den Landkreis 
Lüchow-Dannenberg. Hier sah ich die besten Über-


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lebenschancen für uns, kannte bereits größere Teile 
des Kreisgebietes. 
Leddin rief den damaligen Flüchtlingskommissar 
Heinrich Albertz an und bat ihn, mir zu helfen. 
Albertz empfing mich daraufhin in seinem Büro in 
der Königstraße freundlich und mit rauchender 
Pfeife. Nachdem ich auch ihm wunschgemäß vom 
Schicksal unserer Familie berichtet und meinen 
Wunsch auf eine Zuzugsgenehmigung vorgetragen 
hatte, diktierte er der Sekretärin einen Text, unter-
schrieb ihn und überreichte mir gütig lächelnd die 
Zuzugsgenehmigung nach Niedersachsen für meine 
Mutter und meine Geschwister. Ich war sehr glück-
lich darüber und legte, da es kein Verkehrsmittel 
gab, an diesem Tage die ca. 24 Kilometer auf der 
Straße von Uelzen ins Wendland nach Klein Gaddau 
vor Freude größtenteils im Laufschritt zurück. Kurz 
vor Rosche nahm mich ein englischer Jeepfahrer ein 
Stück des Weges mit, entsicherte aber vorsichtshal-
ber seine MP, bevor er mich auf den Wagen ließ. 
Ich entsinne mich, dass Leddin auch fragte, ob ich 
auf die Karl-Marx-Schule wolle, worauf ich ihm die 
Antwort schuldig blieb, weil ich sie überhaupt nicht 
verstand. Ich wollte einfach wieder mit meiner 
Mutter und den Geschwistern zusammenleben, an 
meine Ausbildung oder schulische Weiterbildung 
dachte ich nicht. 
 


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