Von Hinterpommern nach irgendwo …



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nie. Wir litten keinen Hunger, waren aber ständig 
damit beschäftigt, Pläne für unsere Weiterreise zu 
schmieden. Nachdem die sowjetische Besatzungs-
grenze plötzlich bis nahe Lübeck vorverlegt worden 
war, waren wir ohne eigene Anstrengung in den 
Herrschaftsbereich der sowjetischen Truppen ge-
langt und brachen zusammen mit vielen Flüchtlin-
gen, die immer noch mit ihren Pferdewagen unter-
wegs waren, wieder hoffnungsvoll in Richtung 
Heimat auf. Schon nach kurzer Wegstrecke verbrei-
tete sich die Kunde, am alten Grenzpunkt würden 
alle Männer besonders streng kontrolliert oder gar 
festgesetzt. Wir wichen deshalb in ein Waldstück 
aus, um den Grenzpunkt zu umgehen. Da traten uns 
auch schon zwei junge Rotarmisten mit vorgehalte-
ner MP entgegen, lachten und riefen „Stoij!“ und 
nahmen meinen Weggefährten fest. Nun war ich 
wieder mutterseelenallein auf der Straße. Mein 
Gepäck konnte ich auf einen in Richtung Wismar 
fahrenden Flüchtlingswagen werfen und mich beim 
Fußmarsch am Leiterwagen festhalten. 
Notdürftig bekleidet lief ich zu dieser Zeit – gerade 
15 Jahre alt – in einer grauen Breecheshose des 
Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) 
und dazu unpassenden (SA-)Stiefeln. Um trotz 
dieser wohl ulkig wirkenden Kombination nicht bei 
möglichen weiteren Kontrollen für einen Erwachse-
nen gehalten zu werden, zog ich meine Stiefel aus, 
Allein  
auf den 
Straßen 
nach 
Pommern 


128 
lief barfuß und versuchte, die Beine so einzuknicken, 
dass ich noch kleiner und unscheinbarer wirkte.  
Auf dem weiteren Wege kamen mir kurz hinter 
der Rostocker Stadtgrenze völlig unvermutet zwei 
Schulkameraden der LBA Köslin entgegen, deren 
Namen mir leider entfallen sind. Sie hatten den 
Versuch, zu ihren Familien in die hinterpommersche 
Heimat zu gelangen, in dem Dorf Scheune kurz vor 
Stettin abgebrochen, nachdem sie dort von Polen 
verprügelt worden waren. Da ich mich aber dadurch 
nicht davon abbringen ließ, zu meiner Familie zu 
gelangen, und die beiden ohnehin ziellos umherirr-
ten, schlossen sie sich mir auf meinem Wege nach 
Hinterpommern wieder an.  
Wir transportierten unsere Habseligkeiten zeitwei-
se mit einem Handwagen, der auf Kinderwagenrä-
dern montiert war. Essen und Trinken 
„organisierten“ wir nach Bedarf und Gelegenheit. 
Mit uns ziehende entlassene Soldaten unterstützten 
uns dabei. Auf unserer Wanderung nach Stettin 
müssen wir längere Zeit unterwegs gewesen sein, 
denn am berüchtigten Grenzort Scheune vor Stettin 
verbrachten wir aus Furcht vor uns drohenden 
Gefahren die Nacht in der Nähe des Bahnhofs in 
einer Getreidestiege oder einem Heuhaufen. 
Schreie von Frauen und Kindern, die sich auf dem 
Bahnhof offensichtlich gegen gewalttätige Übergriffe 
von Soldaten und/oder Polen wehrten, veranlassten 
Von 
Rostock 
nach 
Stettin 
Wieder-
sehen in 
Rostock 


129 
uns, unser in Rostock gefasstes Reiseziel noch in der 
Nacht aufzugeben. 
Da wir alle drei Verwandte in Berlin hatten, liefen 
wir nunmehr entlang der Bahnstrecke in Richtung 
Berlin in der Hoffnung, bei den Verwandten Zu-
flucht zu finden. Erinnern kann ich mich nur noch, 
dass wir die ganze Strecke zu Fuß zurückgelegt und 
irgendwo in Berlin inmitten massenweise umherzie-
hender und umherfahrender gepäckbeladener 
Menschen die erste U-Bahn bestiegen haben, deren 
Türen sich automatisch schlossen. Welch ein Erleb-
nis für uns Landpomeranzen! 
Dazu noch die Hoffnung, unseren Verwandten 
nach Monaten des Umherirrens in Norddeutschland 
ganz nahe zu sein. In der Aufregung versäumten wir 
es, die Adressen unserer Verwandten zu tauschen. 
Da wegen zerstörter Bahnhöfe und Gleise die Züge 
oft nur kurze Strecken fuhren, und wir in dem 
chaotischen Gedränge beim erneuten Einsteigen den 
automatisch schließenden Türen ausgesetzt waren, 
verloren wir uns in Berlin, so dass jeder wieder 
völlig auf sich allein gestellt war.  
Gegen Abend fand ich Gott sei Dank Tante Grete 
und Onkel Emil in ihrer unversehrt gebliebenen 
Wohnung in der Belziger Straße 27 in Schöneberg. 
Meine Cousine Ruth gelangte erst einige Zeit später 
von Österreich nach Berlin. 
 
Bei Onkel 
Emil und 
Tante 
Grete in 
Berlin 
Von 
Scheune 
nach 
Berlin 


130 
Einige Lebensmittel brachte ich mit, unter anderem 
ein größeres Stück geräucherten Speck, den unsere 
Berliner so sehr liebten. Ich hatte ihn gegen meine 
Taschenuhr eingetauscht. Am übernächsten Tag 
nach meiner Ankunft meldete ich mich polizeilich in 
Berlin an und erhielt die begehrten Lebensmittelmar-
ken. 
Mein Onkel arbeitete als Tischler bei der Bestat-
tungsfirma Grieneisen in der Belziger Straße. Auf 
dem Gelände befand sich eine amerikanische Mili-
täreinheit, die mich bereitwillig in ihre Dienste 
nahm. Unmittelbar am Schöneberger Rathaus muss-
te ich an einem Hydranten ihre Autos waschen. Für 
diese Tätigkeit erhielt ich so begehrte Lebensmittel 
wie Weißbrot, Kakao und verpacktes Essen aus der 
Küche, auch Zigaretten. Die Soldaten nannten mich 
Joe. Einmal wurde ich aber auch in einen Jeep ver-
frachtet und zu einem unangenehmen Verhör auf 
einer Geheimdienststelle in einen Außenbezirk 
Berlins gefahren. Vielleicht war es ein Routineverhör 
für alle bei den Amerikanern beschäftigten Deut-
schen. 
Oft war ich mit meinen Verwandten auch bei aus 
Pommern zugewanderten Bekannten zu Gast und 
lernte deren Lebensweisen und Wohnverhältnisse 
kennen. 
Bei den Versuchen, im Umkreis der Belziger Straße 
eine markenfreie Wurstsuppe bei Fleischern ausfin-


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