Von Hinterpommern nach irgendwo …



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Dass ich verbotswidrig gehandelt hatte, wurde mir 
erst nach diesem Besuch bewusst. Einige Nachbarn 
hatten vor mir als Fallensteller Glück im Walde 
gehabt, und von ihnen hatte ich mir schließlich die 
Praxis abgesehen. 
Im Frühjahr 1948 konnten wir etwas Gartenland 
bewirtschaften. Aber ich organisierte noch auf ande-
re Weise Lebensmittel. Ich zertrümmerte in dem 
zum ehemaligen Funkturm auf dem Höhbeck gehö-
renden Gebäude einen großen Transformator und 
kam dadurch an große Mengen Kupferdraht auf 
Rollen heran. Die tauschte ich in Kiefen und Klein 
Gaddau gegen Lebensmittel. Die Entfernung dort-
hin, immerhin ca. 40 Kilometer, legte ich mit dem 
Fahrrad zurück. Ich war gut beraten, den Draht nicht 
den Bauern rund um den Höhbeck angeboten zu 
haben, denn eines Tages kam es zu einem unange-
nehmen Verhör wegen des zertrümmerten Genera-
tors, obwohl dieser doch seine Brauchbarkeit schon 
zum Zeitpunkt der Sprengung des Gebäudes völlig 
eingebüßt hatte. Auch diese Sache ging glimpflich 
für mich aus. Alle befragten Nachbarn sagten zu 
meinen Gunsten aus. 
Vom Höhbeck aus habe ich bis um die Zeit der 
Währungsreform im Juni 1948 wöchentlich Fahrten 
zum ca. 30 Kilometer entfernten Einwohnermelde-
amt nach Dannenberg unternommen, um für uns 
eine größere Wohnung in einem zentraleren Ort des 
Unsere 
Wohnungs-
not 


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Kreisgebietes zu finden, weil sich der unmittelbar an 
der Zonengrenze und gut einen Kilometer außerhalb 
der Ortschaften Pevestorf und Brünkendorf gelegene 
Höhbeck als recht ungünstiger Standort für eine 
Verbesserung unserer Wohnsituation erwies. Es 
existierten dort nur zwei  Wohnhäuser. Von den 
umliegenden Ortschaften war er wegen des steilen 
Anstiegs der Straße streckenweise nur zu Fuß er-
reichbar. Das war besonders für Mutter strapaziös. 
Mein Fahrrad war aus Einzelteilen von den in 
dieser Zeit an Waldrändern nahe gelegener Dörfer 
vielfach vorhandenen Schrottplätzen zusammenge-
setzt. Die Reifen wurden aus brauchbaren Stücken 
alter Reifen so zusammengefügt, dass die Räder 
nicht entgegen den Stückansätzen rollten. Sie liefer-
ten aber dennoch ein regelmäßiges Tack-Tack-
Geräusch. Bei diesem reparaturanfälligen Zustand 
aller Teile – wie z. B. auch der Kette – habe ich 
Dannenberg natürlich nicht immer erreicht. Ein 
Erfolg war mir mit diesen Strampeleien leider auch 
abschließend nicht beschieden. Wir konnten den 
Höhbeck nicht verlassen. 
Nicht selten bin ich an Sonntagen mit meinen 
Brüdern oder alleine auf dem Höhbeck gewandert, 
habe den weiten Ausblick auf das Flusstal der Elbe 
und die Sicht über die Zonengrenze und weit dar-
über hinaus genossen, im Sommer oft im Gras gele-
gen und dem Gebrumm der Flugzeuge gelauscht, 
Mitten 
im Walde 


155 
die über den Höhbeck nach West-Berlin flogen, um 
die sowjetische Blockade der Transportwege über 
Land und Wasser zu überwinden. In solchen Situati-
onen überkamen mich oft lebhafte Erinnerungen an 
die vielen Waldwanderungen mit der Klein Nossiner 
Dorfjugend. 
Im Sommer 1948 nahm ich eine Zeit lang Geigen-
unterricht in Gartow. Um Nachbarn in der Enge des 
Hauses nicht zu belästigen, übte ich im Walde neben 
unserem Wohnhaus. Meine Schwester hat noch 
lebhafte Erinnerungen an meine musikalischen 
Übungen, zu denen ich die Noten auf dafür geeigne-
te Zweige der Kiefern stellte. Ich erinnere mich 
weder daran, noch an die produzierten Töne. 
Hier auf dem Höhbeck erlebten wir 1948 mit der 
Währungsreform die langsam einsetzende Normali-
sierung des Lebens in der Nachkriegszeit. Wir er-
freuten uns des Überlebens in der wieder vereinten 
restlichen Familie, aber wir vermissten das vertraute 
und vertrauensvolle Leben in der Klein Nossiner 
Dorfgemeinschaft sehr. Jeden von uns schmerzte der 
endgültige Verlust der Heimat und der nun in alle 
Windrichtungen verstreuten Verwandten, Nachbarn 
und anderen Dorfbewohner. Deren Adressen fehlten 
meist und wer hatte in dieser Zeit schon ein Telefon. 
Und wo waren die, denen 1945 die Flucht über die 
Ostsee geglückt war, und wie konnte man zu den 
Adressen der in die verschiedenen Besatzungszonen 
Normali-
sierung 
und 
unsere 
Einsam-
keit  


156 
gelangten anderen Dorfbewohner gelangen? Und 
wer hatte nach der Währungsreform Geld zum 
Telefonieren und Reisen? 
In der Erinnerung an das Heimatdorf verfestigte 
sich die ehemals weite Sicht vom nördlichen Ende 
des Grundstückes an unserem Wohnhaus auf das 
Tal der Schottow mit den Wiesen, das mit hohen 
Birken, Kiefern und großem Wacholder bestandene 
steile Nordufer und der großen Gänseweide an der 
Brücke mehr und mehr zum Bild eines verloren 
gehenden geheimen persönlichen Besitzes in einer 
versinkenden Landschaft. 
Von der nach der Währungsreform allgemein 
einsetzenden besseren materiellen Versorgung 
verspürten wir wenig. Vater wurde für tot erklärt, 
Mutter trug schwer an ihren gesundheitlichen Lei-
den und erhielt nur eine karge Witwenrente. Meine 
Schwester musste Mutter weiterhin zur Seite stehen; 
ich verdiente 40 Mark monatlich. Bereits in den 
Bergbau abgewanderte Bekannte kamen mit eige-
nem Motorrad zu Besuch, berichteten von ihren 
Löhnen, Arbeitszeiten und den Chancen für besseres 
Wohnen und Leben. So machte auch ich mich eines 
Tages auf den Weg ins Ruhrgebiet und fuhr am 19. 
November 1919 zur ersten Schicht unter Tage auf 
der Zeche Alma in Gelesenkirchen ein. Und ich 
nutzte von  diesem oder dem nächsten Tage ab die 
Bildungsangebote der Volkshochschule. 
Nach  
der Wäh-
rungs-
reform 


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