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Geld). – Die gegen Schluss des Buches versammelten Liedtexte ver-
sprechen Erlösung bei geselligem Gesang und durch die Vergewis-
serung einer unverdrossenen Sauerland-Identität (dem Heimatstolz ist
an zwei Stellen auch „Treudeutsches“ beigemischt: Siuerländer Luie;
Siuerländer Leud). Hier kann eine Welt voller Frohsinn und wohlge-
sonnener Freunde imaginiert werden. Doch immer wieder schleichen
sich melancholische Töne und Gefühle von Vergeblichkeit ein. Der
letzte Text des Buches klingt sehr tragisch. Beim Ausblick auf den
Lebensabend gilt: „[M]annege Huapenunge geiht dann noch entwei, /
jo, et Affscheidniämmen dät deut weih“ (Affscheid).
2.
J
OSEPH
S
CHMELZER
(1880-1974): Dieser in Olpe geborene Mund-
artautor, Lehrer in Cochem an der Mosel, ist schon ab 1920 als maß-
gebliche Gründungsgestalt des Olper Heimatvereins in Erscheinung ge-
treten und hat 1924 sein „sprachpflegerisches Anliegen“ durch den
Vortrag eigener Mundarttexte in der Heimatstadt bekräftigt (Im reypen
Koren 2010, S. 582-585; Schmelzer 1921; SV 1924). Mit großer Wahr-
scheinlichkeit war der Sprechsprachenwechsel hin zum Hochdeutschen
im Olper Stadtgebiet zu Beginn der 1920er Jahren schon sehr weit ge-
diehen (SV 1920; SV 1925). 1925 erscheint Schmelzers schmales
Büchlein „Wilde Blaumen – Spaß un Erenst in Olper Platt“ mit Prosa
und Gedichten. Der Themenkreis des Werkes bewegt sich innerhalb des
Kanons gefälliger Heimatkunst. Das Schwank-Genre wird jedoch ganz
ausgespart. Besonders lang fallen die Dichtungen zu den lokalen Fest-
und Brauchtumstagen aus (Schützenfest, Kirmes im benachbarten
Wenden, Osterfeuer, Olper Martinsabend). Die Vermutung liegt nahe,
dass diese sehr einfachen Paarreim-Texte für den mündlichen Vortrag
produziert worden sind: Allseits bekannte Sachverhalte kommen über
die tradierte – schon nicht mehr ‚selbstverständliche‘ – Ortsmundart zu
Gehör, und dadurch wird gemeinschaftliche Identität gestiftet. Der
Olper ist ein „Kerl“, zufrieden mit sich und dem Herrgott, hält sein
Wort, glänzt nicht gerade durch Aufgeschlossenheit und lässt auf seine
Heimat und das Schützenfest nichts kommen (Der Olper). – Beachtung
verdient in inhaltlicher Hinsicht das Weltkriegsgedicht „Niegentihen-
hundertvertihen“ (Liäwensläup 2012, S. 535-544; Kontrasthaltungen
dazu: Bürger 2016): Aus der Perspektive der kleinen Leute gibt es kei-
nen Grund für Hurra-Geschrei, denn der Kriegsapparat zerstört das
eigene Leben. Indessen zieht der Verfasser dann keineswegs die Konse-
quenz, von einem sinnlosen Soldatentod zu sprechen. Die „Gefallenen“
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(d.h. die Zerfetzten) sind – gemäß Phrase – immer ausgerechnet „unsere
Besten“. Der Verweis auf ein naturhaftes Frühlingsgeschehen soll wohl
trösten, verschleiert aber die Widersprüche, die doch nach dem Massen-
morden und Massensterben nicht hätten verdrängt werden dürfen. – Die
Sammlung fällt konventionell aus. In Schmelzers kurzen Dichtungen
gibt es aber einige schöne Strophen. Meine persönlichen Vorzugstexte
sind die vom Leutegut inspirierten Gedichte „In der Miölle“ und „An
der Waige“. Es bleibt die Frage, warum der Autor, der dem Sauerländi-
schen Volksblatt als helle Gestalt in einer sogenannten „Zeit der Ueber-
kultur“ galt (SV 1924), seine Dichtungen als „Wilde Blumen“ präsen-
tiert hat.
II. HOCHSAUERLAND
3. A
UGUST
B
EULE
(1867-1923): Der in (Olsberg-)Elpe geborene und in
(Bestwig-)Ramsbeck lebende Schuhmacher war ein Onkel des Heimat-
bund-Nestors Franz Hoffmeister (Im reypen Koren 2010, S. 83-85).
Schon vor der Weimarer Zeit soll Beule die Leser des „Westfälischen
Volksblattes“ durch „hoch- und plattdeutsche Gedichte in Spannung ge-
halten haben“ (Beule 1922, S. 6). 1919 erscheint in der „Trutznachti-
gall“ sein Gedicht „Häimatschutz dem Suerlanne“. Die von Hoffmei-
ster organisierten Schüler und Studenten, maßgebliche Vorhut einer
neuen Heimatbewegung im katholischen Landschaftsteil, singen die
Schlußstrophe wie eine Hymne. Man will nicht elitär, akademisch, bür-
gerlich sein, sondern „volksübergreifend“. Deshalb kann der Hand-
werksmeister den jungen Eiferern im Rahmen der ersten Heimatabende
zu einer Vorbildgestalt werden. Für die Bücherreihe der „studierenden
Sauerländer“ besorgt Hoffmeister schon 1922 – in einer wirtschaftlich
noch sehr schwierigen Zeit – den plattdeutschen Band „Biärgwind“
von August Beule, der Prosa und 26 Gedichte enthält. Professioneller
Illustrator ist ein Bruder des Autors. Der Dichter stirbt schon im Jahr
darauf. Das überwiegend heitere Werk zeugt – wie Friedrich Schroeder
1998 bemerkt hat – von einer weltanschaulich geschlossenen bäuerli-
chen Lebenswelt, wie sie schon zur Abfassungszeit im Bergwerksort
Ramsbeck kaum noch gegeben war. Beule kann Gedichte machen und
hat Sinn für Komik! Die Köpfung eines widerborstigen Hahnes be-
schäftigt die ganze Dorfgemeinschaft und gilt schließlich als Heldentat,
die begossen werden muss (Graute Hahnenjagd). Die betenden Frauen