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NS-Führung gehuldigt hat, wird schon im biographischen Band unserer
Werkausgabe erhellt.
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5. J
OST
H
ENNECKE
(1873-1940): Der Bergmannsohn, Schuhmacher,
Fabrikarbeiter, Küster und Hilfsorganist aus (Meschede-)Remb-
linghausen ist seit 1908 als Verfasser plattdeutscher Prosa und Gedichte
hervorgetreten (Im reypen Koren 2010, S. 249-253). Wie schon August
Beule legt auch Hennecke davon Zeugnis ab, dass der 1921 begründete
Sauerländer Heimatbund als ein Spiegel der „Leutelandschaft“ keines-
wegs vornehmlich auf Akademiker beschränkt bleibt. Er kann gleich-
wohl nicht als naiver Arbeiterdichter gelten, hat er doch auf ein „ver-
hindertes Studium“ mit ausgiebigen Lesestudien in Eigenregie reagiert.
In der hier vollständig dargebotenen Balladen- und Sagensammlung
„Versunkene Klocken“ (1925) stellt der Autodidakt unter Beweis, dass
er sich besser auf „Reim und Rhythmus“ versteht als mancher Mundart-
autor mit Lehrerprofession.
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Das Werk zeichnet sich trotz seiner sehr
unterschiedlichen Abteilungen durch einen planvollen Gesamtaufbau
auf. Eine „allegorische Einleitung“ vermittelt den Lesern den Eindruck,
Hennecke sei durch eigene Traumgesichte zu dieser Dichtung hinge-
führt bzw. berufen worden (1. De Gäisterhöhle): Es gibt eine durchaus
antiaufklärerische Stoßrichtung. Die heimatliche Landschaft soll jedoch
nicht wieder Schauplatz von heidnischen Mythen und Aberglauben
werden. Vielmehr geht es um die „treukatholisch“ intendierte Absage
an einen zeitgenössischen Atheismus, der die Wirklichkeit der unsicht-
baren Welt leugnet. – Im 2. Kapitel „Guades Mühlen“ macht ein Bauer,
der im Lebenskampf sogar rücksichtslos über Leichen gehen würde, die
Erfahrung, dass man Gottes Gericht nicht entgehen kann. Opfer seines
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Vgl. Bürger 1993; daunlots nr. 59*. Im aktuellen Wikipedia-Eintrag zu Chr. Koch
wird seit längerem aus Knoppe 2005 gezielt so mit
Auslassung zitiert, dass die in
dieser Dissertation durchweg auf transparente Weise aus meiner biographischen
Darstellung von 1993 zitierten Texte mit extremer Rechtstendenz als neue Funde
von 2005 erscheinen. So kommt man dann trotz des publizierten Gegenteils in den
Ruf eines ziemlich unkritischen Apologeten. Die Sache hat in diesem Fall Methode.
– Auf der anderen Seite verbreiten einige „Heimat- und Mundartfreunde“ die
Kunde, ich hätte durch meine Forschungen die Ehre Christine Kochs befleckt. Wat
weste maken!?
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Möglicherweise ist auch die einstmals verbreitete Rezitation langer Versdichtung-
en in Schulen für manche Autoren eine gute Basis zur Ausbildung des „Gespürs“
für Rhythmus und Reim gewesen. Frühere Generationen konnten z.B. seitenweise –
auswendig – aus Friedrich Wilhelm Webers „Dreizehnlinden“-Epos vortragen.
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Stolzes wurde ehedem eine verstoßene Magd, doch jetzt findet der hart-
herzige Bauer durch den Tod seines – unehelich geborenen – Enkels die
Strafe und bereut. Das Gottesbild im Hintergrund ist erschreckend! –
Bei den drei regionalen Sagen-Stoffen (Kapitel 3.-5.) setzt der Text
„Dat Gäisterbankätt oppem Schluattbiärge“ bei den Lesern zu viel
Vorwissen voraus (die herangezogene Quelle ist im Anhang verzeich-
net). – Die Hexen-Ballade „6. Dai Wahrwulf van Daalbke“ kann
hingegen in allen Teilen leicht nachvollzogen worden: Ein Schreiber
mit krummem Buckel versucht vergeblich, eine junge Witwe zu ver-
führen, und überliefert die standhafte Frau dann dem Hexengericht. Der
Sohn des unschuldigen Opfers von Folter und Scheiterhaufen bleibt
stigmatisiert. Aber als Erwachsener kann er sich rächen und den Amts-
schreiber bei seinem Kohlenmeiler im Berg in die Flammen stürzen.
Der missgestaltete Büttel des Hexengerichts ist gewissermaßen ein
„Wehrwolf“ und somit entmenschlicht. Nicht christliche Aufklärung,
sondern drastische Selbstjustiz beantwortet hier den Hexenwahn. – Es
gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als die Weltweisen wahrzu-
nehmen vermögen. Ein Schäfer sieht den eigenen Tod voraus und
ergibt sich gläubig in sein Geschick (7. Dät Vüärbedreyf). Im gewebten
Leinentuch zeigen sich – unbeabsichtigt – drei Kreuze; sie stehen für
den Tod des Geliebten der Tochter an der Kriegsfront, den Tod der
trauernden Braut und schließlich den Tod der Weberin selbst (8. Dai
drai Dauenkruiße). – In Remblinghausen drängen die jungen Leute am
Abend darauf, die Geistererscheinungen der nahen Umgebung zu hören
(9. In der Spinnstuawe). Der Vater versichert ihnen bei jedem Stück
aufs Neue, dass es sich um eine wahre Kunde und nicht um bloße Er-
findung handelt. Am Bleckenfeld hat der Erzähler selbst vor sieben Jah-
ren ein schreckliches Kriegsgeschehen der Zukunft geschaut. Sieben
Geister-Mäher haben an einem Pfingstmorgen dem örtlichen Schäfer
die Knochen gebrochen. Eine gespenstige Eselsgestalt ging vorzeiten –
vorzugsweise des Nachts – in Remblinghausen umher; nach dem Tod
eines Bauern ward sie nie mehr gesehen (nur der Pastor wusste von den
Hintergründen). Vor ein paar hundert Jahren hat ein aus Venedig stam-
mender Bergmann sterbend als Dank einen „Glückstock“ hinterlassen,
der in Krankheitstagen später als Brennholz verbrannt wird und hierbei
das Gold in seinem Inneren preisgibt. Unter Sengers Deele liegt ein
Schatz, der nur unter Stillschweigen geborgen werden kann. Die Gei-
ster aus einer mysteriösen „Teufelskutsche“ vermochte ehedem nicht
einmal der seligmäßige Bödefelder Pfarrer und Exorzist Montanus