ERMLANDBRIEFE
Sommer 2005
10
Gemeinschaft Lumen Christi
Gott weiß, wie es weitergeht!
Liebe Freunde und Förderer, herzli-
che Grüße aus dem Kinderzentrum in
Kulikowo an der Ostsee! Hier die er-
sten Information in diesem Jahr über
unsere Arbeit im Kaliningrader Gebiet
Rund ums Haus St. Rafael, Kin-
der- und Jugendprogramm
Jugendtreffen, Kindertag und Fa-
milientag gehören schon zu festen
Einrichtungen in Kulikowo. Nach um-
fangreichen Ausbauarbeiten im Früh-
jahr starteten wir Anfang Mai in die
Saison 2005 im Haus St. Rafael mit ei-
nem Wochenende für Jugendliche
als Vorbereitung auf den Weltju-
gendtag in Köln.
Von den 65 Teilnehmern dieser reli-
giösen Tage werden sich ca. 40 im Au-
gust auf den Weg nach Deutschland
machen. Die katholische Pfarrgemein-
de St. Michael in Einhausen im Bistum
Mainz, die uns seit vielen Jahren - wie
auch andere Gemeinden - mit Sternsin-
gergeldern unterstützt, hat die jungen
Russen zu einer einwöchigen Vorberei-
tungszeit in ihre Pfarrei eingeladen.
Anschließend werden sie am großen
Fest in Köln teilnehmen.
In den drei Ferienmonaten von An-
fang Juni bis Ende August werden
wieder sechs Gruppen mit jeweils ca.
40 Kindern bei uns „Ferien mit Gott“
machen. Gemeinsam mit Priestern
und Schwestern aus den jeweiligen
Gemeinden begleitet Pfarrer Tadeusz
Kaczmarek die Kinderwochen. Der
polnische Priester lebt mit uns in Ku-
likowo und ist für die Region als Prie-
ster zuständig. Die erste Kinderwo-
che findet in unserer Abwesenheit
(Visabeschaffung) statt. Unser russi-
sches Team hat sich in den letzten
Jahren so gut eingearbeitet, dass der
Betrieb auch zeitweise ohne uns lau-
fen kann.
Bautätigkeit
Den Winter haben wir dazu genutzt,
Verbesserungen und Ergänzungen im
Haus durchzuführen.
Die Matratzenlager sind Vergangen-
heit. In eigener Fertigung wurde jeder
Winkel in den Zimmern mit Betten und
Regalen ausgebaut. Zusätzlich zu den
Holzöfen der einzelnen Hausbereiche
entstand eine Zentralheizung, die
ebenfalls mit Holz betrieben wird. So
können wir das Haus auch für den
Winter für Veranstaltungen, Treffen
und Kurse anbieten.
Die Küche wurde um ca. 20 m˛ er-
weitert und mit zwei Großküchenkes-
seln ausgestattet. Auch ein Grillpavil-
lon ist entstanden mit Platz für ca. 50
bis 60 Personen.
Im Aluminiumpavillon aus dem El-
saß wurde als erstes ein 10 x 10 m gro-
ßer Gottesdienstraum eingerichtet,
der wöchentlich auch von der nahen
Gemeinde Pionierski (Neukuhren) ge-
nutzt wird. Neue Gartenanlagen rah-
men den Pavillon jetzt auch von au-
ßen ein.
Das große, winterfeste Zelt, in dem
im letzten Jahr die Gottesdienste statt-
fanden, dient in diesem Jahr zur Grup-
penarbeit, zu Spiel und Sport.
Wer unsere Arbeit im Kaliningrader
Gebiet von Anfang an verfolgt hat,
weiß, dass wir 1992 in Kaliningrad mit
dem Bau eines kleinen Pfarrzentrums
aus Containern begonnen haben. Ei-
nen Teil dieser Container, die seit ei-
nigen Jahren zwischengelagert wa-
ren, haben wir nun nach Kulikowo
holen können. Aus ihnen entsteht ei-
ne Wohneinheit mit Gruppenraum,
zwei Schlafräumen, kleiner Küche
und Sanitärräumen.
Durch große Spannungsschwankun-
gen im Stromnetz (220 - 100 Volt) hatten
wir in den letzten Jahren ständige Pro-
bleme. Mit einem Generator arbeitet
nun sogar die große Waschmaschine
problemlos.
In diesen Wochen wird die biologi-
sche Kläranlage um einen großen
Sandfilter und zwei Klärteiche mit
Schilfbepflanzung erweitert.
Unser 1000 qm großer Gemüsegar-
ten mit Treibhaus macht viel Arbeit.
Wir hoffen auch in diesem Jahr wieder
auf eine gute Ernte.
Einweihung der St. Adalbertkirche
Nach langjähriger mühevoller Bau-
zeit wird am 18. September 2005 die
neu erbaute St. Adalbertkirche mit
Pfarrzentrum in der Straße Alexander
Newskowo (Cranzer Allee) eingeweiht.
Die vor einigen Jahren erbaute kleine
Fatimakapelle konnte in fünf Hl. Mes-
sen am Wochenende die Gläubigen
kaum fassen. Wir freuen uns mit Bi-
schofsvikar Jerzy Steckiewicz über das
gelungene Werk, für das er sich mit
ganzer Kraft eingesetzt hat.
Unser Beitrag besteht in der Fertig-
stellung der Gemeinderäume im Unter-
geschoss der Kirche. Seit zwei Mona-
ten verwandeln vier unserer Handwer-
ker den 450 qm großen Rohbau durch
Verputzen, Fliesen legen und Malerar-
beiten in helle, freundliche Räume.
Aus Anlass des Eucharistischen Jah-
res wird zwei Wochen vor der Einwei-
hung der Kirche ein „Eucharistischer
Kongress“ stattfinden. Karl Renner aus
unserer Gemeinschaft Lumen Christi
ist dazu als Referent eingeladen.
Stadtjubiläum Königsberg
Nicht nur an der St. Adalbertkiche
wird in Kaliningrad gebaut. In der
Vorbereitung auf das Stadtjubiläum
„750 Jahre Königsberg“ und „60 Jahre
Kaliningrad“ ist die Stadt eine einzige
Baustelle. Die vielen erwarteten Gä-
ste aus dem In- und Ausland werden
eine völlig neue City sehen rund um
den „Platz des Sieges“ (Hansaplatz).
Auch die neuerbaute orthodoxe Erlö-
serkathedrale wird zumindest außen
fertig sein.
Soziale Aktivitäten im Gebiet
Das bewährte Babuschka-Projekt,
die Beihilfe für Sozialwaisen, in Roma-
nowo (Pobethen) wird weitergeführt.
Die Schulspeisung in Krasnoje (Lin-
dicken) wird von uns weiterhin finan-
ziert. Immer wieder kommen Menschen
zu uns in Notlagen, in denen Soforthil-
fe nötig ist. Es geht um den Kauf von Me-
dikamenten, um Hilfen zu medizini-
schen Maßnahmen und vieles mehr.
Unsere derzeitige Lage
In Selenogradsk (Cranz) ist ein
neuer Landrat gewählt worden, was ei-
ne völlige Neubesetzung und Umge-
staltung der Behörden zur Folge hat.
Alle Kontakte müssen deshalb neu auf-
gebaut werden. Auch der Vertrag mit
Selenogradsk über unsere soziale Tä-
tigkeit gilt nicht mehr. So ist ein Ausbau
unserer Sozialarbeit nicht möglich.
Die Gemeinde Romanowo, zu der
wir gehören, wurde aufgelöst und der
Nachbargemeinde zugeordnet. So lie-
gen auch verschiedene Genehmi-
gungsverfahren auf Eis.
In Mamonowo (Heiligenbeil) ist
der Weiterbau des Kinderheims zur-
zeit nicht möglich. Die Genehmigun-
gen müssen neu eingeholt werden. Die
Bauingenieurin, die bei uns tätig ist, ar-
beitet zusammen mit der neuen Cari-
tasdirektorin und Sr. Alberta, der Leite-
rin des Kinderheims, an der Lösung
der Probleme.
Die Visabeschaffung gestaltet sich
in den letzten Jahren immer schwieri-
ger. Unsere Jahresvisa gelten in den
letzten zwei Jahren nur jeweils für ei-
nen Aufenthalt von 180 Tagen in Russ-
land. Zurzeit sind wir wieder in
Deutschland, um ein Visum zu bean-
tragen. Diesmal erhalten wir ein Visum
für nur drei Monate.
Gott weiß, wie es weitergeht!
Im Prozess gegen einen ehemaligen
russischen Mitarbeiter, der uns zu be-
trügen versucht, gibt es keine Fort-
schritte.
Zum Schluss möchten wir Ihnen noch
ein Ereignis schildern, dass uns auf un-
sere Anfangszeit hinweist: Ilja, einer der
ersten Obdachlosen im Sozialzentrum
in Kaliningrad, ist kurz nach Ostern ge-
storben. Als Mittelloser ohne Angehöri-
ge wäre er in einem Massengrab beer-
digt worden. Es ist uns gelungen, ein
Grab auf dem Friedhof in Kulikowo zu
bekommen, wo wir ihn dann auch in
würdiger Weise bestattet haben.
Wir werden oft gefragt, „Wie geht es
August, Luzia (Dunkl) und Elisabeth
(Winter)?“ Alle drei grüßen Sie sehr
herzlich. Elisabeth engagiert sich in ih-
rer Heimatgemeinde unter anderem
bei der Gestaltung von Gottesdiensten.
Ihr erster Beruf der Gemeindereferen-
tin kommt ihr dabei zugute. August
und Luzia sind jetzt ganz für die Pilger
auf dem Bruder-Konrad-Hof in Parz-
ham da. Sie fühlen sich wohl in ihrer
neuen Aufgabe. Ein Besuch in Parz-
ham lohnt sich.
Damit wir unsere Arbeit im Gebiet
von Kaliningrad auch in Zukunft wei-
terführen können, bitten wir Sie, liebe
Freunde und Förderer, um finanzielle
Unterstützung und um Ihr Gebet!
Ihnen allen, die Sie uns verbunden
sind, sagen wir ein herzliches „Ver-
gelt's Gott!“ und wünschen Ihnen und
Ihren Familien Gottes reichen Segen!
In dankbarer Verbundenheit grüßt
Marlene und Helmut Quirrenbach
für die Gemeinschaft Lumen Christi
Vor 60 Jahren: Verschleppungen nach Sibirien
Katholische Kirche im sibi-
rischen Gefangenenlager
Ende Januar 1945 wurden die Kirch-
spiele Bludau, Tiedmannsdorf, Mühl-
hausen und südlich davon von der Ro-
ten Armee erobert. Nach etwa 10 bis 14
Tagen setzte die Aussortierung von ar-
beitsfähigen Frauen, Männern und Ju-
gendlichen ab etwa 15 Jahren ein.
Nach langen Fußmärschen bei Tempe-
raturen unter 20°C bis zu den Sammel-
stellen in Mohrungen, Osterode u. a.
erfolgte die Verladung nach Insterburg
und dann in Viehwagons nach Sibi-
rien. Die qualvollen Bedingungen wäh-
rend dieser meist vier Wochen dau-
ernden Transporte sind bekannt.
Für viele Landsleute aus dem nord-
westlichen Ermland war die Region
östlich des Urals bestimmt. Hier lag die
große Industrie- und Bergbaustadt
Tscheljabinsk. Die Gefangenenlager
dort hatten (nach groben Schätzun-
gen) etwa 150 - 200 Tausend Menschen
eingekerkert.
Im März 2005 besuchte ich einen
DIA-Vortrag des Künstlers Vincenz
Schreiner aus Wien. Er hatte im Jahre
2004 für die neue katholische Kirche,
die im ehemaligen Lagergebiet errichtet
wurde, einen sehr ausdrucksstarken
Kreuzweg aus Ton an Ort und Stelle ge-
schaffen. Der Kreuzweg ist sehenswert,
und die dargestellten Personen können
in ihrem qualvollen Schmerz auch an
die damaligen Lagerinsassen erinnern.
Katholische Pfarrkirche auf dem Gelände im ehemaligen Ge-
fangenenlager in der stadt Tscheljabinsk / östlich des Ural
Foto: Vincenz Schreiner, Wien
nungsort bereits 1947 wegen Erkran-
kung zurück. Der DIA-Vortrag im März
dieses Jahres in der Nähe von Salz-
burg war auf den Tag genau 60 Jahre
nach seiner Ankunft in Tscheljabinsk.
Viele seiner Landsleute sind dort ver-
schollen.
Gerhard Denger
Aber sehr trö-
stend ist das
Bild der großen
neuen katholi-
schen Kirche.
Diese wird von
drei Geistlichen
geleitet. Die Be-
treuung umfasst
etwa ein Gebiet
der Größe einer
deutschen Di-
özese. In Tschel-
jabinsk wohnen
heute schon ca.
1 Million Men-
schen.
Mein Vater
kehrte aus die-
sem Verban-