Historischer Verein für Ermland
VIII
offen als das dem Zeitgeist am mei-
sten entsprechende bezeichnet. In
Form eines Abdrucks aus dem
Prze-
wodnik Katolicki erschienen die Li-
sty przyjacielskie o najżywotniej-
szych sprawach religii, historii i kul-
tury [Freundschaftsbriefe über die
lebenswichtigsten Fragen aus Religi-
on, Geschichte und Kultur].
In dieser Zeit bereitete er einen
Text zum Druck vor, der scheinbar
als theoretische Ausarbeitung galt,
aber gefüllt war mit Berichten aus
dem eigenen Leben:
Aus der Praxis
eines Redakteurs und Schriftstellers
(1907). Es erschien auch ein Reisebe-
richt
Von Ostpreußen durch Russ-
land-Polen nach Oberschlesien, in
dem seine früher gewonnenen Ein-
drücke von einem Aufenthalt in Po-
len ihren Niederschlag fanden. In
diesem Büchlein mit 88 Seiten finden
wir Beschreibungen von Mława,
Warschau, Lodz, Tschenstochau und
den Städten Oberschlesiens.
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Eugen Buchholz führte auch eine
umfangreiche Korrespondenz. Im
Archiv des Erzbistums Ermland
sind Briefe von über 500 Absendern
aufbewahrt, die diese an die Worm-
ditter Adresse geschickt hatten.
Darunter zwanzig Briefe vom Re-
dakteur des Ortelsburger
Mazur,
von denen die meisten vor 40 Jah-
ren in den
Komunikaty Mazursko-
Warminskie durch Bischof Jan
Obłąk publiziert worden sind. Sie
bestätigen den authentischen An-
teil von Buchholz am Redigieren je-
ner Zeitschrift in den Jahren 1908-
1914 und die von ihm erteilten Rat-
schläge. Er hat nämlich den wieder-
holt im
Mazur erschienenen Text
Różnice między „Pruskim Przyja-
cielem Ludu“ a „Mazurem“ [Die
Unterschiede zwischen dem Preu-
ßischen Volksfreund und dem Ma-
zur] vorbereitet. Kazimierz Jaros-
zyk konnte nicht sämtliche Rat-
schläge von Buchholz annehmen,
etwa – wie er schrieb - den Primat
der Katholisierung der Masuren,
die mit Hilfe des Glaubens dem Po-
lentum näher gebracht werden sol-
len. Der Redakteur des
Mazur ant-
wortete ohne Umschweife:
Wir wek-
ken die nationalen Gefühle und da-
bei gewinnt auch der Katholizis-
mus! In gleicher Weise reagierte frü-
her auch Stanisław Zieliński. Trotz-
dem baten Zieliński und Jaroszyk
Buchholz immer wieder um weitere
Artikel zur Veröffentlichung. In ei-
nem der Briefe bekannte Jaro-szyk:
Ich habe zu Ihnen ein solch großes
Vertrauen, dass ich mich dafür viel-
leicht sogar dem Tadel kompeten-
ter Personen aussetze. Sie sind,
sehr geehrter Herr, Deutscher, aber
ich erkenne in Ihren Briefen Ge-
rechtigkeit und herzliches Mitge-
fühl für das arme masurische Volk
(...) Es ist eigenartig, wenn ich Ih-
nen schreibe, vergesse ich, dass Sie
Deutscher sind! Diese Sätze wür-
den noch eine andere Bedeutung
erhalten, wenn man an dieser Stelle
die feindliche Einstellung gegen-
über der polnischen Zeitschrift auf-
zeigen würde, die in jener Zeit in
Ortelsburg gerade bei den Deut-
schen herrschte. Im Brief vom 7.
November 1913 fügte Jaroszyk hin-
zu:
Die Zusammenarbeit mit Ihnen
burg in einem Brief vom 3. März
1909:
Aus dem Bericht erkenne ich,
obwohl Sie physisch leiden, sind
doch Geist und Verstand frisch,
und auch der Humor ist nicht ab-
handen gekommen. Möge es auch
weiterhin so bleiben.
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Buchholz wandte sein Interesse
auch Russland zu. Als bewährtem
Autodidakten gelang es ihm, die
russische Sprache zu beherrschen.
Er übersetzte kürzere Texte von Do-
stojewski, Gogol, Turgeniew und
Karolenko ins Deutsche. Er hatte
vor, Lew Tolstoj zu übersetzen. Das
geht aus einem Brief des persönli-
chen Sekretärs von Tolstoj, Duszan
Pietrowicz Makowicki, vom 6. No-
vember 1905 hervor, in dem dieser
informierte, dass es möglich sei,
sämtliche Werke Tolstojs zu über-
setzen, sofern sie nach 1881 erschie-
nen sind. Während des ersten Welt-
krieges begegnete Buchholz russi-
schen Kriegsgefangenen. Er lud sie
ins Krankenhaus ein und unterhielt
sich mit ihnen. Später half er den
eintreffenden Russen materiell im
Rahmen seiner Möglichkeiten, gab
ihnen geistigen Halt, und jenen, die
sich entschieden hatten, in
Deutschland zu bleiben, erleichter-
te er den Aufenthalt, bereitete sie
sogar zur Konversion zum Katholi-
zismus vor, trat als Zeuge bei kirch-
lichen Trauungen auf.
Nach 1910 veröffentlichte Buch-
holz seine Artikel wieder in der
Ga-
zeta Olsztyńska, was er jedoch nie-
mandem anvertraute. Erhalten
blieb ein Brief von Władysław Pie-
niężny vom 3. Mai 1912: Hiermit in-
formieren wir Sie höflich, dass wir
die Manuskripte der uns zugesand-
ten Korrespondenzen und Artikel
nach dem Druck verbrennen. Er ar-
beitete mit deutschen und polni-
schen Zeitschriften zusammen. An-
fang des gleichen Jahres 1912 publi-
zierte er in der
Gazeta Olsztyńska
einen umfangreichen Artikel unter
dem Titel „25 Jahre Kampf für das
polnische Volk im Ermland“, in
dem er noch einmal an seine Soli-
darität mit den Polen erinnerte.
Drei Abschnitte beendete er mit ei-
ner eigentümlichen Hymne an das
polnische Volk:
Du polnisches Volk! Polnisches
Ermland, du armes Land,
Wenn ich deinem Leid nicht alle
meine Tränen opfere,
Wenn ich dich nicht umfange mit
meiner kindlichen Wehmut –
Dann verfluche und vergiss mich
Mutter, polnisches Ermland!
Als Gründer und erster Redak-
teur des
Allensteiner Volksblattes
protestierte er scharf gegen die im
Jahre 1920 eingeschlagene antipol-
nische Richtung dieser Zeitung. Im
Artikel
Protest, der in der polni-
schen
Gazeta Olsztyńska vom 23.
März jenes Jahres auf deutsch ver-
öffentlicht wurde, schrieb er, dass
die Feindseligkeit der [in der Zei-
tung]
veröffentlichten Artikel den
Gipfel des Nationalismus erreicht
hat. Im Eifer des Kampfes um Stim-
men vor der Volksabstimmung be-
diente sich die deutsche Zeitung ir-
reführender Ausdrucksweisen, wo-
durch Polen verunglimpft wurde,
wenn sie schrieb, dass
es im Pose-
ist für mich sehr wertvoll, deshalb
streiche oder ändere ich sehr un-
gern Sätze in den mir von Ihnen zu-
geschickten Manuskripten.
Im Jahre 1913 schrieb Buchholz
auch einen umfangreichen Text
Pię-
kność przyrody w pruskim Mazow-
szu [Die Schönheit der Natur im
preußischen Masowien], der im Ka-
lender veröffentlicht wurde.
Die Briefe an Buchholz bestäti-
gen, dass er mit Verlagen, Zeitun-
gen, Buchhandlungen und vielen
Privatpersonen korrespondierte.
Autoren dieser Briefe waren Polen
und Deutsche, Laien und Geistli-
che, einfache und gebildete Men-
schen. Er korrespondierte mit Pfar-
rer Barczewski und mit Wojciech
Kętrzyński. Buchholz übersetzte
übrigens Auszüge aus
Kiermasy na
Warmii [Kirchweihfeste im Erm-
land]. Er veröffentlichte sie 1923 in
der
Ermländischen Zeitung als Eine
Kirmes im südlichen Ermland vor
fünfzig Jahren. Es schrieben ihm
die Priester Eugen Brachvogel aus
Frauenburg, Johannes Jablonski
aus Purden, Jakob Jagalla aus Wil-
na, Prälat Chotowski aus Krakau,
die Priester Franz Dittrich und Vik-
tor Röhrich aus Frauenburg, der
Priester Galant aus Przemyśl, Pro-
fessor Kazimierz Nitsch aus Kra-
kau, Bernard Milski aus Posen, die
Priester Stanisław Kujot aus Lang-
waltersdorf, Johannes Szadowski
aus Königsberg, Antoni Wolszlegier
damals aus Pieniążkowo [im Kreis
Schwetz]. Die Menschen wandten
sich an ihn in unterschiedlichen
Angelegenheiten. Der uns mit Vor-
namen nicht bekannte Weinert aus
Serocko bat im Brief vom 22. No-
vember 1909, er möge seiner Toch-
ter, die eine Ausbildung bei den Ka-
tharinenschwestern in Wormditt
macht, Polnisch-Unterricht geben.
Man schrieb an ihn in drei Spra-
chen: deutsch, russisch und pol-
nisch.
Buchholz hatte seine ständigen
Briefpartner, an die er sich mit der
Frage wandte, welche Möglichkei-
ten es für den Versand seiner Bü-
cher auf dem Postwege gibt. Eine
solche Rolle spielte vorübergehend
der Priester Wojciech Mondry, der
eine Zeitlang Seelsorger in Alt-War-
tenburg gewesen ist. Er übermittel-
te seine Beurteilungen von Konfra-
tres aus dem südlichen Ermland
nach Wormditt, die eher negativ
ausfielen, wenn es um das Interesse
am polnischen religiösen Buch
ging. Noch im Jahre 1909 führte er
auf Wunsch von Buchholz ein Ge-
spräch mit Prälat Klos über die Ver-
öffentlichung der bereits erwähnten
Rozmowy wsród podróznych [Ge-
spräche unter Reisenden] im Pose-
ner
Przewodnik Katolicki. Sie wa-
ren bereits in zwei Auflagen als
Buch veröffentlicht worden. Anzu-
treffen sind auch Bittbriefe einfa-
cher Bauern um kostenlose Über-
lassung von Büchern. U.a. schrie-
ben solche Briefe August Hassel-
berg aus Klonn und Ciecierski aus
Neu-Bartelsdorf bei Wuttrienen. Sie
hatten davon in der
Gazeta Olsz-
tyńska gelesen und baten deshalb
um diese Bücher.
Die genaue Brieflektüre kann vie-
le Informationen über das Leben
und die Tätigkeit von Buchholz, sei-
ne Geisteshaltung, liefern. So
schrieb der Priester Dr. Gustaw
Działowski aus Thurau bei Neiden-
ner Gebiet mehr uneheliche Kin-
der, Prostituierte, Trinker und Anal-
phabeten als in Deutschland gebe.
Diesen Text im
Allensteiner Volks-
blatt hielt Buchholz für eine Verlet-
zung der Grundsätze christlicher
Ethik, und es war doch eine Zen-
trums-Zeitung, die er, wie ich vor-
her erwähnte, selbst gegründet hat-
te. Er äußerte sich auch zu der Fra-
ge der bei der Festlegung der Bedin-
gungen für die Volksabstimmung
mit Zustimmung der Polen formu-
lierten Aufschrift auf dem Stimmzet-
tel. Es wurde nämlich am 11. Juli
1920 zwischen Ostpreußen und Po-
len gewählt, nicht zwischen
Deutschland und Polen.
*
Eugen Buchholz starb am Morgen
des 17. Februar 1928. Wie es sich für
ein Mitglied des III. Ordens ziemte,
wurde ihm der Habit des hl. Fran-
ziskus mit dem Skapulier auf der
Brust angelegt und die Hände mit
dem Rosenkranz umwickelt. Still ist
er heimgegangen, ohne Fanfaren-
klänge. Zur Beerdigung begab sich
eine Delegation der Polen aus Al-
lenstein mit Jan Baczewski und Se-
weryn Pieniężny jun. an der Spitze.
Dann hat man ihn vergessen. Erst
nach Jahren erinnerte sich der Prie-
ster Alfons Mańkowski, der eine
Biographie von Buchholz im Polni-
schen Biographischen Lexikon
schrieb, an den dritten Literaten,
der in jenem denkwürdigen Jahr
1928 verstarb. Vorher hatte er nur
Pfarrer Barczewski und Andrzej Sa-
mulowski berücksichtigt und im
Mestwin nur von zwei ermländi-
schen Literaten geschrieben.
Mit seiner Haltung des gerechten
Deutschen und Katholiken war er
seiner Zeit voraus. Nicht nur wie
die deutschen Dichter der dreißiger
Jahre des 19. Jahrhunderts, jene
Autoren der
Polenlieder wie Justi-
nus Kerner oder Gustav Schwab,
die in ihren Gedichten Mitgefühl ge-
genüber dem Leid der Polen zum
Ausdruck brachten, er – Eugen
Buchholz – redete und schrieb
nicht nur davon, sondern engagier-
te sich aktiv für das polnische
Durchhalten hier im südlichen Erm-
land. Er tat dies aus christlichen
und humanistischen Motiven. Er
war ein Mensch, der im ländlichen
Ermland verwurzelt war, dem er
dienen wollte, so wie er es ver-
mochte und seine Gesundheit es er-
laubte. Er war ein gewissenhafter
Forscher und Autor mit hervorra-
gender Kenntnis der polnischen li-
terarischen Sprache und - wie ich
Ihnen darzustellen versuchte – ak-
tiv tätig im Bereich der polnischen
Kultur und Bildung im Ermland. Er
war gewiss ein Deutscher mit einer
polnischen Seele.
Indem wir heute die Tafel an dem
Haus, in dem Eugen Buchholz pol-
nische und deutsche Zeitschriften
redigierte und herausgab, enthül-
len, erfüllen wir eine Pflicht, die wir
ihm schon lange schuldig sind. Ich
danke dem Herrn Präsidenten
Czesław Małkowski für die Verwirk-
lichung dieser Initiative. Ohne sei-
ne materielle Unterstützung gäbe es
diese Tafel nicht. Und es gäbe die
heutige Feier nicht.
Aus dem Polnischen übersetzt
von Ursula Fox
Fortsetzung von Seite VII