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Karl Marx, Friedrich Engels
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Ware und Geld
Die Ware
1.Die zwei Faktoren der Ware : Gebrauchswert und Wert(Wertsubstanz, Wertgröße)
Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine
"ungeheure Warensammlung"[1], die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung be-
ginnt daher mit der Analyse der Ware.
Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Be-
dürfnisse irgendeiner Art befriedigt. Die Natur dieser Bedürfnisse, ob sie z.B. dem Magen oder der
Phantasie entspringen, ändert nichts an der Sache[2]. Es handelt sich hier auch nicht darum, wie die Sache
das menschliche Beduerfnis befriedigt, ob unmittelbar als Lebensmittel, d.h. als Gegenstand des Genus-
ses, oder auf einem Umweg, als Produktionsmittel.
Jedes nützliche Ding, wie Eisen, Papier usw., ist unter doppelten Gesichtspunkt zu betrachten, nach Qua-
lität und Quantität. Jedes solches Ding ist ein Ganzes vieler Eigenschften und kann daher nach verschie-
denen Seiten nützlich sein. Diese verschiedenen Seiten und daher die mannigfachen
[1]Karl Marx,"Zur Kritik der Politischen Ökonomie", Berlin 1859, pag.3.[1*]
[2]"Verlangen schließt Bedürfnis ein ; es ist der Appetit des Geistes, und so natürlich wie Hunger
für den Körper...die meisten(Dinge) haben ihren Wert daher, daß sie Bedürfnisse des Geistes be-
friedigen." (Nicholas Barbon, "A Discourse on coining the new money lighter. In answer to Mr.
Locke's Considerations etc.", London 1696,p.2,3.)
[1*] Siehe Band 13 unserer Ausgabe, S.15
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Gebrauchsweisen der Dinge zu entdecken ist geschichtliche Tat[3]. So die Findung gesellschaftlicher
Maße für die Quantität der nützlichen Dinge. Die Verschiedenheit der Warenmaße entspring teils aus der
verschiedenen Natur der zu messenden Gegenstände, teils aus Konvention.
Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert[4]. Aber diese Nützlichkeit schwebt nicht in
der Luft. Durch die Eigenschaften des Warenkörpers bedingt, existiert sie nicht ohne denselben. Der Wa-
renkörper selbst, wie Eisen, Weizen, Diamant usw., ist daher ein Gebrauchswert oder Gut. Dieser sein
Charakter hängt nicht davon ab, ob die Aneignung seiner Gebrauchseigenschaften dem Menschen viel
oder wenig Arbeit kostet. Bei Betrachtung der Gebrauchswerte wird stets ihre quantitative Bestimmtheit
vorausgesetzt, wie Dutzend Uhren, Elle Leinwand, Tonne Eisen usw. Die Gebrauchswerte der Waren
liefern das Material einer eignen Disziplin, der Warenkunde[5]. Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur
im Gebrauch oder der Konsumtion. Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtumus, wel-
ches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrachtenden Gesellschaftsform bilden
sie zugleich die stofflichen Träger des – Tauschwerts.
Der Tauschwert erscheint zunächst als das quantitative Verhältnis, die Proportion, worin sich Gebrauchs-
werte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen[6], ein Verhältnis, das beständig mit Zeit
und Ort wechselt. Der Tauschwert scheint daher etwas Zufälliges und rein Rela-
[3]"Dinge haben einen intrinsick vertue"(dies bei Barbon die spezifische Bezeichnung für Ge-
brauchswert),"der überall gleich ist, so wie der des Magnets, Eisen anzuziehen"(l.c.p.6). Die Ei-
genschaft des Magnets, Eisen anzuziehn, wurde erst nützlich, sobald man vermittelst derselben
die magnetische Polarität entdeckt hatte.
[4]"Der natürliche worth jedes Dinges besteht in seiner Eignung, die notwendigen Bedürfnisse zu
befriedigen oder den Annehmlichkeiten des menschlichen Lebens zu dienen."(John Locke,"Some
Considerations on the Consequences of the Lowering of Interest", 1691, in "Works", edit. Lond.
1777,v.II, p.28.) Im 17. Jahrhundert finden wir noch häufig bei englischen Schriftstellen "Worth"
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für Gebrauchswert und "Value" für Tauschewert, ganz im Geist einer Sprache, die es liebt, die
unmittelbara Sache germanisch und die reflektierte Sache romanisch auszudrücken.
[5]In der bürgerlichen Gesellschaft herrscht die fictio juris, daß jeder Mensch als Warenkäufer ei-
ne enzyklopädische Warenkenntnis besitzt.
[6]"Der Wert besteht in dem Tauschverhältnis, das zwischen einem Ding und einem anderen,
zwischen der Menge eines Erzeugnisses und der eines anderen besteht."(Le Trosne,"De l'Intérêt
Social",[in] "Physiocrates", éd. Daire, Paris 1846, p.889.)
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tives, ein der Ware innerlicher, immanenter Tauschwert(valeur intrinsèque) also eine contradictio in ad-
jecto[7]. Betrachten wir die Sache näher.
Eine gewisse Ware, ein Quater Weizen z.B. tauscht, sich mit x Stiefelwichse oder mit y Seide oder mit z
Gold usw., kurz mit andern Waren in den verschiedensten Proportionen. Mannigfache Tauschwerte also
hat der Weizen statt eines einzigen. Aber da x Stiefelwichse, ebenso y Seide, ebenso z Gold usw. der Tau-
schwert sein. Es folgt daher erstens : Die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein Gleiches aus.
Zweitens aber : Der Tauschwert kann überhaupt nur die Ausdrucksweise, die "Erscheinungsform" eines
von ihm unterscheidbaren Gehalts sein.
Nehmen wir ferner zwei Waren, z.B. Weizen und Eisen. Welches immer ihr Austauschverhältnis, es ist
stets darstellbar in einer Gleichung, worin ein gegebenes Quantum Weizen irgendeinem Quantum Eisen
gleichgesetzt wird, z.B. 1 Quater Weizen = a Ztr. Eisen. Was besagt diese Gleichung? daß ein Gemein-
sames von derselben Größe in zwei verschiednen Dingen existiert, in 1 Quarter Weizen und ebenfalls in a
Ztr. Eisen. Beide sind also gleich einem Dritten, das an und für sich weder das eine noch das andere ist.
Jedes der beiden, soweit es tauschwert, muß also auf dies Dritte reduzierbar sein.
Ein einfaches geometrisches Beispiel veranschauliche dies. Um den Flächeninhalt aller gradlinigen Figu-
ren zu bestimmen und zu vergleichen, löst man sie in Dreiecke auf. Das Dreieck selbst reduziert man auf
einen von seiner sichtbaren Figur ganz verschiednen Ausdruck – da halbe Produkt seiner Grundlinie mit
seiner Höhe. Ebenso sind die Tauschwerte der Waren zu reduzieren auf ein Gemeinsames, wovon sie ein
Mehr oder Minder dastellen.
Dies Gemeinsame kann nicht eine geometrische, physikalische, chemische oder sonstige natürliche Ei-
genschaft der Waren sein. Ihre körperlichen Eigenschaften kommen überhaupt nur in Betracht, soweit
selbe sie nutzbar Abstraktion von ihren Gebrauchswerten, was das Austauschverhältnis
[7]"Nichts kann einen inneren Tauschwert haben"(N. Barbon, l.c.p.6), oder wie Butler sagt :
"Der Wert eines Dings
ist grade so viel, wie es einbringen wird"
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der Waren augenscheinlich charakterisiert. Innerhalb desselben gilt ein Gebrauchswert grade so viel wie
jeder andre, wenn er nur in gehöriger Proportion vorhanden ist. Oder, wie der alte
Barbon sagt:
"Die eine Warensorte ist so gut wie die andre, wenn ihr Tauschwert gleich groß ist. Da existiert
keine Verschiedenheit oder Unterscheidbarkeit zwischen Dingen von gleich großem Tau-
schwert."[8]
Als Gebrauchswerte sind die Waren vor allem verschiedner Qualität, als Tauschwerte können sie nur
verschiedner Quantität sein, enthalten also kein Atom Gebrauchswert.
Sieht man nun vom Gebarauchswert der Warenkörper ab, so bleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft, die
von Arbeitsprodukten. Jedoch ist uns auch das Arbeitsprodukt bereits in der Hand verwandelt. Abstrahie-