161
A
N DER
W
EIGE
Nu schlop, min Kindicken, schlop!
Do buten is Nacht un Dau.
Nu bucke dick warem un week
Un dau din Ögelzier tau!
Do buten schenget de Wind,
Do jölt dei grote Wau, Wau!
Din Mütterzien bliwet bi di.
Nu dau din Ögelzier tau!
Do buten is düstere Nacht.
De Böhmann luert dürt Hus.
Imme Stalle brummet de Kauh,
Imme Schape knispert en Mus.
Nu schlop, min Kindiken, schlop!
De Schwalwen sid alt imme Nest,
Se buckent sick warem un week.
Der Sandmann is bi en gewest.
Nu schlop, min Kindiken, schlop!
Hör, wat et Kätzken* schnurrt!
*Kättzien?
Hör, wat in der waremen Wand
Et Heimelmüsiken surrt!
Nu bucke dick warem un week
Un fahl din Hängiker sacht!
Din Engelzien bliwet bi di
Un waket de ganze Nacht.
Un moren, bi Dag un Lecht,
Dann is de Böhmann dod,
Dann werd min Kindiken wach
Met Bäckelzier, rosenrod.
Nu schlop, min Kindiken schlop!
Do buten is Nacht un Dau!
Nu bucke dick warem un week
Un dau din Ögelzier tau!!
162
F
IEROWEND
Wann du din Dagewiark hes gedohn,
Dann lot en Pose langsam gohn!
Dann sitte dick op dinen Plaug
Un süh, ow alles gud genaug.
Besinne dick op dinen Dag,
Ow irgenswo wat fehlen mag.
Un hes du alles recht bedacht,
Dann sieg der Welt tefriahn: God Nacht!
Wann ener deiht, wat hei blos kann,
Dat andre deiht unse Hiarguatt dann!
J
UNG
V
OLLIK
Hes du mick geren?
Siegg jo! Siegg jo!
Wis mi din’ Ogen
So klor un blo!
Süh in den Speigel,
Wat drinne steht,
Un wat ick doch alt
So lange weet,
Lange weet.
Siest* d’et nit geren,
*Druck:
Siets
Dann schriew et mi op!!
Un dann schriew mi ok
Fortens noch drop,
Ow et di recht
Un noh dinem Sinn,
Dat imme Mai unse
Hochtid sall sin!
Hochtid sall sin!
Süh, de Vüelzier
Buggent alt fix,
Un se hent doch
163
So god ase nix.
Hew ick taum Buggen
Kein Sten un kein Holt,
Hew ick din Herte doch
Van purem Gold,
Purem Gold.
Hes du mick geren?
Siegg blos nit ne!
Dine leiwen Ogen
Wietent noch meh.
Süh in den Speigel,
Wat drinne steht,
Un wat ick doch alt
So lange weet.
Lange weet.
D
ER
O
LPER
[Dei Oleper]
Der Olper, dat is noch en Kerel!
Do gehs de dagewit,
Bit de so wier enen finges!
Dei is noch ut aler Tid!
Tefriahn met sieck un dem Hiarguatt,
Van Herten fromm as en Kind,
Bi’m rechten Spaß in Ehren
Froh, ase Blan ickes sind.
Flitig vamme esten Lechte
Ploget he sick as en Perd.
Strunzen is nit sin Sake,
Un sin Word is wat wert!
Schworfällig in sinem Wesen
Met der Tunge kort af,
164
Mestendels ok verschluaten,
Blos nit grad as en Graw.
Friömmeden gigeniöwer
Mest wat stur un stiw,
Tüht’m so’n Stücke Schiammede
Mannigmol dür et Liw.
Süss is der Olper lichte
In goden un bösen Dahn
Met sinem Dagewiarke
Un sinem Dauhn tefriahn!
Ower niggelik werd he,
Böse, ase de Pest:
Schengens d’ em op sin Hemed*
*sic
Un op sin Schüttenfest!!
T: Schmelzer 1925, S. 16-39.
L: SV 1920; Schmelzer 1921; SV 1924; SV 1925;
Beckmann 2008 [Wörterbuch]; Im reypen Koren 2010, S. 582-585;
Liäwensläup 2012, S. 535-544.
167
A
UGUST
B
EULE
(1867-1923)
Geboren in Olsberg-Elpe;
Schuhmachermeister in Bestwig-Ramsbeck
Biärgwind.
Gedichte [un Geschichten]
iut dem Suerlanne
(1922)
A
USSPRACHEREGELN
1.
In offener (mit einem Selbstlaut endender) Silbe sind alle
Selbstlaute lang. Ausnahmen: 1. Vor „st“ und „sk“ gilt jede Silbe
geschlossen. 2. In „use“ und „ase“ ist „u“ und „a“ kurz, „s“ ist
stimmhaft. 3. Schluß-e ist kurz.
2.
In geschlossener (mit einem Mitlaut endender) Silbe sind einfache
Selbstlaute kurz. Die Länge wird hier durch Verdoppelung des
Selbslautes oder durch Dehnungs-h bezeichnet. Ausnahmen: 1.
Umlaute sind auch in einfach geschlossener Silbe (wenn innerhalb
der Silbe dem Selbstlaut nur ein Mitlaut folgt) lang. 2. Mit dem
Hochdeutschen völlig gleichlautende Wörter sind unabhängig von
diesen Regeln zu lesen wie im Hochdeutschen: wert, kam, artig.
3.
In den Doppellauten
ai,
au,
äi,
oi,
ui,
iu und
ey (nicht gleich dem
hochdeutschen ei oder ai, sondern e-i) liegt der Ton auf dem ersten
Selbstlaut.
4.
In den Doppellauten
iä,
ua und
üä ist mehr der zweite Selbstlaut zu
betonen.
5.
Sämtliche Doppellaute, besonders ey, sind möglichst einsilbig
auszusprechen.