Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica), Eusebius von Cesarea



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7. Kap. Die Weissagungen Christi.


. Es gebührt sich, diesen Berichten die wahrheitsgemäße Prophezeiung unseres Erlösers beizufügen, in [[@Page:113]] welcher er eben diese Ereignisse also voraussagte:281 „Wehe den Schwangeren und den Säugenden in jenen Tagen! Betet jedoch, daß eure Flucht nicht im Winter oder an einem Sabbate geschehe! Denn es wird alsdann eine große Trübsal sein, wie sie von Anfang der Welt bis jetzt nicht war und auch nicht sein wird.“ Nach dem Geschichtschreiber (Josephus)282 waren es derer welche durch Hunger und Schwert zugrunde gingen im ganzen eine Million. Die Aufständischen und Räuber, welche die Belagerung überlebten und nach derselben sich gegenseitig anzeigten, seien hingerichtet worden. Die größten und schönsten Jünglinge habe man für den Triumph aufbewahrt. Von der übrigen Masse seien die, welche über siebzehn Jahre alt waren, gefesselt nach Ägypten zu den öffentlichen Arbeiten abtransportiert worden; die meisten aber habe man unter die Provinzen verteilt, wo sie in den Theatern durch Schwert oder wilde Tiere den Tod finden sollten. Die, welche unter siebzehn Jahren waren, seien gefangen abgeführt und verkauft worden. Von diesen allein habe sich die Gesamtzahl auf 90 000 belaufen. Diese Ereignisse traten in der genannten Weise ein im zweiten Jahre der Regierung des Vespasian, und zwar entsprechend den Weissagungen unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, welcher in göttlicher Kraft diese Ereignisse als bereits gegenwärtig geschaut, darüber geweint und geklagt hatte. Denn so berichten die Schriften der heiligen Evangelisten, welche getreu seine Worte aufbewahrt haben. An Jerusalem selbst wandte er sich einmal mit den Worten:283 „Wenn doch wenigstens du an diesem Tage erkannt hättest, was dir zum Frieden gereicht! Nun aber ist es vor deinen Augen verschlossen. Denn es werden Tage über dich kommen, da werden dich deine Feinde mit einem Walle umgeben, dich rings-[[@Page:114]]um einschließen, von allen Seiten einengen und dich und deine Kinder dem Erdboden gleichmachen.“ Ein andermal sagte er über das Volk:284 „Große Not wird auf der Erde sein und Erbitterung über dieses Volk. Sie werden durch den Mund des Schwertes fallen und werden unter alle Völker in Gefangenschaft geführt werden. Und Jerusalem wird von den Heiden niedergetreten werden, bis daß sich erfüllen die Zeiten der Heiden:“ Wiederum erklärt er:285 „Wenn ihr sehet, daß Jerusalem von Heeren umzingelt ist, dann wisset, daß seine Verwüstung naht!“ Wenn jemand die Worte unseres Erlösers mit dem vergleicht, was der Geschichtschreiber (Josephus) sonst noch über den ganzen Krieg berichtet, sollte er nicht voll Bewunderung bekennen, daß das Vorherwissen und Prophezeien unseres Erlösers wahrhaft göttlich ist und die natürlichen Kräfte wunderbar übersteigt? Nichts dürfte den Berichten über das Schicksal beizufügen sein, von welchem das ganze Volk heimgesucht wurde nach dem lauten Verlangen der Judenmasse, den Räuber und Mörder vom Tode freizusprechen und den Urheber des Lebens von ihr zu nehmen. Doch ist es wohl am Platze, noch als Beweis der barmherzigen und allgütigen Vorsehung zu erwähnen, daß diese noch volle vierzig Jahre nach dem an Christus verübten Frevel mit der Vernichtung des jüdischen Volkes zurückhielt; während dieser Zeit lebten noch die meisten Apostel und Jünger, auch Jakobus, der erste Bischof der Stadt, welcher der Bruder des Herrn genannt wurde, und weilten in Jerusalem selbst, wo sie gewissermaßen die festeste Schutzwehr bildeten. Solange zeigte die göttliche Vorsehung ihre Langmut, um ihnen Zeit zur Bereuung ihrer Verbrechen zu lassen, auf daß sie noch Verzeihung und Rettung fänden. Außer dieser Langmut schenkte die Vorsehung aber auch noch wunderbare Zeichen, welche das den Reuelosen drohende Schicksal andeuten sollten. Da diese auch von [[@Page:115]] dem genannten Geschichtschreiber einer Erwähnung gewürdigt werden, will ich sie den Lesern meiner Schrift nicht vorenthalten.

8. Kap. Die Zeichen vor dem Kriege.


. Nimm das sechste Buch der Geschichte des Josephus zur Hand! Dort liesest du also:286 „Die Verführer, welche sich gegen den wahren Gott erhoben hatten, gewannen damals das unselige Volk für sich. Auf die klaren, die kommende Verwüstung andeutenden Zeichen achteten sie nicht; ihnen schenkten sie keinen Glauben. Wie wenn sie betäubt, blind und ohne Erkenntniskraft gewesen wären, überhörten sie die Predigten Gottes. Das eine Mal stand über der Stadt ein Stern, der einem Schwerte glich, und war ein Jahr lang über ihr ein Komet ausgestreckt. Als ein anderes Mal noch vor dem Aufstand und vor der Kriegsspannung sich das Volk am Fest der gesäuerten Brote versammelt hatte, umstrahlte am 8. April nachts um die neunte Stunde ein so gewaltiges Licht den Altar und den Tempel, daß man hätte glauben können, es wäre heller Tag; das Licht hielt eine Stunde an. Die Unerfahrenen sahen darin ein gutes Vorzeichen; die Schriftgelehrten jedoch schlossen sofort auf das, was (nun) eingetreten ist. Als am gleichen Feste eine Kuh vom Hohenpriester zum Opferaltar geführt wurde, brachte sie ein Lamm mitten im Tempel zur Welt. Das östliche Tor des inneren Vorhofes aber, das von Erz und sehr schwerem Gewichte war, nur mit Mühe von zwanzig Männern am Abend geschlossen und mit eisenbeschlagenen Querbalken verrammt werden konnte und sehr tiefgreifende Riegel hatte, öffnete sich nach Augenzeugen von selbst nachts um die sechste Stunde. Wenige Tage nach dem Osterfeste, am 21. Mai, sah man eine wunderbare, fast unglaubliche Erscheinung. Was ich erzählen werde, könnte als Fabel erscheinen, wenn nicht Augenzeugen davon berichtet hätten und wenn nicht die Leiden, welche dann eintraten, den Zeichen entsprochen hätten. Vor Sonnenuntergang sah [[@Page:116]] man nämlich über das ganze Land hin am Himmel Streitwagen und bewaffnete Heere durch die Wolken ziehen und die Städte umzingeln. Als ferner an dem sogenannten Pfingstfeste die Priester nachts dem Brauche gemäß in den Tempel zum Gottesdienst kamen, vernahmen sie nach ihrer eigenen Aussage zunächst Unruhe und Geräusch, sodann aber den lauten Ruf: ‚Lasset uns von hinnen ziehen!’ Noch schrecklicher ist folgender Vorfall: Als ein Mann namens Jesus, der Sohn des Ananias, ein ungebildeter Bauer, vier Jahre vor dem Kriege, da sich die Stadt noch größtenteils des Friedens und Wohlstandes freute, zum Laubhüttenfest kam, fing er plötzlich im Tempel an zu schreien: ‚Stimme vom Aufgang, Stimme vom Untergang, Stimme von den vier Winden, Stimme über Jerusalem und den Tempel, Stimme an Braut und Bräutigam, Stimme an das Volk!’ Unter diesem Rufe zog er Tag und Nacht in allen Straßen umher. Einige von den angesehenen Bürgern ärgerten sich über diese unheilverkündenden Rufe, ergriffen den Menschen und schlugen ihn wund. Er jedoch sprach kein Wort der Verteidigung für sich, erst recht nicht ein Wort der Abwehr gegenüber den Anwesenden, sondern schrie die obigen Worte ununterbrochen weiter. Da die Volksführer glaubten, der Mann würde — was tatsächlich der Fall war — von einer höheren Macht getrieben, führten sie ihn zum römischen Prokurator. Hier wurde er bis auf die Knochen zerfleischt. Doch er jammerte und weinte nicht, sondern antwortete, soweit es ihm die Kräfte erlaubten, mit gedämpfter, klagender Stimme auf jeden Geißelstreich: ‚Wehe, wehe, Jerusalem!’“ Noch etwas anderes berichtet Josephus, was noch merkwürdiger ist. Er erzählt287 nämlich, daß sich in den heiligen Schriften eine Weissagung finde, wonach zu jener Zeit aus ihrem Lande einer hervorgehen werde, der die Herrschaft über den Erdkreis erhalten soll. Josephus nahm allerdings an, daß diese [[@Page:117]] Weissagung an Vespasian in Erfüllung gegangen sei. Doch Vespasian herrschte nicht über den ganzen Erdkreis, sondern nur über das Römerreich. Mit größerem Recht kann man sagen, die Weissagung beziehe sich auf Christus, zu welchem der Vater gesagt hatte:288 „Bitte mich, und ich werde dir die Völker als dein Erbe und die Grenzen der Erde als dein Eigentum geben.“ Denn gerade zu jener Zeit war es, daß die Stimme der heiligen Apostel Christi in alle Welt hinausdrang und ihre Worte bis an die Grenzen der Erde.289

9. Kap. Josephus und seine Schriften.


. Nach all dem, was wir berichtet haben, gebührt es sich, daß wir auch Josephus selbst, der doch so viel zu unserer vorliegenden Schrift beigetragen hat, kennenlernen und erfahren, aus welchem Lande und welchem Geschlechte er stammte. Er gibt uns selbst darüber Aufschluß mit folgenden Worten:290 „Josephus, der Sohn des Matthias,291 ein Priester aus Jerusalem, kämpfte zuerst (freiwillig) gegen die Römer, nahm aber an den späteren Ereignissen aus Zwang teil.“ Von den damaligen Juden genoß Josephus weitaus das größte Ansehen, und zwar nicht bloß bei seinen Landsleuten, sondern auch bei den Römern. Er wurde in Rom sogar durch Aufstellung einer Bildsäule geehrt, und die von ihm verfaßten Schriften wurden der Aufnahme in die Bibliothek gewürdigt. Er schrieb über das ganze jüdische Altertum in vollen zwanzig Büchern, über die Geschichte des von ihm erlebten römischen Krieges in sieben Büchern. Nach seinem eigenen Zeugnis,292 das aus verschiedenen Gründen Glauben verdient, hat er letztere Schrift nicht nur in der griechischen, sondern auch in seiner Muttersprache herausgegeben. Noch zwei andere beachtenswerte Bücher des Josephus werden überliefert, [[@Page:118]] und zwar über „Das Alter der Juden“. Dieselben enthalten eine Entgegnung auf den Grammatiker Apion und dessen damals gegen die Juden gemachten Angriffe sowie auf andere, welche ebenfalls die Bräuche des jüdischen Volkes zu lästern versucht hatten. In dem ersten dieser beiden Bücher zählt Josephus die Schriften des Alten Testamentes auf. Diejenigen Schriften, welche bei den Hebräern infolge ihrer alten Überlieferung als echt galten, teilt er wörtlich also mit.293

10. Kap. Erwähnung der Bibel durch Josephus.


. „Wir haben nicht unzählige Bücher, die ohne Zusammenhang sind und sich widersprechen. Wir besitzen nur 22 Schriften. Dieselben bilden aber eine Geschichte der ganzen Vergangenheit und werden mit Recht für göttlich gehalten. Fünf Bücher sind von Moses. Dieselben enthalten das Gesetz und die überlieferte Geschichte, angefangen von der Erschaffung des Menschen bis zum Tode des Moses; sie umfassen eine Zeit von fast 300 Jahren. Vom Tode des Moses an bis zum Tode des Artaxerxes, der nach Xerxes König der Perser gewesen war, haben die sich an Moses anschließenden Propheten294 die Geschichte ihrer Zeit in dreizehn Büchern niedergeschrieben. Die noch übrigen vier Bücher enthalten Lobgesänge auf Gott und Lebensregeln für die Menschen.295 Zwar ist auch noch von Artaxerxes an bis auf unsere Zeit alles aufgeschrieben worden, doch sind diese Aufzeichnungen nicht des gleichen [[@Page:119]] Glaubens gewürdigt worden wie die früheren, weil der ungestörte Anschluß an die Propheten fehlte.296 Wie hoch wir unsere eigenen Schriften schätzen, beweisen wir durch die Tat. Trotzdem nämlich bereits so lange Zeit (seit ihrer Abfassung) verflossen war, hat niemand es gewagt, etwas hinzuzufügen oder abzustreichen oder Nachträge zu machen. Allen Juden ist es schon von zarter Jugend an eingepflanzt, diese Schriften als Gottes Wort zu achten, sich daran zu halten und, wenn es notwendig ist, gern dafür zu sterben.“ Aus diesen Worten des Geschichtschreibers (Josephus), die ich hier angeführt habe, möge man lernen! Derselbe hat noch ein anderes, nicht unbedeutendes Werk verfaßt, und zwar über „Die Herrschaft der Vernunft“. Manche haben demselben den Titel „Makkabäerbuch“ gegeben, weil es von den Kämpfen derjenigen Hebräer erzählt, welche nach den sog. Makkabäerbüchern für ihre göttliche Religion mannhaft eingetreten waren.297 Am Ende des 20. Buches seiner „Altertümer“298 erklärt Josephus, daß er den Plan gefaßt habe, in vier Büchern gemäß der ererbten jüdischen Lehre über Gott, sein Wesen, die Gesetze und über die Frage, warum in den Gesetzen das eine erlaubt, das andere verboten ist, zu schreiben. Auch noch auf andere Arbeiten verweist er in seinen Schriften.299 Damit [[@Page:120]] das glaubwürdig erscheint, was wir aus seinen Schriften mitgeteilt haben, ist es gut, noch seine eigenen Worte, die am Schluß seiner „Altertümer“ stehen, anzuführen. Josephus macht dort dem Justus aus Tiberias, der gleich ihm eine Geschichte jener Zeit geschrieben hatte,300 den Vorwurf der Unwahrhaftigkeit und richtet noch verschiedene andere Angriffe gegen ihn; dann fährt er wörtlich fort:301 „Ich habe wahrlich nicht nach deiner Art wegen meiner Schrift Furcht gehabt, sondern habe meine Bücher den Kaisern vorgelegt zu einer Zeit, da die Ereignisse noch ziemlich aktuell waren. Ich war mir nämlich bewußt, daß ich mich in meinen Berichten an die Wahrheit gehalten habe. Und in der Erwartung, daß die Kaiser meine Berichte gutheißen werden, habe ich mich nicht getäuscht. Aber auch noch vielen anderen Persönlichkeiten habe ich meine Geschichte vorgelegt, von welchen einige am Kriege teilgenommen haben, wie z. B. König Agrippa und einige seiner Verwandten, Kaiser Titus hatte so sehr den Wunsch, daß man über die Geschichte der Ereignisse nur nach meiner Arbeit unterrichte, daß er mein Werk eigenhändig unterschrieb und den Befehl gab, es zu veröffentlichen. Und König Agrippa bezeugt in 62 Briefen meine wahrheitsgemäße Darstellung.“302 Zwei dieser Briefe fügt er seiner Schrift bei. Doch das Gesagte möge genügen!303 Gehen wir zum folgenden über! [[@Page:121]]

11. Kap. Symeon leitet nach Jakobus die Kirche in Jerusalem.


. Nach dem Martertode des Jakobus und der bald darauf folgenden Einnahme von Jerusalem kamen, wie berichtet wird, die damals noch lebenden Apostel und Jünger des Herrn von allen Seiten an einem Orte zugleich mit den leiblichen Verwandten des Herrn zusammen; denn auch von letzteren waren damals noch mehrere am Leben. Alle sollen nun gemeinsam darüber, wer es verdiene, Nachfolger des Jakobus zu werden, beraten und einstimmig Symeon, den Sohn des Klopas, den auch das Evangelium erwähnt,304 des Bischofsstuhles in Jerusalem für würdig erklärt haben. Symeon war, wie man erzählt, ein Vetter des Heilandes; denn nach dem Berichte des Hegesippus war Klopas der Bruder des Joseph.305

12. Kap. Vespasian läßt nach den Nachkommen Davids forschen.


. Ferner wird berichtet, daß Vespasian nach der Eroberung Jerusalems wünschte, es solle kein Jude aus dem königlichen Geschlechte mehr am Leben bleiben, und deshalb den Befehl erließ, alle Nachkommen aus dem Geschlechte Davids ausfindig zu machen. Dies habe eine neue, sehr schwere Verfolgung der Juden veranlaßt.

13. Kap. Anenkletus, zweiter Bischof in Rom.


. Nachdem Vespasian zehn Jahre regiert hatte, folgte ihm in der Herrschaft sein Sohn Titus. Im zweiten Jahre der Regierung des Titus hinterließ Linus, Bischof der Kirche von Rom, die bischöfliche Würde dem Anenkletus, nachdem er selbst dieselbe zwölf Jahre innegehabt hatte. Dem Titus aber folgte, nachdem er zwei Jahre und ebensoviel Monate Kaiser gewesen war, sein Bruder Domitian. [[@Page:122]]

14. Kap. Abilius, zweiter Bischof von Alexandrien.


. Im vierten Jahre des Domitian starb Annianus, der erste Bischof der Kirche von Alexandrien, nachdem er volle 22 Jahre im Dienste gewesen war. Ihm folgte als zweiter Bischof Abilius.

15. Kap. Klemens, dritter Bischof (in Rom).


. Im zwölften Jahre der Regierung des gleichen Kaisers folgte auf Anenkletus, welcher zwölf Jahre Bischof der römischen Kirche gewesen war, Klemens, den der Apostel in seinem Briefe an die Philipper als seinen Mitarbeiter bezeichnete, da er sagt:306 „mit Klemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buche des Lebens stehen“.307

16. Kap. Der Brief des Klemens.


. Ein echter, umfangreicher und bedeutsamer Brief des Klemens ist uns überliefert. Klemens hatte ihn im Namen der römischen Gemeinde an die Gemeinde zu Korinth geschrieben, weil damals dort Streitigkeiten ausgebrochen waren. Wie wir in Erfahrung gebracht haben, ist dieser Brief in den meisten Kirchen wie früher so auch jetzt noch in öffentlichem Gebrauch. Dafür, daß es zur erwähnten Zeit308 unter den Korinthern tatsächlich einen Aufstand gegeben hat, ist Hegesippus glaubwürdiger Zeuge.309

17. Kap. Die Verfolgung unter Domitian.


. Nachdem Domitian an vielen seine Grausamkeit erprobt, eine nicht unbeträchtliche Zahl von edlen und angesehenen Männern in Rom ohne genügenden Grund [[@Page:123]] getötet und grundlos unzählige andere vornehme Männer in die Verbannung geschickt und ihr Vermögen konfisziert hatte, machte er sich schließlich noch durch seinen Haß und Kampf gegen Gott zum Nachfolger des Nero. Er war also der zweite, welcher eine Verfolgung gegen uns angeordnet hatte, während sein Vater Vespasian nicht feindlich gegen uns gesinnt war.

18. Kap. Der Apostel Johannes und die Apokalypse.


. Damals310 soll der Apostel und Evangelist Johannes noch am Leben gewesen und wegen seines Eintretens für das göttliche Wort auf die Insel Patmus verbannt worden sein. Irenäus äußert sich im fünften Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“ da, wo er über die in der Apokalypse des Johannes311 dem Antichrist beigelegte Zahl spricht, mit folgenden Worten312 über Johannes: „Wenn der Name (des Antichrists) in der jetzigen Zeit hätte bekannt werden sollen, dann wäre er durch den mitgeteilt worden, welcher die Offenbarung geschaut hatte. Denn nicht schon vor langer Zeit wurde sie geschaut, sondern beinahe noch in unseren Tagen, nämlich am Ende der Regierung des Domitian.“ Zur erwähnten Zeit313 strahlte unsere Glaubenslehre bereits solchen Glanz aus, daß selbst Schriftsteller, welche unserer Lehre fernstanden, ohne Bedenken in ihren Geschichtswerken über die Verfolgung und ihre Martyrien berichteten. Sie haben auch die Zeit der Verfolgung genau bestimmt, sofern sie erzählen, daß im 15. Jahre des Domitian neben vielen anderen Flavia Domitilla, eine Tochter der Schwester des Flavius Klemens, des damaligen römischen Konsuls, wegen ihres christlichen Glaubens auf die Insel Pontia verbannt worden sei.

19. Kap. Domitians Befehl, die Nachkommen Davids zu ermorden.


. Auf des Domitian Befehl, die Nachkommen Davids hinzurichten, sollen nach einem alten Berichte [[@Page:124]] einige Häretiker die Nachkommen des Judas, eines leiblichen Bruders unseres Erlösers, angezeigt haben mit dem Bemerken, sie stammen aus dem Geschlechte Davids und seien mit Christus selbst verwandt, Hegesippus berichtet darüber wörtlich also:314

20. Kap. Die Verwandten unseres Erlösers.


. „Noch lebten aus der Verwandtschaft des Herrn die Enkel des Judas, der ein leiblicher Bruder des Herrn gewesen sein soll. Diese wurden als Nachkommen Davids gerichtlich angezeigt. Ein Evokatus315 führte sie vor Kaiser Domitian. Denn gleich Herodes fürchtete sich dieser vor der Ankunft Christi. Domitian fragte jene, ob sie von David abstammen. Sie bestätigten es. Sodann fragte er sie nach dem Umfange ihrer Besitzungen und nach der Größe ihres Vermögens. Sie antworteten, sie besäßen beide zusammen nur 9000 Denare, und davon gehöre jedem die Hälfte. Aber auch dieses Vermögen bestünde — so fügten sie bei — nicht in Geld, sondern im Werte eines Feldes von nur 39 Morgen, die sie mit eigener Hand bewirtschafteten, um davon die Steuern zu zahlen und ihren Lebensbedarf zu decken. Hierauf zeigten sie ihm ihre Hände und bewiesen durch die Härte ihrer Haut und durch die Schwielen, welche sie infolge ihrer angestrengten Arbeit an ihren Händen trugen, daß sie Handarbeiter waren. Als man sie über Christus und über die Art, den Ort und die Zeit seines Reiches fragte, antworteten sie, dasselbe sei nicht von dieser Welt und dieser Erde, es sei vielmehr ein himmlisches und englisches Reich, das erst am Ende der Welt kommen werde, wenn Christus in Herrlichkeit erscheinen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten und jedem nach seiner Gesinnung zu vergelten. Daraufhin verurteilte sie Domitian nicht, sondern verachtete sie als gemeine Leute. Er setzte sie [[@Page:125]] in Freiheit und befahl, die Verfolgung der Kirche einzustellen. Sie aber erhielten nach der Freilassung, da sie Bekenner und Verwandte des Herrn waren, führende Stellungen in der Kirche. Nachdem Frieden geworden war, lebten sie noch bis Trajan.“ So berichtet Hegesippus.

Ähnlich berichtet auch Tertullian über Domitian. Er sagt:316 „Domitian, der mit Nero die Grausamkeit teilte, hatte einmal versucht, dessen Vorgehen nachzuahmen. Doch da er, wie ich glaube, noch etwas Verstand besaß, ließ er sehr rasch davon ab und rief die Verbannten wieder zurück.“ Als nach 15jähriger Regierung des Domitian Nerva die Herrschaft übernommen hatte, faßte der römische Senat den Beschluß, dem Domitian seine Ehrentitel zu entziehen und die ungerecht Verbannten nach Hause zurückzurufen unter Zurückerstattung ihres Vermögens. So berichten die damaligen Geschichtschreiber. Nach alter christlicher Überlieferung kehrte damals317 der Apostel Johannes aus seiner Verbannung auf der Insel zurück, um wieder seinen Aufenthalt in Ephesus zu nehmen.


21. Kap. Cerdo, dritter Bischof der Kirche von Alexandrien.


. Nachdem Nerva etwas über ein Jahr regiert hatte, folgte ihm Trajan. In seinem ersten Regierungsjahre folgte in der Kirche zu Alexandrien Cerdo auf Abilius, welcher dreizehn Jahre die bischöfliche Würde innehatte, Cerdo war der dritte Bischof in Alexandrien; der erste war Annianus gewesen. Damals318 regierte noch Klemens in Rom. Er war von den Bischöfen, welche nach Paulus und Petrus auf dem dortigen Stuhle saßen, der dritte; der erste war nämlich Linus, der zweite Anenkletus.

22. Kap. Ignatius, zweiter Bischof von Antiochien.


. Die Kirche von Antiochien wurde zuerst von Evodius regiert; als zweiter Bischof machte sich damals319 Ignatius berühmt. Zu gleicher Zeit320 übernahm in Jeru- [[@Page:126]] salem nach dem Bruder unseres Heilandes Symeon als zweiter Bischof die Leitung der Kirche.

23. Kap. Das Leben des Apostels Johannes.


. Damals321 lebte noch in Asien der Apostel und Evangelist Johannes, den Jesus liebte,322 und leitete die dortigen Gemeinden, nachdem er nach dem Tode des Domitian von der Insel zurückgekehrt war, auf die man ihn verbannt hatte. Die Tatsache, daß Johannes in den Tagen des Trajan323 noch am Leben war, wird durch zwei Zeugen genügend bestätigt. Dieselben dürften glaubwürdig sein, da sie für die kirchliche Orthodoxie eingetreten sind. Es sind Irenäus und Klemens von Alexandrien. Der erstere schreibt im zweiten Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“ wörtlich also:324 „Alle Presbyter, welche in Asien mit Johannes, dem Jünger des Herrn, beisammen gewesen waren, bezeugen, daß Johannes so gelehrt habe. Denn er lebte noch bei ihnen bis zu den Zeiten Trajans.“ Im dritten Buche des gleichen Werkes gibt Irenäus denselben Gedanken also wieder:325 „Auch die von Paulus gegründete Kirche in Ephesus, in welcher Johannes bis zu den Zeiten Trajans lebte, ist eine wahrheitsgemäße Zeugin der apostolischen Überlieferung.“ In seiner Schrift „Welcher Reiche wird selig werden?“ macht Klemens die gleiche Zeitangabe und erzählt noch eine Geschichte, welche besonders für diejenigen bestimmt ist, die das Schöne und Nützliche gerne hören. Nimm auch des Klemens Schrift zur Hand! Dort liesest du:326 „Vernimm ein Geschichtchen! Doch nein, kein Geschichtchen, sondern wirkliche Geschichte. Sie handelt von Johannes, dem Apostel. Sie ist der Tradition entnommen und steht historisch fest.327 Als [[@Page:127]] Johannes nach dem Tode des Tyrannen von der Insel Patmos nach Ephesus zurückgekehrt war, besuchte er auf Wunsch auch die umliegenden Gegenden, um entweder Bischöfe einzusetzen oder ganze Gemeinden einzurichten oder aus den vom Geiste bezeichneten Männern einen einheitlichen Klerus aufzustellen. Nachdem er nun nach Ankunft in einer nicht ferngelegenen Stadt, deren Namen einige wissen wollen, zunächst die Brüder getröstet hatte, erblickte er schließlich einen jungen Menschen von schönem Körperbau, vornehmer Haltung und feurigem Gemüte. Das Auge auf den Bischof gerichtet, sagte Johannes: ‚Diesen Menschen empfehle ich dir von ganzem Herzen und rufe die Gemeinde und Christus zu Zeugen an.’ Der Bischof nahm den jungen Menschen zu sich und versprach alles; Johannes aber wiederholte seine Worte unter Anrufung der gleichen Zeugen. Sodann kehrte dieser nach Ephesus zurück; der Presbyter328 aber nahm den ihm empfohlenen Jüngling in sein Haus auf, erzog ihn, beschützte ihn, pflegte ihn und erteilte ihm schließlich die Taufe. Sodann ließ er in seiner großen Sorgfalt und Wachsamkeit etwas nach, da er ihm das letzte Schutzmittel, das Siegel des Herrn, gespendet hatte. Der Jüngling, zu früh die Freiheit genießend, geriet in die verderbliche Gesellschaft einiger müßiger, liederlicher und an das Böse gewöhnter Altersgenossen. Zunächst gewannen sie ihn durch reiche Schmaußereien, dann nahmen sie ihn auch mit, wenn sie nachts auf Diebstahl ausgingen; schließlich verlangten sie von ihm noch Schlimmeres. Der Jüngling gewöhnte sich allmählich an diese Dinge, und lebhaft wie er war, wandte er sich gleich einem wilden, feurigen Pferde vom rechten Wege ab, biß in die Zügel und stürzte ungestüm in den Abgrund. Da er den Glauben an die Erlösung in Gott endgültig aufgegeben hatte, sann er nicht mehr nur auf kleine Sünden. Er verlangte, da er nun doch verloren sei, nach großen Vergehen und nach dem [[@Page:128]] gleichen Schicksal, das den anderen drohte. Er gründete mit Hilfe seiner Altersgenossen eine Räuberbande, von welcher er gerne als der Gewalttätigste, Blutdürstigste und Schlimmste den Hauptmann machte. Nach einiger Zeit wurde Johannes aus irgendeinem Anlaß wieder (in die Stadt) gerufen. Nachdem er die Geschäfte, derentwegen er gekommen war, erledigt hatte, sagte er: ‚Wohlan, o Bischof, gib mir zurück, was ich dir anvertraut habe! Ich und Christus haben es dir übertragen, wofür die Kirche, der du vorstehst, Zeuge ist. Der Bischof erschrak zunächst, da er meinte, er sei wegen Gelder, die er nicht (anvertraut) erhalten hatte, angeklagt worden. Einerseits konnte er, da er ja (kein Geld) erhalten hatte, (den Worten) nicht glauben, anderseits durfte er aber auch dem Johannes nicht mißtrauisch begegnen. Als aber dieser erklärte: ‚Den Jüngling fordere ich zurück und die Seele des Bruders’, seufzte der Greis tief auf, weinte und sprach: ‚Er ist gestorben’. ‚Wie kam dies, und welchen Todes ist er gestorben?’ Der Bischof antwortete: ‚Er ist für Gott tot. Denn er ist ein schlimmer, verkommener Mensch und sogar ein Räuber geworden. Den Berg329 hat er nun gegen die Kirche eingetauscht und sich gleichgesinnten Kampfnaturen zugesellt.’ Da zerriß der Apostel sein Gewand, schlug sich unter lautem Klagen an den Kopf und rief: ‚Ich habe dich als Wächter über die Seele des Bruders zurückgelassen. Doch stelle man mir nun ein Pferd und einen Wegführer zur Verfügung!’ Und wie er war, ritt er von der Kirche weg zur Stadt hinaus. Als Johannes in den Bereich der Räuber gekommen war, wurde er von ihren Vorposten angehalten. Er floh nicht, noch bat er um Schonung, sondern rief: ‚Ich bin gekommen, weil ich euch wollte. Führet mich zu eurem Hauptmann!’ Dieser empfing ihn erst, nachdem er sich bewaffnet hatte. Als er aber in dem Ankömmling den Johannes erkannte, wandte er sich scheu zur Flucht. Johannes aber, sein hohes Alter vergessend, lief ihm [[@Page:129]] eiligst nach und schrie: ‚Mein Sohn, warum fliehst du vor mir, deinem Vater, einem wehrlosen Greise? Erbarme dich meiner, o Sohn! Fürchte dich nicht! Immer noch bleibt dir die Hoffnung auf das Leben. Ich will für dich bei Christus eintreten. Wenn es notwendig ist, gehe ich gerne für dich in den Tod, wie der Herr für uns in den Tod gegangen ist. Für dich will ich mein Leben hingeben. Halte! Glaube! Christus hat mich gesandt.’ Als der Räuber diese Worte hörte, blieb er zunächst mit gesenktem Blicke stehen. Dann warf er die Waffen weg und vergoß zitternd bittere Tränen. Er umarmte den Greis, der vor ihm stand, entschuldigte sich, so gut er konnte, unter Seufzern und empfing durch seine Tränen eine zweite Taufe. Nur seine rechte Hand hielt er verborgen, Johannes aber verbürgte sich unter Eid dafür, daß er für ihn beim Erlöser Verzeihung erlangt habe, drang mit Bitten in ihn, fiel vor ihm auf die Knie nieder und küßte ihm die rechte Hand, um zu zeigen, daß sie durch seine Reue gereinigt wäre. Dann führte er ihn zur Kirche zurück. In ständigen Gebeten flehte er um Begnadigung, durch andauerndes Fasten machte er sich zu seinem Kampfgenossen, und durch zahlreiche gewinnende Worte besänftigte er sein Gemüt. Er verließ ihn, wie man erzählt, nicht eher, als bis er ihn der Kirche wiedergegeben und ein herrliches Beispiel wahrer Buße, ein schönes Denkmal der Wiedergeburt, ein Siegeszeichen der sichtbaren Auferstehung aufgestellt hatte.“

24. Kap. Die Reihenfolge der Evangelien.


. Diese Erzählung des Klemens ist hier aufgenommen aus geschichtlichen Gründen und zugleich auch zur Erbauung der Leser.

Nun wollen wir auch die unwidersprochenen Schriften desselben Apostels anführen. Zuerst sei das Evangelium nach Johannes erwähnt, das allen Kirchen unter dem Himmel bekannt ist. Daß die Alten ihren guten Grund hatten, wenn sie dasselbe an vierter Stelle, also nach den anderen drei, eingereiht haben, dürfte sich aus folgen-[[@Page:130]]dem ergeben. Die gotterleuchteten und wahrhaft gottgefälligen Männer — ich meine die Apostel Christi — führten ein durchaus heiliges Leben und schmückten ihre Seele mit allen Tugenden. Sprachlich waren sie allerdings unbewandert,330 doch verließen sie sich auf die ihnen vom Erlöser gegebene göttliche, wunderbare Kraft. Sie konnten und wollten die Lehren ihres Meisters nicht in schmeichelnden, kunstvollen Worten331 vortragen, sondern nur durch Kundgebung des in ihnen wirksamen göttlichen Geistes und unter Verwertung der in ihnen sich offenbarenden wunderbaren Kraft Christi predigten sie auf dem ganzen Erdkreis die Lehre des Himmelreiches, ohne viel Sorgfalt und Fleiß auf Schriftstellern zu verlegen. Sie handelten so, weil sie mit wichtigen, übermenschlichen Diensten betraut waren. Paulus z, B., obwohl der wortgewaltigste und geistreichste von allen, hat uns nur seine ganz kurzen Briefe hinterlassen. Und er hätte doch unzählige Geheimnisse mitteilen können, da er ja bis in den dritten Himmel geschaut hatte und sogar bis in das göttliche Paradies entrückt worden war, wo er gewürdigt wurde, geheimnisvolle Worte zu hören. Auch die übrigen Schüler unseres Erlösers, die zwölf Apostel, die siebzig Jünger und außerdem noch unzählige andere waren nicht ohne Kenntnis der gleichen Geheimnisse geblieben. Doch von allen haben uns nur Matthäus und Johannes Erinnerungen an die Lehrvorträge unseres Herrn hinterlassen; aber auch diese Männer haben, wie berichtet wird, sich nur gezwungen zum Schreiben herbeigelassen. Matthäus, der zunächst unter den Hebräern gepredigt hatte, schrieb, als er auch noch zu anderen Völkern gehen wollte, das von ihm verkündete Evangelium in seiner Muttersprache; denn er suchte denen, von welchen er schied, durch die Schrift das zu ersetzen, was sie durch sein Fortgehen verloren. Nachdem nun Markus und Lukas die von ihnen gepre-[[@Page:131]]digten Evangelien herausgegeben hatten, sah sich nach der Überlieferung schließlich auch Johannes, der ständig sich mit der mündlichen Predigt des Evangeliums beschäftigt hatte, zur Niederschrift veranlaßt, und zwar aus folgendem Grunde: Nachdem die zuerst geschriebenen drei Evangelien bereits allen und auch dem Johannes zur Kenntnis gekommen waren, nahm dieser sie, wie man berichtet, an und bestätigte ihre Wahrheit und erklärte, es fehle den Schriften nur noch eine Darstellung dessen, was Jesus zunächst, zu Beginn seiner Lehrtätigkeit, getan habe. Mit dieser Erklärung hatte er auch recht. Denn es ist klar, daß die drei Evangelisten nur das, was der Heiland nach der Gefangensetzung Johannes des Täufers während eines einzigen Jahres getan hatte, aufgezeichnet haben, und daß sie dies auch am Anfange ihrer Berichte zu erkennen geben. Matthäus deutet, nachdem er das vierzigtägige Fasten und die damit zusammenhängende Versuchung erwähnt hatte, die Zeit, über welche sich seine Schrift erstreckt, also an:332 „Als er gehört hatte, daß Johannes ausgeliefert war, kehrte er von Judäa nach Galiläa zurück.“ Markus erzählt in gleicher Weise:333 „Nachdem Johannes ausgeliefert war, ging Jesus nach Galiläa.“ Lukas drückt sich, ehe er den Bericht über die Taten Jesu beginnt, in ähnlicher Weise aus, sofern er schreibt:334 „Herodes fügte zu seinen übrigen Verbrechen noch die Gefangennahme des Johannes.“ Nach der Überlieferung hat nun deshalb der Apostel Johannes auf Bitten hin über die Zeit, über welche die früheren Evangelisten geschwiegen haben, sowie über die in diese Zeit, d. i. vor die Gefangennahme des Täufers, fallenden Taten des Erlösers in einem eigenen Evangelium berichtet, was er auch angedeutet habe, bald mit den Worten335 „Dies ist der Anfang der Wundertaten Jesu“, bald dadurch, daß er in den Bericht der Taten Jesu eine Erinnerung an den damals noch in Änon bei Salim taufenden Täufer eingeflochten;336 klar [[@Page:132]] und deutlich gäbe er seine Absicht zu erkennen mit den Worten:337 „Denn noch nicht war Johannes ins Gefängnis geworfen worden.“ Johannes erzählt also in seinem Evangelium das, was Christus getan hatte, noch ehe der Täufer ins Gefängnis geworfen wurde; die übrigen drei Evangelisten aber berichten die auf die Einkerkerung des Täufers folgenden Ereignisse. Wer diese Tatsachen festhält, dürfte nicht mehr Widersprüche in den Evangelien finden, da so das Evangelium nach Johannes den Anfang der Taten Christi mitteilt, während die anderen Evangelien die spätere Geschichte erzählen. Da Matthäus und Lukas bereits über die fleischliche Abstammung unseres Erlösers geschrieben hatten, hat füglich Johannes darüber geschwiegen. Wohl aber belehrt er zu Beginn über dessen göttliches Wesen, da er vom göttlichen Geiste bevorzugt worden war, darüber Offenbarungen zu erhalten. Soviel sei über das Evangelium nach Johannes bemerkt! Über den Anlaß des Markusevangeliums haben wir uns schon früher338 geäußert. Lukas teilt selbst zu Beginn seines Evangeliums mit, was ihn zur Abfassung desselben veranlaßt habe. Da nämlich — so erklärt er339 — viele andere allzu leichtfertig eine Geschichte der ihm genau bekannten Tatsachen gewagt hätten, sähe er sich, um uns gegen die zweifelhaften Meinungen anderer sicherzustellen, veranlaßt, eine genaue Darstellung dessen, was er gründlich und wahrheitsgemäß aus dem ständigen lehrreichen Verkehr mit Paulus und den übrigen Aposteln erfahren habe, in einem eigenen Evangelium zu bieten. So viel hierüber! Bei passender Gelegenheit jedoch werden wir versuchen, unter Verwertung der Ausführungen der Alten noch das mitzuteilen, was von anderen in dieser Beziehung behauptet worden ist. Von den Schriften des Johannes wird außerdem noch der erste Brief wie früher schon so auch jetzt als echt anerkannt; die beiden übrigen Briefe jedoch werden bestritten. Bezüg-[[@Page:133]]lich der „Offenbarung“ gehen bis jetzt in der Regel die Meinungen auseinander. Indessen wird ein Zurückgreifen auf das Zeugnis der Alten bei gegebener Gelegenheit auch über die „Offenbarung“ endgültig entscheiden.

25. Kap. Die allgemein und nicht allgemein anerkannten Schriften der Bibel.


. Es dürfte am Platze sein, hier die erwähnten Schriften des Neuen Testamentes zusammenzufassen.340 An die erste Stelle ist die heilige Vierzahl der Evangelien zu setzen, an welche sich die Apostelgeschichte anschließt. Nach dieser sind die Briefe des Paulus einzureihen. Sodann ist der sog. erste Brief des Johannes und in gleicher Weise der des Petrus für echt zu erklären. Zu diesen Schriften kann noch, wenn man es für gut hält, die Offenbarung des Johannes gezählt werden, über welche verschiedene Meinungen bestehen, die wir bei Gelegenheit angeben werden. Die erwähnten Schriften gehören zu den anerkannten. Zu den bestrittenen aber, welche indes gleichwohl bei den meisten in Ansehen stehen, werden gerechnet der sog. Jakobusbrief, der Brief des Judas, der zweite Brief des Petrus und der sog. zweite und dritte Johannesbrief, welche entweder dem Evangelisten oder einem anderen Johannes zuzuschreiben sind. Zu den unechten Schriften sind zu zählen die Paulusakten, der sog. Hirt, die Offenbarung des Petrus,341 ferner der sog. Barnabasbrief, die sog. Apostellehre und, wie ich schon sagte, auch noch, wenn man will, die Offenbarung des Johannes, welche, wie erwähnt, von den einen verworfen, von anderen aber zu den echten Schriften gerechnet wird. Zu den unechten zählten nun manche auch das Hebräerevangelium, das vor allem bei den Hebräern, welche sich zum Christentum bekehrt haben, Ansehen genießt.342 Mögen auch alle diese Schrif-[[@Page:134]]ten zu den bestrittenen gehören, so hielten wir es doch für notwendig, auch sie aufzuzählen, zum Unterschied von den in der kirchlichen Überlieferung allgemein als wahr und unverfälscht anerkannten Schriften und denen, welche daneben, wenn auch nicht zum Kanon gehörig und sogar bestritten, gleichwohl bei sehr vielen Kirchenmännern Beachtung finden, und in der Absicht, daß wir sie kennen und kennen die Schriften, die von den Häretikern unter dem Namen von Aposteln z. B. eines Petrus, eines Thomas, eines Matthias343 in Umlauf gesetzt worden sind oder Evangelien von noch anderen Männern oder die Akten eines Andreas, Johannes344 oder weiterer Apostel enthalten. Kein in der Überlieferung anerkannter kirchlicher Schriftsteller hat diese letzteren Schriften irgendwo der Erwähnung gewürdigt. Überdies weicht auch die Art ihrer Darstellung von der der Apostel ab. Auch ihre Gedanken und das in ihnen zum Ausdruck kommende Streben stehen im stärksten Gegensatz zu der wahren, echten Lehre und geben dadurch deutlich zu erkennen, daß sie Häretiker zu Autoren haben. Man darf sie daher nicht einmal zu den unechten Schriften zählen, sondern muß sie als vollendeten Unsinn und als religionswidrig verwerfen.

Doch verfolgen wir die Geschichte in ihrem weiteren Verlaufe! [[@Page:135]]


26. Kap. Der Betrüger Menander.


. Auf Simon den Magier folgte Menander. Sein Leben offenbarte ihn als zweites, hinter dem ersten nicht zurückstehendes Werkzeug der teuflischen Kraft. Auch er stammte aus Samaria. Obwohl er gleich seinem Meister die Zauberei im höchsten Maße betrieb, übertraf er ihn noch durch seine Wundersprüche. Denn er erklärte, er wäre der zum Heile der Menschen von oben durch unsichtbare Äonen gesandte Erlöser, und lehrte, nur dadurch könne man Gewalt über die die Welt bildenden Engel erhalten, daß man sich von der ihm selbst übergebenen Zauberkunst leiten und von ihm taufen lasse. Wer dieser Taufe gewürdigt würde, erlange schon in diesem Leben ewige Unsterblichkeit, da er nicht mehr sterben müsse, sondern auf Erden bleibe, ohne je zu altern und den Tod zu kosten. Hierüber kann man sich leicht bei Irenäus345 unterrichten. Auch Justin erzählt in gleicher Weise über Menander, und zwar im Anschluß an seinen Bericht über Simon. Er sagt nämlich:346 „Wie wir wissen, trat ein gewisser Menander, der ebenfalls aus Samaria, und zwar aus dem Dorfe Kaparattaia stammte, Schüler des Simon war und gleichfalls unter dem Einfluß der Dämonen stand, in Antiochien auf, wo er viele durch seine Zauberei irreführte. Denen, die ihm folgten, machte er weis, sie würden nicht sterben. Noch jetzt gibt es Leute, welche dies unter Berufung auf ihn behaupten. Es war wirklich ein teuflisches Unternehmen, wenn solche Zauberer sich mit dem Namen Christen schützten, um zu versuchen, das große Geheimnis unseres Glaubens zu schmähen und die kirchliche Lehre von der Unsterblichkeit und der Auferstehung der Toten zu verspotten. Doch wer sich solchen Heilanden verschrieben hatte, ging der wahren Hoffnung verlustig.

27. Kap. Die Sekte der Ebionäer.


. Da der böse Dämon die Lehre von der Gottheit Christi nicht untergraben konnte, ersann er neue Mittel [[@Page:136]] und gewann damit noch andere für sich. Die Alten nannten sie, da sie armselig und niedrig über Christus lehrten, Ebionäer,347 Diese hielten Christus für einen gewöhnlichen Menschen, der nur kraft seines hervorragenden sittlichen Lebenswandels gerecht geworden, und glaubten, er wäre durch die Gemeinschaft eines Mannes mit Maria erzeugt worden. Die Beobachtung des Gesetzes erachteten sie für durchaus notwendig, gerade als ob sie nicht allein durch den Glauben an Christus und auf Grund eines glaubensgemäßen Lebens selig wurden. Eine andere Richtung unter den Ebionäern vermied zwar den erwähnten seltsamen Unsinn, sofern sie die Geburt des Herrn aus der Jungfrau und dem Heiligen Geiste nicht leugnete; allein auch sie wollte nicht zugeben, daß er als Gott, Logos und Weisheit präexistierte, wodurch sie gleich jenen in Gottlosigkeit verfiel, zumal auch sie für die fleischliche Gesetzesbeobachtung eintrat. Sie meinte, man müsse die Briefe des Apostels, von dem sie erklärte, er sei vom Gesetze abgefallen, vollständig verwerfen. Nur das sog. Hebräerevangelium benützte sie, den übrigen Schriften aber legte sie geringen Wert bei. Den Sabbat und die sonstigen jüdischen Bräuche beobachtete diese Richtung gleich den anderen, doch feierte sie auch gleich uns den Tag des Herrn zur Erinnerung an die Auferstehung des Erlösers. Wegen solcher Lehren erhielten diese Richtungen den erwähnten Namen; denn das Wort Ebionäer deutet ihre geistige Armut an. Die Hebräer bezeichneten nämlich mit diesem Worte einen armen Menschen.

28. Kap. Der Häresiarch Cerinth.


. Zur erwähnten Zeit348 lebte, wie wir erfahren haben, Cerinth, der Führer einer anderen Häresie. Gaius, den wir schon oben349 zitiert haben, schreibt über ihn in seiner [[@Page:137]] Untersuchung: „Und Cerinth gibt uns in Offenbarungen die den Anschein erwecken, als wären sie von einem großen Apostel geschrieben, falsche, wunderliche Berichte, von welchen er behauptet, daß sie ihm von Engeln gegeben worden seien. Er erzählt nämlich, daß nach der Auferstehung das Reich Christi auf Erden sein werde und daß die Leiber in Jerusalem leben und sich wiederum Leidenschaften und Vergnügungen hingeben werden. Und im Widerspruch mit den Schriften Gottes und in verführerischer Absicht erklärt er, daß ein Zeitraum von tausend Jahren in freudiger Hochzeitsfeier verfließen werde.“ Dionysius, der zu unserer Zeit Bischof der Kirche von Alexandrien geworden war, erwähnt im zweiten Buche seiner „Verheißungen“,350 in denen er unter Berufung auf alte Überlieferung einiges über die Offenbarung des Johannes berichtet, Cerinth mit folgenden Worten: „Cerinth, der auch die nach ihm genannte cerinthische Sekte gestiftet hatte, wollte seinem Werke einen Namen von Klang geben. Der Inhalt seiner Lehre war nämlich: das Reich Christi wird auf Erden erscheinen. Wonach er selbst, der in seinen Leib verliebt und ganz fleischlich gesinnt war, verlangte, darin würde — so träumte er — das Reich Christi bestehen, d. i. in der Befriedigung des Magens und der noch tiefer gelegenen Organe, also in Speise und Trank und ehelichen Genüssen und — wodurch er besseren Eindruck zu erwecken glaubte — in Festen, Opfern und Schlachtungen von Opfertieren.“ So berichtet Dionysius, Irenäus hat, nachdem er im ersten Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“ einige geheime Truglehren des Cerinth angeführt hatte,351 im dritten Buche eine Geschichte, die nicht vergessen werden darf, überliefert. Auf Grund einer Mitteilung Polykarps berichtet er nämlich:352 „Der Apo-[[@Page:138]]stel Johannes ging einmal in eine Badeanstalt, um sich zu baden. Doch als er erfuhr, daß Cerinth im Bade sei, verließ er die Anstalt und eilte dem Ausgang zu, da er es nicht über sich brachte, unter einem Dache mit ihm zu weilen. Seine Umgebung aber forderte er auf, das gleiche zu tun, mit den Worten: ‚Lasset uns fliehen! Denn es ist zu fürchten, daß die Badeanstalt einstürze, da Cerinth, der Feind der Wahrheit, drinnen ist.’“353

29. Kap. Nikolaus und die, welche sich nach ihm benannten.


. Damals existierte kurze Zeit auch die sog. Häresie der Nikolaiten, deren auch die Offenbarung des Johannes354 gedenkt. Die Nikolaiten rühmten den Nikolaus als einen der Diakonen, die sich Stephanus angeschlossen hatten und von den Aposteln für die Armenfürsorge aufgestellt worden waren.355 Klemens von Alexandrien berichtet über ihn im dritten Buche der „Teppiche“ wörtlich also:356 „Da Nikolaus — so erzählt man— nach der Himmelfahrt des Erlösers wegen der Eifersucht auf seine hübsche Frau von den Aposteln zurechtgewiesen worden war, stellte er sie ihnen vor und überließ sie dem, der sie zu heiraten wünschte. Dies Verfahren stand — so sagt man — im Einklang mit seinem Worte: ‚Man muß das Fleisch verachten’; die, welche sich seiner Richtung angeschlossen, hielten sich einfältig und kritiklos an das, was geschah, und an seine Bemerkung und trieben in schamloser Weise Unzucht. Wie ich jedoch erfahren habe, hat Nikolaus nie mit einer anderen Frau als seiner eigenen verkehrt und haben seine Töchter als Jungfrauen ein hohes Alter erreicht und ist auch sein Sohn unverdorben geblieben. Wenn dem so ist, dann ist die Tatsache, daß Nikolaus seine eifersüchtig geliebte Frau in den Kreis der Apostel stellte, ein Beweis dafür, daß er der Leidenschaft Lebewohl sagte, und war das Wort ,Man muß das Fleisch verachten’ seinem Verzicht auf heiß ersehnte Genüsse entsprungen. Nach meiner Meinung [[@Page:139]] wollte er dem Befehle des Erlösers357 entsprechend nicht zwei Herren dienen, der Sinnlichkeit und dem Herrn. Auch Matthias soll in gleicher Weise gelehrt haben, man müsse gegen das Fleisch kämpfen und es verachten, indem man seiner Sinnlichkeit in keiner Weise nachgibt; der Seele aber müsse man durch Glauben und Erkenntnis aufhelfen.“358

Dies mag genügen bezüglich derer, welche zur erwähnten Zeit359 die Wahrheit niederzuringen suchten, aber schneller als ein Laut völlig verschwunden sind.


30. Kap. Die verheirateten Apostel.


. Klemens, dessen Worte wir soeben angeführt haben, erwähnt im Anschluß an das Gesagte um derentwillen, welche die Ehe verwerfen, jene Apostel, welche im Ehestande gelebt haben. Er sagt:360 „Werden sie auch die Apostel verurteilen? Denn Petrus und Philippus haben Kinder erzeugt. Philippus hat auch seine Töchter verheiratet. Und Paulus trug kein Bedenken, in einem seiner Briefe sich an seine Frau zu wenden,361 welche er, um im Dienste freier zu sein, nicht überall bei sich hatte.“362 Im Anschluß an diesen Bericht ist es nicht unpassend, noch eine andere erwähnenswerte Geschichte mitzuteilen, welche Klemens im siebten Buche der „Teppiche“ also wiedergibt:363 „Als der selige Petrus — so erzählte man — sah, wie seine Frau zum Tode geführt wurde, freute er sich über ihre Berufung und ihren Heimgang, rief ihr unter Namensnennung zu: ‚Gedenke, Weib, des Herrn!’ und richtete an sie sehr ermunternde und trostreiche [[@Page:140]] Worte. So sah die Ehe der Seligen aus, so die erhabene Gesinnung derer, die sich innig liebten.“

Diese Mitteilungen, welche in unser vorliegendes Werk einbezogen werden müssen, mögen an dieser Stelle ihren richtigen Platz gefunden haben.


31. Kap. Der Tod des Johannes und des Philippus.


. Bereits früher364 haben wir über Zeit und Art des Todes von Paulus und Petrus berichtet sowie über den Ort, an dem nach ihrem Hinscheiden ihre Leiber beigesetzt worden waren. Die Zeit des Johannes haben wir schon erwähnt.365 Seine Begräbnisstätte aber ergibt sich aus einem Briefe, welchen Polykrates, Bischof der Kirche in Ephesus, an den römischen Bischof Viktor richtete. In demselben gedenkt er sowohl des Johannes als auch des Apostels Philippus und der Töchter des letzteren mit folgenden Worten: „Denn auch in Asien haben große Sterne366 ihre Ruhestätte gefunden, welche am Jüngsten Tage bei der Wiederkunft des Herrn auferstehen werden. An diesem Tage wird der Herr mit Herrlichkeit vom Himmel kommen und alle Heiligen aufsuchen: nämlich Philippus, einen der zwölf Apostel, der in Hierapolis ruht, mit seinen beiden bejahrten, im jungfräulichen Stande gebliebenen Töchtern, während eine andere Tochter, die im Heiligen Geiste wandelte, in Ephesus entschlafen ist,367 und Johannes, der an der Brust des Herrn lag,368 den Stirnschild trug,369 Priester, Glaubenszeuge und Lehrer war und in Ephesus zur Ruhe eingegangen ist.“ Soviel über den Tod des Philippus und Johannes. In dem Dialog des Gaius, den wir vor kurzem erwähnt haben,370 [[@Page:141]] äußert sich Proklus, gegen welchen die Schrift gerichtet ist, im Einklang mit den angeführten Worten über den Tod des Philippus und seiner Töchter also: „Nach ihm waren vier Prophetinnen, die Töchter des Philippus in Hierapolis in Asien; ihr Grab und das ihres Vaters ist noch dort.“ Dies der Bericht des Gaius. Lukas erwähnt in der Apostelgeschichte, daß zu seiner Zeit die Töchter des Philippus zu Cäsarea in Judäa zugleich mit ihrem Vater weilten und der prophetischen Gabe gewürdigt worden waren. Wörtlich schreibt er:371 „Wir kamen nach Cäsarea, gingen in das Haus des Evangelisten Philippus, der einer von den Sieben war, und blieben bei ihm. Er hatte vier im jungfräulichen Stande lebende Töchter, welche Prophetinnen waren.“

Wir haben nunmehr dargelegt, was wir über die Apostel und ihre Zeit sowie über die heiligen Bücher, die sie uns hinterlassen haben, über die zwar bestrittenen, aber doch in den meisten Kirchen großenteils öffentlich gebrauchten Schriften und über die gänzlich unechten und mit der apostolischen Rechtgläubigkeit nicht im Einklang stehenden Schriften erfahren haben. Gehen wir nun auf die folgende Geschichte über!


32. Kap. Das Martyrium Symeons, Bischofs von Jerusalem.


. Wie überliefert wird, entstanden nach Nero und Domitian unter dem Herrscher, dessen Zeit wir gerade behandeln,372 vereinzelt in Städten infolge von Volksaufständen gegen uns Verfolgungen. In einer derselben erlitt Symeon, der Sohn des Klopas, der, wie wir berichteten,373 als zweiter Bischof der Kirche von Jerusalem eingesetzt worden war, gemäß der Überlieferung den Martertod. Zeuge hierfür ist jener Hegesippus, den wir schon oben wiederholt zitiert haben. Wie dieser in einem Bericht über verschiedene Häretiker mitteilt, wurde Symeon zu jener Zeit von seiten dieser Häretiker angeklagt, wegen seines christlichen Glaubens lange Zeit auf verschiedene Weise gepeinigt, wobei er die höchste Bewun-[[@Page:142]]derung des Richters selbst und seines Kollegiums erregte, und schließlich ähnlich dem Herrn hingerichtet. Doch ist es am besten, den Schriftsteller selber zu hören, welcher darüber also erzählt:374 „Gegen Symeon erhoben einige dieser Häretiker die Anklage, daß er von David abstamme und Christ sei, weshalb er im Alter von 120 Jahren unter Kaiser Trajan und dem Prokonsul Attikus den Martertod erlitt.“ Der gleiche Schriftsteller berichtet, daß damals nach jenen gefahndet wurde, welche vom Königsgeschlechte der Juden abstammten, und daß zufällig auch die Ankläger des Symeon als solche Nachkommen verhaftet wurden. Mit gutem Grunde läßt sich behaupten, daß auch Symeon den Herrn gesehen und gehört hat. Denn man kann sich hierfür auf sein hohes Alter berufen sowie darauf, daß das Evangelium375 Maria, die Frau des Klopas, erwähnt, dessen Sohn, wie schon früher gesagt,376 Symeon war. Wie Hegesippus mitteilt, lebten noch Nachkommen von einem anderen der sog. Brüder des Heilandes, nämlich von Judas, bis zur gleichen Regierungszeit,377 nachdem sie unter Domitian, wie schon oben erzählt,378 für ihren christlichen Glauben Zeugnis abgelegt hatten.379 Hegesippus schreibt:380 „Sie kehrten nun zurück und erhielten als Bekenner und als Verwandte des Herrn führende Stellungen in der ganzen Kirche. Nachdem tiefer Friede in der ganzen Kirche eingetreten war, lebten sie noch bis zur Regierung des Kaisers Trajan, bis zu jener Zeit, da der oben erwähnte Symeon, der Sohn des Klopas, von den Häretikern als Vetter des Herrn angegeben und unter dem Prokonsul Attikus aus eben diesem Grunde vor Gericht gestellt wurde. Trotzdem er Tage lang gemartert wurde, blieb er standhaft im Glauben, so daß alle und auch der Prokonsul sich wunderten, wie ein Mann von 120 Jahren [[@Page:143]] solches aushalten konnte. Sodann befahl man, ihn zu kreuzigen.“ In seinem Berichte über die erwähnten Zeiten fügt Hegesippus jener Erzählung noch bei, daß die Kirche bis dahin eine reine, unbefleckte Jungfrau geblieben sei; denn die, welche die gesunde Lehre der Heilspredigt zu untergraben suchten, hielten sich damals, wenn es schon solche gab, noch in Finsternis versteckt und verborgen. Als der heilige Chor der Apostel auf verschiedene Weise sein Ende gefunden hatte und jenes Geschlecht, welches das Glück hatte, mit eigenen Ohren der göttlichen Weisheit zu lauschen, abgetreten war, erhob sich zum ersten Male der gottlose Irrtum durch die Schuld lügenhafter fremder Lehrer. Diese wagten nun, da keiner der Apostel mehr am Leben war, mit frecher Stirne der Lehre der Wahrheit eine falsche sog. Gnosis entgegenzusetzen.

33. Kap. Verbot Trajans, den Christen nachzuforschen.


. Damals wurden an mehreren Orten so harte Verfolgungen gegen uns verhängt, daß Plinius Sekundus, einer der berühmtesten Statthalter,381 mit Rücksicht auf die große Zahl der Märtyrer an den Kaiser über die Menge derer, welche um des Glaubens willen ihr Leben lassen mußten, berichtete.382 Er teilte hierbei zugleich mit, daß nach seinen Erfahrungen die Christen nichts Gottloses und Gesetzwidriges tun, daß sie nur gleich bei Sonnenaufgang nach dem Erwachen Christus als Gott in Lobliedern verehren, daß sie aber Unzucht, Mord und dergleichen strafbare Verbrechen verabscheuen und in allem gesetzmäßig handeln. Auf diesen Bericht hin verordnete Trajan, man solle das Christenvolk nicht aufspüren, wohl aber gegen dasselbe, wo man es zufällig treffe, mit Strafen einschreiten. Infolge dieser Verordnung ließ die uns so schwer bedrohende Verfolgung [[@Page:144]] zwar einigermaßen nach, aber für die, welche uns bedrängen wollten, verblieben nicht weniger Vorwände hierzu. Denn bald stellte uns der Pöbel, bald die Statthalter einzelner Länder nach, so daß, wenn auch die Verfolgung nicht allgemein verordnet war, sie doch vereinzelt in einzelnen Provinzen entbrannte und zahlreiche Gläubige verschiedenartigen Martern ausgesetzt waren. Die Mitteilungen hierüber sind der lateinischen Apologie Tertullians, die wir schon weiter oben erwähnt haben,383 entnommen. Dieselbe berichtet in Übersetzung wie folgt:384 „Wir haben jedoch gefunden, daß es verboten war, uns aufzuspüren. Nachdem nämlich Plinius Sekundus als Statthalter einige Christen verurteilt und ihnen ihre Würden entzogen hatte, erstattete er, da ihn ihre große Menge so sehr beunruhigte, daß er nicht wußte, wie er sich weiterhin zu verhalten habe, dem Kaiser Trajan Bericht und teilte ihm mit, daß er nichts Gottloses an ihnen gefunden habe, außer daß sie sich weigerten, den Götzen zu opfern. Er meldete ihm auch, daß die Christen am frühen Morgen aufstehen, Christus als ihren Gott in Liedern zu verehren, und daß sie, um ihr Sittengesetz zu beobachten, Mord, Ehebruch, Habsucht, Diebstahl und andere Verbrechen dieser Art verbieten. Darauf erwiderte Trajan, man solle das Christenvolk nicht aufspüren, wohl aber gegen dasselbe, wo man es zufällig treffe, mit Strafen einschreiten.“385 Soviel ist hierüber zu berichten.

34. Kap. Evaristus, vierter Bischof der Kirche von Rom.


. Im dritten Jahre der Regierung des oben erwähnten Kaisers starb von den römischen Bischöfen Klemens und überließ das Hirtenamt dem Evaristus. Klemens [[@Page:145]] hatte im ganzen neun Jahre der Lehre des göttlichen Wortes vorgestanden.

35. Kap. Justus, dritter Bischof von Jerusalem.


. Nachdem Symeon auf die erwähnte Weise den Tod gefunden hatte, übernahm ein Jude, namens Justus, einer von den zahlreichen Männern aus der Beschneidung, welche damals den christlichen Glauben angenommen hatten, den bischöflichen Stuhl in Jerusalem.

36. Kap. Ignatius und seine Briefe.


. Damals386 tat sich in Asien der Apostelschüler Polykarp hervor. Von denen, welche den Herrn noch gesehen und ihm gedient, hatte er die bischöfliche Würde der Kirche zu Smyrna erhalten. Zu seiner Zeit machte sich Papias, Bischof der Kirche zu Hierapolis, bekannt sowie der jetzt noch von den meisten Kirchen hochgefeierte Ignatius, der zweite Nachfolger des Petrus auf dem Bischofstuhle der Kirche in Antiochien. Nach der Überlieferung wurde Ignatius von Syrien aus nach Rom geschickt und dort wegen seines Glaubens an Christus den wilden Tieren zur Beute ausgeliefert. Als er unter strengster militärischer Bewachung durch Asien transportiert wurde, stärkte er in den einzelnen Städten die Kirchengemeinden, mit denen er zusammentraf, durch mündliche Belehrungen und Mahnungen. Vor allem legte er ihnen besonders nahe, sie sollten sich vor den Häresien hüten, die gerade damals zum ersten Male auftauchten. Auch schärfte er ihnen ein, sie sollten unentwegt an der Überlieferung der Apostel festhalten, welche er, um ihnen Sicherheit zu geben, nunmehr auch durch schriftliches Zeugnis mitzuteilen für notwendig hielt. Als er in Smyrna weilte, wo Polykarp lebte, schrieb er einen Brief an die Gemeinde in Ephesus, worin er ihres Hirten Onesimus ge-[[@Page:146]]denkt,387 und einen Brief an die Gemeinde in Magnesia am Mäander, worin er den Bischof Damas erwähnt,388 und noch einen Brief an die Gemeinde in Tralles, deren Vorsteher nach seiner Mitteilung damals Polybius war.389 Außerdem schrieb er einen Brief an die Gemeinde der Römer, worin er diese ersucht, sie möchten ihn nicht vom Martyrium losbitten und ihn nicht dadurch der ersehnten Hoffnung berauben. Zum Beweise des Gesagten dürfte es gut sein, aus diesem Briefe ganz kurz einiges anzuführen. Ignatius schreibt wörtlich:390 „Von Syrien bis Rom kämpfe ich mit wilden Tieren zu Wasser und zu Land, bei Tag und bei Nacht, an zehn Leoparden gefesselt, worunter ich die militärische Bewachung verstehe, die, je mehr man ihr Gutes tut, um so schlimmer wird. Aus ihren Kränkungen lerne ich immer mehr. Doch deswegen bin ich noch nicht gerechtfertigt. Ich möchte der Bestien, die mir bestimmt sind, genießen; ich hoffe, sie auf mich gefaßt zu finden. Locken will ich sie, mich auf der Stelle zu fressen. Nicht sollen sie sich, wie sie es da und dort gemacht haben, scheuen, mich anzugreifen. Und wenn sie zögern und sich sträuben, dann werde ich sie zwingen. Verzeihet mir! Was mir frommt, das weiß ich. Nun erst fange ich an, Jünger zu werden. Nichts von den sichtbaren und unsichtbaren Wesen soll mich reizen; denn Jesus Christus will ich gewinnen. Es mögen über mich kommen Feuerqualen, Kreuzigung, aufgehetzte Tiere, es mögen meine Gebeine zerstreut, meine Glieder zerhackt, mein ganzer Leib zermalmt werden, es möge der Teufel mich schinden: wenn ich nur Jesus Christus finde!“ Solche Worte schrieb Ignatius von der erwähnten Stadt aus an die aufgezählten Gemeinden. Als er bereits Smyrna hinter sich hatte, wandte er sich von Troas aus an die Christen in Philadelphia, die Gemeinde in Smyrna und noch eigens an deren Bischof Polykarp. Diesen preist er als apostolischen Mann und übergibt als echter, guter Hirte ihm die Herde von [[@Page:147]] Antiochien mit der Bitte, eifrig für sie zu sorgen.391 In einem Briefe an die Gemeinde zu Smyrna schreibt er, ohne daß ich seine Quelle anzuführen weiß, über Christus also:392 „Ich weiß und glaube, daß er nach der Auferstehung im Fleische erschienen ist. Als er zu denen kam, die bei Petrus waren, sagte er zu ihnen: ‚Fasset mich an und berühret mich und erkennet, daß ich nicht ein körperloser Geist bin!’ Und sogleich berührten sie ihn und glaubten an ihn.“ Das Martyrium des Ignatius sowie seine Briefe werden von Irenäus erwähnt. Derselbe sagt:393 „So erklärte auch einer von den Unsrigen, der wegen seines Glaubens an Gott zu den wilden Tieren verurteilt worden war; er hatte behauptet: ‚Gottes Weizen bin ich, und ich werde von den Zähnen der wilden Tiere gemahlen, um als reines Brot erfunden zu werden.’“ Auch Polykarp gedenkt dieser Schriften in dem sog. Briefe an die Philipper. Wörtlich sagt er:394 „Ich ermahne euch alle, gehorsam zu sein und euch in aller Geduld zu üben, welche ihr mit eigenen Augen nicht nur an den Heiligen Ignatius, Rufus und Zosimus, sondern auch an noch anderen Männern, die in eurer Mitte weilten, sowie an Paulus selbst und den übrigen Aposteln beobachten konntet, und überzeugt zu sein, daß alle diese Männer nicht ins Leere gelaufen sind, sondern im Glauben und in der Gerechtigkeit gelebt haben und an den ihnen gebührenden Platz zum Herrn gelangt sind, mit dem sie gelitten hatten. Denn sie liebten nicht die gegenwärtige Welt, sondern den, welcher für uns gestorben und unsertwegen von Gott auferweckt worden ist.“ Sodann fährt Polykarp fort:395 „Ihr sowohl als Ignatius habt mir geschrieben, daß, im Falle jemand nach Syrien ginge, er die von euch gesandten Schreiben mitnehmen möchte. Dies wird bei passender Gelegenheit geschehen entweder durch mich selbst oder durch einen [[@Page:148]] meiner Boten, den ich auch in eurem Namen schicken werde. Die Briefe, welche Ignatius an uns geschickt hat, senden wir euch eurem Auftrage gemäß mit allen anderen, die in unserem Besitze sind. Sie sind diesem Briefe beigegeben. Ihr könnt aus denselben großen Nutzen ziehen. Denn ihr Inhalt ist Glaube, Geduld und jegliche Erbauung, die zu unserem Herrn führt.“ Soviel über Ignatius.396 Sein Nachfolger auf dem Bischofstuhle in Antiochien war Heros.

37. Kap. Die damals berühmten Evangelisten.


. Unter den damaligen hervorragenden Männern war auch Quadratus,397 der gleich den Töchtern des Philippus mit der prophetischen Gabe ausgezeichnet gewesen sein soll. Zu gleicher Zeit machten sich noch mehrere andere einen Namen, welche den ersten Rang unter den Nachfolgern der Apostel einnahmen. Diese bauten als gottesfürchtige Schüler so großer Männer auf dem von den Aposteln überall gelegten kirchlichen Grunde weiter, mehr und mehr ihre Predigttätigkeit ausdehnend und weithin auf dem ganzen Erdkreis den heilbringenden Samen vom Reiche Gottes ausstreuend. Sehr viele von den damals lebenden Jüngern zogen nämlich, nachdem sie, vom göttlichen Worte zu heißer Liebe für Philosophie398 begeistert, in Befolgung eines Erlöserwortes399 ihr Vermögen an die Armen verschenkt hatten, in die Ferne und waren als Evangelisten tätig und eifrig bemüht, denen, die noch gar nichts von der Glaubenslehre gehört hatten, zu predigen und ihnen die Schriften der göttlichen Evangelien zu bringen. Nachdem sie auf fremdem Boden nur erst den Grund des Glaubens gelegt hatten, stellten sie andere Männer als Hirten auf, um diesen die Pflege der Neubekehrten an-[[@Page:149]]zuvertrauen. Sodann zogen sie wieder in andere Länder zu anderen Völkern, von Gottes Gnade und Kraft unterstützt; denn damals wirkten noch in ihnen zahlreiche Wunderkräfte des göttlichen Geistes, so daß ganze Scharen gemeinsam schon bei der ersten Predigt bereitwillig den Glauben an den Weltschöpfer von Herzen annahmen. Da es uns nicht möglich ist, alle jene Männer namentlich aufzuzählen, welche am Anfange der nachapostolischen Zeit irgendeinmal in den Kirchen des Erdkreises als Hirten oder Evangelisten aufgetreten sind, so erwähnen wir in unserer Geschichte füglich nur die Namen derer, deren apostolische Lehre uns bis auf den heutigen Tag in Denkmälern überliefert ist.

38. Kap. Der Brief des Klemens und die fälschlich ihm zugewiesenen Schriften.


. So besitzen wir z. B. Denkmäler von Ignatius in den Briefen, die wir aufgezählt haben, Denkmäler von Klemens in dem allgemein anerkannten Briefe, den er von der römischen Kirche aus an die Kirche in Korinth geschrieben hatte. In diesem Briefe führt Klemens zahlreiche Gedanken und selbst wörtliche Zitate aus dem Hebräerbriefe an,400 wodurch er deutlich beweist, daß diese Schrift nicht erst neueren Datums war, und begreiflicherweise zu der Meinung Anlaß gab, der Hebräerbrief gehörte zu den Schriften des Apostels. Man behauptet nämlich, Paulus habe in seiner Muttersprache an die Hebräer geschrieben, und die Übersetzung dieser Schrift habe entweder der Evangelist Lukas oder der erwähnte Klemens besorgt. Letztere Annahme dürfte die wahrscheinlichere sein wegen der Ähnlichkeit des Stiles im Klemens- und Hebräerbrief und wegen der Verwandtschaft der Gedanken in beiden Schriften. Bemerkenswert ist, daß man auch noch von einem zweiten Klemensbriefe spricht.401 Doch wissen wir, daß er nicht gleich dem ersten Klemensbriefe anerkannt wird; denn wie uns bekannt ist, haben ihn auch die Alten nicht [[@Page:150]] benützt. In neuester Zeit wurden noch andere wort- und umfangreiche Schriften unter dem Namen des Klemens herausgegeben; sie enthalten die Dialoge des Petrus und Apion,402 Die Alten haben diese Schriften, welche auch die apostolische Rechtgläubigkeit nicht rein bewahrt haben, nirgends erwähnt. Der anerkannte Brief des Klemens, ebenso die Schriften des Ignatius und Polykarp, sind damit besprochen.

39. Kap. Die Schriften des Papias.


. Von Papias werden fünf Bücher überliefert. Sie tragen auch den Titel: „Erklärungen von Herrenworten“. Auch Irenäus erwähnt sie und bemerkt, sie seien das einzige von Papias verfaßte Werk. Irenäus schreibt:403 „Dies bezeugt schriftlich Papias, ein Hörer des Johannes, ein Freund des Polykarp, ein Mann aus alter Zeit, in seinem vierten Buche. Fünf Bücher hatte er nämlich verfaßt.“ So Irenäus. Indes erklärt Papias selbst in der Einleitung zu seiner Schrift, er habe die heiligen Apostel nicht gehört und nicht gesehen. Er bemerkt, daß er die Glaubenslehre von solchen empfangen habe, die den Aposteln nahegestanden seien. Er sagt: „Ohne zu zögern, will ich für dich alles, was ich je von den Presbytern genau erfahren und dem Gedächtnis genau eingeprägt habe, zugleich mit den Auslegungen verbinden, mich für dessen Wahrheit verbürgend. Denn nicht hatte ich wie die meisten an denen, die viele Worte machen, sondern an denen, welche die Wahrheit lehren, Freude, auch nicht an denen, welche die fremden Gebote anführen, sondern an denen, welche die vom Herrn dem Glauben gegebenen und aus dem Glauben entspringenden Gebote [[@Page:151]] der Wahrheit bieten. Kam einer, der den Presbytern gefolgt war, dann erkundigte ich mich nach den Lehren der Presbyter und fragte: ‚Was sagte Andreas, was Petrus, was Philippus, was Thomas oder Jakobus, was Johannes oder Matthäus oder irgendein anderer von den Jüngern des Herrn? Und was sagen Aristion und der Presbyter Johannes, die Jünger des Herrn?’404 Denn ich war der Ansicht, daß aus Büchern geschöpfte Berichte für mich nicht denselben Wert haben können wie die Worte frischer, noch lebender Stimmen.“ An diesen Worten ist beachtenswert, daß Papias zweimal den Namen Johannes aufzählt. Das erste Mal zählt er Johannes zu Petrus, Jakobus, Matthäus und den übrigen Aposteln; er meint also offenbar den Evangelisten. Das zweite Mal, in einem neuen Satze, rechnet er Johannes zu einer anderen Kategorie, welche von der der Apostel verschieden ist; er stellt ihm den Aristion voran und bezeichnet ihn ausdrücklich als Presbyter.405 Damit bewahrheitet sich also der Bericht, daß in Asien zwei Jünger den gleichen Namen gehabt hätten, und daß in Ephesus zwei Grabmäler errichtet worden wären, von denen noch jetzt jedes den Namen Johannes trüge. Dies [[@Page:152]] ist wohl zu beachten. Denn es ist wahrscheinlich, daß, soferne man nicht an den ersteren Johannes denken will, der zweite die unter dem Namen des Johannes gehende Offenbarung geschaut hat. Der soeben von uns zitierte Papias gesteht, die Lehren der Apostel von deren Schülern empfangen und Aristion sowie den Presbyter Johannes persönlich gehört zu haben. In seiner Schrift beruft er sich oft mit Namen auf sie und gibt ihre Überlieferungen wieder. Folgende Mitteilungen mögen nicht ohne Nutzen sein. Es ist am Platze, außer der angeführten Stelle aus Papias auch noch jene Erzählungen zu erwähnen, in denen er wunderbare Vorkommnisse und andere, durch Überlieferung empfangene Tatsachen berichtet. Bereits oben406 wurde mitgeteilt, daß sich der Apostel Philippus mit seinen Töchtern in Hierapolis aufgehalten habe; hier sei noch bemerkt, daß ihr Zeitgenosse Papias erzählt, er habe von den Töchtern des Philippus eine wunderbare Geschichte erfahren. Wie er nämlich mitteilt, stand damals einer von den Toten auf. Ein weiteres Wunder berichtet er über Justus mit dem Beinamen Barsabas. Derselbe habe nämlich, trotzdem er tödliches Gift getrunken habe, infolge der Gnade des Herrn keine üblen Folgen verspürt. Von diesem Justus berichtet die Apostelgeschichte, daß die heiligen Apostel ihn nach der Himmelfahrt des Erlösers zugleich mit Matthias vorgeführt haben, um unter Gebet durch das Los an Stelle des Verräters Judas einen Ersatz zur Auffüllung des Apostelkollegiums zu finden. Die Schrift sagt:407 „Und sie stellten zwei Männer auf: Joseph, genannt Barsabas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias, und sie beteten und sprachen.“ Papias bietet aber auf Grund mündlicher Überlieferung auch noch andere Erzählungen, nämlich unbekannte Gleichnisse und Lehren des Erlösers und außerdem noch einige sonderbare Berichte. Zu diesen gehört seine Behauptung, daß nach der Auferstehung der Toten tausend Jahre kommen werden, in [[@Page:153]] denen das Reich Christi sichtbar auf Erden bestehen werde. Nach meiner Meinung hat Papias diese Anschauung den ihm mitgeteilten Erzählungen der Apostel unterschoben; das, was die Apostel in Bildern und Gleichnissen gesprochen hatten, hat er nicht verstanden. Obwohl er, wie man aus seinen Worten schließen kann, geistig sehr beschränkt408 gewesen sein muß, hat er doch sehr vielen späteren Kirchenschriftstellern, die sich durch das Alter des Mannes verleiten ließen, wie dem Irenäus409 und denen, die sonst noch solche Ideen vertreten, Anlaß zu ähnlichen Lehren gegeben. Noch anderes teilt Papias in seinem Werke aus des oben erwähnten Aristion Auslegungen der Herrenworte sowie aus der Überlieferung des Presbyters mit. Nachdem wir nun die wißbegierigen Leser darauf aufmerksam gemacht haben, halten wir es für unsere Pflicht, außer seinen obigen Bemerkungen nun auch noch die Überlieferung anzuführen, welche er bezüglich Markus, des Verfassers des Evangeliums, aufgezeichnet hat. Er schreibt: „Auch dies lehrte der Presbyter: Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht ordnungsgemäß, aufgeschrieben. Denn nicht hatte er den Herrn gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, daß er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen.“410 So berichtete Papias über Markus. Bezüglich Matthäus aber behauptete er: „Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zu-[[@Page:154]]sammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte.“ Papias berief sich auch auf Zeugnisse aus dem ersten Johannesbrief und dem ersten Petrusbrief. Ferner führte er aus dem Hebräerevangelium die Geschichte eines Weibes an, das wegen vieler Sünden vor dem Herrn angeklagt worden war. Auch dies mußten wir außer dem Erwähnten noch bemerken.411 [[@Page:155]]

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