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Krankheitsüberträger (Zecken) durch den Klimawandel gefördert. Dies kann zu einer
Zunahme des gesundheitlichen Infektionsrisikos führen.
Auch die Ausbreitung nicht heimischer Pflanzenarten (Neophyten) wird durch den
Klimawandel gefördert. Bei den Neophyten kann es sich, wie im Fall der Beifuß-
Ambrosie, um Pflanzen handeln, die für den Menschen ein hohes allergenes Poten-
zial besitzen.
Die Zunahme der Häufigkeit von Hitzebelastungen der Bevölkerung macht Maßnah-
men zur Reduktion der gesundheitlichen Beeinträchtigungen dringend notwendig. Zu
den bereits kurzfristig umgesetzten, wirksamen Maßnahmen zählt die Einrichtung
eines gesundheitsbezogenen Hitzewarnsystems, das mit Interventionsmaßnahmen
im Gesundheitswesen gekoppelt ist. Seit dem Sommer 2005 gibt der Deutsche Wet-
terdienst entsprechende Hitzewarnungen routinemäßig auf Landkreisebene für ganz
Deutschland heraus. In Baden-Württemberg sind über 1200 Pflegeeinrichtungen di-
rekt an dieses System angeschlossen.
Die Erarbeitung von Anpassungsmaßnahmen zu tierischen Krankheitsträgern und
-überträgern sowie für Allergien auslösende Neophyten steht noch am Anfang. In
dem seit 2006 laufenden Forschungsprogramm „Herausforderung Klimawandel“
werden solche Fragestellungen mit den Zielen einer Risikoabschätzung und einer
Erarbeitung von Anpassungs- und Risikominderungsmaßnahmen untersucht.
Abb. 1 Vulnerabilität
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Wasserwirtschaft, Schifffahrt und Energieversorgung
Der Klimawandel wirkt sich bereits heute auf den Wasserhaushalt aus. Einerseits
wird erkennbar, dass sich die Hochwassergefahr verschärft, andererseits haben auch
Hitze- und Trockenperioden deutlich zugenommen, die zu Niedrigwasser in den Ge-
wässern führen können. Daraus ergeben sich – neben ökologischen Beeinträchti-
gungen von Fauna und Flora – auch ökonomische Beeinträchtigungen. So können
Niedrigwasserphasen und/oder hohe Gewässertemperaturen in den Sommermona-
ten zu Nutzungseinschränkungen bei der Energieerzeugung, z. B. durch Kühlungs-
probleme bei thermischen Kraftwerken führen. Hoch- und Niedrigwasserphasen stel-
len zudem eine Beeinträchtigung für die Schifffahrt dar.
Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass es notwendig ist, Instrumentarien für Min-
derungs- und Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln, um den zu erwartenden Aus-
wirkungen der Klimaveränderung begegnen zu können.
Land- und Fortwirtschaft
Für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft kommt es neben positiven Auswirkun-
gen durch die Klimaveränderungen auch zu negativen Folgen.
Der Klimawandel wird die Anbauwürdigkeit der derzeit angebauten landwirtschaftli-
chen Nutzpflanzen verändern, bietet aber auch Chancen für neue Kulturarten. Bei-
spielsweise werden bei uns heimische Rebsorten weiter nach Norden wandern, wäh-
rend sich von Süden her hochwertige Rebsorten bei uns ansiedeln können. Neben
einer Begünstigung des Maisanbaus können bei verschiedenen Kulturen allerdings
klimabedingte Ertragseinbußen durch Trockenstress während der Vegetationsperio-
de auftreten. Aufgrund der Klimaveränderungen muss von einem höheren Druck in-
vasiver Schaderreger ausgegangen werden. Darüber hinaus führen heiße Sommer
mit lang anhaltenden Hitzeperioden auch bei landwirtschaftlichen Nutztieren zu Hit-
zestress. Ihre Leistung nimmt ab und ihre Gesundheit wird beeinträchtigt.
Insgesamt muss sich die Landwirtschaft auf Änderungen des Sorten- und Anbau-
spektrums, der Fruchtfolge, der Bodenbearbeitung, Düngung, Wasserversorgung
und des Pflanzenschutzes einstellen und neue Anbaustrategien zur Anpassung an
den Klimawandel entwickeln. Beispiel: Frühe Obstblüte und noch fehlende Insekten
zur Bestäubung.
Die Forstwirtschaft steht angesichts der bereits feststellbaren und prognostizierten
Klimaveränderungen vor besonderen Herausforderungen. Dabei geht es einerseits
um die so genannte Nutzfunktion der Wälder, andererseits um ihre ökologische und
gesellschaftliche Funktion. Ebenso ist die Rolle der Wälder beim Schutz vor Erosio-
nen, bei der Reinhaltung des Wassers und der Luft sowie als Artenreservoir in der
bisherigen Form gefährdet.
Durch die höheren Niederschläge, verbunden mit einer Wintererwärmung, wird die
Bewirtschaftung der Waldflächen unter dem Gesichtspunkt des Bodenschutzes er-
heblich schwieriger, da die Perioden mit ausreichender Tragfähigkeit (Frost oder tro-
ckene Böden) abnehmen.
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Die Baumartenzusammensetzung in Stuttgarts Wäldern muss mittelfristig den vo-
raussichtlich geänderten Gegebenheiten Rechnung tragen (stärkere Durchmischung
mit voraussichtlich klimatoleranten Baumarten, Erhöhung der Stabilität bei Stürmen
durch Erhaltung und Förderung des Strukturreichtums).
Naturschutz und biologische Vielfalt
Aufgrund des Klimawandels sind bereits heute Veränderungen der Verbreitungsarea-
le von Tier- und Pflanzenarten sowie Veränderungen im Verhalten der Tierarten
(z. B. Zugverhalten) festzustellen. Klimaveränderungen stellen eine Bedrohung vor
allem für Lebensräume und Arten dar, die an kältere und feuchtere Bedingungen an-
gepasst sind.
Schätzungen des Bundesamtes für Naturschutz gehen davon aus, dass durch Kli-
maveränderungen in den nächsten Jahrzehnten ca. 30 % der Arten deutschlandweit
aussterben könnten. Umgekehrt können sich Verbreitungsareale von Wärme lieben-
den Arten nach Baden-Württemberg hinein ausdehnen, darunter auch gebietsfremde
Arten. Die Ausbreitung einiger Zuwanderer wird nicht ohne Folgen für die Lebens-
räume und –gemeinschaften der heimischen Arten infolge der neuen Konkurrenz-
situation sowie für die Gesundheit von Mensch und Tier bleiben.
Tourismus
Der Tourismus ist im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen stärker von witte-
rungsbedingten Einflüssen betroffen. In Baden-Württemberg könnte der Sommertou-
rismus vom Klimawandel profitieren. Es ist mit einer Zunahme der Anzahl der „poten-
ziellen Badetage“ zu rechnen. Auch der Wander- und Radfahrtourismus kann mit
mehr geeigneten Tagen rechnen, ebenso die Außengastronomie.
2.
Maßnahmen
Nachfolgend sind die Maßnahmen des Klimawandel-Anpassungskonzeptes Stuttgart
aufgelistet. Sie sind entsprechend der Deutschen Anpassungsstrategie nach The-
men bzw. Handlungsoptionen (Menschliche Gesundheit, Bauwesen, Wasserwirt-
schaft, Boden, Biologische Vielfalt, Landwirtschaft, Wald- und Forstwirtschaft, Ver-
kehr, Tourismus und dem Querschnittsthema Planung) geordnet. Grundsätzlich, vor
allem aber bei Maßnahmen, bei denen ein zusätzlicher Energiebedarf entstehen
kann (z.B. durch Kühlung), ist eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse erforderlich
bzw. muss auf Energieeffizienz und Einsatz erneuerbarer Energie geachtet werden.
Vorzuziehen sind in jedem Fall passive Kühlverfahren.
Tabelle 1 listet die Maßnahmen als Übersicht auf.