Nazizeit und Kriegsende (1933-1945)



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Die Affäre Lichtenbäumer


Um sich eine besssere Vorstellung vom Wirken Pastor Lichtenbäumers machen zu können, soll hier zuerst die Vorgeschichte dargestellt sowie einige biografische Daten angegeben werden55. Paul Lichtenbäumer wurde am 4.11.1901 in Hamm / Westfalen geboren und machte 1923 in Vechta sein Abitur. Er trat in dem Orden der Dominikaner ein, bekam den Ordensnamen Reinald und studierte an einer Schule dieses Ordens in Düsseldorf vom April 1924 bis Juli 1927. Vermutlich nach einem Aufenthalt in Paris setzte er sein Studium in Düsseldorf von Oktober 1927 bis August 1930 fort. Am 10. August 1930 wurde er in Mönchengladbach zum Priester geweiht. Vom 1. April 1931 bis 1932 war er in Schwagstorf-Kellinghausen Kaplan, seit dem 1. Oktober 1932 Vikar und Schulrat in Fürstenau. Im Jahr 1932 verließ er den Dominikanerorden. Vom 9.3.1937 bis 1939 kam er als Vikar nach Gesmold. Seit dem 15.1.1939 versah er seinen Dienst als Pastor in Dohren. Nach dem Krieg erfolgte zum 1. Oktober 1948 seine Ernennung zum Pastor der Kirchengemeinde Hollage (bei Osnabrück). Nach eigenen Angaben wurde er am 10. Mai 1935 in Bonn zum Doktor der Theologie promoviert. Dazu gibt es eine undatierte Notiz des Osnabrücker Generalvikars Ellermann: „Lichtenbäumer hat keinen Dr. – Ab sofort nicht mehr verwenden.“
Welche politische Richtung Lichtenbäumer vertrat, geht schlaglichtartig aus einem Monatsbericht der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) von 1935 hervor56. „Dr. Lichtenbäumer in Fürstenau, der schon häufig Vorträge über religiöse Fragen gehalten hat, wollte Anfang des Monats Februar [19]35 in einem Saale in Fürstenau einen Vortrag über Rassenkunde im "Mythus des XX. Jahrhunderts" halten. Im Einvernehmen mit der Kreisleitung der NSDAP und nach Zustimmung der Staatspolizeistelle ist dieser Vortrag mit Rücksicht auf die angeordnete Beschränkung der kirchenpolitischen Veranstaltungen vom Landrat nicht zugelassen. Das Verbot ist in dem nationalsozialistisch eingestellten Teile der Bevölkerung in Fürstenau begrüßt worden. In Fürstenau ist auch in letzter Zeit ein katholischer Jungmädelbund ins Leben gerufen worden und zwar als Unterabteilung des kath. Frauenbundes. Die Mitgliederzahl soll z. Zt. 17 betragen. Infolge dieser Neugründung sind einige kath. Mädchen aus dem BDM ausgetreten.

Es erregt macherorts Unwillen, daß verschiedene kath. Kirchen an den nationalen Gedenk- und Feiertagen noch immer nicht in den Reichsfarben flaggen.“

Lichtenbäumer wollte sich in seinem Vortrag anscheinend gegen die Rassengesetze der Nazis wenden. Mit der Gründung einer Gruppe des katholischen Jungmädelbundes und der Flaggenverweigerung wird er von den Nazis bestimmt in Zusammenhang gebracht worden sein, obwohl es in dem Gestapo-Bericht nicht ausdrücklich so berichtet wird. Daß Lichtenbäumer aufgrund der dargestellten Vorkommnisse den Nazis ein Dorn im Auge gewesen ist, ist wohl mehr als nur wahrscheinlich.
In Dohren kursiert noch heute das Gerücht, daß Lichtenbäumer vom Bischof mit seiner Versetzung nach Dohren aus der Schußlinie der Nazis gezogen werden sollte. Wenn dem so sein sollte, dürfte man ihn in einem so kleinen, abgelegenen Moordorf, wie es Dohren zu der Zeit gewesen ist, in Sicherheit geglaubt haben. Als Indiz für die angeführte These wird genannt, daß Lichtenbäumer noch als relativ junger Mann im Alter von 37 Jahren nach Dohren kam, während bis dahin überwiegend ältere Geistliche nach hier entsandt wurden.
Doch nun zu der Affäre selbst57 58. Zu Kriegsende waren einige Soldaten schon wieder nach Hause zurückgekehrt. Sie hielten sich in ihren Elternhäusern versteckt, ließen sich zumindest nicht in der Öffentlichkeit sehen59. Denn für die deutschen Behörden waren diese jungen Männer Deserteure, für die alliierten Truppen feindliche Soldaten. Nachdem die Front über Dohren hinweggelaufen war, ohne daß hier wesentliche kriegerische Auseinandersetzungen stattgefunden hätten, war die Situation für diese Früh - Heimkehrer recht unsicher.

Am 16. April 1945 verfaßte der von den Besatzungstruppen eingesetzte Oberkreisdirektor Ermert ein Schreiben an die Bürgermeister des Kreises Meppen, in dem es heißt60: „Versprengte deutsche Soldaten in Uniform sowohl als auch solche in Zivil, die noch nicht von der Wehrmacht entlassen sind, haben sich unverzüglich bei der Militärverwaltung in Meppen (Kreishaus) zu [melden].“

Ob dieses Schreiben im Originalwortlaut in Dohren bekanntgemacht worden ist, ist zumindest fraglich. Jedenfalls erscheint am Montag, dem 16.04.1945, ein englischsprechender Offizier mit fünf Mann im Dorf, der mit Pastor Lichtenbäumer ein längeres Gespräch führt. Entweder bei diesem Gespräch oder kurz darauf teilt der Offizier Lichtenbäumer mit, er möge den Einwohnern Dohrens verkünden, daß sich die im Dorf befindlichen Soldaten bis zum folgenden Mittag in Uniform bei der Militärkommandantur in Herzlake melden sollten.

Anderen Angaben zufolge sprachen Eltern dieser heimgekehrten Soldaten Pastor Lichtenbäumer an und fragten ihn um Rat, wie der Aufenthalt ihrer Kinder hier legalisiert werden könnte. Als einer der ganz wenigen, wenn nicht der einzige, der in Dohren ein wenig englisch sprach, habe sich Lichtenbäumer an den englischen Offizier gewandt und einen Hinweis erbeten, was in dieser Sache geschehen solle. Lichtenbäumer erhielt daraufhin die oben erwähnte Antwort und übersetzte sie den umstehenden Personen ins Deutsche. Am nächten Morgen, am Dienstag, dem 17. April 1945, gab Lichtenbäumer nach der Frühmesse in der Kirche noch einmal bekannt, daß sich die verprengten Soldaten in Herzlake melden sollten.

Die Mitteilung der Alliierten kam bei den Heimkehrern anscheinend so an, daß sie nach Herzlake kommen sollten, um ihre Entlassungspapiere entgegenzunehmen. Ob dies nur eine Interpretation des Stellungsbefehls der Engländer durch Lichtenbäumer war und er diese Aussage so verkündet hat oder ob die Dohrener seine Aussage nur so verstanden haben, blieb fraglich, ist für die Beurteilung des weiteren aber ziemlich wichtig. Die Interpretation, daß die Dohrener sich ihre Entlassungspapiere abholen sollten, war deswegen naheliegend, weil ja schon in dem Schreiben des Landrats stand, daß sich die Soldaten, die „noch nicht von der Wehrmacht entlassen sind“, zu melden hätten. Von dieser Aussage bis zu der Meinung, man solle sich die Entlassungspapiere abholen, ist es nur ein kleiner Schritt.

Jedenfalls machten sich noch am gleichen Tag (17.4.1945) die betroffenen jungen Dohrener guten Mutes und nichts Böses ahnend auf den Weg nach Herzlake, um sich dort zu melden und ihre Entlassungspapiere entgegenzunehmen. Einige der jungen Männer fuhren mit einem „Landauer“, einem großzügigen Pferdewagen, nach Herzlake, hatten angeblich eine Flasche Schnaps dabei und waren anscheinend bester Stimmung. Zum Teil trugen sie auch – wie angeordnet – ihre Wehrmachts-Uniform, wie z.B. Johannes Brokjans. Dieser hatte die Uniform schon vergraben, aber extra zu diesem Zweck wieder ausgegraben. Daß Josef Kerkhoff seine SS-Uniform angelegt hatte, wurde von einigen allerdings mit einer speziellen (zum Kopf führenden) Handbewegung bedacht. Die Ernüchterung bei der Ankunft auf der Kommandantur muß groß gewesen sein. Denn sie wurden nach einer eingehenden Durchsuchung bis auf einen von den Besatzungstruppen festgenommen und umgehend als Kriegsgefangene abtransportiert. Und was dem Ganzen die Krone aufsetzte: Der einzige, der wieder nach Hause geschickt wurde, war ausgerechnet der in schwarzer Uniform erschienene SS-Mann Josef Kerkhoff, Mitglied der SS-Totenkopf-Verbände und der Leibstandarte Adolf Hitler!61

Schon um seine Ankunft in Herzlake rankt sich eine Legende. Er soll mit seinem Fahrrad in voller Fahrt auf die Hasebrücke zugefahren sein, die von drei englischen Soldaten mit Maschinenpistole im Anschlag bewacht worden sein soll. Der erste Soldat sei vollständig überrascht mit offenem Mund zu Seite getreten und habe Kerkhoff auf die Brücke fahren lassen. Der zweite Soldat, der in der Mitte der Brücke stand, soll vor Schreck ins Wasser gespungen sein. Und erst der dritte habe ihn aufgehalten.

Eine etwas weniger abenteuerliche, dafür aber realistischer klingende Version als die oben aufgeführte beschreibt Bernhard Starmann62, der selbst bei dieser Aktion zum Kriegsgefangenen wurde: „Als wir am anderen Ufer waren, gerieten unsere Bewacher auf einmal in Panik. In der Zuckerstraße war Josef Kerkhof aufgetaucht in voller SS-Uniform. Er hatte sich verspätet und hatte seinen Bruder mit, um auch die Papiere zu bekommen. Unsere Bewacher ließen uns stehen und stürmten zur anderen Seite. Alle 4 Briten brachten ihn mit Maschinenpistolen im Anschlag über die Brücke."

Kerkhoff soll den Engländern dann so viel „wirres Zeug“ erzählt haben, daß er „nicht für voll genommen“ wurde. Über Josef Kerkhoff gibt es noch heute unterschiedliche Ansichten: Die einen glauben, daß er bei den Engländern eine ausgezeichnete schauspielerische Leistung abgeliefert hat, andere meinen, daß er tatsächlich „nicht ganz dicht“ gewesen ist. Eine dritte Gruppe meint, beide vorgenannten Meinungen seien richtig. Sicher ist, daß Josef Kerkhoff nach dem Verhör durch die Engländer wieder freigelassen wurde und nach Hause zurückkehrte. Pastor Lichtenbäumer erwartete ihn dann schon in der Nähe des Hauses Kerkhoff. Er hatte die Engländer vorgewarnt ...

Bernhard Starmann berichtet weiter: „Dort wurden wir mit ihm gemeinsam zur Kommandantur gebracht. Josef Kerkhoff wurde dem Kommandanten vorgestellt und die übrigen bei Moormann in die Garage gebracht. Dort wurden wir gefilzt und auf Waffen untersucht. Alle Wertsachen und scharfen Gegenstände wurden uns abgenommen. Kerkhoff konnte durch seinen Bruder und seine Papiere dem Kommandanten glaubhaft machen, daß er schon von der deutschen Wehrmacht wegen einer Neurose beurlaubt war. Sein Bruder mußte eine Erklärung unterschreiben, daß er für ihn verantwortlich sei und er konnte wieder nach Hause fahren.“

Über den weiteren Verlauf schreibt Starmann: „Die übrigen neun, Alois Schulte, Hermann Hemmen, Albert Rüther, Hermann Rüther, Otto Dieker, Johannes Brokjans, Bernhard Starmann, Hugo Stalinski und Hans Weyers wurden eine Stunde später mit einem LKW nach Bentheim gebracht. Hugo Stalinski und H. Weyers kamen aus Köln“. Sie waren Flüchtlinge und zusammen mit ihren Familien in Dohren untergebracht worden. Die Dohrener Kriegsgefangenen wurden laut Starmann zum überwiegenden Teil in ein Lager in der Nähe von Brüssel gebracht. Anderen Angaben zufolge befand sich das Krieggefangenenlager in der Nähe von Antwerpen (Entfernung Brüssel – Antwerpen ca. 25 km). Die ersten wurde wohl schon Ende Juni 1945 wieder entlassen, die meisten blieben etwa 3 Monate in Gefangenschaft. Als letzter kam Bernhard Starmann am 2. November 1945 frei.
Die überraschende Gefangennahme der jungen Dohrener führte im Dorf natürlich zu großem Aufsehen. Noch in derselben Woche bildete sich zumindest in Teilen der Dohrener Bevökerung die Meinung, Pastor Lichtenbäumer trage Schuld für die Verschleppung der Soldaten. Spätenstens am Samstag nach dem Abtransport, es war der 21.4.1945, erfuhr auch Lichtenbäumer von dem gegen ihn gerichteten Vorwurf. An diesem Tage begegnete der Vater von Pastor Lichtenbäumer, Carl Lichtenbäumer, in der Gaststätte Frericks dem Bauern Georg Schulte, dessen Sohn auch zu den Gefangenen gehörte. Wie Carl Lichtenbäumer selbst schreibt, „fauchte“ Schulte ihn an, „der Pastor sei schuld, daß die Jungens gefangen seien“. Lichtenbäumer teilt diesen Vorfall umgehend seinem Sohn mit.

Am drauffolgenden Tag, Sonntag, dem 22. April 1945, ging Lichtenbäumer in der Kirche nach der Frühmesse auf die Geschehnisse ein63. Ihm sei zu Ohren gekommen, daß Gemeindemitglieder meinten, er habe die Kriegsgefangenen an die Besatzungstruppen verraten. Georg Schulte befand sich bei dieser Messe auf dem Orgelboden und rief daraufhin laut in die Kirche hinein: „Stimmt!“ Es entstand ein lautes Wortgefecht zwischen Georg Schulte, Josef Rüther, dessen Sohn Albert ebenfalls zu den Gefangenen gehörte, und anderen auf der einen Seite und Pastor Lichtenbäumer auf der anderen. Lichtenbäumer beteuerte, daß er nur im Auftrage die Frage wegen der Urlauber gestellt und die Verfügung nur im Auftrage bekannt gemacht habe. Paul Lichtenbäumer schreibt weiter: „Ohne denselben [seinen Sohn, den Pastor] ausreden zu lassen, fingen verschiedene Angehörige der betroffenen Urlauber in der Kirche ein wüstes Geschrei und Toben an, wie solches in einer katholischen Kirche noch nicht gehört worden ist. Die Leute haben sich wie die schlimmsten Bolschewisten betragen, so daß dies für alle Zeiten eine Schande für Dohren ist.“ Im Verlauf dieser Auseinandersetzung kam der Groß Dohrener Bürgermeister Josef Rüther vom Orgelboden herunter, stellte sich in den Mittelgang und drohte dem Pfarrer mit der Faust. Lichtenbäumer brach die "Aussprache" ab und die Gemeindemitglieder verließen äußerst erregt die Kirche.

Noch am selben Sonntagabend kommt Georg Schulte auf Veranlassung von Lehrer Auf der Landwehr zum Pastor, vermutlich um der Auseinandersetzung die Spitze zu nehmen. Er stellt alles als ein „Mißverständnis“ hin. Da wohl kaum angenommen werden kann, daß Schulte seine Meinung innerhalb von ein paar Stunden vollständig geändert hat, ist zu vermuten, daß er den ersten Schritt auf den Pastor zu machen wollte, um den Konflikt zu entschärfen. Dieser Versuch wird jedoch von Seiten Lichtenbäumers wohl als Eingeständnis eines begangenen Unrechts seitens der „Aufwiegler“, wie er sie sieht, gründlich mißverstanden. Der Vater, Paul Lichtenbäumer, schreibt: „Es war ihm wohl schließlich die Erkenntnis gekommen, welche Folgen für die Aufwiegeler und das ganze Dorf eine Anzeige bei dem Englischen Commandanten in Haselünne [Herzlake?] nach sich gezogen hätte.“

Beide Seiten fühlen sich weiterhin völlig im Recht. Am folgenden Dienstag, dem 24. April 1945, treffen sich alle Beteiligten im Pastorat. Vater Lichtenbäumer schreibt und wohl auch sein Sohn glaubt, daß die Dohrener kommen, um „Abbitte zu leisten“. Seinen Worten zufolge wäre damit „die Angelegenheit seitens des Herrn Pastors erledigt gewesen“. Daß es für den Pastor angesichts der Tatsache, daß er an der Gefangenschaft ihrer Kinder ja nicht unbeteiligt war, ratsam gewesen wäre, seinerseits auf die Dohrener zuzugehen, ist ihm anscheinend nicht in den Sinn gekommen. Daher kommt es an diesem Abend auch zu keiner Verständigung, sondern nur zu neuem Streit. Paul Lichtenbäumer schreibt: „An diesem Abend aber war von Abbitte keine Spur. Es war gerade, als wenn die Leute ohne Verstand gewesen seien. Am lautesten waren wieder der Bürgermeister Rüther und eine Kölnerin, eine Frau Stalinski [, deren Mann auch in Gefangenschaft geraten war]. Als der Herr Pastor ihnen erklärte, daß auf eine solche Sabotage mindestens zehn Jahre Zuchthaus ständen, erwiderte man ihm: Er als kath. Priester dürfe nicht andere Leute durch Anzeige unglücklich machen.“


Der Vorfall hatte sowohl ein religiöses als auch ein kirchenpolitisches Nachspiel. Zuerst das religiöse: Lichtenbäumer sah die Kirche durch die lautstarke Auseinandersetzung und die Drohung mit Gewalt entweiht. Vielleicht noch mehr empfand er den Vorfall als eine persönliche Beleidigung. Daraus zog er Konsequenzen. Sein Vater schreibt: „Da niemand von den Schändern des Gotteshauses bei der Radauszene am 3. Sonntag nach Ostern sich entschuldigt hatte, hielt der Pastor am folgenden Sonntag eine ernste Predigt an die Gemeinde. Zum Schluß forderte er die Gläubigen auf, dem Heiland im Tabernakel Sühne zu leisten für die ihm, dem Gotteshaus und dem Priester [man beachte der Reihenfolge und die doppelte Nennung seiner Person !] angetane Schändung. Von nun an soll für alle Zeiten, jedes Jahr am 3. Sonntag nach Ostern eine Sühne-Prozession gehalten werden, in welcher der Priester das Kreuz trägt.“ Diese Prozessionen um die Kirche herum fanden tatsächlich einige Male statt. Nach der Versetzung des Pastors im Jahre 1948 wurde die Prozession dem Vernehmen nach nicht weiter durchgeführt.
Und nun das kirchenpolitische Nachspiel: Carl Lichtenbäumer schreibt dazu in der Krichenchronik: „Anfang Mai [1945?] hat der Herr Pastor dem hochw. Herrn Bischof Bericht erstattet über die traurigen Vorgänge in der Dohrener Kirche. Auf seinen Antrag wurden die Herren Schulte und Rüther ihres Amtes als Kirchenvorsteher [= Kirchenvorstandsmitglieder] enthoben.“ Doch ganz so, wie Vater Lichtenbäumer es dargestellt, scheint es nicht gewesen zu sein. Richtig ist wohl, daß Pastor Lichtenbäumer Georg Schulte und Josef Rüther aus dem Kirchenvorstand entließ. Über diesen Vorgang entstand ein Schriftwechsel zwischen dem bischöflichen Stuhl in Osnabrück64 und Lichtenbäumer, in dessen Verlauf er von Osnabrück aufgefordert wurde, die von ihm eigenmächtig vorgenommene Entlassung rückgängig zu machen. Dies stellte Lichtenbäumer gegenüber Osnabrück als „nicht möglich“ dar. Wie aufgewühlt die Gefühle über eine längere Zeit gewesen sein müssen, geht aus einer Bemerkung in einem Schreiben des Generalvikars an Lichtenbäumer vom 2.2.1948 hervor: „Es ist dem unterzeichneten GV [Generalvikar] trotz mehr als 40jähriger Tätigkeit [...] noch niemals vorgekommen, daß ein nachgeordneter Geistlicher solche Töne gegenüber seiner vorgesetzten Kirchenbehörde angeschlagen hat.“
Das Klima zwischen dem Pastor und und großen Teilen der Gemeinde dürfte vergiftet gewesen und geblieben sein. Für Lichtenbäumer scheint sich die Situation in den drei Jahren nach 1945 nicht wesentlich gebessert zu haben. Jedenfalls notiert Bischof Berning am 10. August 1948: „Pastor Lichtenbäumer in Dohren bat mündlich in Bokeloh am 8.8.[1948], wie er schon früher schriftlich vorgetragen hatte, ihn zum Herbst nach einer südlichen Diözese zu beurlauben, da er in einem günstigen Klima sein Halsleiden auskurieren könne.“ Welche Art von „Klima“ in Dohren ungünstig für Lichtenbäumer war, können wir uns wohl denken. Und schon am 19. August 1948 schreibt der Bischof an Lichtenbäumer: „Da Sie mich mit Rücksicht auf Ihren Gesundheitszustand mehrmals gebeten haben, in eine südliche Diözese für einige Zeit beurlaubt zu werden, will ich Ihnen jetzt gestatten, eine Stelle im Süden, die Ihnen in Aussicht gestellt ist, zum 1. Oktober zu übernehmen. Ich habe als Ihren Nachfolger von Dohren Herrn Vikar Holzem in Bokeloh in Aussicht genommen.“

Für Lichtenbäumer kommt es dann aber doch anders, als er es geplant hatte. Er wird zwar zum 1.10.1948 versetzt, aber nicht in eine „südliche Diözese“, sondern nach Hollage bei Osnabrück. Dort entfaltete er ein Wirken mit großem sozialem Engagement. In einer Festschrift der Gemeinde Hollage heißt es65: „Pastor Paul Lichtenbäumer, seit 1948 in Hollage, ist es zu verdanken, daß erste Schritte zur Beseitigung der großen Wohnungsnot in Hollage unternommen wurden. [...] Nach anfänglichen Schwierigkeiten, von Grund und Boden wollten die Bauern sich nicht trennen, gelang es dann doch [...] eine Ödlandfläche von etwa 6 ha zum Preis von 0,30 DM je Quadratmeter im Hollager Ortsteil Junge Heide zu erwerben. Der Siedlungsplan umfaßte 52 Siedlungshäuser, die jeweils auf Grundstücken von 2.000 qm errichtet werden sollten. [...] Die Siedlung konnte nur errichtet werden, da die Siedler in Gemeinschaftsarbeit ihre Häuser erbauten und in Pastor Lichtenbäumer einen nie ermüdenden Förderer des sozialen Wohnungsbaus fanden. [...] Der Name von Pastor Lichtenbäumer verbindet sich neben dem Bau des Schwesternhauses [...] auch mit der Hollager Laienspielschar.

Am 15.1.1958 verließ er Hollage und lebt heute (1998) hochbetagt als Pensionär in Iserlohn.


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