Nazizeit und Kriegsende (1933-1945)


Flüchtlinge in der Nachkriegszeit



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Flüchtlinge in der Nachkriegszeit


Während vor dem Ende des Krieges hauptsächlich Ausgebombte und Evakuierte aus den westdeutschen Großstädten und bald darauf Ostvertriebene nach Dohren kamen, waren es nach dem Ende des Krieges auch weiterhin Vertriebene aus dem Osten und zusätzlich sogenannte B-Soldaten, die nach hier - man kann sagen - verschlagen wurden. Diese deutschen Militärangehörigen hatten ihre Heimat in der nun polnisch oder sowjetisch besetzten Zone und konnten oder wollten nicht nach dort entlassen werden. Im Gegensatz zu den A-Soldaten, die ihre Heimat in Westdeutschand hatten, sahen sich die alliierten Truppen gehalten, für diese Personen nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft neue Aufenthatsorte und nach Möglichkeit auch neue Arbeitsplätze zu finden. Da die allermeisten bisher in Deutschland festgehaltenen Kriegsgefangenen unmittelbar nach ihrer Befreiung versuchten, wieder in ihre alte Heimat zu gelangen und viele deutsche Soldaten nicht oder nicht sofort aus dem Krieg heimkehrten, ergab sich ein ernsthafter Mangel an Arbeitskräften in der hiesigen Landwirtschaft. Als eine der ersten Gruppen von deutschen Militärs in alliierter Kriegsgefangenschaft wurden daher die B-Soldaten, die vor dem Krieg in der Landwirtschaft gearbeitet hatten, aus der Gefangenschaft entlassen, wenn sie eine Arbeitsstelle in der westdeutschen Landwirtschaft annehmen wollten. Und das wollten fast alle von ihnen, schon um aus den Internierungslagern herauszukommen.

Die Zuweisung von Vertriebenen und B-Soldaten organisierten die alliierten Militärdienststellen in Zusammenarbeit mit den eilig eingesetzten Landräten, Oberkreisdirektoren und Bürgermeistern. Für den Kreis Meppen war dies als Landrat Hermann Plate und als Oberkreisdirektor Friedrich Ermert66. Für Groß und Klein Dohren wurde Bernhard Tappel als Bürgermeister eingesetzt67. Ein Mitspracherecht hatten die deutschen Behörden in der ersten Zeit nach dem Kriege nicht. Sie hatten ausschließlich die Anweisungen der alliierten Militäradministration zu vollziehen. Die Kreisbehörden verteilten die zugewiesene Anzahl von Personen auf die Dörfer und Städte und sorgte für ihren Weitertransport nach dorthin. Die Bürgermeister hatten die Menschen in der Gemeinde aufzunehmen und auf die einzelnen Haushalte zu verteilen.

Die für Dohren vorgesehenen "displaced persons", wie die Engländer sie nannten, kamen normalerweise mit dem Zug in Meppen an und wurden dort umgehend mit der Meppen-Haselünner-Eisenbahn nach Herzlake weitergeleitet. Dort warteten meistens bereits die Bürgermeister (oder die von ihnen Beautragten) aus der Umgebung und nahmen "ihre" Flüchtlinge - wie sie verallgemeinernd genannt wurden - in Empfang. In der Regel wurden sie mit Pferd und Wagen dann zum Hof Tappel gebracht und von da aus in ihre neuen Unterkünfte eingewiesen68.

Da die Gemeinschaftsunterkünfte der Kriegsgefangenen bei Ostermann und Frericks frei geworden waren, brachte man die Vertriebenen bevorzugt dort wie auch im ehemaligen Reichsarbeitsdienst-Lager an der Moorstraße und in der Schule unter69. Für die B-Soldaten war die zukünftige Arbeitsstelle oft schon im Vorfeld festgelegt worden oder wurde kurzfristig ermittelt. Sie begaben sich dann umgehend an ihren zukünftigen Arbeitsplatz. Bei dem entsprechenden Bauern erhielten sie in der Regel auch Verpflegung und Unterkunft70.

Nachdem die bestehenden Gruppenunterkünfte mit Vertriebenen belegt waren - und das waren sie sehr schnell - mußten neue Privatquartiere gefunden werden. Das war unmittelbar nach dem Krieg um so schwieriger, als die Flüchtlinge, die vor Kriegsende hier angekommen waren, ja schon in solchen Häusern untergekommen waren. Gelegentlich mußte mit der Anwendung polizeilicher Gewalt gedroht werden, um die Zuweisung durchzusetzen. In dieser Zeit wurden nahezu jede Scheue, jeder Hühnerstall und jedes Backhäuschen, soweit irgend möglich, mit Flüchtlingen belegt71.

Ich möchte an dieser Stelle zwei Einzelschicksale von Personen darstellen, die damals nach Dohren kamen. Es handelt sich dabei um Herrn Günter Natusch und um Frau Politz. Herr Natusch steht für die Gruppe der B-Soldaten, Frau Politz ist eine Vertriebene aus dem deutschen Osten.


Herr Natusch geriet bei Kriegsende in englische Kriegsgefangenschaft und befand sich im Juni 1945 im einem Lager in der Nähe von Eutin (Schleswig-Holstein). Dort wurden die Gefangenen in zeitlicher Abfolge je nach Beruf entlassen, nach Angaben von Günter Natusch zuerst die Eisenbahner und dann die Landwirte, zu denen er gehörte. Bei der Eingangsbefragung hatten viele Kriegsgefangene einen anderen Beruf als ihren tatsächlichen landwirtschaftlichen angegeben. Ein Bauer galt zu dieser Zeit nicht viel. Als aber die Landwirte zur Entlassung anstanden, war der Andrang natürlich groß.

Von Eutin aus kam er nach Georgsmarienhütte bei Osnabrück. Dort wurde er gefragt, wohin er gehen wolle. Da er die ungünstigen Verhältnisse auf den großen landwirtschaftlichen Gütern im Osten kannte, bat er, nicht dahin zu kommen, wo große Bauern ansässig sind. Man beschied ihm, daß in diesem Falle idealerweise das Emsland in Frage komme. So kam Günter Natusch zunächst nach Meppen und dann mit der Eisenbahn nach Herzlake. Dort warteten schon die Bürgermeister der umliegenden Orte auf die ehemaligen Soldaten. Jeder der Bürgermeister hatte offensichtlich eine bestimmte Zahl von Männern als Arbeitskräfte für die Bauern in seiner Gemeinde zugeteilt bekommen. Der Bürgermeister von Neuernlande, dem Günter Natusch zugeteilt wurde, übernahm eine Gruppe von etwa 10 Männern. Herr Natusch kam zum Bauern Book in Neuenlande. Ein halbes Jahr später wechselte er zum Bauern Wilbers, wo er bis zum März 1948 blieb. Danach ging er zu Schnelker in Felsen. Zu dieser Zeit lernte er Elisabeth Loddeke aus Groß Dohren kennen und heiratete sie 1949. Zuerst wohnten sie auf ihrem elterlichen Hof. Auf einem Grundstück, das teilweise zu diesem Hof gehörte, bauten sie von 1950 bis 1952 ihr Haus am Mühlenweg 4, in dem sie bis heute leben72.


Ein bitteres Flüchtlingsschicksal hat Frau Elfriede Politz, geb. Janke, erlebt. Bei Kriegsende wohnte sie auf Gut Heidebrick in Schlennin, Kreis Belgard in Pommern (Hinterpommern, Regierungsbezirk Köslin). Nach dem Ende des Krieges lebte sie noch zwei Jahre unter polnischer Besatzung. Zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Säugling Monika trat sie in einem Treck mit Pferd und Wagen zusammen mit vielen – wenn nicht allen – verbliebenen deutschen Einwohnern die Fahrt in die Kreisstadt Belgard an. Von da aus ging es mit der Eisenbahn weiter. Ihre Mutter ist unterwegs in einem Lager in Göttnitz im heutigen Landkreis Bitterfeld gestorben. Weiter ging es nach Lübeck. Hier lernte sie den Vater ihres zweiten Kindes, Helga, kennen. Elfriede, genannt Frieda, Janke kam dann im Frühjahr oder Sommer 1947 mit ihrem Säugling, Monika, auf dem Bahnhof in Herzlake an. Die Reise war anscheinend von den Behörden organisiert. Jedenfalls wurde sie in Herzlake erwartet. Auf dem Bahnhof wurde durchgesagt (per Lautsprecher?), daß sie sich nach Dohren zu begeben habe. Vermutlich hatte Frieda Janke selbst darauf hingewirkt, nach Dohren zu kommen, da ihr Vater schon seit vier [?] Jahren bei Hegger / Holtgers wohnte. Sie wurde auf dem Dachboden auf dem Hof Ostermann (heute Renze) einquartiert. Da wohnte sie zusammen mit den Familien Zappes und Werlein. Der Vater ihres Kindes Helga kam 1947 zu Hamsterfahrten nach Dohren. Am 6.6.1948 wurde ihre Tochter Helga geboren. Frieda Janke hatte es zu dieser Zeit in Dohren sehr schwer. Sie war Flüchtling, lebte von der Fürsorge (heute Sozialhilfe genannt), hatte als ledige Mutter zuerst ein, dann zwei Kinder und war evangelisch. Überheblichkeit ist hier in unseren Zeiten der sexuellen Liberalität und der allgemeinen Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln nicht angebracht. Frau Janke brachte sich und ihre Kinder auch mit dem Stricken von Kinderkleidung und Strümpfen durch. Vermutlich 1949 lernte Frieda Janke ihren späteren Mann Gerhard Politz kennen, den sie 1950 heiratete. Er war als B-Soldat nach Felsen gekommen und arbeitete dort beim Bauern Uhlen. Die Hochzeitsfeier fand zuerst auf dem Hof Ostermann und dann, nachdem es Frau Ostermann zu viel geworden war, in der Wohnung der Flüchtlingsfamilie Hering an der Herzlaker Straße 10 statt. Die junge Familie wohnte dann auch in diesem (später unter anderen Vorzeichen bekannt gewordene) Haus. Wenige Jahre später erwarb Gerhard Politz vom Bauern Hemmen ein Grundstück am Ziegeleiweg. Dort errichtete er in Eigenarbeit nach und nach ein Haus. Gerhard und Frieda Politz bekamen zwei Kinder, Karl-Heinz und Joachim. In dem damals erbauten Haus lebt die Witwe Politz bis heute und verbringt dort ihren Lebensabend73.
Schon vor dem Ende des Krieges wurde der Strom der Bombenopfer aus Westdeutschland abgelöst von den Flüchtlingen aus dem deutschen Osten. Während die westdeutschen Flüchtlinge schon bald nach Kriegsende nicht zuletzt wegen der fehlenden Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft wieder die Rückkehr antraten, saßen die Ostflüchtlinge hier erst einmal fest, da sie nicht wieder in ihre alte Heimat zurückkehren konnten.

Eine Ausnahme bildet dabei der wahrscheinlich aus Köln stammende Peter Blum, der sich zusammen mit seiner Frau Rosa vermutlich seit Ende 1944 bis September 1948 in Dohren aufhielt74. Er wohnte beim Bürgermeister Bernhard Tappel und machte für ihn die Büroarbeit, die im Rahmen seiner Amtgeschäfte anfiel. Es gibt heute noch Dohrener, die sagen, daß man sich damals bei Angelegenheiten, die die Schriftform erforderten, gut an Herrn Blum wenden konnte, da er die Sachen zuverlässig und einwandfrei abwickelte. Auch nach dem Krieg soll Herr Blum in seinem Sommerurlaub noch oft in Dohren gewesen sein. Bürgermeister Tappel soll dann jeweils schon Wochen vorher die anstehenden Büroarbeiten für Herrn Blum „aufgehoben“ haben. Und dieser arbeitete sie dann in seinem Urlaub ab75.


Die Entwicklung der Bevölkerungszahl in Dohren von der Zeit vor bis nach dem Zweiten Weltkrieg darzustellen ist wegen der vielen Sonderfaktoren etwas knifflig. Bei der Volkszählung am 17.5.1939 wurden für Dohren 812 Personen ermittelt. Durch Vergleich mit anderen Daten geht hervor, daß davon etwa 600 Menschen zur eingesessenen Dohrener Bevölkerung gehörten und etwa 200 von außerhalb gekommen gekommen und im Arbeitsdienstlager beschäftigt waren. Schon bald nach Beginn des Krieges am 1.9.1939 verlassen die Angehörigen des Arbeitsdienstes das Lager und auch die 143 Kriegsteilnehmer aus Dohren müssen ihrer Heimat den Rücken kehren. Doch noch im gleich Jahr kommen Kriegsgefangene nach Dohren. Ihre Anzahl dürfte zwischen 1939 und 1942 von 50 auf etwa 150 angewachsen und dann bis zum Kriegsende in etwa stabil geblieben sein. Damit konnte durch die Kriegsgefangenen der Bevölkerungsverlust durch die einheimischen Kriegsteilnehmer in etwa ausgeglichen werden. Ich vermute, daß darüber hinaus die einheimische Bevölkerung in der Kriegszeit um knapp 50 Personen angewachsen ist. Die Anzahl der eingesessenen Dohrener dürfte daher gegem Kriegsende bei etwa 500 gelegen haben. Seit dem Herbst 1944 steigt die Bevölkerungszahl in Dohren durch die zuwandernden Flüchtlinge steil an. Am 21.3.1945 werden bereits 194 aus dieser Gruppe gezählt. Am Kriegsende kann die Bevölkerungszahl damit auf etwa 850 Personen geschätzt werden.

Bis Ende 1945 kehren etwa 100 Dohrener Kriegsteilnehmer wieder zurück, die Kriegsgefangenen verlassen zum großen Teil das Dorf, und die Anzahl der Flüchtlinge steigt noch einmal um gut 100 Personen an, so daß in Dohren zu dieser Zeit gut 900 Personen leben. Diese Zahl ist durch eine "Namentliche Aufstellung aller Einwohner der Gemeinden Groß und Klein Dohren" belegt. Ein Drittel aller Einwohner in Dohren sind Ende 1945 Flüchtlinge. Bis Ende 1946 (1.11.1946) ist die Anzahl der Flüchtlinge schon wieder um etwa 100 zuückgegangen, so daß sich die 829 Personen starke Bevölkerung Dohrens aus 617 Einheimischen und immer noch 212 Flüchtlingen zusammensetzt76.




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