Von Hinterpommern nach irgendwo …



Yüklə 2,25 Kb.
Pdf görüntüsü
səhifə18/34
tarix04.02.2018
ölçüsü2,25 Kb.
#23510
1   ...   14   15   16   17   18   19   20   21   ...   34

89 
des Hauses selbst zubereiten konnten. Nicht nur in 
einem Falle kam es auch zu folgenreichen Liebesbe-
ziehungen mit deutschen Frauen. Eine Frau erhielt 
dafür Zuchthaus, der beschuldigte Gefangene wurde 
in ein Strafbattallion gesteckt. 
Die kriegsgefangenen Franzosen gingen mit den 
Klein Nossinern im März 1945 auf die Flucht vor den 
anrückenden sowjetischen Truppen. Da sie meinem 
Vater und den Einwohnern des Dorfes freundschaft-
lich verbunden waren, habe ich mich seit 1999 bei 
deutschen und französischen Dienststellen jahrelang 
bemüht, etwas über ihr Schicksal unmittelbar nach 
Ende des Krieges zu erfahren und gegebenenfalls 
noch einige Anschriften für Gesprächskontakte zum 
Austausch von Erinnerungen zu finden. Leider 
verliefen alle Bemühungen bisher erfolglos, weil zu 
den noch zu ermittelnden Vornamen und/oder 
Nachnamen für eine vorgeblich mehr Erfolg verspre-
chende Suche die Geburtsdaten fehlten bzw. die 
kontaktierten Stellen die Suche eher zu unterlassen 
als zu fördern schienen.  
Wenn Tante Grete und Onkel Paul aus dem nahen 
Klein Gansen oder Verwandte aus Stolp bei uns zu 
Besuch waren, kam es oft zu recht lebhaften politi-
schen Gesprächen. Anlässlich der Diamantenen 
Hochzeit meiner Großeltern beeindruckte mich 1942 
besonders die – damals von mir inhaltlich nicht 
verstandene – Auseinandersetzung meines Vaters 
Wie 
politisch 
dachte 
Vater?  


90 
und meines Onkels Paul Hermann aus Klein Gansen 
um dessen unverkennbare Sympathien für die 
NSDAP. Erinnerungen anderer Klein Nossiner und 
meiner älteren Geschwister zum politischen Leben 
meines Vaters und im Dorf sind in „Klein Nossin. 
Flucht und Vertreibung ...“ verzeichnet.  
Von Beginn an habe ich mit meinem Großvater die 
Kriegsereignisse durch Lesen der Grenzland-Zeitung 
intensiv verfolgt. Meine Eltern hatten das Blatt 
zusammen mit der benachbarten, aber nicht ver-
wandten Familie Paul Kebschull I abonniert. Einge-
prägt hat sich mir, dass Großvater – er war am 27. 
Februar 1859 in Kathkow im Kreis Bütow geboren – 
im hohen Alter noch ohne Brille lesen konnte. Des-
halb lebte ich bis 1974 in der trügerischen Gewiss-
heit, auch bis ins hohe Alter keine Brille zu benöti-
gen.  
1940 kauften meine Eltern ein Radio, ein Blau-
punktgerät mit schwarzem Bakelitgehäuse. Es wur-
de auf einer schwarz gestrichenen Konsole in Au-
genhöhe an der Wand im Wohnschlafzimmer links 
neben der Tür zum Zimmer meiner Eltern ange-
bracht. Großvater und ich hörten ständig die Nach-
richten, auch die deutschsprachigen der BBC. Oft 
standen wir dann auch am Radio.  
Die vielen Erfolgsmeldungen über die anfängli-
chen Siege der Wehrmacht in den verschiedenen 
Feldzügen imponierten offensichtlich auch meinem 
Unser 
erstes 
Radio 
Zeitung 
lesen 


91 
Vater als Teilnehmer des Ersten Weltkrieges. Waren 
Meldungen von besonderem Interesse – auch was 
die BBC später über die Verluste der Deutschen 
meldete –, bin ich als Berichterstatter mit dem Fahr-
rad zu meinem Vater auf die Felder gefahren.  
Wie alle anderen Jungen meines Alters wurde ich 
mit zehn Jahren Mitglied des Jungvolks, Pimpf in 
der Hitlerjugend, allerdings gegen den Widerstand 
meiner Eltern. Ob der politisch begründet war oder 
ob sie die Kosten für die Uniformen scheuten, kann 
ich nicht sagen. 
Mir imponierte an der Uniform der Pimpfe einfach 
alles. In meinem ersten Lesebuch, der Pommernfibel, 
entdeckte ich mehr als sechzig Jahre später, wie wir 
Kinder im zweiten Schuljahr 1937 durch die Texte 
und die in den Geschichten der Fibel abgebildeten 
Uniformen der Pimpfe aus braunem Hemd, mit 
schwarzem Halstuch und braunem Lederknoten, 
verschiedenen Emblemen, Schulterriemen, mit dazu 
passenden Hosen und Schuhen planmäßig und 
systematisch durch die nationalsozialistische Ideolo-
gie infiltriert und vereinnahmt wurden. Besonders 
konkret hat sich in meinem Gedächtnis die kleine 
Geschichte vom Fuhrmann und dem zugehörigen 
Rollwagen mit Kisten, Kästen, Körben und mit den 
Fässern Sauerkohl eingenistet. Ich hatte nur überse-
hen, dass der damit belieferte Kaufmann mit Heil 
Hitler! begrüßt wurde.  
Pimpf 
und 
Uniform 


92 
Leseseite aus der Pommernfibel von 1935, mit der ich  
Lesen und Schreiben lernte
 


93 
Eine zusätzliche rotweiße Schnur an der Uniform 
machte mich schließlich zum Führer der Dorfpimp-
fe. Wie es dazu kam, habe ich nie gewusst und 
erfragt. Wir machten Geländespiele und äfften alles 
nach, was mit uns bei gelegentlichen überörtlichen 
Fähnleintreffen in Groß Nossin und anderswo ver-
anstaltet wurde.  
In dieser Zeit lauschte ich allen Rundfunkreden 
von Adolf Hitler, Joseph Goebbels und anderen NS-
Größen und verfiel der Faszination des Führers wie 
auch der von Goebbels durch seine Rede im Sport-
palast vom 18. Februar 1943 mit der Ausrufung des 
totalen Krieges. Die in Peenemünde aufsteigenden 
und zeitweise bei uns nachts bei wolkenlosem Him-
mel auch sichtbaren V2-Raketen, die Gerüchte um 
neue Wunderwaffen ließen mich trotz vieler bis 1944 
schon verlorener Schlachten dennoch an den End-
sieg glauben.  
Meine geographischen Neigungen erstreckten sich 
auch auf das Kriegsgeschehen im Fernen Osten, die 
Länder und die davon betroffenen Menschen. Ich 
hätte zu dieser Zeit ein Dorfradio betreiben können. 
Dem Schulrat imponierte ich eines Tages damit, dass 
ich ihm auf seine Fragen zur Besetzung der Philippi-
nen durch die Japaner erklären konnte, dass die 
Filipinos die Bewohner der Philippinen sind. Wie ich 
später aus dem Bericht meines damaligen Lehrers 
Otto Häcker erfuhr, ist der Schulrat mit dieser Frage 
Zeitge-
schicht-
liches 
Politische 
Indoktri-
nation 


Yüklə 2,25 Kb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   14   15   16   17   18   19   20   21   ...   34




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə