Von Hinterpommern nach irgendwo …


part, denn ich konnte frühmorgens in



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Budow erspart, denn ich konnte frühmorgens in 
einem Pferdeschlitten des Bauern Ernst Kebschull 
mitfahren, den ein französischer Kriegsgefangener 
lenkte.  
Auf dem Bahnhof in Stolp wurden aber an diesem 
28. Februar schon keine Personenzüge mehr in 
Richtung Köslin abgefertigt. Während ich da auf 
dem Bahnsteig ratlos und in gedrückter Stimmung 
umherstand, blickte ich plötzlich in der Luke eines 
Güterwagens in einige kahlköpfige Gesichter, die 
unbeweglich auf meine HJ-Uniform zu starren 
schienen. Ich konnte diese Situation damals nicht 
einordnen, aber in Fotos über Konzentrationslager 
erkenne ich seither immer wieder die Gesichter aus 
dem Güterzug in Stolp. Was haben diese Häftlinge 
bei meinem Anblick empfunden und gedacht? Sie 
sahen mich nur stumm an. 54 Jahre später konnte ich 
in Erfahrung bringen, dass vor Kriegsende in Stolp 
noch eine Außenstelle des Konzentrationslagers 
Stutthoff errichtet worden war. Vielleicht hatte ich 
also in Gesichter der noch eilig evakuierten Insassen 
dieses Lagers geblickt? Sind sie von Stolp aus wieder 
in Richtung Danzig gefahren worden, und unter 
welchen Bedingungen haben sie dann den Zug 
verlassen können?  
Am Nachmittag fuhr schließlich noch ein Güterzug 
in Richtung Köslin, der allerlei militärische Ausrüs-
tung transportierte. Ich richtete mich bei einsetzen-


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dem Schneegestöber darauf unter dem Schutz eines 
Flugzeugflügels ein. Ab und an rauchte ich eine der 
Zigaretten, die mir Tante Herta – eine Schwester 
meines Vaters – beim Abschied in Klein Nossin 
zugesteckt hatte. Ständig hielt der Zug. Sonst befand 
sich kein Mensch auf dem Zug. Ich fühlte mich sehr 
verlassen. Nachdem der Zug schon stundenlang auf 
der nur ca. 70 Kilometer langen Strecke unterwegs 
war, wurde er in Altwiek vor Köslin wieder nach 
Schlawe zurückbeordert.  
Hier setzte ich mich in Bahnhofsnähe zum Über-
nachten in einen Hausflur und wurde dann von 
einer Frau in ihre Wohnung gebeten, in der ich mich 
aufwärmen, waschen und auf dem geblümten Sofa 
schlafen konnte.  
Vom Fenster meiner Herberge hatte ich eine Sicht 
auf den Bahnhof. Am nächsten Morgen hat sich 
diese gütige Frau am Bahnhof noch für mich nach 
einer Verbindung nach Köslin erkundigt und sagte 
mir danach, dass kein Zug mehr nach Köslin führe, 
aber am Bahnhof ein Rote-Kreuz-Wagen stände, der 
noch nach Köslin gelangen wolle. Zu diesem Wagen 
bin ich dann gerannt und erfuhr, dass in der Nacht 
russische Panzer nach Köslin vorgedrungen seien, 
sie aber dennoch versuchen wollten, Köslin zu 
erreichen. Es gelang dann auch ohne Schwierigkei-
ten.  
 
Übernach-
tung in 
Schlawe 


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So wie meine Eltern in Klein Nossin, zeigten sich 
hier meine LBA-Kameraden nun von meinem Ein-
treffen gegen 10 Uhr überrascht, denn auch sie 
hatten das Marschgepäck für die Flucht schon parat. 
In Angst und Bedrängnis vor der herannahenden 
Front haben wir noch eine Nacht in Uniform und bei 
ständiger Wachablösung im Gebäude zugebracht, 
bevor wir am 2. März 1945 in aller Herrgottsfrühe in 
voller HJ-Montur in Richtung Kolberg aufbrachen. 
Eine geographische Vorstellung vom Beginn und 
Ziel unseres Fluchtweges hatte ich. Über eine Karte 
mit dem Verzeichnis der Dörfer, durch die wir 
liefen, verfügte wohl nur die Schulführung. 
Der Abmarsch wurde urplötzlich zur jahrelangen 
Trennung von der Familie und zum ebenso schmerz-
lichen Verlust jeglicher Kontakte zu den Gefährten 
meiner dörflichen Kindheit.  
Wieder  
in Köslin 
am  
1. März 
1945 


109 
Wir schleppten im sorgfältig gepackten Tornister 
alle unsere Uniformen mit und waren mit Brotbeutel 
und Feldflasche behangen. Ich trug außerdem meine 
Geige samt Kasten am ersten Fluchttage so um die 
20 Kilometer bis Kordeshagen. Am 3. März liefen 
wir mit unserem Gepäck von mehr als 20 Kilo weiter 
über Strachmin, Rützow und Ganzkow ganze 17 
Kilometer bis Degow, wenige Kilometer vor Kol-
berg, das unser erstes Marschziel war. Von hier aus, 
so hofften unsere Lehrer, könnten wir mit Schiffen 
weiter nach Westen gelangen, denn die LBA Pase-
walk war das vorgegebene Ziel unserer Flucht. 
 
Die Flucht als ein Weg  
von Hinterpommern nach irgendwo  
Weg und 
Marsch-
gepäck 


110 
Während wir in Degow am frühen Vormittag auf 
dem Hof einer Gaststätte (?) versuchten, für uns 
einen Eintopf zu kochen – seit zwei Tagen waren wir 
völlig ungewohnt ohne warmes Essen –, dafür 
Möhren putzten, Kartoffeln schälten und gerade 
Suppenhühner organisieren wollten, drängten plötz-
lich Wehrmachtsverbände zum eiligen Aufbruch. 
Wir rannten davon. Als die Situation kritisch zu 
werden schien, warf ich meinen schweren Tornister 
auf einen Flüchtlingswagen. Ich hörte noch, wie eine 
Frau sagte „Was sollen wir denn damit?“, konnte 
aber nicht mehr antworten, um weiter zusammen 
mit einigen Kameraden an der Seite unseres Musik-
lehrers Schulz  – einem Hauptmann und Teilnehmer 
des Ersten Weltkrieges – eilig davonzulaufen. 
In der einen Hand hielt ich noch meinen Geigen-
kasten, in der anderen einen Brotbeutel. Dies ge-
schah kurz vor Kolberg an einer T-Kreuzung mit 
einem Wegweiser nach Degow und Kolberg an der 
Reichsstraße 124, wo wir mit schon durchnässten 
Füßen über einen abschüssigen Acker auf eine große 
Scheune zurannten und unter den Beschuss von 
Stalinorgeln mit ihrem furchteinflößenden Lärm 
gerieten. Mitten zwischen einer in Auflösung begrif-
fenen Kavallerieeinheit – der angeblichen Wlassow-
Armee – zwischen umherliegenden Panzerfäusten, 
Munition und anderem Kriegsgerät, in Sichtweite 
von umgestürzten oder vom Militär an den Straßen-
Die Ereig-
nisse nahe 
Degow am  
4. März 
1945 


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