Von Seelenrätseln


Ein wichtiges Merkmal der Geistwahrnehmung



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4. Ein wichtiges Merkmal der Geistwahrnehmung

Die Wahrnehmungen, welche die Seele im Bereiche der geistigen Wirklichkeit macht, leben in dieser nicht in der gleichen Art fort wie die Vorstellungen, die an sinnlichen Wahrnehmungen gewonnen werden. Obgleich im Sinne des ersten Kapitels dieser « Skizzenhaften Erweiterungen des Inhaltes dieser Schrift» ein Vergleich dieser Wahrnehmungen mit den Erinnerungsvorstellungen möglich ist, so verhalten sich die ersteren in der Seele doch nicht wie die letzteren. Was als geistige Wahrnehmung erlebt wird, kann nämlich in dieser seiner unmittelbaren Gestalt nicht wie eine Erinnerungsvorstellung in der Seele behalten werden. Soll man dieselbe geistige Wahrnehmung erneut wieder haben, so muß sie auch erneut in der Seele wieder hergestellt werden. Das heißt, es muß die Beziehung der Seele zu der entsprechenden geistigen Wirklichkeit wieder gesucht werden. Und diese Wieder-Erneuerung läßt sich nicht mit einem Erinnern an einen Sinneseindruck vergleichen, sondern nur mit dem Vor-Augen-Führen desselben sinnenfälligen Objektes, das man bei einem früheren Eindruck gehabt hat. Was von der realen geistigen Wahrnehmung unmittelbar in der Erinnerung behalten werden kann, ist nicht diese selbst, sondern die Verrichtung der Seele, durch die man zu der entsprechenden Wahrnehmung gelangt. Strebe ich danach, eine geistige Wahrnehmung, die ich vor einiger Zeit gehabt habe, wieder zu haben, so sollte ich nicht nach der Erinnerung dieser Wahrnehmung suchen, sondern nach der Erinnerung, die mir die Vorbereitungen meiner Seele zurückruft, welche mich zu der Wahrnehmung geführt haben. Die Wahrnehmung stellt sich dann durch einen von mir unabhängigen Vorgang ein. Es ist wichtig, vollbewußt sich zu sein dieser Zweiheit des Vorganges, weil man nur dadurch eine richtige Erkenntnis von dem erlangt, was wirklich geistig objektiv ist. - In der Praxis ist aber das Wesen dieser Zweiheit dadurch modifiziert, daß der Inhalt des geistigen Wahrnehmens aus dem schauenden Bewußtsein in das gewöhnliche Bewußtsein übertragen werden kann. Dann wird er in dem letztern zu einer abstrakten Vorstellung. Und diese kann in der gewöhnlichen Art erinnert werden. - Man kann aber gerade dadurch für ein richtiges bewußtes Verhältnis der Seele zur geistigen Welt viel gewinnen, daß man sich sorgfältig übt für die Erkenntnis der innerhalb des Seelenlebens mit einer gewissen Feinheit auftretenden Unterschiede: 1. Seelenvorgänge, welche zu einer geistigen Wahrnehmung führen; 2. geistige Wahrnehmungen selbst; 3. in Begriffe des gewöhnlichen Bewußtseins umgesetzte geistige Wahrnehmungen.

 

5. Über die wirkliche Grundlage der intentionalen Beziehung

(Zu Seile 88, Anmerkung zu Zeile 20 von oben)



Mit der in der vorliegenden Schrift (3. Kapitel über Franz Brentano) charakterisierten «intentionalen Beziehung» tritt in Brentanos Psychologie ein Seelisches nur als Tatbestand des gewöhnlichen Bewußtseins auf, ohne daß dieser Tatbestand [144] weiter in das seelische Erleben erklärend eingegliedert wird. Ich möchte mir nun hier gestatten, über diesen Tatbestand einiges skizzenhaft vorzubringen, das bei mir in durchgearbeiteten Anschauungen nach den verschiedensten Richtungen hin begründet ist. Diese Anschauungen verlangen allerdings, daß sie auch noch in ausführlicherer Gestalt - mit allen Begründungen - gegeben werden. Doch haben mir die Verhältnisse bisher nur möglich gemacht, manches Einschlägige in mündlichen Vorträgen vorzubringen. Was ich hier anführen kann, sind Ergebnisse in kurzer skizzenhafter Darstellung. Und ich bitte den Leser, sie vorläufig als solche aufzunehmen. Es handelt sich nicht um «Einfälle», sondern um etwas, dessen Begründung mit den wissenschaftlichen Mitteln der Gegenwart von mir in jahrelanger Arbeit versucht worden ist.

Bei demjenigen Seelen-Erleben, das von Franz Brentano als Urteilen bezeichnet wird, kommt zu dem bloßen Vorstellen, das in einem inneren Bildgestalten besteht, ein Anerkennen oder Verwerfen der Vorstellungsbilder hinzu. Es entsteht für den Seelenforscher die Frage: was ist im seelischen Erleben dasjenige, wodurch nicht bloß das Vorstellungsbild: «grüner Baum», sondern das Urteil: «es ist ein grüner Baum» zustande kommt? Innerhalb des engeren Kreises des Vorstellungslebens, den man im gewöhnlichen Bewußtsein umschreibt, kann dieses «Etwas» nicht liegen. Daß man es hier nicht finden kann, hat zu denjenigen erkenntnistheoretischen Gedanken geführt, welche ich im zweiten Bande meiner «Rätsel der Philosophie» in dem Abschnitte: «Die Welt als Illusion» dargestellt habe. Es handelt sich dabei um ein Erlebnis, das außerhalb dieses Kreises liegt. Es kommt darauf an, das «Wo» im Bereich der seelischen [145] Erlebnisse zu finden. - Steht der Mensch in wahrnehmender Tätigkeit einem Sinnesobjekt gegenüber, so kann dieses «Etwas» in alledem nicht gefunden werden, was der Mensch in dem Wahrnehmungsvorgange so empfängt, daß dieses Empfangen durch die physiologischen und psychologischen Vorstellungen erfaßt wird, welche sich auf das äußere Objekt einerseits und den unmittelbar in Betracht kommenden Sinn anderseits beziehen. Hat jemand die Seh-Wahrnehmung «grüner Baum», so kann der Tatbestand des Urteiles «es ist ein grüner Baum» nicht in der physiologisch oder psychologisch unmittelbar aufzeigbaren Beziehung zwischen «Baum» und «Auge» gefunden werden. Was in der Seele als solcher innerer Tatbestand des Urteilens erlebt wird, ist eben noch eine andere Beziehung zwischen dem «Menschen» und «dem Baum» als diejenige ist zwischen dem «Baum» und dem «Auge». Doch wird nur die letztere Beziehung in dem gewöhnlichen Bewußtsein mit voller Schärfe erlebt. Die andere Beziehung bleibt in einem dumpfen Unterbewußtsein und tritt nur in dem Ergebnis zutage, das in der Anerkennung des «grünen Baumes» als eines Seienden liegt. Man hat es bei jeder Wahrnehmung, die auf ein Urteil sich zuspitzt, mit einer Doppelbeziehung des Menschen zu der Objektivität zu tun. - Einsicht in diese Doppelbeziehung gewinnt man nur, wenn man die gegenwärtig vorhandene fragmentarische Sinnes-Lehre durch eine vollständige ersetzt. Wer alles in Betracht zieht, was zur Charakteristik eines menschlichen Sinnes in Betracht kommt, der findet, daß man noch anderes «Sinne» nennen muß als was man gewöhnlich so bezeichnet. Was das «Auge» zum «Sinn» macht, ist zum Beispiel auch dann vorhanden, wenn man den Tatbestand erlebt: «es wird ein anderes beobachtet», [146] oder «es wird ein menschlicher Gedanke eines anderen als solcher erkannt». Man macht gegenüber solchen Tatbeständen gewöhnlich den Fehler, daß man eine durchaus berechtigte und notwendige Unterscheidung nicht vollzieht. Man glaubt zum Beispiel, man käme damit aus, wenn man die Worte eines anderen hört, nur insoferne von «Sinn» zu sprechen, daß als solcher nur das «Gehör» in Frage kommt, und alles andere einer nicht-sinnlichen inneren Tätigkeit zuzuschreiben sei. So liegt aber die Sache nicht. Beim Hören menschlicher Worte und deren Verstehen als Gedanken kommt eine dreifache Tätigkeit in Betracht. Und jedes Glied dieser dreifachen Tätigkeit muß für sich betrachtet werden, wenn eine berechtigte wissenschaftliche Auffassung zustande kommen soll. Das «Hören» ist die eine Tätigkeit. Allein das «Hören» ist für sich ebenso wenig ein «Vernehmen von Worten» wie das «Tasten» ein «Sehen» ist. Und wie man sachgemäß unterscheiden muß zwischen dem Sinn des «Tastens» und demjenigen des «Sehens», so zwischen dem des «Hörens» und dem des «Vernehmens von Worten» und dem weiteren des «Erfassens von Gedanken». Es führt zu einer mangelhaften Psychologie und auch zu einer mangelhaften Erkenntnistheorie, wenn man das «Erfassen von Gedanken» nicht scharf von der Denktätigkeit absondert und den sinnesgemäßen Charakter des ersteren erkennt. Man begeht diesen Fehler nur deshalb, weil das Organ des «Vernehmens von Worten» und dasjenige des «Erfassens von Gedanken» nicht so äußerlich wahrnehmbar sind als das Ohr für das «Hören». In Wirklichkeit sind für die beiden Wahrnehmungstätigkeiten ebenso «Organe» vorhanden, wie für das «Hören» das Ohr. - Führt man durch, was Physiologie und Psychologie bei einer vollständigen [147] Betrachtung in dieser Beziehung ergeben, so gelangt man zur folgenden Anschauung über die menschliche Sinnes-Organisation. Man muß unterscheiden: den Sinn für die «Ich-Wahrnehmung» des andern Menschen; den Sinn für «Gedanken-Erfassung»; den Sinn für «Vernehmen von Worten»; den Gehörsinn; den Wärmesinn; den Sehsinn; den Geschmacksinn; den Geruchsinn; den Gleichgewichtssinn (das wahrnehmende Erleben des sich in einer gewissen Gleichgewichtslage-Befindens gegenüber der Außenwelt); den Bewegungssinn (das wahrnehmende Erleben der Ruhe und Bewegung der eigenen Glieder einerseits, oder des Ruhens oder sich Bewegens gegenüber der Außenwelt andrerseits); den Lebenssinn (das Erleben der Verfassung im Organismus; Gefühl von dem subjektiven Sich-Befinden); den Tastsinn. Alle diese «Sinne» tragen die Merkmale in sich, wegen deren man «Auge» und «Ohr» in Wahrheit «Sinne» nennt. - Wer die Berechtigung einer solchen Unterscheidung nicht anerkennt, der gerät mit seiner Erkenntnis gegenüber der Wirklichkeit in Unordnung. Er verfällt mit seinen Vorstellungen dem Schicksal, daß sie ihn kein wahrhaft Wirkliches erleben lassen. Wer zum Beispiel das «Auge» einen «Sinn» nennt und keinen «Sinn» annimmt für das «Vernehmen von Worten», für den bleibt auch die Vorstellung, die er sich vom «Auge» bildet, ein unwirkliches Gebilde. - Ich bin der Meinung, daß Fritz Mauthner in seiner geistreichen Art - in seinen sprachkritischen Werken - nur deshalb von «Zufallssinnen» spricht, weil er bloß eine fragmentarische Sinnes-Lehre im Auge hat. Wäre dies nicht der Fall, so würde er bemerken, wie der «Sinn» sich in die «Wirklichkeit» hineinstellt. - Nun liegt, wenn der Mensch einem Sinnes-Objekte gegenübersteht, [148] die Sache so, daß er niemals bloß durch einen Sinn einen Eindruck erhält, sondern außerdem immer noch durch wenigstens einen andern aus der Reihe der oben angeführten. Die Beziehung zu einem Sinne tritt mit besonderer Schärfe in das gewöhnliche Bewußtsein; die andere bleibt dumpfer. Es besteht aber zwischen den Sinnen der Unterschied, daß eine Anzahl der selben die Beziehung zur Außenwelt mehr als eine äußerliche erleben läßt; die andere mehr als etwas, was mit dem Eigen-Sein in engster Verknüpfung ist. Sinne, die mit dem Eigensein in engster Verknüpfung sich befinden, sind zum Beispiel der Gleichgewichtssinn, der Bewegungssinn, der Lebenssinn, ja auch der Tastsinn. In den Wahrnehmungen solcher Sinne gegenüber der Außenwelt wird stets das eigene Sein dumpf mitempfunden. Ja, man kann sagen, es tritt eine Dumpfheit des bewußten Wahrnehmens eben deshalb ein, weil die Beziehung nach außen von dem Erleben des Eigen-Seins übertönt wird. Ereignet sich zum Beispiel, daß ein Gegenstand gesehen wird, und zugleich der Gleichgewichtssinn einen Eindruck vermittelt, so wird scharf wahrgenommen das Gesehene. Dieses Gesehene führt zu der Vorstellung des Gegenstandes. Das Erlebnis durch den Gleichgewichtssinn bleibt als Wahrnehmung dumpf; jedoch es lebt auf in dem Urteile: «das Gesehene ist» oder «es ist das Gesehene». - Im Wirklichen stehen die Dinge nicht in abstrakten Unterschieden nebeneinander, sondern sie gehen mit ihren Merkmalen in einander über. So kommt es, daß in der vollständigen Reihe der «Sinne» solche sind, die weniger die Beziehung zur Außenwelt, sondern mehr das Erleben des Eigen-Seins vermitteln. Diese letzteren tauchen mehr in das innere seelische Leben ein als zum Beispiel Auge und Ohr; dadurch erscheint das Ergebnis [149] ihrer Wahrnehmungs-Vermittelung als inneres seelisches Erlebnis. Aber man sollte auch bei ihnen das eigentlich Seelische von dem Wahrnehmungselemente so unterscheiden, wie man zum Beispiel beim Gesehenen den äußeren Tatbestand von dem an ihm gemachten inneren Seelen-Erlebnisse unterscheidet. - Für denjenigen, der sich auf den anthroposophischen Gesichtspunkt stellt, darf kein Zurückschrecken bestehen vor solchen feinen Vorstellungs-Unterscheidungen, wie sie hier gemacht werden. Er muß das «Vernehmen der Worte» von dem Gehör einerseits, und dieses «Vernehmen der Worte» von dem durch die eigenen Gedanken vermittelten «Verstehen der Worte» so unterscheiden können, wie das gewöhnliche Bewußtsein unterscheidet zwischen einem Baum und einem Felsblock. Würde dies mehr berücksichtigt, so würde man erkennen, daß die Anthroposophie nicht nur die eine Seite hat, welche man gewöhnlich als eine mystische bezeichnet, sondern auch die andere, durch die sie nicht zu einer weniger wissenschaftlichen Forschung führt als die Naturwissenschaft, sondern zu einer mehr wissenschaftlichen, die eine feinere, methodischere Ausarbeitung des Vorstellenslebens nötig macht als selbst die gewöhnliche Philosophie. Ich glaube, daß Wilhelm Dilthey mit seinen philosophischen Forschungen auf dem Wege war zu derjenigen Sinnes-Lehre, die ich hier skizziert habe, daß er aber nicht zu einem Ziele kommen konnte, weil er nicht durchdrang bis zu einer völligen Ausarbeitung der in Frage kommenden Vorstellungen. Vergleiche auch, was ich darüber im zweiten Bande meiner «Rätsel der Philosophie» gesagt habe, 7. Auflage, Seiten 567-572.)
 

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