Adorno und die Kabbala (Pri ha-Pardes; 9)



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mündet die erste Frage in Überlegungen, die begrifflich und inhaltlich bereits 
auf  jene verweisen, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden.
157
3.1  Kritik der Symbolsprache: Intentionsloses, Natur, Mythos
Bodenloser Sturz im Stufenbau der Symbole. Adornos zweite Anmerkung 
gegenüber Scholem betrifft dessen Deutung der kabbalistischen Bilder und 
Prozesse als einer symbolischen Lektüre des Genesis-Anfangs. Die Inhalte des 
biblischen Schöpfungsberichtes würden im 
Sohar in einer überspitzten Weise 
wörtlich genommen und erhielten damit einen neuen Sinnzusammenhang:
„Sie werden zu Symbolen, in denen sich im Medium der Wirklichkeit von Anfang, 
Himmel und Erde, eine andere ankündigt. Die mystische Bibeldeutung des Sohar 
ist in diesem Sinn wesentlich symbolisch interessiert. Die Weltschöpfung, wie sie 
Genesis 1 erzählt, ist durchaus so, wie die Worte lehren, an der phänomenalen, an 
unserer Welt geschehen, aber diesem Vorgang wird hier kaum Interesse gewidmet. 
Er weist vielmehr auf  ein Inneres, auf  einen neuen verborgenen Zusammenhang 
der Worte, der auf  eine im Sohar nirgends näher bezeichnete Weise […] mit der 
anderen zusammenhängt.“
158
Und  zwar  solle  die  symbolisch  angedeutete  „geheime  Wirklichkeit“,  so 
Scholem weiter, wahrscheinlich eine innergöttliche Vorwegnahme und Grund-
legung der späteren Schöpfung darstellen. Scholem schließt in dieser Deutung 
des 
Sohar im weiteren Sinne an romantische Symboltheorien sowie Benjamins 
Analyse des Barock im 
Trauerspielbuch an: Im Symbol sind (im Gegensatz zur 
Allegorie)  Signifikant  und  Signifikat  dasselbe.  Hier  steht  eine  Sache  nicht 
für eine andere, ein bestimmter Gegenstand nicht für eine Idee, sondern ist 
diese bereits selbst, verkörpert sie.
159
 So führt die Schilderung des 
Sohar nach 
Scholems symbolischer Lesart in der Wortebene zugleich über diese hinaus 
und in die inneren Motive der Gottheit selbst hinein. Diese von ihm in späte-
ren Jahren weiter entfaltete „symbolische“ Interpretation
160
 ist für den Materi-
alisten inakzeptabel. An Scholem schreibt er:
157 
Vgl. Kapitel 4., 5.
158 
Scholem. 
Die Geheimnisse der Schöpfung. S. 23.
159 
Engel. 
Gershom Scholems „Kabbala und Mythos“.  S. 205–209,  untersucht  die  Beziehungen  zu 
Goethe, Kreutzer und Schelling, Schulte. 
„Die Buchstaben haben ihre Wurzeln oben“, diejenigen 
zu Molitor.
160 
Unter anderem in Scholem. 
Zur Kabbala und ihrer Symbolik. vgl. auch Idel. Alte Welten – Neue 
Bilder.  S. 135–215.  Scholems  Deutung  der  Kabbala  als  symbolisch  mit  ihren  Bezügen  zu 


 
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„Die Sprache, in die das Symbol übertragen wird, ist aber selbst wiederum eine 
bloße Symbolsprache […]. Die Frage, die ich an Sie richten möchte, ist nun die: ob 
es im Stufenbau der Symbole hier überhaupt einen Grund gibt oder ob er einen 
bodenlosen Sturz vorstellt. Bodenlos deshalb, weil in einer Welt, die nichts kennt 
als Geist und in der noch die Andersheit als bloße Selbstentäußerung des Geistes 
bestimmt wird, die Hierarchie der Intentionen kein Ende kennt.“ (BW 8, 10)
Adorno wittert also letztlich einen infiniten Regress: Wohin führen die kon-
kreten  Bedeutungen  („Intentionen“)  der  Symbole,  wenn  sie  stets  nur  auf  
weitere Bedeutungen verweisen, Signifikanten an Signifikanten reihen, ohne 
irgendwann auf  ein Signifikat bzw. ein Objekt zu stoßen? Der Aussagegehalt 
bliebe demnach tautologisch, wenn nicht auf  ein „Anderes“ verwiesen würde, 
das selbst nicht intentionaler Struktur wäre.
161
 Adorno fährt fort:
„Wenn  ich  aber  auf   Benjamins  altes  Theorem  vom  intentionslosen  Charakter 
der  Wahrheit  rekurrieren  darf,  die  nicht  eine  letzte  Intention  darstellt,  sondern 
der  Flucht  der  Intentionen  Einhalt  gebietet,  dann  drängt  sich  angesichts  des 
Sohartextes  wiederum  die  Frage  nach  dem  Verblendungszusammenhang  des 
Mythos auf. Ist nicht die Totalität des Symbolischen, wie sehr sie auch als Ausdruck 
des Ausdruckslosen erscheint, deshalb naturverfallen, weil sie das Ausdruckslose – 
fast möchte ich hier sagen, weil sie die Natur im eigentlichen Sinn nicht kennt?“ 
(a. a. O., 11) „Der Geist, der aus dem Schöpfungsakt die Welt vertreibt, ruft die 
Dämonen herauf, denen die Welt zur Grenze gesetzt ward.“ (a. a. O., 10)
Diese wenigen Bemerkungen führen bereits ins Zentrum von Adornos (und 
Walter Benjamins) Philosophie hinein, und zwar vor allem mit den Begrif-
fen des Intentionslosen, des Mythos und der Natur(-verfallenheit). Da diese 
Begriffe in der gesamten weiteren Arbeit eine Rolle spielen, verdienen sie eine 
nähere Diskussion, die auch das obige Zitat verständlich macht.
Deutung des Intentionslosen. In der methodischen Einleitung seines Buchs 
über den 
Ursprung des deutschen Trauerspiels hatte Benjamin geschrieben: „Wahr-
heit  tritt  nie  in  eine  Relation  und  insbesondere  in  keine  intentionale.  Der 
Gegenstand der Erkenntnis als ein in der Begriffsintention bestimmter ist nicht 
Goethe, Schelling, Kreutzer und Molitor wird ihm heute vielfach kritisch – als romantische 
Verzerrung seiner philologischen Leistung – nachgetragen. 
161 
Vgl. auch die prägnantere Formulierung der 
Negativen Dialektik: „Symbolisiert jedes Symbol 
nur ein anderes, abermals Begriffliches, so bleibt sein Kern leer und damit die Religion.“ 
(GS 6, 392).


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