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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
mit Stirnbändern, Krieg, aber auch sexualisierte
westliche Frauenbilder. „Serangga‚ bedeutet Insek-
ten, „Serang‚ Angriff und „Rangga‚ Label oder
Status. Die Künstlerin entwirft ein eindringliches
Bild der Projektionen, denen sie sich als muslimi-
sche Frau ausgesetzt sieht.
http://universes-in-
universe.org/eng/nafas/articles/2006/nafas_special/na
fas_exhibition/artists/nur_hanim_khairuddin
Steve Mumford
Am 9. April 2003, dem Tag, an dem die amerikani-
sche Armee Bagdad einnahm, reiste Steve Mumford
erstmals in den Irak ein. Er ist seither viele Male
dorthin gereist, neuerdings auch nach Afghanistan,
und hat zahllose, alltägliche Szenen in Zeichnungen
und Aquarellen festgehalten. Sie zeigen amerikani-
sche Soldaten und Kampfhandlungen, meist aber
das tägliche Leben, Markt-, Café- und Straßenszenen
sowie Porträts der Menschen, denen der Künstler
begegnet ist. Mumfords Tagebücher und bildlichen
Darstellungen sind online abrufbar und in Buchform
veröffentlicht. Zu den außergewöhnlichen Einträgen
gehört auch ein Bericht über den Besuch der Natio-
nalgalerie von Kabul, wo er auch fotografiert hat.
159
http://www.artnet.com/Magazine/features/baghdadjo
urnal.asp
http://www.artnet.com/magazineus/authors/mumfor
d.asp
Sean Snyder: Untitled, (Archive Iraq) (2003-2005)
Sean Snyder kompiliert Bilder von Kriegen aus In-
ternetseiten: Aufnahmen von Amateurfotografen,
die zeigen, wie beispielsweise Reporter oder Solda-
ten im Irak den Krieg sehen oder zeigen wollen.
160
Snyder vermeidet offene Darstellungen von Krieg
und Gewalt und reagiert damit wohl auf die Kritik
Susan Sontags.
161
Nicht die Darstellung der Realität
159
Steve Mumford: Bagdad Journal. Bilder aus dem besetzten Irak,
Hamburg 2006.
160
http://vanabbemuseum.nl/en/browse-
all/?tx_vabdisplay_pi1[ptype]=18&tx_vabdisplay_pi1[project]=64
&cHash=f54dad59e3.
161
Susan Sontag, Regarding the Pain of Others, Picador, New York
2003; vgl. Christy Lange: ‛Shooting Gallery. The limits of
photojournalism and the ethics of artistic representation‛, in:
im Kriegsgebiet steht im Fokus seiner Arbeiten,
sondern die Bildwelt, die um diese Realität zirku-
liert.
Weitere Künstler/-innen: Sean Snyder, The Real War
Adam Broomberg & Oliver Chanarin: The Day
Nobody Died
Als die Dokumentarfotografen Adam Broomberg
und Oliver Chanarin 2008 als eingebettete Fotore-
porter der britischen Armee nach Afghanistan reis-
ten, verweigerten sie sich der üblichen Routine, die
grausamen Kriegsereignisse auf Fotografien festzu-
halten. Stattdessen hatten sie einen 50 Meter langen
Streifen Fotopapier mitgebracht, den sie am ersten
Tag ihres Aufenthalts, an dem es in ihrer Umgebung
zu keinen Toten kam, direkt dem Sonnenlicht aus-
setzten. Sie filmten die Reise des Kartons, in dem
dieses Fotopapier vor Licht geschützt untergebracht
war, nach Afghanistan, wie ihn Soldaten durch
Kriegsgebiete und von einem Armeefahrzeug zum
anderen tragen und seine Reise zurück nach Eng-
land und stellten das Video und das entwickelte
Papier in der Londoner Barbican Gallery aus.
http://www.choppedliver.info/index.php?/the-day-
nobody-died
http://www.choppedliver.info/index.php?/barbican-
gallery-presentation/
Weitere Künstler/-innen: Broomberg / Chanarin
Rainer Ganahl
Während der Angriffe auf Afghanistan nach den
Anschlägen des 11. September 2001 begann Rainer
Ganahl, Fernsehbilder zum Kriegsgeschehen zu
fotografieren. Statt der Bilder selbst fielen ihm im-
mer mehr die mehrschichtigen Betitelungen der
Reportagen ins Auge: Ansagen wie „Next Target‚,
„Breaking News‚ oder „America Strikes Back‚.
Über Exil-Afghanen in New York, die gelegentlich
in die Region von Peshawar reisten, beauftragte er
Kunsthandwerker aus der Region, diese Schlagzei-
len als Stickarbeiten auch mit eigenen Kommentaren
Frieze magazine, 24.05.2010,
http://www.choppedliver.info/index.php?/shooting-gallery-text;
vgl.
http://www.digitalartlab.org.il/ExhibitionPage.asp?id=468&path=
level_1.
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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
zu versehen. Die Antworten, die zurückkamen, lau-
teten etwa: „G8 members should make their decisi-
ons wisely.‚ Er begann 2002, Arabisch zu lernen und
seine Bemühungen auf Video aufzuzeichnen sowie
Blätter mit Schreibübungen und gelegentlichen
Zeichnungen auszustellen. In Kugelschreiberzeich-
nungen verarbeitete er Schlüsselbegriffe des Irak-
kriegs wie „War on Terror‚, „Axis of Evil‚ oder
„Homeland Security‚. In der Videoserie „Homeland
Security‚ spricht er in elf Sprachen Sätze wie: „Ich
bin kein Terrorist‚ oder „Ich weiß nicht, wie man
Bomben baut‚. Einen neuen Dialog startete er 2003
mit Irakern im Exil. Die Schlagzeilen und die Ant-
worten in arabischer Sprache und Schrift brachte er
auf Keramikfliesen an, so etwa die Nachzeichnung
eines Plakats mit der Aufschrift: „Postwar Dangers
Military Response‚ und die Antwort (übersetzt):
„Welche Konflikte auch immer zwischen Nationen
herrschen, Kinder und Zivilisten sind unschuldig.
Aus diesem Grund sollten die UN Soldaten, die
Kinder oder Zivilisten töten, vor Gericht bringen.‚
http://www.ganahl.info
Hans Haacke: Die Fahne hoch (1991)
Ein Déja-vu-Effekt war sicher beabsichtigt, als Hans
Haacke 1991 am Münchner Königsplatz, einem der
zentralen Orte der Inszenierung nationalsozialisti-
scher Propaganda, schwarze Fahnen mit altdeut-
scher Schrift aufhängte. „Zum Appell‚ stand in der
Mitte über einem Totenkopf, und darunter: „Deut-
sche Industrie im Irak‚, während die zwei langen
Fahnen links und rechts die Namen deutscher In-
dustriebetriebe trugen, die mit dem Regime von
Saddam Hussein Geschäfte machten. Nach einer
einstweiligen Verfügung der Ruhrgas AG musste
die Installation abgehängt werden. Jahre später hatte
das jedoch ein gerichtliches Nachspiel. Denn die
Stadt München musste dem Künstler Entschädigung
für die verloren gegangenen Fahnen leisten, die in
einer neuen Version im Blickpunkt der großen Haa-
cke-Retrospektive 2007 in den Hamburger Deichtor-
hallen standen.
162
162
http://www.art-
magazin.de/szene/5323/hans_haacke_die_fahne_hoch;
bankleer: Black Hawk Around (2002)
In dem 14-minütigen Video ‚Black Hawk Around‛
untersucht das Künstlerduo bankleer die Rolle priva-
ter PR-Agenturen in der Aufbereitung von Kriegs-
bildern und -meldungen. Vorn läuft der Nachrich-
tenticker, während das Kamerateam auf dem Weg
durch den Flur neutraler Büroräume einen An-
sprechpartner sucht, der ihnen die Arbeitsweise der
Agentur erläutert. Grünliche Medienbilder damali-
ger Kriegsreportagen kontrastieren mit gesproche-
nen Beschreibungen von Kampfszenen aus dem
Hollywood-Kriegsfilm „Black Hawk Down‚ über
die Schlacht von Mogadischu 1993, von dem sich
der Titel der Arbeit herleitet.
http://bankleer.org/?p=75
AES: Islamic Project (seit 1996)
In ihrer 1996 begonnenen Serie ‚Islamic Project‛
visualisiert die Moskauer Künstler/-innengruppe
AES (Tatiana Arzamasova, Lev Evzovich, Vladimir
Fridkes) in Performances, Installationen und Bild-
montagen lustvoll die westlichen Ängste vor dem
Islam. Im Kölner Dom hängen wie in der Hagia
Sophia Rundschilde mit arabischer Schrift, das Gug-
genheim Museum Bilbao ist mit Minaretten ge-
spickt, die Freiheitsstatue mit einem Schleier ver-
hüllt, hält den Koran in der Hand. Osama bin Laden
mit Astronautenanzug pflanzt eine Koranfahne ganz
nach Art der amerikanischen Mondfahrer. Die Ar-
beit war eine direkte Reaktion auf die 1996 veröf-
fentlichten Thesen Samuel Huntingtons über einen
„Clash of Civilizations‚.
http://www.aes-group.org/ip3.asp
Jean-Christian Bourcart: Collateral (2005)
Der Fotograf und Videokünstler Jean-Christian
Bourcart projizierte 2005 in New York Bilder toter
und verletzter Iraker in großem Format an die Wän-
de von Eigenheimen, Kirchen und Supermärkten.
Die Bilder stammten aus dem Internet, oft von Sol-
daten. Bourcart ging es weniger um eine Anklage,
als vielmehr darum, Bilder der Kriegswirklichkeit in
die friedliche, ordentliche Umgebung des Landes zu
http://www.kunstmarkt.com/pagesmag/kunst/_id109732-
/ausstellungen_berichtdetail.html?_q.
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