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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
Bezalel University in Jerusalem gelehrt. Rabah ist
Mitbegründer der Al Ma’mal Foundation und der
ArtSchool Palestine in London. In seinem um 2005
initiierten Projekt The Museum of Natural History and
Humankind geht es, ähnlich wie bei den fiktiven
Archiven der Atlas Group von Walid Ra’ad aus dem
Libanon oder dem Museum of Contemporary African
Art von Meschac Gaba aus Benin, um einen Mangel
oder eine Abwesenheit. Das Nicht-Vorhandensein
entsprechender Museen, welche die Natur- und
Menschheitsgeschichte
Palästinas
präsentieren
könnten, erlaubt Rabah jedoch, einerseits die von
verschiedenen Typen von Museen verkörperten
Realitäts- und Geschichtskonstruktionen zu hinter-
fragen und andererseits die Nicht-Thematisierung
Palästinas sichtbar zu machen.
http://www.culturebase.net/artist.php?164
http://universes-in-
universe.org/deu/nafas/articles/2007/khalil_rabah
Riwaq Biennale / Palestine c/o Venice
Die 1991 gegründete Assoziation Riwaq – benannt
nach einem Architekturbegriff für eine in der islami-
schen Architektur anzutreffende offene Arkade –
beschäftigt sich mit dem Schutz des historischen
und baulichen Erbes Palästinas. Seit 2007 kon-
zentriert sich Riwaq auf fünfzig Dörfer, in denen die
Hälfte aller historischen Bauten – immerhin mehr als
50 000 – erhalten sind. Dies geschah im Rahmen der
zweiten Riwaq Biennale, deren Leiter, wie auch im
Falle der dritten 2009, Khalil Rabah war. Zugleich
zeigte Rabah in der Ausstellung „Palestine c/o Ve-
nice‚ im Rahmen der 53. Biennale von Venedig
Postkarten aller 50 Dörfer, die zum Besuch der Ri-
waq-Biennale einluden.
http://www.riwaq.org
http://universes-in-universe.org/deu/nafas/articles/
2009/palestine_venice_2009
http://www.artnet.de/magazine/die-53-biennale-von-
venedig-palestine-co-venice-die-vereinigten-
arabischen-emirate-und-adach-platform-for-venice/
Khaled Hourani
Khaled Hourani arbeitet als Künstler, Kritiker und
Kurator und leitet die International Academy of Art
Palestine in Ramallah. In seinen künstlerischen Ar-
beiten beschäftigt er sich mit der Produktion von
Raum. In „The Road to Gaza; Universal Rituals in a
Local Context‚ beschreibt er eine Reise von Ramal-
lah nach Gaza und zurück. Es fehlen die Wegweiser,
die Straße nach Gaza scheint ein Feldweg zu einem
Bauernhof zu sein. An der Grenze warten erniedri-
gende Prozeduren und der Gang durch einen dunk-
len Tunnel. Den in „Liminal Spaces‚ in englischer
Übersetzung abgedruckten Text hat Hourani 2006
im Israeli Center for Digital Art zu einer minimalisti-
schen Installation verarbeitet, in der er abwechselnd
zu einem schwarzen Videobild den arabischen Text
liest und hebräische Untertitel zeigt, während die
Stimme stumm bleibt.
„The Road to Jerusalem‚ bestand darin, im Rahmen
von "Jerusalem Capital of Arab Culture 2009" 45 x 60
cm große Keramiktafeln mit traditionellem Rah-
menornament anzufertigen, auf denen der Ortsna-
me Jerusalem in arabischer und lateinischer Schrift
geschrieben stand und darunter die jeweilige Ent-
fernung. Rund 80 Schilder wurden in vielen Orten
des Westjordanlandes angebracht, einige auch in
Norwegen oder Marokko. „Picasso in Palestine‚
besteht, wie der Name besagt, in dem Versuch, eine
Frauenbüste von Picasso aus dem Van Abbemuse-
um in Eindhoven in Ramallah auszustellen. Die
abnormen Schwierigkeiten, zum Beispiel eine muse-
ale Umgebung herzustellen oder eine Versiche-
rungssumme festzulegen, illustrieren die Situation,
in der sich das Land Palästina bzw. die Reste davon
befinden.
In einem Interview stellt Hourani eine direkte Ver-
bindung zwischen der Gründung der International
Academy und dem Nahostkonflikt her. Er spricht
davon, dass Palästinenser in Vorstellungen von
Helden und Opfern befangen seien: „But I think that
Palestinians are the people best positioned to under-
stand Israelis, and that we have to propose an intel-
ligent, incisive and truthful representation of the
way things are.‛ Diese Befangenheit teilen sie indes
mit den Israelis: ‚I also believe that the Israelis are,
in some sense, being held captive themselves: by
simplified binaries, by their government’s policies,
and by a system that feeds them representations of
Arabs which allows them to tolerate wars such as
Gaza.‛ Die Akademie versteht sich in diesem Sinne
als langfristig angelegtes Projekt, andere Erfahrun-
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Kunst im Konflikt: Strategien zeitgenössischer Kunst
gen zu sammeln und künstlerische Kontakte zu
schließen, um zu anderen Visionen zu gelangen.
136
http://www.digitalartlab.org.il/ArchiveVideo.asp?id=
198
http://www.jerusalem-km.ps
Khaled Jarrar: Journey 110
„For me art is stronger than using the force and us-
ing the power of the whole army‚, sagt Khaled Jar-
rar, ein Student an der International Academy of Arts
Palestine.
137
In seinem 13-minütigen Video ‚Journey
110‛ dokumentiert Jarrar, wie Palästinenser durch
einen 110 Meter langen Abwasserkanal nach Jerusa-
lem zu gelangen suchen.
138
Fareed Armaly: From/To
Bereits 1999, lange bevor die meisten hier aufgeführ-
ten Institutionen und Aktivitäten entstanden, reali-
sierte der amerikanische Künstler Fareed Armaly im
Rotterdamer Witte de With erstmals seine drei Jahre
später auf der Documenta unter veränderten Bedin-
gungen aktualisierte Installation „From/To‚. Es war
die wohl erste künstlerische Arbeit, die sich mit dem
Flickenteppich der verschiedenen Zonen des besetz-
ten Westjordanlandes und seiner Geschichte be-
schäftigte. Zugleich bot die Rotterdamer Ausstel-
lung palästinensischen Fotografen und Filmema-
chern, die in dieser fragmentierten Realität bisher
nicht zusammengefunden hatten, erstmals ein Fo-
rum des Austauschs. In der Documenta-Version, die
vom Beginn der zweiten Intifada geprägt war, arbei-
tete Armaly dann mit dem Filmemacher Rashid
Masharawi zusammen.
Armaly war später maßgeblich an einer ersten Aus-
stellung zur Archäologie des Gazastreifens im Gen-
fer Musée d'art et d'histoire beteiligt, die als Vorschau
auf ein unter der Schirmherrschaft der Unesco ge-
plantes archäologisches Museum von Gaza projek-
tiert war. Die von Armaly mit entwickelte Ausstel-
lungskonzeption, die Gaza über Jahrtausende hin-
weg an einem Schnittpunkt internationaler Han-
136
http://www.frieze.com/issue/article/ramallah.
137
http://www.youtube.com/watch?v=FMZXjt495SY&feature=
player_embedded#at=26 (oder http://www.theaterofpeace.org).
138
http://vimeo.com/7722285 (dgl.).
delswege situierte, eröffnete zugleich eine Perspek-
tive auf eine mögliche friedliche Zukunft in starkem
Kontrast zur aktuellen Realität.
139
Bevor die rund 500
Exponate nach Gaza zurückkehren konnten, machte
die israelische „Operation gegossenes Blei‚ jede
weitere Entwicklung in dieser Richtung vorerst zu-
nichte.
http://fromto.withthis.net
http://www.fareedarmaly.net
Film: Rashid Masharawi
Oreet Ashery: Welcome Home
Oreet Ashery stammt aus Israel und lebt seit ihrem
19. Lebensjahr in London. In ihren Performances
mimt sie gern die Rolle ihres männlichen, jüdischen
Alter Ego Marcus Fisher. 2004 rief sie das kontextbe-
zogene Projekt „Welcome Home‚ ins Leben, das
sich mit der Frage der Rückkehr beschäftigt. Die wie
eine Traueranzeige zwischen den bunten Buchsta-
ben des Projekttitels auf der Website angebrachte
Inschrift „not allowed to return‚ zeigt an, dass da-
mit auch die Frage nach der Rückkehr der 1948 ver-
triebenen Palästinenser angesprochen ist. Dieses
Thema stand 2006 auch explizit im Fokus der Serie.
Andererseits fanden einzelne Veranstaltungen auch
in Italien und Norwegen statt, und die Liste der
Beteiligten umfasst neben Ashery und Reem Fadda,
der Leiterin der Palestinian Association for Contempo-
rary Art (PACA), den in Ramallah lebenden Archi-
tekten und Künstler Sameh Abboushi, die Biologin
Mary Toomey, den Klangkünstler Mikhail Karikis,
den Künstler Stephen Wilson und das palästinensi-
sche Tanz-Ensemble AlZaytouna London Dabke group.
http://oreetashery.net
http://welcomehome.org.uk
Larissa Sansour
Die mittlerweile sehr erfolgreiche Künstlerin Larissa
Sansour, die auch mit Ashery zusammenarbeitet,
stammt aus Ost-Jerusalem und lebte seit ihrem 15.
139
Dietrich Heißenbüttel: „Bruchstücke neu zusammengefügt.
Eine Genfer Ausstellung zur Archäologie des Gazastreifens‚,
Neue Zürcher Zeitung, 6.7.2007,
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/bruchstuecke_neu_
zusammengefuegt_1.521803.html.
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