Adorno und die Kabbala (Pri ha-Pardes; 9)



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er eine Metaphysik des werdenden Gottes zu. (vgl. NL IV/14, 23)
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 Adorno 
zeigte allerdings an derlei rein philosophiehistorischen Ableitungen relativ 
wenig Interesse, was Tiedemann auch Scholem zuschreibt, der sich zur Ver-
bindung von Kabbala und dialektischem Idealismus kaum geäußert habe.
118
2.4 Am rechten Ort – um ein Winziges verrückt.  
Zu einer Erlösungsmetapher bei Adorno, Scholem, 
Benjamin, Bloch und Buber
Die Präsenz kabbalistischer Ideen bei Adorno lässt sich auch an Metaphern 
aufzeigen,  die  er  selbst  nicht  so  benannt  hat,  die  aber  –  z. T.  in  Formulie-
rungsdetails  –  seine  Auseinandersetzung  mit  weiteren  deutsch-jüdischen 
Intellektuellen erkennen lassen. An einem Beispiel soll hier Adornos ideeller 
Zusammenhang mit Scholem, Benjamin, Bloch und Buber illustriert werden.
In  einer  Notiz  vom  2.  Juni  1962  beruft  Adorno  sich  auf   eine  Idee  der 
‚jüdischen Theologen‘: Philosophie kritisiere einen theologischen Ordnungs-
begriff, weil dieser „als geoffenbarter heteronom“ sei, „dem Subjekt aufge-
zwungen“. Aber sei nicht dadurch wiederum die Philosophie dem Ziel der 
Theologie  verpflichtet?  „Meint  sie  nicht  dadurch,  was  die  jüdischen  Theo-
logen von Gerechtigkeit als Ordnung wollen: daß die Dinge an ihre rechte 
Stelle kommen.“ (FAB 8, 22) Die Formulierung vom ‚rechten Ort‘, an den 
Menschen  und  Dinge,  Subjekt  und  Objekt  in  einer  vollendeten  ‚Ordnung 
des  Möglichen‘  gerückt  werden,  gebrauchte  Adorno  auch  an  anderen  Stel-
len. Der Ausblick auf  eine solche Welt zeigt sich aber höchstens flüchtig und 
prekär – in emphatisch hingegebener Erfahrung oder in der Sprache großer 
117 
In Bezug auf  Schelling wurde das Gemeinte oben im Kapitel diskutiert, Adornos Interesse 
an Marcion werde ich in Kapitel 4.2 im Abschnitt „Das Problem der Gnosis“ besprechen. 
Schon in der Antrittsvorlesung 
Die Aktualität der Philosophie  (1931)  heißt  es  über  Scheler: 
„Die letzte Wendung Schelers scheint mir ihr eigentliches exemplarisches Recht daher zu 
besitzen, daß sie den Sprung zwischen den ewigen Ideen und der Wirklichkeit, den zu über-
winden die Phänomenologie sich in die materiale Sphäre hineinbegab, nun selber material-
metaphysisch anerkannte und die Wirklichkeit einem blinden ‚Drang‘ überließ, dessen Bezie-
hung zum Ideen himmel dunkel und problematisch ist und nur gerade der schwächsten Spur 
von Hoffnung noch Raum läßt.“ (GS 1, 329) Umgehend wendet Adorno allerdings ein, dass 
diese Perspektive dazu einlade, Transzendenz auf  Vitalismus zu reduzieren. (vgl. a. a. O., 330) 
Ansonsten ist Scheler keine zentrale Referenz in Adornos Werk, sondern eher Gegenstand 
einzelner kritischer Seitenhiebe im Rahmen von Phänomenologie und Existenzialismus, etwa 
in der Husserl-Kritik (vgl. GS 5, 43, 92, 185, 191) oder in der 
Negativen Dialektik. (GS 6, 57, 
97, 115, 235) Vgl. zum Kontext Jaitner. 
Zwischen Metaphysik und Empirie.
118 
Vgl. Tiedemann. 
Erinnerung an Scholem. S. 212.


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Kunstwerke.
119
 Dies erinnert an eine Formulierung in Scholems Hauptwerk 
Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen: „Die Errettung Israels schließt die 
Errettung aller Dinge ein. Wenn jedes Ding an seinen rechten Ort gesetzt ist, 
wenn der Makel an allen Dingen ausgebessert ist, so ist eben das ‚Erlösung‘. 
Hier verbindet sich in der lurianischen Theorie das messianische Element am 
sichtbarsten mit dem mystischen.“
120
 Gemeint ist die Idee des Tikkun Olam, 
einer – je nach Variante – sukzessiven oder endzeitlichen Reparatur der zer-
borstenen Schöpfung, ja Gottes selbst, die nicht zuletzt von den Taten der 
Menschen abhängt. Die dafür gewählte Formulierung erläuterte Scholem in 
einem Vortrag 1973 ausführlicher: Jüdische Theologie teile mit säkularisier-
ter Apokalyptik oder Revolutionstheorien die Ablehnung einer radikal verin-
nerlichten Erlösung. Der Weg nach Innen bedeute für das Judentum immer 
ebenso einen nach Außen: „Die Wiederherstellung der Dinge an ihren rechten 
Ort,  welche  die  Erlösung  ist,  stellt  eben  das  Ganze  wieder  her,  das  nichts 
von  einer  solchen  Scheidung  von  Innerlichkeit  und  Äußerlichkeit  weiß.“
121
 
Mit Adorno gelesen wäre die Anerkennung der Dinge auch die der Natur, 
der eigenen Leiblicheit, im Subjekt. Die Formulierung wäre damit keine bloße 
Metapher, sondern wörtlich gemeint: Im Zustand der Erlösung sind die Dinge 
an einen anderen – zweifellos also den optimalen – Platz gerückt. Die Dif-
ferenz  zwischen  jüdisch-theologischer  und  säkularer  Konzeption  besteht 
nach Scholem darin, dass Letztere diese Wiederherstellung als rein immanent 
auffasse und die bisherige Geschichte als Vorgeschichte bestimme. Scholem 
nennt – ohne das implizierte Konzept der Vorgeschichte auf  Marx zurückzu-
führen – „Ideologen des revolutionären Messianismus wie Walter Benjamin, 
Theodor Adorno, Ernst Bloch und Herbert Marcuse“ als Verfechter dieser 
Idee; „deren eingestandene oder uneingestandene Bindung an ihr jüdisches 
Erbe“ sei somit „evident“.
122
119 
Etwa in den folgenden Passagen: „Nur Denken, das ohne Mentalreservat, ohne Illusion des 
inneren Königtums seine Funktionslosigkeit und Ohnmacht sich eingesteht, erhascht viel-
leicht einen Blick in eine Ordnung des Möglichen, Nichtseienden, wo die Menschen und 
Dinge an ihrem rechten Ort wären.“ (GS 10.1, 472) „Soweit von Kunstwerken eine gesell-
schaftliche Funktion sich prädizieren läßt, ist es ihre Funktionslosigkeit. Sie verkörpern durch 
ihre Differenz von der verhexten Welt negativ einen Stand, in dem, was ist, an die rechte 
Stelle käme, an seine eigene.“ (GS 7, 337).
120 
Scholem. 
Die jüdische Mystik. S. 301.
121 
Ders. 
Es gibt ein Geheimnis in der Welt. S. 34.
122 
A. a. O. S. 35. Scholems kritischer Diagnose einer „hemmungslosen optimistischen Utopie“ 
bei den genannten Autoren lässt sich zumindest im Hinblick auf  Adorno wohl eher nicht 
zustimmen.


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