Adorno und die Kabbala (Pri ha-Pardes; 9)



Yüklə 2,18 Mb.
Pdf görüntüsü
səhifə17/92
tarix22.10.2018
ölçüsü2,18 Mb.
#75508
1   ...   13   14   15   16   17   18   19   20   ...   92

 
a
AVrnV
A S
chVlee
 d 
knA
 
Aie
 
anAeren
 
41
Fassung gestrichen. (vgl. GS 6, 365) Tatsächlich enthält dessen Geschichts-
philosophie auch weniger eine Würdigung als vielmehr die knappe Unterstel-
lung,  dass  man  in  der  Kabbala  eine  schwächere  Wiederholung  der  Gnosis 
finde.
100
 Gleichwohl scheint der Umschlag von Sein in Nichts zu Werden in 
der Logik eine merkwürdige Strukturparallele zum Konzept des Zimzum dar-
zustellen.
101
 Die Verbindung von lurianischer Mystik und Frankfurter Dialektik 
lässt sich aber unabhängig von Hegel erhärten. Nach der Lektüre von Scho-
lems 
Major Trends in Jewish Mysticism merkte Adorno im Mai 1949 an: „Sachlich 
war ich übrigens am stärksten berührt von dem Kapitel über die Lurianische 
Mystik, deren Grundbegriffe mir unendlich produktiv erschienen.“ (BW 8, 61) 
Im April 1956 bat er Scholem anlässlich der Einladung zu den Frankfurter 
Loeb Lectures um einen Vortrag, bei dem „die Hörer etwas von der ungeheu-
eren geistigen Tragweite der angeregten Probleme, gerade auch im philosophi-
schen Sinne, erfahren, wobei ich etwa auch an die lurianische Mystik dächte.“ 
(a. a. O., 155) Der Nachfrage, wann denn die 
Major Trends endlich in deutscher 
Sprache erscheinen würden, fügte er sieben Monate später hinzu: „Für die 
deutsche Situation jedenfalls wäre das Buch von außerordentlicher Wichtig-
keit. Mir ist das bei der neuerlichen Befassung mit Schelling besonders aufge-
gangen.“ (a. a. O., 161)
102
 In der Tat bietet die 
Weltalter-Philosophie Schellings 
eine  mögliche  Verbindung  von  Kabbala  und  Idealismus:  Vermutlich  ohne 
Kenntnisse jüdischer Quellen und ohne den Begriff  Zimzum zu verwenden, 
100 
Hegel. 
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. S. 426 ff. Diese Gleichsetzung von Gnosis 
und Kabbala, die auch bei Adorno und Scholem noch allgegenwärtig ist, geht auf  den von 
Hegel auch erwähnten Historiker Johann Jakob Brucker zurück, der eine wichtige Rolle in 
der geistesgeschichtlichen Zurückdrängung von Vorstellungen spielte, die aus den Bereichen 
der Mystik, Kabbala, Gnosis, Alchemie oder des Rosenkreuzertums stammten, schließlich 
unter Etiketten wie ‚Esoterik‘ zusammengefasst wurden. (vgl. Hanegraaff. 
Esotericism and the 
Academy. S. 137–147) Glenn Alexander Magee hat die Präsenz solcher Konzepte bei Hegel 
untersucht, bestätigt ebenfalls den Einfluss Bruckers und spekuliert auf  weitere Kenntnisse 
etwa durch Knorr von Rosenroths 
Kabbala Denudata.  Er  behauptet  einen  materialen  Ein-
fluss der lurianischen Kosmologie auf  Hegels Geschichtsphilosophie und deutet die Idee 
der Schechina, die als unterste Manifestation Gottes im Baum der Sefirot das Volk Israel 
in die Geschichte begleitet, als Vorbild seines Weltgeistes. (vgl. Magee. 
Hegel and the Hermetic 
Tradition. S. 166 f., 227–236) Mir scheint es sich hier eher um strukturelle (und nicht einmal 
besonders schlagende) Parallelen zu handeln als eine inhaltliche Abhängigkeit Hegels, der 
zweifellos für andere hermetische Motive sehr viel mehr übrig hatte, wie Magee überzeugend 
darlegt.
101 
Hegel. 
Wissenschaft der Logik. S. 83–114. Vgl. auch Magee. „The Speculative is the Mystical“.
102 
1962  schenkte  Adorno  Scholem  sogar  eine  Ausgabe  der  Schelling-Werke,  da  dieser  sein 
Exem plar nach eigener Aussage vor langer Zeit „horribile dictu, für ein seltenes Buch über 
Gnosis eingetauscht“ hatte. (BW 8, 274).


42 
a
AVrnV
A S
chVlee
 d 
knA
 
Aie
 
anAeren
nennt Schelling eine „Contraction“ Gottes als Ausgangspunkt des Weltalters 
Vergangenheit und Grund einer sich danach erst prozessual weiter (bzw. wie-
der) ausdifferenzierenden Schöpfung.
103
 Franz Rosenzweig sah in einem Brief  
von 1917, der in der Forschungsliteratur als ‚Urzelle‘ von dessen 
Stern der Erlö-
sung gilt, als erster die Parallele zum Zimzum.
104
 Während Scholem sich nur in 
einer Fußnote seines Hauptwerks auf  die Verbindung von Luria und Schel-
ling bezog,
105
 steht für diese Entdeckung wie kein zweiter Jürgen Habermas.
106
 
Letzterer wurde 1954 über die 
Weltalter-Philosophie Schellings promoviert.
107
 
In der Dissertation wird diese Idee zunächst nur mit Jakob Böhme bzw. pro-
testantischer Mystik in Verbindung gebracht, 1961 aber referierte Habermas 
in 
Der deutsche Idealismus der jüdischen Philosophen auf die lurianische Kabbala mit 
ihrem „Prozeß der Einschrumpfung und Zusammenziehung“ Gottes, welche 
die Philosophie Ernst Blochs wieder aufgenommen habe.
108
 1963 folgte der 
Aufsatz 
Dialektischer Idealismus im Übergang zum Materialismus – Geschichtsphilo-
sophische Folgerungen aus Schellings Idee einer Contraction Gottes, der den Bogen von 
Luria über Böhme und Schelling zu Marx schlug. Gottes Kontraktion geht 
hier einher mit seiner Selbst-Depotenzierung zugunsten der Elemente, die er 
in die Welt freisetzt: „Sein eigenes Schicksal ist dem Subjekt der Geschichte 
preisgegeben – der gesellschaftlichen Menschheit. Schon der Kabbala galt der 
Messias als das bloße Siegel auf  ein Dokument, das die Menschen selber sch-
reiben müssen.“
109
 In seiner Rede zu Scholems 80. Geburtstag hat Habermas 
die Rolle des Lurianismus für den deutschen Idealismus noch einmal betont 
und sich für diese Einsicht bei dem Kabbalaforscher bedankt.
110
1960/1 hielt auch Adorno ein Philosophie-Seminar über Schellings 
Welt-
alter  an  der  Frankfurter  Universität  ab.
111
  In  seinen  einschlägigen  Aufzeich-
nungen findet die Prozessualität und Geschichtlichkeit der Deität besondere 
103 
Schelling. 
Die Weltalter (vgl. NB Adorno 194).
104 
Vgl. Schulte. 
Zimzum. S. 297, 380 ff.
105 
Vgl. Scholem. 
Die jüdische Mystik. S. 444. Ein späterer Hinweis findet sich bei Scholem. Die 
Stellung der Kabbala. S. 17 f.
106 
Vgl. Brumlik. 
Kritische Theorie und Kabbala.
107 
„Hier ist nicht der Ort, Böhmes originelle Verbindung der neuplatonischen, kabbalistischen, 
alchymistischen Gedanken […] zu skizzieren […].“ (Habermas. 
Das Absolute und die Geschichte
S. 3).
108 
Ders. 
Der deutsche Idealismus der jüdischen Philosophen. S. 120 f. Die viel betonte Beziehung von 
Schelling und Bloch kann hier nicht näher untersucht werden.
109 
Ders. 
Dialektischer Idealismus im Übergang zum Materialismus. S. 189.
110 
Vgl. ders. 
Die verkleidete Tora. S. 128.
111 
Vgl. Bobka/Braunstein. 
Die Lehrveranstaltungen Theodor W. Adornos. S. 15, 23 f.


Yüklə 2,18 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   13   14   15   16   17   18   19   20   ...   92




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə