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Wiederholt sich das Geschäft, dann infolge eines neuen Vertrags, der mit dem vorhergehenden nichts zu
tun hat und bei dem nur ein Zufall denselben Käufer mit demselben Verkäufer wieder zusammenbringt.
[1*] "Alle beide gewannen noch; der Arbeiter, weil man ihm die Früchte seiner Arbeit vorge-
schossen" (soll heißen: unbezahlter Arbeit andrer Arbeiter), "bovor sie getan war;" (soll heißen:
bevor seine eigne Früchte getragen) "der Unternehmer, weil die Arbeit dieses Arbeiters mehr
wert war als sein Lohn" (soll heißen: mehr Wert erzeugte als den seines Lohns). – [2*] 4.Auflage:
denn
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Soll also die Warenproduktion oder ein ihr angehöriger Vorgang nach ihren eignen ökonomischen Geset-
zen beurteilt werden, so müssen wir jeden Austauschakt für sich betrachten, außerhalb alles Zusammen-
hangs mit dem Austauschakt, der ihm vorherging, wie mit dem, der ihm nachfolgt. Und da Käufe und
Verkäufe nur zwischen einzelnen Individuen abgeschlossen werden, so ist es unzulässig, Beziehungen
zwischen ganzen Gesellschaftsklassen darin zu suchen.
Wie lang auch die Reihenfolge der periodischen Reproduktionen und vorhergegangnen Akkumulationen,
die das heute funktionierende Kapital durchgemacht hat, es bewahrt immer seine ursprüngliche Jungfräu-
lichkeit. Solange bei jedem Austauschakt – einzeln genommen – die Gesetze des Austausches eingehalten
werden, kann die Aneignungsweise eine totale Umwälzung erfahren, ohne das, der Warenproduktion
gemäße, Eigentumsrecht irgendwie zu berühren. Dieses selbe Recht steht in Kraft wie am Anfang, wo das
Produkt dem Produzenten gehört und wo dieser, Äquivalent gegen Äquivalent austauschend, sich nur
durch eigne Arbeit bereichern kann, so auch in der kapitalistischen Periode, wo der gesellschaftliche
Reichtum in stets steigendem Maß das Eigentum derer wird, die in der Lage sind, sich stets aufs neue die
unbezahlte Arbeit andrer anzueignen.
Dies Resultat wird unvermeidlich, sobald die Arbeitskraft durch den Arbeiter selbst als Ware frei verkauft
wird. Aber auch erst von da an verallgemeinert sich die Warenproduktion und wird sie typische Produkti-
onsform; erst von da an wird jedes Produkt von vornherein für den Verkauf produziert und geht aller pro-
duzierte Reichtum durch die Zirkulation hindurch. Erst da, wo die Lohnarbeit ihre Basis, zwingt die Wa-
renproduktion sich der gesamten Gesellschaft auf; aber auch erst da entfaltet sie alle ihre verborgnen Po-
tenzen. Sagen, daß die Dazwischenkunft der Lohnarbeit die Warenproduktion fälscht, heißt sagen, daß die
Warenproduktion, will sie unverfälscht bleiben, sich nicht entwickeln darf. Im selben Maß, wie sie nach
ihren eignen immanenten Gesetzen sich zur kapitalistischen Produktion fortbildet, in demselben Maß
schlagen die Eigentumsgesetze der Warenproduktion um in Gesetze der kapitalistischen Aneignung.[24]
Man sah, daß selbst bei einfacher Reproduktion alles vorgeschoßne Kapital, wie immer ursprünglich er-
worben, sich in akkumuliertes Kapital oder kapitalisierten Mehrwert verwandelt. Aber im Strom der Pro-
duktion
[24] Man bewundere daher die Pfiffigkeit Proudhons, der das kapitalistische Eigentum abschaffen
will, indem er ihm gegenüber – die ewigen Eigentumsgesetze der Warenprodukion geltend
macht!
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wird überhaupt alles ursprünglich vorgeschoßne Kapital eine verschwindende Größe (magnitudo eva-
nescens im mathematischen Sinn), verglichen mit dem direkt akkumulierten Kapital, d.h. dem in Kapital
rückverwandelten Mehrwert oder Mehrprodukt, ob nun funktionierend in der Hand, die akkumuliert hat,
oder in fremder Hand. Die politische Ökonomie stellt das Kapital daher überhaupt dar als "akkumulierten
Reichtum" (verwandelten Mehrwert oder Revenue), "der von neuem zur Produktion von Mehrwert ver-
wandt wird"[25], oder auch den Kapitalisten als "Besitzer des Mehrprodukts"[26]. Dieselbe Anschau-
ungsweise besitzt nur andre Form in dem Ausdruck, daß alles vorhandne Kapital akkumulierter oder ka-
pitalisierter Zins sei, denn der Zins ist ein bloßes Bruchstück des Mehrwerts.[27]
2. Irrige Auffassung der Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter
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seitens der politischen Ökonomie
Bevor wir nun auf einige nähere Bestimmungen der Akkumulation oder der Rückverwandlung von
Mehrwert in Kapital eingehn, ist eine von der klassischen Ökonomie ausgeheckte Zweideutigkeit zu be-
seitigen.
So wenig die Waren, die der Kapitalist mit einem Teil des Mehrwerts für seine eigne Konsumtion kauft,
ihm als Produktions- und Verwertungsmittel dienen, so wenig ist die Arbeit, die er zur Befriedigung sei-
ner natürlichen und sozialen Bedürfnisse kauft, produktive Arbeit. Statt durch den Kauf jener Waren und
Arbeit den Mehrwert in Kapital zu verwandeln, verzehrt oder verausgabt er ihn umgekehrt als Revenue.
Gegenüber der altadligen Gesinnung, die, wie Hegel richtig sagt, "im Verzehren des Vorhandenen be-
steht" und namentlich auch im Luxus persönlicher Dienste sich breitmacht, war es für die bürgerliche
Ökonomie entscheidend wichtig, die Akkumulation des Kapitals als erste Bürgerpflicht zu verkünden
[25] "Kapital ist akkumulierter Reichtum, angewandt, um Profit zu erzielen." (Malthus, l.c.
[p.262.]) "Kapital ... besteht aus Reichtum, von der Revenue erspart und zur Erzielung von Profit
gebraucht." (R. Jones, "Text-book of lectures on the Political Economy of Nations", Hertford
1852, p.16.)
[26] "Die Besitzer des Mehrprodukts oder Kapitals." ("The Source and Remedy of the National
Difficulties. A Letter to Lord John Russell", Lond. 1821, [p.4.])
[27] "Kapital, mit dem Zinseszins auf jeden Teil des gesparten Kapitals, reißt alles so sehr an
sich, daß der ganze Reichtum auf der Welt, von dem Einkommen bezogen wird, schon vor lan-
gem Kapitalzins geworden ist." (London "Economist" 19. July 1851)
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und unermüdlich zu predigen: man kann nicht akkumulieren, wenn man seine ganze Revenue aufißt, statt
einen guten Teil davon zu verausgaben in Werbung zuschüssiger produktiver Arbeiter,
die mehr einbrin-
gen, als sie kosten. Andrerseits hatte sie gegen das Volksvorurteil zu polemisieren, welches die kapitali-
stische Produktion mit der Schatzbildung verwechselt[28] und daher wähnt, akkumulierter Reichtum sei
Reichtum, welcher der Zerstörung in seiner vorhandnen Naturalform, also dem Verbrauch entzogen oder
auch vor der Zirkulation gerettet werde. Verschluß des Geldes gegen die Zirkulation wäre grade das Ge-
genteil seiner Verwertung als Kapital und Warenakkumulation im schatzbildnerischen Sinn reine Narr-
heit.[28a] Akkumulation von Waren in großen Massen ist Resultat einer Zirkulationsstockung oder der
überproduktion.[29] Allerdings läuft in der Volksvorstellung einerseits das Bild der im Konsumtions-
fonds der Reichen gehäuften, langsam sich verzehrenden Güter unter, andrerseits die Vorratbildung, ein
Phänomen, das allen Produktionsweisen angehört und wobei wir einen Augenblick in der Analyse des
Zirkulationsprozesses verweilen werden.
Soweit also ist die klassische Ökonomie im Recht, wenn sie den Verzehr von Mehrprodukt durch pro-
duktive Arbeiter statt durch unproduktive als charakteristisches Moment des Akkumulationsprozesses
betont. Aber hier beginnt auch ihr Irrtum. A. Smith hat es zur Mode gemacht, die Akkumulation bloß als
Konsumtion des Mehrprodukts durch produktive Arbeiter oder die Kapitalisierung des Mehrwerts als
dessen bloßen Umsatz in Arbeitskraft darzustellen. Hören wir z.B. Ricardo:
"Man muß verstehn, daß alle Produkte eines Landes konsumiert werden; aber es macht den
größten Unterschied, den man denken kann, ob sie konsumiert werden durch solche, die einen
andren Wert reproduzieren, oder durch solche, die ihn nicht reproduzieren. Wenn wir sagen, daß
Revenue erspart und zum Kapital geschlagen
[28] "Kein politischer Ökonom der heutigen Zeit kann unter Sparen nur Schatzbildung verstehen:
und abgesehen von diesem abgekürzten und ungenügenden Verfahren, kann man sich keinen and-
ren Gebrauch dieses Ausdrucks im Hinblick auf den nationalen Reichtum vorstellen als jenen, der