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rerseits sind die jeden Tag kontrahierten und die denselben Tag fälligen Zahlungen durchaus inkommen-
surable Größen.[102]
Das Kreditgeld entspringt unmittelbar aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, indem Schuldzer-
tifikate für die verkauften Waren selbst
die alle in den Verkehr gebracht würden nach 3 Uhr desselben Tages."([H. Roy,] "The Theory of
the Exchanges. The Bank Charter Act of 1844", Lond. 1864, p.81.) Das halboffizielle Organ,"The
Observer", bemerkt am 24. April 1864: "Einige sehr eigenartige Gerüchte sind im Umlauf über
die Mittel, die in der Absicht, eine Knappheit in Banknoten herbeizuführen, angewendet worden
sind ... So fragwürdig es auch scheinen mag auzunehmen, daß irgendwelche derartige Tricks an-
gewendet werden könnten, so war die Nachricht darüber doch so weit verbreitet, daß man sie in
der Tat erwähnen muß."
[102] "Der Umfang der Verkäufe oder Verträge, die während eines bestimmten Tages abge-
schlossen werden, beeinflußt nicht die Geldmenge, die an diesem Tage umläuft, aber in der gro-
ßen Mehrzahl der Fälle wird sie sich auflösen in mannigfaltiges Ziehen von Wechseln auf die
Geldmenge, die an späteren, mehr oder weniger fernen Tagen im Umlauf sein mag ... Die heute
gewährten Wechsel oder eröffneten Kredite brauchen weder in der Zahl noch in der Höhe noch in
der Laufzeit irgendeine Ähnlichkeit zu haben mit denen, die auf morgen oder übermorgen ge-
währt oder aufgenommen wurden; vielmehr decken sich viele der heutigen Wechsel und Kredite,
wenn fällig, mit einer Menge von Verbindlichkeiten, deren Ursprung sich über eine Reihe frühe-
rer, völlig unbestimmter Daten verteilt. Wechsel mit 12, 6, 3 oder 1 Monat Laufzeit treffen oft so
zesammen, daß sie die an einem bestimmten Tage fälligen Verbindlichkeiten besonders anwa-
chen lassen ..."("The Currency Theory Reviewed; a letter to the Scotch people. By a Banker in
England", Edinburgh 1845, p.29,30 passsim.)
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wieder zur Übertragung der Schuldforderungen zirkulieren. Andrerseits, wie sich das Kreditwesen aus-
dehnt, so die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel. Als solches erhält es eigne Existenzformen, worin
es die Sphäre der großen Handelstransaktionen behaust, während die Gold- oder Silbermünze hauptsäch-
lich in die Sphäre des Kleinhandels zurückgedrängt wird.[103]
Bei gewissenm Höhegrad und Umfang der Warenproduktion greift die Funktion des Geldes als Zah-
lungsmittel über die Sphäre der Warenzirkulation hinaus. Es wird die allgemeine Ware der Kontrak-
te.[104] Renten, Steuern usw. verwandeln sich aus Naturallieferungen in Geldzahlungen. Wie sehr diese
Umwandlung durch die Gesamtgestalt des Produktionsprozesses bedingt wird, beweist z.B. der zweimal
gescheiterte Versuch des römischen Kaiserreichs, alle Abgaben in Geld zu erheben. Das ungeheure Elend
des französischen Landvolks unter Ludwig XIV., das Bois-
[103] Als Beispiel, wie wenig reelles Geld in die eigentlichen handelsoperationen eingeht, folgt
hier das Schema eines der größten Londoner Handelshäuser(Morrison, Dillon & Co.) über seine
jährlichen Geldeinnahmen und Zahlungen. Seine Transaktionen im Jahr 1856, die viele Millionen
Pfd.St. umfassen, sind auf den Maßstab einer Million verkürzt.
Einnahmen
Wechsel von Bankiers und Kaufleuten nach Datum zahlbar 553596 Pfd.St.
Cheques von Bankiers etc. bei Sicht zahlbar 357715 Pfd.St.
Landbank-Noten 9627
Noten der Bank von England. 68554 Pfd.St.
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Gold 28089
Silber und Kupfer 1486
Post Office Orders[1*] 933
Totalsumme: 1000000
Ausgaben
Wechsel nach Datum zahlbar 302674
Cheques auf Londoner Bankiers 663672
Noten der Bank von England 22743
Gold 9427
Silber und Kupfer 1484
Totalsumme: 1000000
("Report from the Select Committee on the Bankacts", July 1858, p.LXXI.)
[104] "Der Charakter des Geschäftsverkehrs hat sich derartig gewandelt, daß statt Tausch von
Güter gegen Güter oder statt Lieferung und Abnahme, jetzt Verkauf und Bezahlung stattfindet
und alle Geschäfte ... sich nunmehr als reine Geldgeschäfte darstellen."([D. Defoe,] "An Essay
upon Publick Credit", 3. ed., Lond. 1710, p.8.)
[1*] Postanweisungen
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guillebert, Marschall Vauban usw. so beredt denunzieren, war nicht
nur der Steuerhöhe geschuldet, son-
dern auch der Verwandlung von Naturalsteuer in Geldsteuer.[105] Wenn andrerseits die Naturalform der
Grundrente, in Asien zugleich das Hauptelement der Staatssteuer, dort auf Produktionsverhältnissen be-
ruht, welche sich mit der Unwandelbarkeit von Naturverhältnissen reproduzieren, erhält jene Zahlungs-
form rückwirkend die alte Produktionsform. Sie bildet eines der Selbsterhaltungsgeheimnisse des türki-
schen Reichs. Zieht der durch Europa aufoktroyierte auswärtige Handel in Japan die Verwandlung von
Naturalrente in Geldrente[1*] nach sich, so ist es um seine musterhafte Agrikultur geschehn. Ihre engen
ökonomischen Existenzbedingungen werden sich auflösen.
In jedem Land setzen sich gewisse allgemeine Zahlungstermine fest. Sie beruhn teilweis, von andren Zir-
kelläufen der Reproduktion abgesehn, auf den an Wechsel der Jahreszeit gebundnen Naturbedingungen
der Produktion. Sie regeln ebenso Zahlungen, die nicht direkt der Warenzirkulation entspringen, wie
Steuern, Renten usw. Die Geldmasse, die zu diesen über die ganze Oberfläche der Gesellschaft zersplit-
terten Zahlungen an gewissen Tagen des Jahres erheischt ist, verursacht periodische, aber ganz oberfläch-
liche Perturbationen in der Ökonomie der Zahlungsmittel.[106]
[105] "Das Geld ist der Henker aller Dinge geworden." Die Finanzkunst ist "die Retorte, in der
eine schreckenerregende Menge von Gütern und Waren verdampft worden ist, um diesen unheil-
vollen Extrakt zu gewinnen". "Das Geld erklärt dem ganzen Menschengeschlecht den
Krieg."(Boisguillebert,"Dissertation sur la nature des richesses, de l'argent et des tributs", édit.
Daire,"Économistes finandiers", Paris 1843, t. I, p.413,419,417,418.)
[106] "Pfingstmontag 1824", erzählt Herr Craig dem parlamentarischen Untersuchungskomitee
von1826, "war eine solche ungeheure Nachfrage für Banknoten in Edinburgh, daß wir um 11 Uhr