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Virtuelle Modelle werden in Computern aus Programmen und Daten aufgebaut, sie
sind ausschliesslich virtuell und können somit – angesichts immer grösserer Com
puterspeicher – beliebig gross und komplex gebaut werden, dies ganz im Gegensatz
zu materiellen Modellen. Dass diese Beliebigkeit zu neuen Problemen führen kann,
wird in Kapitel 4.7 behandelt. Trotz der Grösse solcher Modelle kann der mensch
liche Aufwand für ihren Einsatz beliebig klein gehalten werden, denn sie funktio
nieren mittels Computerprogrammen völlig automatisch.
Zum grundlegenden Verständnis des neuen Phänomens «virtuelles Modell» sind
daher Kenntnisse und erste Erfahrungen in folgenden Bereichen nötig:
n
Programmieren
Ein Computerprogramm beschreibt vollautomatische Abläufe mittels einer Folge
von Befehlen an einen Computer. Solche Befehle können elementare Aufgaben
(einzelne Rechenoperationen, Einlesen oder Anzeigen von Schriftzeichen oder
Bildpunkten usw.) lösen; diese wiederum lassen sich zu ganzen Befehlsfolgen
gruppieren, namentlich durch Schleifenbildung, Fallunterscheidungen, Unter
strukturen und Modularisierung.
n
Daten
Die Realität wird in einem virtuellen Modell namentlich durch Zahlenwerte ab
gebildet. Eingabedaten sind häufig Messwerte, Ausgabedaten können wiederum
Zahlen sein. Sehr häufig sind es aber heute auch Bilder, Videos oder andere
sinnlich wahrnehmbare Darstellungsformen (Töne, Texte usw.).
n
Projektarbeit
Die Entwicklung von virtuellen Modellen setzt nicht nur Kenntnisse ihres ge
planten Einsatzbereichs voraus, sondern auch eine entsprechende Arbeitsme
thodik, beginnend mit einem Konzept, das anschliessend verfeinert werden
kann. Dabei bleiben virtuelle Modelle – im Gegensatz zu materiellen – jederzeit
veränderbar.
4.6
Modellbildung:
Prozesse und Daten
Informatikdenken in anderen Disziplinen
96
Es ist offensichtlich, dass alle drei hier genannten Bereiche in der höheren All
gemeinbildung (Hochschulreife) im 21. Jahrhundert einen wichtigen Platz ein
nehmen sollten. Dabei geht es nicht darum, alles selber machen zu können, im
Gegenteil. Kommerzielle Angebote, aber zunehmend auch OpenSource und Open
DataBewegungen stellen Programme und Daten in grösster Vielfalt zur Verfügung.
Hier den Überblick zu wahren und auswählen zu können, ist wichtig. Hochschulrei
fe ist heute ohne ein entsprechendes Grundwissen nicht mehr gegeben. Während
Projektarbeiten – beliebiger Art – seit einigen Jahren einen Platz in den Schweizer
Gymnasien gefunden haben, fehlen für das Gros der Gymnasiasten entsprechende
Unterrichtsgefässe für Programmieren und Datenstrukturen sowie für virtuelle Mo
delle völlig. Genau das sind jedoch Kernelemente der wissenschaftlichen Informatik,
wie sie hier für alle Maturandinnen und Maturanden gefordert werden.
Es gilt zu berücksichtigen, dass für diese Informatikthemen nur eine sehr be
schränkte Zahl von Lektionen zur Verfügung stehen wird. Daher können etwa im
Programmierunterricht für alle nur Grunderfahrungen mit automatischen Prozes
sen vermittelt werden, weit entfernt von der Eigenentwicklung von Programmen
für praktische Anwendungen. Aber schon solche Grunderfahrungen im Program
mieren vermitteln nicht bloss Informatikwissen. Die jungen Leute erleben vielmehr
neue Möglichkeiten zu eigener konstruktiver Entfaltung. Gleichzeitig spüren sie
hautnah, wie ein Computer (ein Rechenautomat) auf Programmierfehler reagiert,
nämlich stur und präzis. Er interpretiert jedes Programm genau so, wie es geschrie
ben, und nicht so, wie es allenfalls vom Entwickler gemeint wurde. Junge Leute
erfahren so ungewohnt präzise Disziplinforderungen, und dies nicht von einer
Lehrperson, sondern von einer völlig unparteiischen Maschine.
Informatikdenken in anderen Disziplinen
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Virtuelle Modelle öffnen dem menschlichen Experimentiergeist völlig neue Mög
lichkeiten. Diese Möglichkeiten sind jedoch keineswegs grenzenlos, wie man aus
der Immaterialität ihrer Komponenten – Programme und Daten – schliessen könn
te. Es sind aber andersartige Grenzen, die bei materiellen Modellen keine oder
höchstens eine sekundäre Rolle spielen. Genau deswegen müssen die Grenzen beim
Umgang mit virtuellen Modellen ausdrücklich erkannt und ausgewiesen werden.
Hier einige wichtige Grenzen für virtuelle Modelle:
n
Komplexität 1
Programme von einigen Hundert Zeilen Programmcode lassen sich mit konzen
triertem Nachdenken überblicken und verstehen, solche mit einer Million Zei
len jedoch nicht mehr. Zwar haben Spezialisten Methoden entwickelt, um auch
für grosse und anspruchsvolle Aufgaben möglichst korrekte Programme schrei
ben zu können. Aber jedermann kennt Beispiele von grossen und kleinen Com
puterpannen. Meist beruhen diese auf nicht erkannten Programmierfehlern,
die auch schon zu echt gefährlichen Situationen geführt haben.
n
Komplexität 2
Viele Menschen, namentlich auch Führungsleute in Wirtschaft und Staat, haben
sich inzwischen daran gewöhnt, dass an Programme beliebig grosse Anforde
rungen gestellt werden können. Solche Anforderungen, vor allem, wenn sie erst
nach dem Beginn der Entwicklungsarbeit für neue Informatikanwendungen
vorgebracht werden, verzögern und verteuern Informatiklösungen völlig unver
hältnismässig (Verletzung der 80:20Regel) und führen nicht selten zum Ab
bruch ganzer Projekte mit entsprechenden Kostenfolgen.
n
Komplexität 3
Stichworte wie Internet, World Wide Web und «computing in the cloud» stehen
exemplarisch für Vernetzungsmöglichkeiten zwischen beliebigen Computern
4.7
Grenzen virtueller Modelle
Informatikdenken in anderen Disziplinen
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