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Wetter und Klima
Verlässliche Wettervorhersagen sind in unserer Gesellschaft
bereits selbstverständlich geworden, Prognosemodelle für
Klimaänderungen werden in der politischen Diskussion immer
wichtiger. Zwar sind die Modelle und Verfahren komplex, das
Grundwissen hierzu kann aber bereits in der Schule verstanden
werden. Im Prinzip teilen wir die Erdoberfläche und die nähere
Atmosphäre in Gebiete von in Wechselwirkung stehenden
Quadern auf. Pro Quader berechnen wir aus den Daten zu einem
Zeitpunkt t charakteristische Parameter wie Temperatur und
Druck für den Zeitpunkt t+1. Abhängig von der Grösse der
Gebiete, dem Einbezug unterschiedlicher Nachbarschaften und
der Anzahl Zeitschritte entstehen so rechenintensive Probleme,
die den Einsatz leistungsfähiger Computer bis hin zu Supercom-
putern erfordern.
Relevanz für die Schweiz:
hohe gesellschaftliche Sichtbarkeit.
Verlässliche Wetter- und Klimamodelle sind wichtig für Landwirt-
schaft und Tourismus.
Ingenieurtechnik
Im Bereich der Ingenieurgebiete ist rechnergestütztes Arbeiten
unabdingbar. Neue Flugzeuge werden heute modelliert und
simuliert, die Zeiten von realen 1:1-Modellen, die im Windkanal
getestet werden, sind vorbei. Der Pilot des Erstflugs vertraut
den Resultaten vorhergehender Computersimulationen. Die
Ersetzung von Crashtests für Automobile durch Simulationen im
Rechner ist ähnlich zu sehen. So wird das Produkt vielfältiger
testbar, und gleichzeitig reduziert diese Methode die Ent-
wicklungskosten und den Energieverbrauch im Betrieb massiv.
Am Beispiel des Autos: je dünner die Bleche, desto leichter
das Auto und desto geringer der Benzinverbrauch. Aber auch
hier gilt: Die Reduktion der Blechstärke muss abgesichert, die
Reissfestigkeit gewährleistet sein.
Relevanz für die Schweiz:
Produktivitätssteigerung für die
Industrie. Einige Schweizer Softwarefirmen sind hier bereits
weltweit führend. Diese Methoden sind auch in die Life Sciences
übertragbar: Die Reissfestigkeit einer künstlichen Arterie
und die eines Blechs können beide mit finiten Elementen be -
rechnet werden.
Informatikdenken in anderen Disziplinen
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Geophysik
Erdbeben zählen mit zu den grössten Naturkatastrophen, die wir
kennen. Datenerfassungen und möglichst präzise Vorhersage-
modelle sind von extremer Wichtigkeit, weshalb auch die
Schweiz einen nationalen Erdbebendienst unterhält. Das
Verständnis geophysikalischer Prinzipien ist aber auch für die
Förderung alternativer Energieformen sehr wichtig. In jüngster
Zeit hat zwar die Geothermie wegen aufgetretener Schäden,
die durch unkontrollierte Eingriffe in die Natur entstanden sind,
neue Fragen aufgeworfen, aber hier sollte weniger die Technik
als solche, sondern eher das methodische Vorgehen kritisiert
werden. Denn statt mit Modellbildung und Simulationen wurde
direkt am Objekt Erde mit gravierenden Folgen experimentiert.
In Anbetracht der immensen Energievorräte, die hier noch
erschlossen werden können, ist eine Neuaufnahme geo-
thermischer Projekte wahrscheinlich. Mathematische Modelle
im Gleichschritt mit Informatikmethoden werden dabei eine
Schlüsselposition einnehmen.
Relevanz für die Schweiz:
unabdingbar bei Sicherheitsfragen.
Hohes Potenzial für die Energiegewinnung der Zukunft.
Nanostrukturen
Die Weiterentwicklung neuer Materialien ist wichtig für die
industrialisierte Welt. Das Gebiet der Nanotechnik hat hier
in den letzten Jahren für Furore gesorgt, etwa durch selbstreini-
gende Oberflächen. Möglich wurde diese Entwicklung durch
Erfindungen wie die des Rasterkraftfeldmikroskops. Dabei werden
atomare Spitzen über die zu untersuchenden Oberflächen geführt,
die damit auf atomarer Ebene beobachtbar und manipulierbar
werden. Dank Informatikeinsatz lässt sich aus den Messdaten
direkt ein visuelles Modell der Struktur erzeugen. Nach Erfolgen
in der Materialkunde werden solche Verfahren gegenwärtig
auch im Bereich der Life Sciences intensiv erforscht. So könnten
Nanomedikamente Partikel direkt zu den betroffenen Zellen
transportieren. Das öffnet Chancen, aber auch Risiken. Erneut
wird die Bedeutung modellhafter Simulationen sichtbar.
Relevanz für die Schweiz:
hohe wissenschaftliche Kompetenz
vorhanden. Neue Märkte insbesondere im Bereich der Life
Sciences erschliessbar.
Informatikdenken in anderen Disziplinen
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Medizin
Neben der Entwicklung neuer Medikamente für bisher als
unheilbar geltende Erkrankungen steht die Entwicklung neuer
schonender apparativer Methoden im Fokus der Forschung.
Beispielsweise werden bei Hyperthermieverfahren mittels
Mikrowellen Krebszellen kontrolliert auf 43 Grad erwärmt,
wodurch diese sterben. Bei ungenügender Eingrenzung sterben
auch gesunde Zellen. Genau hier setzt die Informatikanwendung
an. Aufgrund tomografischer Untersuchungen entsteht ein
Modell des Tumors, Berechnungen minimieren das Absterben
gesunder Zellen, der Patient kann schonend behandelt werden.
Interdisziplinäre Forschung und Entwicklung durch Mediziner,
Informatiker und Technikfirmen können so zu bezahlbaren
neuen Verfahren im Gesundheitswesen führen.
Relevanz für die Schweiz:
Sicherung des hohen Niveaus der
medizinischen Versorgung. Wertschöpfung durch Steigerung der
wirtschaftlichen Tätigkeit im Bereich Medizininformatik.
Soziale Netzwerke
Soziale Netzwerke haben sich zu wichtigen Kommunikations-
plattformen entwickelt. Dass diese sozialen Netze Segen
und Fluch zugleich sind, wird vielen erst schrittweise klar.
Einerseits sind sie wahre Fundquellen, aus denen viel Positives
ableitbar ist, andererseits sind sie auch gefährliche Öffentlich-
keitsausgänge für Privates. Hier besteht Klärungsbedarf für
die Betroffenen, was schon früh in der Schule thematisiert
werden kann. Darüber hinaus wird die Untersuchung sozialer
Netze aber auch immer mehr ein Forschungsgegenstand.
Sind etwa aus dem geschäftlichen E-Mail-Datenverkehr
betriebliche Warnsignale ableitbar? Untersuchungen zum
Scheitern der US-Firma Enron geben Ansatzpunkte hierzu. Die
moderne Informatik hat hier fruchtbares Neuland betreten.
Relevanz für die Schweiz:
Der Umgang mit öffentlich zu-
gänglichen Daten (auch Open Government Data OGD) und mit
Analysewerkzeugen wird wichtiger.
Tab.7
Beispiele rechnergestützter Methoden in Forschung und Entwicklung
Informatikdenken in anderen Disziplinen
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