Im Folgenden wird die Klasse der grundlegenden Konzepte der Informatik beschrie
ben. Diese Klasse umfasst solche Konzepte, die zur Einführung eines fundamenta
len Teilgebiets der Informatik geführt haben – genannt die fundamentalen Konzep
te. Zu jedem Konzept werden mögliche Lehrinhalte im Rahmen des Grundlagenfachs
Informatik aufgezeigt. Diese Inhalte sollen den Schülern und Schülerinnen ein
tieferes Verständnis der jeweiligen Thematik vermitteln. Als optionale Möglichkeit
wird zusätzlich auch fortgeschrittener Lehrstoff angesprochen.
Die Abbildung 3 illustriert, mit welchen Teilgebieten der Informatik und der
Mathematik die vorgestellten Konzepte zusammenhängen. In der Mitte der Grafiken
befinden sich jeweils die beschriebenen fundamentalen Konzepte. Auf der linken
Seite stehen jene Teilgebiete der Mathematik, die das notwendige Vorwissen und
die benötigten Methoden bestimmen. Auf der rechten Seite sind jene Teilbereiche
der Informatik dargestellt, für die diese Konzepte grundlegend sind. Die Bereiche
bieten konkrete und motivierende Aufgabenstellungen, anhand derer die Konzepte
verständlich entwickelt werden können. Die Aufteilung hilft nicht nur, die mögli
chen konkreten Inhalte zu definieren, sondern ermöglicht es auch, das notwen
dige Vorwissen zu berücksichtigen und geeignete Wege des Wissenstransfers zu
wählen.
Zur Identifizierung der fundamentalen Grundkonzepte der Informatik wird eine
ausführliche Definition der Informatik zu Hilfe genommen:
Die Informatik ist die Wissenschaft von der automatisierten Informationsver-
arbeitung sowie der geschützten Datenspeicherung und sicheren Datenüber-
tragung. Als Grundlagenwissenschaft untersucht die Informatik die Grenzen
der Automatisierbarkeit, die quantitativen Gesetze der Informationsverarbei-
tung und die Möglichkeiten, durch Nichtdeterminismus, Parallelisierung und
6.3
Fundamentale Konzepte
136
Konzepte und Inhalte eines Fachs Informatik
137
Randomisierung (Zufallssteuerung) schwierige Probleme effizient zu lösen. Als
Ingenieurdisziplin entwickelt sie Betriebssysteme, Informationssysteme und
Programmiersprachen zur Computersteuerung und Anwendungsprogramme
(Applikationen) für alle Bereiche menschlicher Tätigkeiten. Als Strukturwis-
senschaft unterstützt sie die Forschung in anderen Wissenschaften durch Mo-
dellieren und Simulieren von natürlichen, technischen, sozialen und geistigen
Prozessen und durch Auswerten von sehr grossen, aus Experimenten gewonne-
nen Datenmengen.
Aus der obigen Definition der Informatik und aus den Prinzipien der Informatik
(Kapitel 2) leiten sich die folgenden sieben fundamentalen Konzepte und Begriffe
ab. Nachstehend werden jeweils ein Konzept und die entsprechenden möglichen
Inhalte eines Schulfachs Informatik beschrieben. Die Reihenfolge der Konzepte ist
nicht massgebend für die Unterrichtsgestaltung.
1
Algorithmen und Grenzen der Automatisierbarkeit
Wenn für die Lösung eines mathematischen Problems ein definierbarer Algorithmus
(Rechenprozess) existiert, ist die Suche nach der Lösung automatisierbar. Aufga
benstellungen, für die keine Algorithmen existieren, benötigen für die Lösung
auch bei Computereinsatz die Mitwirkung der menschlichen Intelligenz. Mit der
Definition des Begriffs Algorithmus wird die Informatik als Grundlagenwissenschaft
begründet. Der Begriff Algorithmus durchdringt alle Bereiche der Informatik, und
er bildet die Grundlage für das Teilgebiet der Berechenbarkeit. Dieses ermöglicht
die Klassifizierung der Probleme in algorithmisch lösbare und algorithmisch unlös
bare und somit die Bestimmung der Grenze der Automatisierbarkeit.
Inhalt:
Es ist wichtig, ein gutes Verständnis des Begriffs des Algorithmus zu ver
mitteln. Dazu braucht es keine komplexen mathematischen Modelle wie zum Bei
spiel das der TuringMaschine. Eine einfache Assemblersprache genügt für eine
verständliche Definition des Begriffs. Das Thema zu vertiefen und so Probleme als
berechenbare und nicht berechenbare zu klassifizieren, ist jedoch schwierig und
kann optional unterrichtet werden. Voraussetzung dazu sind Kenntnisse in Logik
und in formalen Sprachen.
Konzepte und Inhalte eines Fachs Informatik
138
2 Berechnungskomplexität
Das Konzept der Berechnungskomplexität ist nach dem Konzept des Algorithmus
der wichtigste und grundlegendste Beitrag der Informatik zur Wissenschaft. Hier
geht es um den konkreten Rechenaufwand, der mit der Ausführung bestimmter
Algorithmen verbunden ist. Die Berechnungskomplexität beschreibt für konkrete
Probleme, wie viel Computerarbeit notwendig und hinreichend ist, um eine gesuch
te Information aus vorhandenen Daten zu berechnen. Damit kann man die Proble
me der Informationsverarbeitung nach dem notwendigen Arbeitsaufwand klassifi
zieren. Mit geeigneten Algorithmen lassen sich viele grosse Aufgaben (z. B. die
Suche in einer Milliarde Datensätze) effizient in Sekundenbruchteilen erledigen,
während die Lösung sogenannter schwerer Probleme auch mit extrem schnellen
Computern nicht in Jahrtausenden berechnet werden kann. Die Berechnungskom
plexität und somit auch der Begriff der Effizienz durchdringen alle Gebiete der
Informatik.
Die Entdeckung des Konzepts der Berechnungskomplexität führte zur Begrün
dung von zwei eigenen Teilgebieten der Informatik: Die Algorithmik beschäftigt
sich mit der Suche nach effizienten Lösungswegen (Algorithmen). Bei schweren
Problemen untersucht sie, welche Näherung der gesuchten Information aus den
vorhandenen Daten mit vertretbarem Aufwand gewonnen werden kann. Die Kom
plexitätstheorie widmet sich der Klassifizierung der Aufgabenstellungen bezüglich
des notwendigen Arbeitsaufwandes; sie untersucht Nichtdeterminismus, Parallelis
mus, Randomisierung oder sogar quantenmechanische Berechnungen mit dem Ziel,
die Rechenarbeit zu beschleunigen.
Inhalt:
Die Berechnungskomplexität kann im Rahmen des Programmierens, vor
allem aber beim Algorithmenentwurf thematisiert werden. Besonders geeignet für
eine Einführung sind Sortier und Suchverfahren, kombinatorische Optimierungs
probleme (Rücksetzverfahren) und zahlentheoretische Algorithmen (Berechnung
von Potenzen, FibonacciZahlen, Kombinationen). Voraussetzungen sind elementa
re Grundlagen aus der Analysis (Begriff der Funktion, besonders der Potenz und
Exponentialfunktionen) und der Kombinatorik. Die Berechnungskomplexität kann
auch gut an Datenstrukturen und ihren Implementationen behandelt werden.
In einem fortgeschrittenen Unterricht können allgemeine Prinzipien zum Ent
wurf von effizienten Algorithmen (z.B. «Teile und herrsche», Greedy und dynami
sche Programmierung) behandelt werden.
Konzepte und Inhalte eines Fachs Informatik
Dostları ilə paylaş: |