Informatik d indd



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Fazit:
 Diese gerade aufgezählten Gebiete fallen allesamt unter die privilegierte 
Partnerschaft von Mathematik und Informatik, wie sie in Kapitel 5.1 beschrieben 
wurde. Andererseits trägt die oben skizzierte reale Welt der Gymnasialmathematik 
heute nur wenig zu solchen Begriffsbildungen bei. Die Schlussfolgerung ist des­
halb: Ein Grundlagenfach Informatik am Gymnasium muss in enger Wechselwirkung 
mit dem Grundlagenfach Mathematik konzipiert werden.
Informatik und Mathematik


Es geht hier nicht darum, Inhalte eines Grundlagenfachs Informatik (GF Informa­
tik) zu diskutieren, die informatikseitig nicht in den Bereich der oben diskutierten 
privilegierten Partnerschaft fallen. Die zentrale Frage ist, wo die Mathematik ange­
siedelt werden soll, die im mathematischen Normalcurriculum schwach oder nicht 
vertreten ist, aber als Grundlage eines GF Informatik benötigt wird. Diese Mathe­
matik wird in den Bereich der privilegierten Partnerschaft fallen; Umfang und In­
halt werden entscheidend von Umfang und Inhalt des GF Informatik abhängen, die 
beide erst zu definieren sind. Der Einfachheit halber bezeichnen wir den in diesem 
Kapitel angesprochenen Teil der Mathematik kurz als Gymnasiale Diskrete Mathe­
matik (GDM).
Wenn man nach dem Zufallsprinzip zwölf (andere zufällig gewählte Anzahlen 
nicht ausgeschlossen!) verschiedene einführende Texte mit dem ungefähren Titel 
«Introduction to Discrete Mathematics for Computer Scientists» auf ihren Inhalt 
überprüft, wird man mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit fast überall etwas 
finden zu:
n
  Endliche und abzählbare Mengen, Induktion vs. Rekursion 
n
  Äquivalenzrelationen, Relationenalgebra
n
  Natürliche, rationale und Binärzahlen
n
  Wenig Zahlentheorie und einfache Algorithmen (wie etwa der euklidische)
n
 Kombinatorik
n
 Ordnungstheorie
n
 Graphentheorie
n
  Listen, Bäume
n
  Boolesche Algebra, Wahrheitstafeln, klassische Aussagenlogik
n
 Matrizen
n
 Komplexität
 usw.
5.5
 Modellansätze
122
Informatik und Mathematik


123
Man ergänze die Liste nach eigenem Gusto.
Davon ist im Normalcurriculum des Grundlagenfachs Mathematik – wie in Kapi­
tel 5.4 ausgeführt – nur die Kombinatorik verlässlich abgedeckt, während Induk­
tion und Rekursion etwa noch in der Ecke «Folgen und Reihen» ein Schattendasein 
fristen. Wir akzeptieren im Folgenden (im Sinne einer Arbeitshypothese) die oben­
stehende Liste als Modell für GDM. 
Die Gretchenfrage ist, wo GDM untergebracht werden soll. Drei Szenarien sind 
denkbar:
a
  im Grundlagenfach Mathematik,
b
  im neuen Grundlagenfach Informatik,
c
  verteilt auf beide.
Variante c) erscheint wenig attraktiv: Sie birgt dieselben Probleme, die in den 
1990er­Jahren die Verteilung von Informatik auf anwendende Fächer mit sich 
brachte – einfach in engerem Rahmen.
Variante a) bedingt wahrscheinlich eine Stoffaufstockung im GF Mathematik
da sich unter dem jetzt etablierten Kanon für jeden bestehenden Teil rasch eine 
argumentativ gut aufgerüstete Lobby bilden wird. Dies ruft sofort nach einer Er­
höhung der Stundendotation im GF Mathematik – was parallel zur Einführung eines 
GF Informatik entweder illusorisch ist oder mindestens die Stundendotation des GF 
Informatik aktiv gefährdet.
Variante b) erscheint am attraktivsten: Mit ihr werden dem GF Informatik ge­
wisse mathematische Inhalte übertragen. Damit sie dem üblichen Schicksal der 
Verteilung (diesmal auf bestimmte informatische Anwendungen – vgl.oben) ent­
gehen, müssten diese Inhalte explizit als mathematische ausgewiesen werden, zum 
Beispiel unter einem Titel wie GDM. Zum einen wird dadurch der Tatsache Rechnung 
getragen, dass GDM keineswegs nur auf informatische Inhalte hinzielt, sondern 
viele Bereiche des täglichen Lebens unterlegt (man denke an Sortieren, Doodle, 
Zitatenmanagement, Lexika, elektronischen Hypertext als Konkurrent des Buches, 
Taxonomie …). Zum anderen könnte GDM so vielleicht sogar die Stellung des GF 
Mathematik stärken, indem durch sie Maturandinnen und Maturanden für die Ma­
thematik abgeholt werden, die dem traditionellen Mathematikcurriculum indiffe­
rent bis ablehnend gegenüberstehen: Der Stoff kann algorithmisch nahe bei der 
Programmierung und damit sehr operationell und konkret behandelt werden. Hier 
muss allerdings darauf geachtet werden, dass nicht der sogenannte Mathematik­
frust in ein künftiges GF Informatik verschoben wird!
Informatik und Mathematik


Die folgenden Ausführungen erheben nicht den Anspruch auf eine korrekte mathe­
matik­historische Analyse. Sie sind als Gedankenspiel zu betrachten, wie sich die 
uns heute geläufige Mathematik auch auf eine andere, der Informatik viel nähere 
Basis hätte stützen können.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts geriet die Mathematik in ihre heftigste Grund­
lagenkrise seit der Eudoxos zugeschriebenen Entdeckung irrationaler (Zahlen­)Ver­
hältnisse im 4. vorchristlichen Jahrhundert. Die in ihren Grundzügen von Cantor 
am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Mengenlehre erwies sich als wider­
sprüchlich. Im Gefolge wurden Anfang des 20. Jahrhunderts verschiedene, aber 
weitgehend äquivalente Axiomensysteme für den Umgang mit Mengen vorgeschla­
gen, welche die aufgetretenen Widersprüche aus der Welt schafften, am bekanntes­
ten vielleicht das Zermelo­Fränkel­System, kurz ZF. Der Erfolg war durchschlagend: 
Mathematik stellt sich heute weitestgehend im Rahmen der Mengenlehre dar. Dabei 
werden Mengen als unspezifizierte Grundobjekte betrachtet, zwischen denen die 
Beziehung «ist Element von» bestehen kann. ZF gibt im Wesentlichen ein (endli­
ches) System von mehr oder minder intuitiven Regeln vor, die zusammen die Eigen­
schaften dieser Beziehung festlegen. Kurz (und etwas übertrieben): Die Beziehung 
«ist Element von» ist das Grundkonzept der Mathematik.
Es hätte (vielleicht) auch anders kommen können. In den 1920er­ und 1930er­
Jahren entwickelten Logiker wie Church, Curry, Kleene und Schönfinkel aus ver­
schiedenen Motiven (neue Grundlage für die Logik, Grundlage für einen Funktio­
nenkalkül) den sogenannten Lambda­Kalkül bzw. die kombinatorische Logik, die in 
enger Beziehung stehen. Grundidee ist, Funktionen als unspezifizierte Grundobjek­
te zu betrachten, die mittels einer binären Operation «wird angewendet auf» wei­
tere solche Objekte liefern. Insbesondere wird kein Unterschied gemacht zwischen 
Funktion und Argument – eine Vorwegnahme der Identifikation von Programmen 
und Daten. Diese Ideen blieben für fast 50 Jahre einem kleinen Kreis von Logikern 
5.6
  Epilog: Wie es auch hätte 
 
kommen können
124
Informatik und Mathematik


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