Seminar für allgemeine pädagogik


Interdisziplinäre Ansätze 4.1 Die Palo-Alto-Gruppe



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4. Interdisziplinäre Ansätze

4.1 Die Palo-Alto-Gruppe


Literatur

Marc, E.:/D. Picard: Bateson, Watzlawick und die Schule von Palo Alto. Frankfurt/M. 1991 (frz. Erstausgabe Paris 1984).


4.1.1 Einleitung


Eine interdisziplinäre Forschergruppe aus Palo Alto (einer Stadt in Kalifornien), bestehend aus Psychiater, Therapeuten, Psychologen und Kommunikationswissenschaftlern wurde in den fünfziger und sechziger Jahren bekannt durch eine Reihe von interdisziplinären Studien zur Psychopathologie der Kommunikation. Sie beinhalteten aufsehenerregende Thesen und Forschungsergebnisse. Die Forschergruppe entstand durch die Zusammenarbeit von Gregory Bateson und dem Psychiater Don D. Jackson. Mit ihnen arbeiteten John Weakland, Jay Haley und Richard Fisch zusammen (sowie als Auswärtiger Milton H. Erickson). Diese Namen sollen hier nur deshalb erwähnt werden, weil sie in deutscher Literatur über Kommunikationstheorie öfter zitiert werden, ohne daß nähere Hinweise auf sie als Mitglieder der Palo Alto Gruppe erfolgen.

Neben dieser von Bateson geleiteten Gruppe, die bis 1962 bestand, bildete sich in Palo Alto ab 1958 eine zweite Forschergruppe um Don D. Jackson (Marc/Picard 1991, S. 17). Jackson verfolgte das Ziel, mit der Gründung des Mental Research Institute, die Forschungsarbeit zu intensivieren. Insbesondere die Erkenntnisse zur „double bind-Hypothese“ und zur pathologischen Kommunikation in der Familie sollten für die Psychotherapie nutzbar gemacht werden. Mit Jackson arbeiteten der Psychiater Jules Ruskin und die Psychologin Virginia Satir zusammen (die nach dem Selbstmord Jacksons 1968 erste Direktorin des Esalen Institute wurde). Paul Watzlawick stieß zu dieser jüngeren Forschergruppe im Jahr 1960 hinzu. Marc/Picard (1991, S. 17 Fußn. 3) deuten an, daß Bateson eine gewisse Distanz zu dieser zweiten Forschergruppe hatte. Festzuhalten bleibt, daß die sog. „Schule von Palo Alto“ keine Einheit bildete, sondern mindestens zwei Gruppen zu unterscheiden sind.


4.1.2 Gregory Bateson


Literatur

Bateson, Ökologie des Geistes. Frankfurt 1983.

Gregory Bateson (1904-1980), in England geboren und in Cambridge promoviert, hatte Biologie studiert, bevor er ab Mitte der zwanziger Jahre zahlreiche Forschungsreisen unternahm, um ethnologische Studien zu treiben (Galapagos, Neuguinea, Bali), ab 1932 arbeitete er mit der amerikanischen Anthropologin Margaret Mead zusammen, die er 1936 heiratete. Bateson verband in besonderer Weise völkerkundlich-anthropologische Fragestellungen mit solchen der Sozialpsychologie, Psychiatrie und Politikwissenschaft (Marc/Picard 1991, S. 12). In den vierziger Jahren erwachte sein Interesse am systemischen Denken im Zusammenhang mit Kommunikation und deren Paradoxien (der „systemische“ Feedback-Begriff war damals gerade geboren worden!).

Die Systemtheorie entwickelte sich in den vierziger und fünfziger Jahren in den USA als eine fachübergreifende Disziplin, in der technische und biologische Funktionen als strukturell verwandt betrachtet wurden. Die technisch-naturwissenschaftliche Seite der Systemtheorie wurde in den vierziger und fünfziger Jahren insbesondere von Norbert Wiener, dem Begründer der Kybernetik (d.h. der Lehre von den Steuerungs- bzw. Regelungsprozessen) ausgebaut: Die Anwendung der Systemtheorie auf physiologische Vorgänge und Organismen wurde insbesondere von Ludwig Bertalanffy geleistet, der die stationären Gleichgewichtszustände (= Homöostase) offener Systeme untersuchte. Eine andere Form systemischen Denkens entwickelte sich im gleichen Zeitraum durch den Mathematiker John v. Neumann (ein Ungar, der in Göttingen 1926 mit einer bahnbrechenden Arbeit über die Theorie der Gesellschaftsspiele promovierte) und dem Wirtschaftswissenschaftler Oskar Morgenstern. Beide Wissenschaftler wandten die mathematische Spieltheorie auf wirtschaftliche Prozesse an.

Bateson nahm diese Einflüsse auf. Er leistete in anderer Weise wichtige Beiträge zur Theorie des Spiels: Die Botschaft „Dies ist Spiel!“ betrachtete Bateson als wichtigsten Bestandteil einer Spieldefinition, die deutlich macht, daß das gezeigte Verhalten - etwa Agression - nicht tödlichen Ernst, sondern lediglich spielerische Imitation von Aggression bedeute. Bateson hatte hier bei der Beobachtung des Spielverhaltens von Fischottern ähnliche Erkenntnisse wie sie Konrad Lorenz als „Beißhemmung“ bei Hunden beschrieb.

1952 nahm Bateson ein Stipendium der Rockefeller Foundation wahr, um „Paradoxien der Abstraktion in der Kommunikation“ zu erforschen. Insbesondere die durch Whitehead und Russel schon in den zwanziger Jahren ausgelöste Diskussion um das Pro­blem logischer Paradoxien nahm Bateson auf und versuchte, sie auf Kommunikati­onsformen zu übertragen (Marc/Picard 1991, S. 15 f.). Seit den fünfziger Jahren ar­beitete Bateson gemeinsam mit Don D. Jackson in Palo Alto sowie weite­ren Mitarbeitern am Veterans Administration Hospital über die Pathologie der Kom­munikation von Schizophrenen und deren Therapie; diese Forschergemeinschaft wurde dann bald die „Palo-Alto-Gruppe“ genannt; 1956 veröffentlichte Bateson seine „double-bind-Hypothese“, die ihn und die Arbeitsgruppe bekannt machte. Die Begriffe Inhalts-/Beziehungsaspekt, analoge/digitale sowie symmetrische/kongruente Kommu­nikation, die Watzlawick et al. zu zentralen Bestandteilen ihrer eigenen Kommunikations­theorie erheben, stammen von Bateson. Wesentliche Forschungsergebnisse Batesons enthält der Band „Ökologie des Geistes“ (Bateson 1983).

Tatsache ist, daß Watzlawick, Beavin und Jackson in dem Standardwerk „Menschliche Kommunikation“ Bateson zwar öfter erwähnen, aber in ihrem Band die Bedeutung Batesons für ihre eigene Darstellung m.E. unzureichend zum Ausdruck gebracht wird. Dies gilt sowohl für die theoretische Grundlegung des Werkes, die zu einem großen Prozentsatz dem Denken Batesons verpflichtet ist, als auch für die zentralen Begriffe der Theorie, die von Bateson geprägt wurden.

4.1.3 Paul Watzlawick


Paul Watzlawick, 1921 in Villach (Österreich) geboren, studierte Philosophie und Sprachen, promovierte 1949 mit einer sprachphilosophischen Untersuchung an der Universität Venedig zum Dr. phil., erhielt 1950-54 eine psychotherapeutische Ausbildung in Analytischer Psychologie am C.G. Jung-Institut in Zürich, war 1957-60 Professor für Psychotherapie an der Universität San Salvador und wirkte ab Ende 1960 als Forschungsbeauftragter am Mental Research Institute in Palo Alto (Calif.).

Schwerpunkt seiner Arbeit am Mental-Research-Institute bildeten die sprachwissenschaftliche Fundierung der Kommunikationstheorie, die Untersuchung von Paradoxien im Kommunikationsprozeß sowie die systemische Familientherapie. In Palo Alto bildet Watzlawick bald eine eigene Arbeitsgruppe. Er lernte hier die Schriften des führenden englischen Vertreters der sog. Antipsychiatriebewegung, Ronald D. Laing, kennen. Es ist einleuchtend, daß auch die Forscher von Palo Alto im weitesten Sinne zu dieser insbesondere in England und in Italien sich in den sechziger Jahren ausbreitenden Bewegung (mit starkem Einfluß auf Deutschland und Frankreich) gerechnet werden müssen. Wenn die Antipsychiatriebewegung gegenüber der traditionellen Psychiatrie und ihren „lebenslangen“ stationären Behandlungsmethoden radikale Kritik übte, so bestand die „Revolution“ der Palo-Alto-Forscher in der These (an deren Ausarbeitung Watzlawick entscheidenden Anteil hatte), daß die Schizophrenie keine unheilbare Geisteskrankheit sei, sondern eine therapierbare Kommunikationsstörung. Diese These muß aus heutiger Sicht in der Hauptsache als falsch bzw. nicht erwiesen betrachtet werden; gleichwohl hatte sie fruchtbare Nebenwirkungen außerhalb der Psychiatrie: zum einen durch die Begründung der systemischen Familientherapie, zum anderen durch die Popularisierung einzelner Beobachtungen und Theoreme der Gruppe um Watzlawick für das Alltagsverständnis von Kommunikation.

1966 gründete Watzlawick mit John Weakland, Arthur Bodin und Richard Fish das Brief Therapy Center, das einerseits als Ort der Erforschung pathologischer Kommunikationsstrukturen in Familien diente, andererseits als psychotherapeutische Einrichtung auch Therapiepraxis betrieb. Ab 1976 lehrte Watzlawick außerdem an der Stanford-University als Clinical Assoociate Professor an der Abteilung für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften.


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