Seminar für allgemeine pädagogik


Meta-Modell und Repräsentationssysteme



Yüklə 1,19 Mb.
səhifə31/40
tarix20.09.2018
ölçüsü1,19 Mb.
#69391
1   ...   27   28   29   30   31   32   33   34   ...   40

5.9.2 Meta-Modell und Repräsentationssysteme


Meta-Modell: Die erfolgreiche Analyse der verbalen Kommunikationsmuster von Perls und Satir und ihre Anwendung als allgemein lehrbare Methode wurde unter dem Namen Meta-Modell der erste Grundbaustein von NLP (vgl. Bandler/Grinder 1981). Dabei werden die oft mehrdeutigen, nicht voll verständlichen Sätze eines Sprechers (= Oberflächenstruktur der Sprache) durch gezielte Rückfragen des NLP-Trainers in ihrer eigentlichen Bedeutung geklärt. Jeder Mensch verfügt über eine Tiefenstruktur der Sprache - der Begriff stammt aus Noam Chomskys Theorie der generativen Grammatik, über die Grinder promovierte -, die ausdifferenzierte Basis für das darstellt, was der Sprecher sagen will. Die tatsächlich gesprochenen Sätze (Oberflächenstruktur) sind nicht identisch mit der Tiefenstruktur (dem eigentlichen Inhalt). Dabei treten (oft „falsche“) Generalisierungen, Tilgungen und Verzerrungen auf, die eng mit der Art der gebildeten subjektiven Überzeugungen und Glaubensgewißheiten des Sprechers zu tun haben. In einfachen Fällen geht es bei der Anwendung des Meta-Modells darum, durch Intervention - Rückfrage -, unklare, weil allzu unspezifisch gebrauchte Wörter (Substantive oder Verben) zu konkretisieren (ausführlich: O’Connor/Seymour 1998, S. 152 ff.; vgl. Chomsky 1969. S. 173). Im folgenden werden einige Beispiele der sprachlichen Klärung und Konkretisierung genannt:

Klient: „Hunde sind mir zuwider.“ Trainer: „Welche Hunde?“

Klient: „Ich habe mich wirklich bemüht!“ Trainer: „Wie haben Sie das genau gemacht?“

Klient: „Ich habe ein schlechtes Gedächtnis.“ Trainer: “Woran erkennen Sie das?

Klient: „ Ich kann das nicht!“ Trainer: „Was würde passieren, wenn Sie es täten?“

Klient: „Das macht mich richtig fertig!“ Trainer: „Was bringt Sie dazu, anzunehmen, daß...“

Manche Menschen neigen in ihrer subjektiven Sicht zu starken Verallgemeinerungen oder drücken ihre Weltsicht durch unpersönliche Negationen aus: „Man muß doch..., Man kann doch nicht... usw. NLP bietet mit dem Meta-Modell Hilfen an, die sprachliche Seite der Kommunikation hinsichtlich derartiger Glaubenssätze des Klienten zu beurteilen. Zu beachten ist dabei: Warum-Fragen sind im Meta-Modell nicht erlaubt. Sie sind generell nicht Bestandteil des NLP-Konzepts.

Das methodische Vorgehen nach dem Meta-Modell klärt die Sprachmuster und Bedeutungen, macht Einschränkungen in den subjektiven Überzeugungen sichtbar und gibt einen Einblick in die innere Verfaßtheit des Klienten. Während die nicht-direktive Gesprächsführung nach C.R. Rogers Fragen vermeidet, sind sie ein fester Bestandteil von NLP. Durch geschicktes Fragen werden Informationen gesammelt, gewünschte Zustände erreicht und Informationen gesteuert. Gezieltes Fragen ist Ausdruck des Führungsanspruchs gegenüber dem Gesprächspartners im NLP (vgl. Rückerl 1994, S. 75).



Repräsentationssysteme: Die Grundthese des Radikalen Konstruktivismus, daß der Mensch die Welt nicht an sich erfahren kann, sondern sie durch die von ihm selbst geschaffene Landkarte (engl. map) seiner Realitätssicht wahrnimmt, ist fester Bestandteil des NLP. Diese maps werden durch Sinneswahrnehmungen aufgebaut und repräsentiert - im einzelnen durch Sehen - Hören - Körperempfindungen (Fühlen) - Riechen - Schmecken:

  • Sehen (Frage: Was sehen Sie?) = Visueller Kanal

  • Hören (Frage: Was hören Sie?) = Auditiver Kanal

  • Körperempfindungen:(Frage: Was empfinden Sie?) = Kinästhetischer Kanal

  • Riechen: (Frage: Was riechen Sie? = Olfaktorischer Kanal

  • [Schmecken (Frage: Was schmecken Sie = Gustatorischer Kanal]

Die Gesamtheit der relevanten Repräsentationsformen wird mit der Abkürzung V.A.K.O (den Anfangsbuchstaben der Fremdwortbezeichnungen, siehe oben) bezeichnet. Dem Schmecken wird weniger Beachtung geschenkt, deshalb ist es nur in Klammern erwähnt. V.A.K.O. ist nicht nur eine Komponente der Intelligenz, sondern auch bedeutsam für das Aktivieren von positiven Erinnerungsbildern. Mit Hilfe der V.A.K.O.-Fragen kann das positive Erlebnis für jeden erinnerten Sinneskanal differenziert werden. Darauf wird im Zusammenhang der Ressourcen-Aktivierung noch zurückzukommen sein.

Alle die auf den „Inputkanälen“ erhaltenen Informationen werden als maps gespeichert. Alle maps, die wir in uns speichern, werden aber auch nach außen über sprachliche Mitteilungen repräsentiert. Die Sinne sowie die (nonverbale und verbale) Sprache bilden Repräsentationssysteme, die als „Outputkanäle“ des menschlichen Organismus fungieren.

Eine der wichtigsten Fragen, die sich der NLP-Trainer am Anfang stellt, lautet: Welches Repräsentationssystem wird vom Klienten bevorzugt benützt? Einige Menschen - vielleicht die Mehrzahl - können Gedächtnisinhalte z.B. besser durch Visualisierung. andere eher durch auditive Vorstellungen stützen und sie dann wesentlich besser reproduzieren; in selteneren Fällen bilden Geruchs- oder Geschmackssinn die bevorzugten Zugangskanäle zur Welt. Der NLP-Trainer findet sowohl in der Sprache als auch im nonverbalen Ausdrucksverhalten (insbesondere den Blickbewegungen) Zugangshinweise für das von Klienten bevorzugte Repräsentationssystem; beispielsweise neigt der „visuelle Typ“ dazu, bei der Schilderung eines miterlebten Überfalls zu schildern, wie der Gangster aussah und wie sein Gesichtsausdruck war - wobei der Erzählende häufig nach oben blickt. Ein ein „auditiver Typ“ würde dieselbe Situation anders schildern und seine Blicke dabei auch in eine andere Richtung lenken:

Der auditive Typ blickt bevorzugt nach rechs und links außen, während er sich erinnert. Er berichtet von dem was, er gehört hat: „Ich sprach gerade an der Kasse mit der Kassiererin. Plötzlich hörte ich einen ohrenbetäubenden Knall. Dann sagte jemand mit einer heiseren Stimme, wir sollen die Hände hoch nehmen. Zuerst sprach er ganz kontrolliert, doch dann brüllte er lauthals durch den Raum...“ (Rückerl 1994, S. 179)

Die erste Aufgabe des NLP-Trainers besteht also darin, den Klienten während des Gesprächs genau zu beobachten, Nicht so sehr was, sondern wie etwas gesagt wird, ist entscheidend: Wie werden Vorstellungen und inneres Erleben nach außen repräsentiert? Die Deutung des Ausdrucksverhalten gehen in der NLP-Literatur mit geringen Ausnahmen nicht über common-sense-Interpretationen hinaus. Zu den Ausnahmen von theoretischer Bedeutung gehört die Beachtung der Blickrichtung. Nach Bandler/Grinder (1983, S. 38) blicken die Menschen bei erinnerten visuellen Vorstellungen nach oben links, bei konstruierten (selbst ausgedachten) Vorstellungen aber nach oben rechts. Über die eigenen Wahrnehmungsmuster (insbesondere visuelle und auditive Muster) sich klar zu werden und diese Wahrnehmungsmuster dann mit bestimmten Vorstellungen zu verbinden ist ein Grundanliegen von NLP. Die Erkenntnisse Watzlawicks et al. kamen Bandler und Grinder durchaus zugute, spielen allerdings im Vergleich zum Einfluß von Bateson und dessen double-bind-Theorie eine geringere Rolle.

Die wesentlichen Anzeichen für das, was sich „innen“ abspielt, sind in nonverbalen Ausdrucksverhalten (Körpersprache) abzulesen (Mimik, Gestik, Haltung, Motorik, physiologische Veränderungen). Diese nonverbalen Kennzeichen hat der NLP-Trainer beim Klienten zu registrieren. Leitfragen der Beobachtung können zum Beispiel sein:

Wie ist die Atmung? Ruhig, langsam, tief oder unruhig, hastig, flach? Ist es Zwerchfellatmung, oder bewegt sich nur die Brust beim Atmen? Wie ist die Haltung des Körpers und des Kopfes? Kommen unbewußte, immer gleiche, sogenannte ideomotorische Bewegungen vor? Zum Beispiel ein Wippen des Fußes, ein Reiben der Hände, ticartige Zuckungen im Gesicht? Wie ist der Muskeltonus, also die Muskelspannung? Ist das Gesicht angespannt? Sind die Nackenmuskeln zusammengezogen, obwohl man es dort kaum beobachten kann? Wie blicken die Augen? Flattern die Lider oder sind sie ruhig? Sind die Augen feucht oder sehr trocken, verändert sich die Größe der Pupille? Ist die Stimme klar oder heiser, laut leise, hoch, tief, kräftig, matt? Auch die Gesichtsfarbe und die Größe der Lippen können sich verändern. Es kann zu einem Schweißausbruch kommen. (Krusche 1998, S. 70 f.)

NLP-Anwender lernen nicht nur, Inkongruenzen zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt im Verhalten ihres Gesprächspartners aufzuspüren, sondern auch geringste Veränderungen z.B. der Augenbewegungen zu registrieren. um sich über den Zustand des Klienten ein Bild zu machen. Bandler und Grinder behaupten einen diagnostizierbaren Zusammenhang zwischen der Richtung der Augenbewegung und inneren Bewußtseinsprozessen; dabei soll nicht nur sinnesspezifische Prägung der Vorstellung/Erinnerung, sondern auch die Differenz zwischen real erinnerten und gedanklich konstruierten Vorstellungen dem NLP-Anwender unterscheidbar sein - in folgender Weise (vgl. Rückerl 1994, S. 31; O,Connor/Seymour 1998, S. 71):



Blick wandert nach:

korrespondierender innerer Prozeß:

oben rechts

visuell konstruierte (ausgedachte) Vorstellung

oben links

visuell erinnerte, bildhafte Vorstellung

rechts außen

auditiv konstruierte Klänge, Geräusche

links außen

auditiv erinnerte Klänge, Geräusche

unten rechts

kinästhetische Empfindung

unten links

innerer Dialog (auditiv/digital)

Die Augenbewegungen als Zugang zu Vorstellungs- und Erinnerungsprozessen

Die bevorzugten Repräsentationssysteme des Klienten zu diagnostizieren und damit Zugangshinweise für seine Bewußtseinsprozesse zu erhalten stellt den ersten Schritt der NLP-geleiteten Kommunikation dar. Ob man von einer bestimmten Blickrichtung eindeutig auf die oben in der Tabelle bezeichneten Bewußtseinsvorgänge schließen kann, ist außerhalb der NLP-Gemeinde eher fraglich, jedenfalls experimentell nicht bestätigt worden. Die Augen als Gegenstand der nonverbalen Kommunikation deshalb nicht einbeziehen zu wollen, wäre unangemessen. Die Tatsache, daß Menschen beim erinnernden Nachdenken ebenso wie beim „inneren Dialog“ (dem stillen Mitsichselbstsprechen) ihre Augen in charakteristischer Weise „wandern“ lassen, kann durch einfache Übungen in der Dreiergruppe nachvollzogen werden und die Differenzierungsfähigkeit des Beobachtens schulen. Darüber hinaus sind durch den Einfluß von NLP eine Reihe von nützlichen Visualisierungstechniken sowohl zur Steigerung der Gedächtnisleistung als auch zur konkreten Veranschaulichung im Falle von Präsentationen entwickelt worden (vgl. Dilts 1997).



Übung zur Augenbewegung: Es werden Dreiergruppen gebildet, aufgeteilt in jeweils zwei Beobachter und einen Probanden. Einer der Beobachter stellt dem Probanden eine Erinnerungsfrage aus dem visuellen Bereich; etwa: Welche Farben/Muster hat der Bodenbelag in deinem Zimmer? (oder: Erinnere dich an eine besonders schöne Nase eines deiner Bekannten und beschreibe sie uns!) Während der Proband nachdenkt, registrieren beide Beobachter für sich die Augenbewegungen des Probanden; anschließend stellt der andere Beobachter eine Frage zur Konstruktion einer visuellen Vorstellung, etwa: Du renovierst dein Zimmer: Schildere uns, in welchen Farben du den Raum gestalten willst! Anschließend besprechen die Beobachter ihre separat notierten Beobachtungen; es findet ein Rollenwechsel statt, indem nun Fragen zur auditiven Erinnerung/Konstruktion und später nach nochmaligem Rollenwechsel zur Kinästhetik gestellt werden.

5.9.3 Kalibrierung - Pacing - Leading


Kalibrierung: Deutungen des Ausdrucksverhaltens und Feststellung der bevorzugten Sinneskanäle dienen in erster Linie der „Kalibrierung“, der Einstellung des NLP-Trainers auf den leibseelischen Zustand (die „Physiologie“) des Klienten. Der NLP-Trainer versucht dabei, gleichsam „mit geschärften Sinnen“ die Reaktionsmuster des Klienten anhand von physiologischen Auffälligkeiten zu erkennen. Ebenso registriert der NLP-Trainer das Wiederauftreten einzelner Reaktionsmuster bei bestimmten Anlässen. Mit der Kalibrierung seiner Wahrnehmung verfolgt der Trainer das Ziel, von den verschiedenen Wahrnehmungskanäle des Klienten etwas darüber zu erfahren, wie dessen Vorstellungswelt organisiert ist. Allgemein bedeutet Kalibrierung in der NLP-Terminologie: „Extern wahrnehmbare Körpersignale eines Menschen durch wiederholte genaue Beobachtung als Ausdruck von internen Vorgängen zu erkennen“ (Mohl 1993, S. 389). Eine bekannte, in der NLP-Literatur beschriebene Übung zur Kalibrierung (ausführlich: Krusche 1998, S. 73 ff.) läßt sich in Kurzform folgendermaßen beschreiben:

Ein Freiwilliger denkt zunächst an eine Person, die er sehr gerne mag. Die anderen Anwesenden beobachten ihn und kalibrieren sich auf seine Physiologie [die mit dieser inneren Vorstellung verbundenen äußerlich erkennbaren physiologischen Veränderungen z.B. in der Mimik und in der Körperhaltung; H.R.]. Dann denkt der Freiwillige an eine Person, die er gar nicht mag, und die anderen kalibrieren wiederum ihre Wahrnehmung. Jetzt haben sich die aufmerksamen Beobachter auf zwei unterschiedliche Sinneseindrücke kalibriert. Anschließend werden dem Freiwilligen Fragen gestellt: Welche Person ist größer? Welche Person ist älter? Welche Person lebt näher bei Dir? Der Freiwillige beantwortet diese Fragen nicht verbal, sondern denkt als Antwort lediglich an die entsprechende Person. Die anderen müssen anhand seiner Physiologie erraten, welche Person gemeint ist und trainieren dabei die Schärfe ihrer Wahrnehmung. (Rückerl 1994, S. 107)

Insbesondere wenn andere Menschen sich an vergangene Ereignisse oder an Gefühlszustände erinnern, wird ihr Ausdrucksverhalten dem NLP-Anwender zum diagnostischen Schlüssel für ihre innere Verfassung.

Pacing and Leading (Angleichen und Führen): Der Terminus „pacing“ (manchmal wird auch von „matching“ gesprochen) ist schwer übersetzbar ins Deutsche; eigentlich ist damit gemeint: Schrittmacher sein für andere. Die in den deutschsprachigen Übersetzungen vorfindbaren Termini für Pacing sind „Angleichen“ (Krusche 1998, S. 105 ff.), „Mitgehen“ (O’Connor/Seymour 1998, S. 51 ff.) oder „Spiegeln“ (Bandler/Grinder 1983, S. 101; Mohl 1994, S. 54); dieser Begriff des Spiegelns ist gegenüber der von Gordon und der nicht-direktiven Gesprächsführung benutzten Form des verbalen Spiegelns wesentlich erweitert, weil er sich auch auf nonverbale Aspekte bezieht. Dadurch gewinnt er eine völlig neue Qualität; „Spiegeln“ im Sinne von Rogers oder Gordon beläßt die gespiegelte Person in ihrem Zustand, will nur verbaler „Reflektor“ sein; Pacing will den Menschen formen: d.h. im Sinne einer geleiteten Kommunikation und eines verbesserten Rapports aktiv verändern. Dadurch, daß sich der NLP-Anwender verbal durch Benutzung ähnlicher Sprachmuster nonverbal durch Übernahme von bedeutsamen Anteilen der Körpersprache dem Klienten anpaßt, formt er auf diskrete Weise dessen Verhalten.

Jemanden „pacen“ meint in der Interventionsstrategie des NLP, sich in die äußere und die innere Welt des Gesprächspartners hineinzuversetzen, daß man mit ihm „mitgeht“. Dies kann auf verbalem und nonverbalem Wege geschehen. Verbal erfolgt Pacing, indem man Prädikate bzw. Begriffe wählt, die der Gesprächspartner entsprechend der Bevorzugung eines bestimmten Repräsentationssystems benutzt; im Falle eines visuellen Typs wird die eigene Sprache also durch visuelle Begriffe angereichert. Das Ziel des Pacing ist die Herstellung eines guten Rapports.

Rapport meint den Zustand eines optimalen vertrauensvollen Kontaktes und gefühlsmäßige Übereinstimmung zwischen Trainer und Klient. Ein guter Rapport ist die Grundlage jeder vertrauensvollen Gesprächs. Beide Kommunikationspartner müssen sich gut dabei fühlen. Mißtrauen und Unsicherheit machen jeden Rapport zunichte.

Nonverbales Pacing geschieht durch „Angleichen“, z.B. kann der NLP-Anwender die Körpersprache, eine bestimmte Geste oder - sehr beliebt - die Atemfrequenz des Klienten (für diesen unbemerkt) angleichen. Der Therapeut atmet dann mit gleicher Frequenz; das gilt auch für Seufzer, das Anhalten der Luft und ähnliche den Atemrhythmus betreffende Vorgänge. Dabei soll eine Synchronizität entstehen, deren Harmonie auf das Unterbewußtsein des Gesprächspartners zurückwirkt - und besonders guten Rapport bewirkt. Daß Spiegeln nicht als bloßes Nachäffen des Klienten zu verstehen ist, wird in der NLP-Literatur immer wieder betont. Falls der Klient die Absicht merkt, ist er vermutlich auch dann nicht erfreut, wenn sein Einverständnis mit der NLP-Intervention schriftlich vorliegt.

Krusche (1998, S. 107) rät, zur Vermeidung von Ungeschicklichkeiten das Pacen der Veränderungen von Gestik und Körperhaltung nicht unmittelbar, sondern mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung durchzuführen. Dann fällt die Absicht nicht auf. Eine zweite Möglichkeit der Tarnung des Pacing bildet das Überkreuzspiegeln. Es kommt in Betracht, wenn sich etwa wegen einer allzu auffälligen Gestik des Klienten ein direktes Spiegeln verbietet. Falls der Klient z.B. nach einem Zornesausbruch schnell und erregt atmet, wird ein ruhiger NLP-Trainer nicht plötzlich ebenfalls erregt atmen, sondern die Atemfrequenz des Klienten vielleicht durch synchrones Wippen seines ausgestreckten rechten Fußes pacen. Ziel ist es, Signale des Einklangs an das Unbewußte des Klienten zurückzusenden, um den Rapport zu verbessern.

Pacing dient dem NLP-Anwender als Möglichkeit der Herstellung von Rapport, um führen zu können. Pacing und Leading, Angleichen und Führen, gehen im NLP-Konzept Hand in Hand. Die prinzipielle Gleichheit der Positionen in der normalen Kommunikation unbemerkt zu vertauschen gegenüber einer Führungsrolle ist charakteristisch für die konsequente NLP-Anwendung. Jemanden führen setzt ein bestimmtes Ziel voraus. Es gibt in der interessengeleiteten Kommunikation des privaten und beruflichen Alltags natürlich immer Ziele, die es wert sind. realisiert zu werden. Im Rahmen der NLP-Konzeption wird Leading auch bedeutsam im Zusammenhang der Anwendung von Hypnosetechniken. die auf den Einfluß von Milton Erickson, dem Lehrer von Bandler und Grinder, zurückgehen. Der Übergang von Pacing zu Leading wird in der folgenden Beschreibung deutlich:

Um sich in die Wirklichkeit des anderen hineinzubegeben (Pacing), sich auf seine Welt einzustimmen, brauchen Sie einfach nur seine augenblickliche sinnliche Wahrnehmung zu beschreiben: was er fühlt, was er hört und sieht. Es wird für ihn einfach und natürlich sein, dem zu folgen, was Sie sagen. Wie Sie sprechen, ist wichtig. Sie induzieren am besten einen ruhigen inneren Zustand, wenn Sie langsam und mit einer weichen Stimme sprechen und Ihre Sprache auf den Atem des Betreffenden abstimmen.

Schrittweise werden Suggestionen eingeführt, um ihn [den Gesprächspartner; H.R.] elegant und taktvoll nach innen zu führen (Downtime), indem man seine Aufmerksamkeit auf das Innere lenkt. Alles wird in allgemeinen Begriffen beschrieben, so daß es genau die Erfahrung der Person widerspiegelt. Man sagt nicht: „Jetzt werden Sie Ihre Augen schließen und sich wohlfühlen und in Trance gehen.“ Statt dessen könnten Sie sagen: „Es ist leicht für Sie, Ihre Augen zu schließen, wann immer Sie es möchten, ... um sich noch wohler zu fühlen ... Viele Menschen finden es leicht und angenehm, in Trance zu gehen.“ Diese Arten von allgemeinen Aussagen umfassen alle möglichen Reaktionen, während das Tranceverhalten sanft eingeleitet wird. (O’Connor/Seymour 1998, S. 180 f.)

Suggestion in Form von Hypnose spielt im NLP eine wichtige Rolle, und zwar auch als Selbsthypnose. Sich selbst in einen tranceförmigen Zustand versetzen zu können ist eine wichtige Fertigkeit, die besondere Möglichkeiten zur Aktivierung von Ressourcen eröffnet. Natürlich ist auch jede Form von „autogenem Training“ in NLP integrierbar.

5.9.4 Ressourcen ankern und Reframe-Techniken


Ressourcen ankern: Die NLP-Grundüberzeugung besagt, daß alle Menschen von vornherein über jene „Power“ verfügen, die notwendig ist, um gewünschte Veränderungen jederzeit bewirken zu können. Manchmal versiegen unsere Kraftquellen, und wir müssen sie wieder reaktivieren. Andererseits verbleiben bei den meisten Menschen, so kann man annehmen, viele Ressourcen lebenslang als ungehobene Schätze im Unbewußten. Darüber hinaus können ungünstige Erfahrungen bewußte Ressourcen blockieren und verhindern, daß sie zum Einsatz kommen. Es ginge also darum, sich der eigenen Ressourcen bewußt zu werden und sie auf Dauer zielgerecht einzusetzen. Ressourcen können auch durch Trance aufgespürt oder durch Modellierung von Vorbildern erworben bzw. verbessert werden.

Ressourcen aufbauen heißt im NLP, durch Verankerung eines positiven Reiz-Reaktionsmusters eine exzellente Reaktion hervorzurrufen, die Einstellung, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen des Klienten positiv verändert. Dazu bietet die NLP-Literatur erlernbare Methoden an (Laborde 1998, S. 163 ff.; Mohl 1993, S. 137 ff.; O’Connor/Seymour 1998, S. 99 ff.).

Jeder Mensch, auch der, der momentan auf einem bestimmten Gebiet nur Mißerfolge spürt, erinnert sich an eine oder mehrere Situationen, in denen die problematisierte Verhaltenweise sich durchaus erfolgreich bewährte und der Klient sich richtig gut fühlte, weil er mit seinem Verhalten Erfolg hatte. Ein Beispiel: Ein Pädagoge, der daran verzweifelt, daß er mit den disziplinlosen Kindern im Unterricht nicht mehr zurechtkommt, erinnert sich an eine Situation, in der er pädagogische Erfolge hatte und ihm die Kinder sehr zugetan waren. Eine solche Situation wird in der Erinnerung freigelegt und durch behutsam anleitende Fragen des NLP-Trainers in ihren Repräsentationsmodi bewußt gemacht: Was haben Sie gesehen, als dieser Erfolg eintrat? Was haben Sie gehört? Was haben Sie gefühlt?

Das positive Erlebnis dieser Situation wird mit allen Repräsentationsformen rekonstruiert. Es soll in kognitiven Klarheit auf allen Wahrnehmungskanälen und in der vollen Breite des durchlebten Erfolgsgefühls für den Klienten reproduzierbar sein. Diese erfolgreiche Reaktion der erinnerten Vergangenheit wird nun mit einem neuen Stimulus verknüpft: in der NLP-Sprache heißt dies Ankern. Als Ankerreiz dient am besten ein Stimulus, der mehrere Sinneskanäle (optisch-akustisch-kinästhetisch) berücksichtigt, z.B. die Vorstellung, sich in einen farbigen Kreis zu stellen und dabei ein festgelegtes Codewort im Stillen auszusprechen (vgl. Laborde 1998, S. 168 f.). Der Anker muß jedenfalls ein außergewöhnliches Symbol darstellen, und er sollte ohne Schwierigkeiten aktivierbar sein.

Falls jenen Pädagogen in unserem Beispiel während des Unterrichts - oder in einer anderen Krisensituation - wieder einmal starke Selbstzweifel befallen, reaktiviert er den Anker: Er stellt sich in den gedachten farbigen Kreis und spricht im Stillen das Codewort. Auf diese Weise wird die Erfolgssituation der Vergangenheit als Ressource aktiviert. Die geankerten positiven Gefühle werden freigesetzt. Das dadurch gesteigerte Selbstvertrauen gibt dem Pädagogen die Möglichkeit, sein Problem souverän zu lösen. Auch das Ankern und Wiederfreisetzen negativer Gefühle ist wichtig. Ein schwaches Ich fühlt sich in bestimmten Situationen negativen Gefühlen oder Ängsten hilflos ausgesetzt. Können aber die unangenehmen Empfindungen über die Technik des Ankerns durch das Ich beliebig „an- und ausgeschaltet“ werden, unterstehen sie der Kontrolle des Bewußtseins.

Das Herstellen eines Ressourcen-Zustandes durch Ankern einer positiven oder negativen Erfahrung ist auch ohne Trainer-Anleitung möglich. Es sollte zunächst in Situationen ohne Problemanlaß trainiert werden. Wenn in unproblematischen Situationen die Herstellung des Ressourcenzustandes immer wieder mühelos gelingt und die Selbstbeobachtung die positive Veränderung der Befindlichkeit registriert, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß die Freisetzung des Ressourcenzustandes in Problemsituationen in gleicher Weise Erfolg hat. Es ist nur konsequent, wenn die NLP-Philosophie den erfolgreichen Prozeß des Ankerns von Ressourcen generell empfiehlt. Man kann beispielsweise fünf ressourcehaltige Erlebnisse auf je einem Finger einer Hand ankern, die bei Bedarf abrufbar sind, kann, um „Power“ zu tanken. Jedes große Erfolgserlebnis bietet die Möglichkeit, es sogleich zu ankern, um zum gegebenen Zeitpunkt den Anker wieder aktiv als abrufbare positive Erfahrung zu aktivieren.



Bandler und Grinder (1983, S. 101 ff.) entwickelten ihre Therapie, indem sie bei Klienten die als positiv erlebte Erfahrung durch Berührung einer bestimmten Körperstelle ankerten. Dasselbe geschieht - an einer anderen Körperstelle - mit einer negativen Erfahrung. Man kann dann die positive Erfahrung (die dem Therapeuten inhaltlich nicht mitgeteilt wird) wachrufen und die in der Erinnerung als unbewältigt und negativ eingestufte Erfahrung als Instrument der eigenen Vorstellung benutzen, um die Negativerfahrung positiv zu verändern. Diese neue Erfahrung der „inneren“ Bewältigung einer zuvor immer als negativ erlebten Situation wird schließlich verbunden mit dem Kontext gegenwärtiger Realität, so daß in der Realität ab sofort eine bestimmte Situation angstfrei erlebt wird, die bis dahin angstauslösend war. Das Ankern durch Körperberührung wird von Bandler und Grinder als eines der universellsten und wirksamsten Mittel therapeutischer Beeinflussung betrachtet.

Reframing: Ein weiterer Weg, negative Erlebnisse in positive umzuwandeln oder stark zu relativieren, besteht darin, für sie einen neuen Bezugsrahmen (engl. frame) mit positiver Bewertung zu wählen. Diese Technik heißt Reframing und ist auch im Alltag ohne NLP durchaus geläufig: Bekanntlich kann man auch aus der schlechtesten Situation das Beste machen, indem man die Sichtweise ändert. Je nachdem, ob eine problematische Inhaltskategorie (Bedeutung) oder aber ein problematischer Kontext ersetzt werden soll, spricht man von Inhalts- oder von Kontextreframing. Da es in der NLP-Philosophie kein absolut negatives Verhalten gibt, muß jedes Verhalten, auch wenn es dem Klienten noch so störend erscheint, in irgendeiner Hinsicht positive Seiten haben. Diese Seiten gilt es herauszufinden. Reframing ist besonders wichtig, wenn es darum geht, defizitäre bzw. störende „Glaubenssätze“ zu verändern (vgl. Jochims 1995). Viele Menschen verfügen über negative Glaubenssätze, beispielsweise:

  • Ich kann nicht ..., auch wenn ich’s immer wieder versuche;

  • Ich bin viel zu ...,

  • Ich bin oft unglücklich, daß ich mit ... nicht aufhören kann.

Gehen wir einen Schritt zurück zum Abschnitt „Selbstkonzept“ (Abschnitt 5.3.1): Die Übung 3 in Abschnitt 5.3.1 war nichts anderes als ein Bedeutungsreframing: Jede als problematisch eingeschätzte Eigenschaft im eigenen Verhalten kann von den anderen Teilnehmern der Gruppe positiv in verschiedener Hinsicht umgedeutet werden. Es ergeben sich dabei für viele Menschen erstaunlich neue Einsichten verbunden mit einer Hebung des Selbstwertgefühls. Für das Inhaltsreframing sind Fragen leitend wie:

  • Was könnte dies noch bedeuten?

  • Was ist der positive Wert dieses Verhaltens?

  • Wie könnte ich dieses Verhalten noch beschreiben? (O’Connor/Seymour 1998, S. 204)

Das Kontextreframing erreicht eine Veränderung einer negativ indizierten Eigenschaft dadurch, daß Situationen und Gelegenheiten bedacht werden, in denen diese Eigenschaft entweder ihren negativen Charakter verliert oder aber sogar positive Züge annimmt. Negative Selbstzuschreibungen des Musters „Ich bin viel zu ...“ sind für Kontextrefraiming besonders gut geeignet, weil darin die versteckte Behauptung enthalten ist, dies gelte für alle nur denkbaren Situationen. Es lassen sich aber für die meisten Eigenschaften spezielle positive Kontexte finden, die keineswegs mit dem negativen Allgemeinurteil übereinstimmen: Nehmen wir an, jemand klagt: „Ich bin viel zu langsam, viel zu vergeßlich, viel zu dumm!“ so können folgende Kontexte diese drei Negativzuschreibungen positiv verändern:

Langsam: Wer langsam ist, verliert in Streßsituationen nicht den Kopf! Viele Mathematiker sind ausgesprochen langsam in ihrer Psychomotorik, aber denken sehr komplex und sehr genau! Auch Kreativität hat nichts mit Schnelligkeit zu tun, sondern mit Ideenfindung und Umstrukturierung! Präzisionsarbeiten erfordern unter Umständen eine besondere Art von zielbewußter Langsamkeit.

Vergeßlich: in Situationen, in denen man auch die Kränkungen anderer vergißt, ist Vergeßlichkeit nur positiv zu sehen. es käme sogar darauf an, so vergeßlich zu werden, daß man auch die eigene Vergeßlichkeit vergißt.

Dumm: Im Zusammenhang der Bewertung der Theorie von Goffman erwähnten wir den Humanisten Erasmus von Rotterdam schrieb 1509/11 und seine Abhandlung „Lob der Torheit“. Detalliert stellte er dar, wie sehr die Einfalt des Herzens Anlaß habe, die vielen Eitelkeiten und Schändlichkeiten der Klugen dieser Welt zu meiden! Auch wenn man dieses Werk als Satire zu lesen hat: dort, wo heute wissenschaftlicher Fortschritt als Leistung höchster Intelligenz Triumphe feiert, ist auch das Risiko- und Konfliktpotential ein Stück gewachsen. In deiner überschaubaren Welt kannst du als einfacher Mensch glücklich sein. Du bist jenen Problemen der Überbelastung vieler „klugen“ Menschen nicht ausgesetzt. Zeitdruck, Entscheidungszwang und Kommunikationsstörungen sind für dich keine Probleme. Du kommst in deiner Welt zurecht - viele „kluge“ Menschen kommen mit ihrem Leben nicht mehr zurecht, wenn es nicht um das Denken, sondern um das Fühlen und das soziale Miteinander geht: Du hast ein gutes Gefühl, bei allem was du tust.

Kontextreframing hat es mit den Fragen zu tun:



  • Wann, wo, in welcher Situation wäre dieses Verhalten nützlich?

  • Wann, wo, in welcher Situation wäre es eine Ressource?

  • Wann, wo, in welcher Situation erspart es „Kosten“ (Konflikte, Entscheidungen, Probleme)?

Meine These lautet: Eine wirksame Verhaltensänderung ist mit dem einfachen Refraiming nicht zu erreichen, ja manchmal sind die positven Gegenbeispiele, die gefunden werden, nicht frei von einem satirischen Unterton. Wenn aber das positive Reframe-Angebot in Richtung Witz, Satire oder Märchen geht (vgl. Krusche, S. 189), dann bewirkt das eher ironische Distanz beim Klienten, nicht aber die gewünschte Identifikation. Alles in allem ist das einfache Refraiming, egal ob kontext-, oder inhaltsbezogen, nur eine Demonstration veränderter Sichtweisen. Demonstriert wird vor allem, daß wir unter Zuhilfenahme unserer Phantasie neue interessante Wahlmöglichkeiten für eine negative Selbstzuweisung erschließen. Dies ist mehr, als unsere inneren Glaubenssysteme uns weismachen wollen, bwirkt aber, für sich genommen nicht schon die Löschung negativer Überzeugungen oder die Lösung der Lebensprobleme, mit denen wir zu tun haben.

Um Verhaltensänderungen zu bewirken, ist die Reframe-Technik von Bandler und Grinder in mehrere Schritte ausdifferenziert worden; hierbei werden auch Gestaltungselemente aus der Gestalttherapie (F. Perls) benutzt. Wenn ein Klient Angst verspürte, ließ Fritz Perls den Klienten in Form eines Rollenspiels mit der Angst sprechen; anschließend kann durch Rollenumkehr der Klient in die Rolle der Angst schlüpfen und dem eigenen Ich drohen. Wenn es der Angst (deren Rolle auch durch eine andere Person wahrgenommen werden kann) trotz stärkster Drohungen nicht mehr gelingt, dem Klienten „Angst“ einzujagen, ist ein wesentlicher Schritt im gestalttherapeutischen Prozeß getan. Die Rollenstruktur dieses Verfahrens hat das NLP-Konzept ausgebaut.

Bandler und Grinder übernahmen die von Freud stammende (und auch von Perls in Rechnung gestellte) Idee des Krankheitsgewinns: Jede neurotische Störung widersetzt sich deshalb so hartnäckig einer Veränderung, weil die neurotische Person nicht nur leidet, sondern gleichzeitig auch in irgendeiner Weise von der Verhaltensstörung profitiert. NLP greift diesen Gedanken so auf, so daß das neurotische Symptom personifiziert und als Teilpersönlichkeit ernst genommen wird: In Form eines stillen Dialogs wird nicht nur die positive Seite des störenden Persönlichkeitsteils gewürdigt und Dank für seinen „Dienst“ ausgesprochen, sondern auch seine Zustimmung eingeholt, daß das von ihm produzierte (negative) Verhalten ab sofort durch Verhaltensalternativen ersetzt wird, deren Steuerung ein anderer Teil der Persönlichkeit (das gesunde und kreative Ich) übernimmt. War Perls’ Technik eine Art Rollenspiel, so vervollkommneten Bandler und Grinder sie zu einem richtigen innerpsychischen „Personenkult“.

Im Rahmen des NLP-Grundmodells der Verhalensänderung (es gibt auch erweiterte Modelle) sind die folgenden sechs Schritte zu tun:



  1. Problemverhalten x bestimmen.

  2. Kontakt mit dem Teil X der Pesönlichkeit aufnehmen, der das Problemverhalten erzeugt.

  3. Positive Funktion Y des Problemverhaltens x erfragen. (Dieser Schritt wird manchmal als Unterscheidung zwischen Absicht und Verhalten oder als Trennung von Bewußtem [Verhalten] und Unbewußtem [Absicht] bezeichnet.)

  4. Kontakt mit dem kreativen Teil der Persönlichkeit aufnehmen und Verhaltensalternativen erbitten, die die positive Funktion Y ebenfalls erfüllen können.

  5. Den Teil X ersuchen, die Verantwortung für die Umsetzung der Verhaltensalternativen zu übernehmen. ...

  6. Einwände gegen die neuen Verhaltensalternativen überprüfen. .... (Mohl 1993, S. 214).

Das Six-Step-Framing wird bevorzugt eingesetzt für die Veränderung unerwünschten Verhaltens, wenn es in der Form auftritt: „Ich möchte gerne [z.B. als Redner öffentlich auftreten], aber etwas [z.B. mein Lampenfieber] hält mich davon ab.“ Oder: „Trotz meines festen Vorsatzes dies nicht zu tun [z.B. Alkohol zu trinken], tue ich es doch immer wieder!“ Ziel ist immer, unerwünschtes Verhalten durch ein Mehr an Verhaltensoptionen zu ersetzen. Dabei muß am Ende des Reframingprozesses (Schritt 6) auch das gesamte leibseelische System befragt werden, ob alle seine Teile mit der Neuregelung einverstanden sind. Über eine ähnlich originelle Technik verfügt NLP im Zusammenhang mit der Löschung von phobischen Ängsten.

5.9.5 NLP-Kommunikation


Was leistet NLP für die Verbesserung der Kommunikation? Präsentiert wird nicht ein ausdifferenziertes Theoriegebäude, sondern ein Raster vieler praktische Ratschläge, die sich zum größten Teil aus dem vorigen Abschnitt ableiten lassen:

Kommunikation ist das Ergebnis der wechselseitigen Reaktion der Kommunikanten auf die vom jeweiligen Anderen wahrgenommenen Reize. Entscheidend ist primär nicht der Inhalt der Kommunikation, sondern die Botschaft, die mit ihr mit einem kongruenten - gegebenenfalls auch inkongruenten - nonverbalen Kontext (Körpersprache) vermittelt wird. Zwischen der Absicht der Mitteilung einer Information bei A und der Reaktion von B können bei inkongruenter Kommunikation - aber auch bei wechselseitiger Unkenntnis der individuellen Kommunikationsstile - erhebliche Diskrepanzen auftreten.

Notwendig ist, daß man die Effektivität der Kommunikation nicht nur von der eigenen Sichtweise oder von der Sichtweise des Gesprächspartners her betrachtet: man sollte auch „die 3. Position“ einnehmen können; die Position eines unbeteiligten Zuhörers, der das gesamte Gespräch aus einer neutralen Perspektive beobachtet. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn Gespräche und Diskussionen in der Öffentlichkeit stattfinden, weil das Urteil des Zuhörers über die Absichten der Gesprächspartner und die Qualität ihrer Präsentation noch einmal differiert von den Urteilen der beiden Kommunikanten (vgl. Dilts 1997, S. 132).

Die Kommunikation des NLP-Anwenders beginnt bei der Herstellung eines guten Rapports mittels Pacing, während gleichzeitig beim Gesprächspartner die drei zentralen Komponenten seines Verhaltens registriert werden:



  • die bevorzugten Wahrnehmungskanäle (um die eigenen Repräsentionssysteme darauf einstellen zu können);

  • die produzierten Sprachmuster (um neben den inhaltlichen Botschaften und Absichten die zugrunde liegenden Glaubenssätze und den Kommunikationsstil zu erkennen);

  • die nonverbale Kommunikation (einschließlich deren Kongruenz mit der verbalen Sprache).

NLP geht davon aus, daß alle Fertigkeiten für optimale Kommunikation erlernbar sind. Die eigentliche Domäne der NLP-Kommunikation ist keineswegs die Psychotherapeutie, sondern die Optimierung des Verhandelns, der erfolgreichen Konfliktlösung und der Interessenwahrnehmung in allen relevanten Lebensbereichen.

Hier lautet die erste Regel: Die Betonung der Gemeinsamkeiten in der Zielsetzung gegenüber dem Verhandlungspartner ist effektiver als die Betonung der unterschiedlichen Interessenlagen. Die zweite Regel lautet: Sich in die Situation des anderen versetzen und dessen Handlungsspielraum zu kennen ist effektiver als von einer Position der Stärke (oder Schwäche) aus zu operieren. Man kann diesen zweiten Grundsatz auch als Fähigkeit zur Empathie bezeichnen: die Fähigkeit, im eigenen Handeln die Interessen des anderen zu berücksichtigen.



Eines der wichtigsten Felder angewandter NLP-Kommunikation ist zielgeleitete Kommunikation für Führungskräfte. Laborde (1998, S. 4 ff.) unterscheidet 10 Fertigkeiten zielgeleiteter Kommunikation, die in Verbindung mit den Hinweisen weiterer NLP-Autoren wie folgt zusammengefaßt werden (vgl. Ulsamer 1991; Rückerl 1994):

  1. Wissen, was Sie wollen“ (Zielorientierung statt Problemorientierung)

    Eine klare Zielvorstellung bedarf der sorgfältigen Überlegung. Machen Sie Ihre Zielvorstellung möglichst attraktiv - sowohl in der Präsentation dieses Ziels als auch von der Interessenlage des Gesprächspartners her; nutzen Sie dabei sensorische Daten (Sehen - Hören - Fühlen) und formulieren Sie Ihr Ziel eher handlungsorientiert als theoretisch-abstrakt.

  1. Ihr bevorzugtes Sinnessystem kennen und das Ihres Partners kennenlernen“

Achten Sie auf die Sprache des Partners (insbesondere auf sinnesspezifische Worte) und versuchen Sie festzustellen, ob er er den visuellen, auditiven oder kinästhetischen Wahrnehmungskanal bevorzugt. Gleichen Sie sich mit Ihren Antworten dem Sinneskanal des Partners an. Ihre eigene Sprache wird dadurch abwechslungsreicher, und Sie werden bemerken, daß Sie die Kommunikation des Partners besser verstehen. Wenn Sie einen Vorschlag vorbringen, können Sie ihn z.B. verstärken mit der Nachfrage: „Wie sehen Sie das?“ (visuell), „Wie hört sich das an für Sie?“ (auditiv) oder „Was haben Sie für ein Gefühl dabei?“ (kinästhetisch)

  1. Den Rapport durch Matching der Stimme und des Atemmusters Ihres Partners steigern“ (Pacing)
    Versuchen Sie, sich dem Rhythmus der Stimme des Partners und seinem Atemrhythmus subtil anzugleichen; das letztere ist meistens schon eine Folge , daß Ihnen ersteres gelingt. Dadurch erhöht sich der Rapport.

  2. Das bevorzugte Sinnessystem Ihres Partners durch die Beobachtung der Augenbewegungen überprüfen“

Die über die Sprachmuster gewonnene Information über den bevorzugten Wahrnehmungskanal kann durch Ihre Beobachtung der Augenbewegungen des Partners noch einmal überprüft werden: visuelle Menschen bewegen während des Gesprächs die Augen nach oben (oder defocussiert), auditive Menschen nach links und rechts sowie nach links unten, kinästhetische Menschen schauen nach rechts unten.

  1. Sensorische Schärfe entwickeln - der nächste Schritt nach der sensorischen Bewußtheit“

Achten Sie während des Gesprächs auf die folgenden vier Möglichkeiten der Veränderung der Körpersprache des Partners: (1) Veränderungen der Hautfarbe, (2) kleine Gesichtsmuskelreaktionen, (3) Veränderungen der Unterlippe, (4) Schwankungen des Atemmusters. Dies sind körperliche Anzeichen, daß sich im Gesprächspartner eine Veränderung abspielt; ob es sich um erhöhte Aufregung, Ärger, Angst, Zwiespalt oder anderes handelt, ist aus diesen Anzeichen selbst nicht allein zu erschließen; zur genauen Deutung des veränderten Verhaltens müssen weitere Indizien herangezogen werden.

  1. Fragen stellen, um vage Worte zu klären“

„Versuchen Sie, in präzisen Begriffen zu sprechen und vermeiden Sie Verallgemeinerungen. Wenn der Partner in seiner Ausdrucksweise vage bleibt, stellen Sie klärende Fragen. Erkennen Sie Generalisierungen (allgemeine Glaubenssätze) in der Sprache des Partners, klären Sie diese durch ^Nachfragen. Insbesondere wenn Begriffe wie „niemals“, „immer“, „alle“, „man“ benützt werden, sind Generalisierungen im Spiel. „Präzise Fragen bringen präzise Informationen hervor und räumen viele Mißverständnisse aus“ (Laborde 1991, S. 13).

  1. Kurze Konferenzen mit erstklassigen Zielen“

Geht es um Kommunikation im Rahmen einer Konferenz mit Präsentation, bieten die PEGASUS-Prinzipien die beste Garantie, unproduktive Zeitverschwendung zu vermeiden: „Präsentieren Sie Ihr Ziel optisch - Evidenz - Gelangen Sie zu einer Übereinstimmung hinsichtlich der Ziele - Abklärung mit jeder Person - Sensorische Schärfe - Unterstützung durch die Relevanzfrage - Schlußpunkt“ (ebenda, S. 13). Das Stichwort „Evidenz“ meint: das Erreichen unmittelbarer Einsicht in die präsentierte Zielvorstellung bei allen Teilnehmern. Die „Relevanzfrage“ stellen bedeutet, weitschweifige Kommentare und Aussagen, die nicht zur Sache gehören, abzublocken. Sie fragen: „In welcher Hinsicht ist dies relevant?“ Der „Schlußpunkt“ ist eine kurze Zusammenfassung des Erreichten und die Benennung des nächstliegenden Schrittes, der zu tun ist.

  1. Konflikte auflösen“

Konflikte ergeben sich meist durch unterschiedliche Interessenlagen und Motive. Die vorsichtige oder strikte Ablehnung des Partners, einer bestimmten Bitte oder Forderung zu entsprechen, macht die Gründe und Zusammenhänge dafür meist noch gar nicht klar. So wäre der erste Schritt, die eigentlichen Motive aufzudecken, die die Meinungsdifferenz bewirken. Jeder muß Gelegenheit haben, seine optimale Vorstellung zur Sprache gebracht haben („Was wäre aus Ihrer Sicht das Beste?“ oder „Was wollen Sie?“) Sind die unterschiedlichen Motive und ihre Kontexte klar umrissen, wird gemeinsam darüber nachgedacht, wie eine bessere Lösung gefunden werden kann, die alle annähernd befriedigt. Dies kann zum Beispiel durch Reframing erfolgen, indem man eine völlig neue Perspektive der Dinge entwickelt. Die Strategie, die im Falle von Konflikten zu verfolgen ist, wird auch WIN-WIN genannt: Beide Konfliktparteien sollen gewinnen, d.h. von der gefundenen Lösung optimal profitieren.

  1. Flexibilität“

Flexibilität ist ein generelles Ziel von NLP: in den eigenen Verhaltens- und Handlungsmöglich­keiten neue Dimensionen zu erschließen, neue Möglichkeiten auszuprobieren und im Bedarfsfall immer genügend Alternativen zur Verfügung zu haben. Flexibilität ist nicht nur als Bereicherung des eigenen Lebens, sondern im Umgang mit anderen fundamental. Wünschenswert ist eine Kommunikation, die neue Horizonte erschließt.

  1. Kongruenz“

Kongruenz ist im NLP-Konzept der Terminus, der den optimalen Zustand der voll integrierten Persönlichkeit bezeichnet. Im Grunde ist Flexibilität nur ein Bestandteil von Kongruenz. Die Vor­aussetzung für optimale Kommunikation ist, daß ich mit mir selbst im reinen bin und die verschie­denen (und zum Teil widerstreitenden Teile) meiner Persönlichkeit integrieren kann. Sich selbst voll akzeptieren bedeutet,

  • die eigenen Schwächen als Chancen zum Experimentieren betrachten;

  • statt auf Problemen herumzureiten, sich mit konstruktiven Lösungen zu beschäftigen;

  • mit sich selbst und mit anderen Personen kleine Risiken eingehen im Sinne eines Vertrauensvorschusses;

  • sich selbst nicht abgeschnitten von den eigenen Kräften zu erleben, sondern alle Ressourcen optimal nutzen zu können.

Die Wirkung von Kongruenz ist in der Kommunikation so beeindruckend positiv für Kommunikationspartner „daß ihr richtiger Gebrauch genau so wichtig ist, wie die Tatsache, sie zu haben“ (Laborde 1998, S. 115). Das NLP-Konzept will solche Grundsätze nicht als eine Form der Fremdbestimmung verstanden wissen, sondern als Angebot des Selbsterprobens:

Die meisten Menschen sind bereit dazuzulernen, „wenn jemand ihnen zeigt, daß neues Wissen und Verhalten sie reicher macht. Fast alle leisten aber offen oder verdeckt Widerstand, wenn sie sich verändern „sollen“ (Ulsamer,1997, S.37).


5.9.6 Bewertung und Kritik


NLP ist heute bereits in vieler Hinsicht in das öffentliche Bewußtsein gedrungen. Dafür seien folgende Indizien genannt:

  • die Verbreitung von NLP-Literatur in hohen Auflagen, deren größter Teil sich auf ein bis drei NLP-spezifische Verlage bzw. auf Selbstverlage konzentriert;

  • die Verbreitung von NLP-Instituten (so nennen sich die privaten Praxen von NLP-Trainern) in vielen Regionen und in fast allen Großstädten sowie der Aufbau einer NLP-internen Organisationsstruktur;

  • ein breites Angebot von - keineswegs billigen - Kursen zum Erwerb von NLP-Qualifikationen (als NLP-Practitioner, NLP-Master-Practitioner oder NLP-Trainer) in einer überschaubaren Stundenzahl in Form von Intensiv- und Wochenendkursen;

  • die suggestive Sprache der NLP-Literatur, geschrieben zumeist von NLP-Trainern; die mit quasi-naturwissenschaftlich gesichertem Anspruch Hilfe verspricht (NLP „hilft uns, die Sprache des Gehirns zu verstehen und so durch eigene Kraft bestimmte Ziele zu erreichen“; Selbstwerbung für den Band von Krusche 1998, Buchdeckel)

  • eine gewisse Guru-Mentalität, die die Aussagen von Bandler, Grinder, R.B. Dilts und weiteren zum NLP-Gründerkreis gehörenden Persönlichkeiten Respekt zollt (ähnlich wie dies von der anthroposophischen „Gemeinde“ in bezug auf Rudolf Steiner bekannt ist) und NLP-Literatur, die erkennbar esoterische Ziele hat (vgl. Bernard 1996).

  • ein neues Berufsfeld für NLP-Trainer, -berater, -coachs.

NLP liegt derzeit im Trend. Es läßt sich (wiederum in Gegensatz zu Luhmanns Theorie) gut „erzählen“ und gut verkaufen. Wenn man dies alles zum Maßstab für seinen Erfolg hochrechnet, muß das einhellige Urteil lauten: NLP ist gegenwärtig das erfolgreichste Programm zur Optimierung des menschlichen Verhaltens.

Um NLP gerecht zu werden, scheint es nötig zu sein, Überlegungen Raum zu geben, die über die Wiedergabe bloßer positiver Selbstbestätigungen der NLP-Literatur hinausgehen. Zunächst ist bemerkenswert, daß auch eine Fülle anderer „Psycho-Techniken“ sich im Zeitalter von Esoterik, Spiritualität und New Age etabliert haben, die die Botschaft verkünden, Menschen helfen zu wollen. In der Folge der amerikanischen Hippie-Alternativ-Kultur hat sich seit den siebziger Jahren nicht nur NLP, sondern eine Reihe anderer Richtungen entwickelt, deren Grenzen zum Unseriösen nicht immer klar sind. Dazu schreibt Jutta Ditfurth:

„Seit den sechziger und siebziger Jahren versuchen Gurus die alternative Jugendszene, Hippies und vor allem jugendliche Umweltbewegte esoterisch zu manipulieren, sie zu disziplinierten Untertanen esoterischen Herrschaftsanspruchs zu machen. Es gehört zum Erfolgsrezept, daß die TäterInnen hierbei häufig im alternativem Outfit auftreten und sich unkonventioneller Symbole bedienen. Sie knüpfen an realen Problemen an, wie Einsamkeit, sexuellen Unsicherheiten, psychischen Problemen vielfältigster Art und nutzen diese, um den Betroffenen leichte Lösungen zu versprechen. da wird Rettung verheißen, Zugang zu „magischem, höheren Wissen“, ohne sich je anstrengen und auch nur ein einziges Buch lesen zu müssen: glauben, zahlen gehorchen. (Ditfurth, Vorwort, in Goldner 1996, S. 9).

Läßt sich NLP unter diese Aussage subsumieren? Ich möchte darauf mit einem „Nein! Aber...“ antworten. Das heißt: Auch wenn man NLP zur Lösung von einer Reihe von Problemen für angemessen hält, gibt es mehr Klärungsbedarf, als NLP-Autoren einräumen. Im Prinzip ist die Gefahr eines Qualitätsverlustes, die mit der schnellen Ausbreitung von NLP im Zusammenhang mit der Ermunterung zur Selbsterprobung zusammenhängt auch von NLP-Insidern erkannt worden. So klagt Wolfgang Walker:

Innerhalb der NLP-Gemeinde ist leider die Tendenz zu einer immer weniger intensiven Beschäftigung mit den Hintergründen, Voraussetzungen und Modellannahmen des NLP zu erkennen. Sie steht in einem umgekehrten Verhältnis zur Menge der Seminarangebote, die wie Pilze aus dem Boden sprießen. Die Folge ist nicht nur eine beklagenswerte inhaltliche Verwässerung des ursprünglichen Ansatzes - auf Dauer wird dadurch auch der Glaubwürdigkeit des NLP ein schwerer Schaden zugefügt. (Walker 1998, S. 213, Fußnote 295)

Jeder, der die vorangegangenen Abschnitte über NLP las oder die NLP-Literatur kennt, würde vermutlich neben Affinitäten auch Unterschiede zwischen NLP und esoterischen Heilswegen feststellen müssen. Es wird hier zwar viel mit dem Begriff „magisch“ operiert, es gibt reichlich Suggestion und Meditation, aber es überwiegt doch ein rationaler Grundzug dort, wo auf lernpsychologischen Einsichten aufgebaut wird. Ob die in Beschlag genommenen Theoriestücke in jedem Fall das halten, was versprochen wird (d.h. für eine bestimmte NLP-Praxis zu Recht in Anspruch genommen werden), ist durchaus offen. „Erfolg“ im Sinne von Bekanntheit und Beliebtheit als Indiz für die „Wahrheit“ der behaupteten sachlichen Zusammenhänge des Verfahrens auszugeben, hat seine Tücken; der Radikale Konstruktivist wird hier allerdings keine Differenz machen; denn die Wahrheit in der Sache (die es für ihn nicht gibt) wird er nur am Erfolg messen. Es reicht dem NLP-Trainer, wenn’s funktioniert (vgl. Bandler/Grinder 1983).

Wer die Vielzahl der NLP-Publikationen versucht zu überschauen, dem muß erstens auffallen, daß einzelne deutsche NLP-Autoren gegenüber den amerikanischen Vorbildern der siebziger Jahre zum Teil neue, interessante Fortentwicklungen vorschlagen (vgl. Stahl 1992), andererseits sich auch wehren gegen die Unterstellung, alles nur nachzusprechen, was die Gurus Bandler und Grinder vor 25 Jahren sagten. So urteilt Ulsamer kritisch über ein Ausbildungsseminar von Bandler, das er besuchte: Bandler habe dabei die drei Begriffe „Ecstasy, Excellence and Money“ in den Mittelpunkt gerückt und alles negative Erleben der Teilnehmer gelöscht, aber mit dieser Methode kaum Tiefenwirkung erzielt. Ulsamer stellte sich die Frage, „ob und wie jemand seine eigene Lehre dieser amerikanischen Form von ‘Happiness’ auf Dauer lebt“ (Ulsamer 1997, S. 140). Das ist übrigens nur eine Variation jener Frage, die Luhmann (ursprünglich Helmut Schelsky) an die Adresse von Habermas stellte: Was kommt danach, wenn der Glückszustand „idealer Kommunikation“ erreicht ist?

Auf der Basis aller erreichbaren Evaluationsstudien untersuchten Grawe et al. den Dienstleistungsmarkt für Psychotherapie-Angebote hinsichtlich ihrer therapeutischen Effektivität. Während für verhaltenstherapeutische, klientenzentrierte und - innerhalb bestimmter Anwendungsbereichen - psycchoanalytische Verfahren die therapeutische Wirksamkeit als gesichert angesehen werden kann, sind andere Verfahren entweder methodisch nur völlig unzureichend evaluiert - dazu zählt die Transaktionsanalyse - oder aber bislang überhaupt nicht einer objektiv kontrollierten Wirksamkeitsüberprüfung unterzogen worden. Zu den letzteren Verfahren, denen die Autoren das Minimalkriterium für eine wissenschaftlich fundierte Therapieform mangels fehlender Wirksamkeitsstudien absprechen, gehört NLP (Grawe et al. 1995, S. 735).



    Der klinische Psychologe Colin Goldner, Leiter einer Beratungsstelle für Therapiegeschädigte in München, stellt in einer Studie eine Fülle psychotherapeutischer Verfahren im deutschen Sprachraum vor, die die Grenze zur Unseriösität berühren oder überschreiten, weil sie die Minimalkriterien für wissen­schaftlich fundierte Therapieformen nicht erfüllen, jeglicher Plausibilität entbehren oder sich bis­lang keiner stichhaltigen Wirkungsuntersuchung aussetzten. Zumindest das letztere würde für NLP gel­ten. In einer alphabetischen Auswahl-Liste der von Colin erfaßten Verfahren von „Aktualisierungstherapie“ bis „Z-Prozess-Beziehungstherapie taucht zwischen „Naikan“ und „Poesietherapie“ auch „Neuroliguistisches Programmieren (NLP)“ auf (DER SPIEGEL Nr. 53/98, S. 101).

Gegenüber der überbordenden Selbstlob-Attitüde mancher NLP-Autoren urteilt Goldner (1996, S. 249) über NLP drastisch. Er bewertet NLP als „suggestives Brimborium“ und kritisiert, daß zahlrei­che Laien-Praktiker sich im Namen von NLP an schweren psychosomatschen Störungen als selbster­nannte Heiler versuchen, ohne daß eine therapeutische Theorie im eigentlichen Sinn existiert. In der Tat: NLP ist, vorsichtig ausgedrückt, nicht theorielastig, sondern alternativ praxisorientiert. Bandler und Grinder beanstandeten die langen Behandlungszeiten klassischer Therapieformen und verspra­chen, dieselben Erfolge in wesentlich kürzerer Zeit zu leisten - unter anderem, „Phobien und andere unerfreuliche Gefühlsreaktionen in weniger als einer Stunde zu kurieren“ (J.O. Stevens, Vorwort, in Bandler/Grinder 1983, S. 14).

Da der NLP-Trainer a) von seiner Methode überzeugt ist, b) keine Defizite kennt, sondern allem nur Positives abgewinnen kann, werden ihn solche Einwände nicht beeindrucken, solange die Anmeldeli­sten für NLP-Kurse voll sind. Aus diesem Grunde konnte Kritik, wie der Hinweis auf die Dürftigkeit der theoretischen Grundlagen von NLP (vgl. Rechtien 1998, S 149; Bachmann 1991; Bremerich-Vos 1996) bislang niemanden der Ange­sprochenen erschüttern. Die empirische Befundlage spricht dafür, die Frage der therapeutischen Wirksamkeit des NLP abzukoppeln von seiner Wirksamkeit als Methode der Kommunikationsförderung. Nicht wenige Publikationen von NLP-Anhängern erwecken den Eindruck, daß NLP für sie nicht mehr nur eine pragmatisch angewandte Methode darstellt, sondern zur Lebensform geworden ist.

Eine Online-Recherche weist aus, daß zwischen 1990 und 1990 knapp 500 Titeln zum Thema NLP in deutschen Büchern und Zeitschriften erschienen sind - einige wenige kritisch, viele aber mit deutlicher Neigung zu esoterischer Praxis und Interesse an alternativen Lebenskonzepten. Hier scheint sich für NLP ein neues Feld aufgetan zu haben. Für neutrale außenstehende Beobachter ist die Gültigkeit des Behaupteten schwer einzuschätzen, wenn es um die wissenschaftliche Rechtfertigung des NLP-Konzepts geht. Wissenschaftlicher Anspruch stand für Bandler und Grinder auch nicht im Vordergrund, vielmehr ist NLP als Kunst (im Sinne von gr. techne), d.h. als ein praxisorientiertes Lehrverfahren einzuschätzen.

Man kommt möglichen Defiziten des NLP-Konzeptes vermutlich nahe, wenn man ein NLP-Grundprinzip anwendet: Es ginge darum, bei der kritischen Durchsicht von LNP-Literatur nicht darauf zu achten, was gesagt, sondern wie es gesagt wird: An welchen Punkten bei der Darstellung des NLP-Konzeptes befürchten NLP-Autoren „Mißverständnisse“, denen sie vorsorglich begegnen wollen? Für den, der Tatsachen von subjektiv produzierter „Realität“ unterscheidet, offenbaren sich hier die tatsächlich die heiklen Punkte des Konzeptes.

Untersucht man NLP-Literatur unter dieser Fragestellung, gibt es ein eindeutiges Ergebnis: Am stärksten suchen NLP-Autoren den möglichen Vorwurf zu entkräften, NLP sei - man denke an Pacing und Leading - eine Methode der Manipulation. Da die therapeutische Anwendung in der Regel eine „Arbeitsvereinbarung“ einschließt, d.h. die Zustimmung des Klienten zum Tun des Therapeuten vorliegt, ist die Frage für die nichttherapeutische NLP-Anwendung besonders interessant.

Bandler und Grinder (1983, S. 103) behaupteten schlicht, daß effektive Kommunikation nur am Pacing erkennbar sei, Pacing also generell als unbewußter Mechanismus von allen Menschen, die effektiv kommunizieren, benutzt werde; allerdings gäbe es auch Verhaltensweisen (etwa der Atemrhythmus eines Asthmatikers oder das Röcheln eines Sterbenden), die der NLP-Anwender nicht unbedingt pacen müsse. Die Therapeuten sollten sich jedenfalls keinem Zwang zum Pacen auferlegen. Pacing wird hier also wieder als eine zusätzliche Intervention (die man auch falsch machen kann) gesehen, nicht aber - wie zuvor behauptet - als Bestandteil einer gleichsam naturgegebenen Alltagskommunikation betrachtet, die jedermann vollzieht.

Die Diskussion um den Manipulationscharakter der Hypnose wurde von Bandler und Grinder in ähnlicher Weise entwertet, und zwar in zwei Schritten: Zunächst stellten sie ihre unterschiedlichen Standpunkte fest; Grinder sagte lapidar: „An dem Punkt [Hypnose; H.R.] sind wir sehr unterschiedlichr Meinung“. Denn Bandler behauptete: „Alles ist Hypnose“, während Grinder genau das Gegenteil aussprach: „So etwas wie Hypnose gibt es nicht!“ Der zweite Schritt bestand darin, daß beide eine Meta-Ebene der Verständigung fanden und sich schließlich beide auf die Behauptung einigen: „Wir glauben, daß alle Kommunikation Hypnose ist“ (Bandler/Grinder 1983, S. 125).

Im Zusammenhang des Pacing versuchen die meisten NLP-Autoren, einen möglichen Manipulationsvorwurf abzuwehren, indem sie ihn relativieren. Die gegebenen Antworten reichen von der Auffassung, bei NLP-relevanten Verhaltensstrategien handle es sich nur um Beeinflussung, nicht um Manipulation (vgl. Laborde 1998, S. 37), bis zur Behauptung, es handle sich um „effektive Fertigkeiten“, die kongruent zum Wohle aller Beteiligten eingesetzt werden. Im übrigen seien NLP-Techniken gegenüber Werten neutral. In diesem Sinne führen O’Connor/Seymour aus:

Wir nutzen ständig unsere Kommunikationsfähigkeiten, um Menschen zu beeinflussen; jede Therapie, jedes Management und jede Erziehung und Bildung umfassen Beeinflussungs- und Kommunikationsfertigkeiten. Dabei gibt es ein Paradox: Obwohl niemand daran interessiert wäre, Fertigkeiten zu lernen, die nicht effektiv sind, werden effektive Fertigkeiten verunglimpft und als „Manipulation“ etikettiert. Manipulation hat einen negativen Beigeschmack: daß man eine Person irgendwie zwingt, etwas gegen ihre Interessen zu tun.

Dies gilt sicherlich nicht für NLP, in welchem Weisheit, Wahlfreiheit und Ökologie auf einer tiefen Ebene eingebaut sind. NLP ist die Fähigkeit, auf andere Menschen effektiv zu reagieren und ihr Modell der Welt zu verstehen und zu respektieren. (O’Connor/Seymour 1998, S. 46 f.)

Rückerl (1994, S. 126 f.) räumt ein, daß Manipulation im Zusammenhang mit beruflicher Kommunikation eine große Rolle spiele, etwa beim Verkaufen eines Produktes. Ein geschickter Verkäufer könne die Wahrnehmung eines Kunden so attraktiv steuern, daß dieser mehr kauft, als er benötige. Rückerl versichert - m.E. durchaus blauäugig -, wenn der Kunde feststelle, daß ihm etwas „angedreht“ worden sei, würde er das nächste Mal sein Produkt woanders kaufen. „Nicht-ökologische“ Manipulation (wie in der NLP-Sprache Manipulation i.e.S. heißt) bringe nur kurzfristig Gewinne, während „gelungene Kommunikation“ zur „Synthese aller an der Kommunikation beteiligten Interessen“ führe (ebenda, S. 127). Tatsächlich fängt hier - jenseits der NLP-Praktiken - das scheinbar gelöste Problem erst an, wirklich eines zu werden. Wenn z.B. ein Handlungsreisender als gewiefter NLP-Anwender dem Bauern, der seine letzte Kuh schlachten mußte, durch eine überzeugende Kommunikationsleistung noch eine Melkmaschine verkaufen konnte, und der Bauer sich einigermaßen glücklich damit fühlt, dann gäbe es es für den NLP-Praktiker keinen Grund, irgend jemandem Vorhaltungen zu machen. Für seine „Welt“ ist der Bauer schließlich allein verantwortlich.

Rückerl behauptet - die Parole von Bandler/Grinder direkt übernehmend -, daß jede Art von Kommunikation gleichzeitig Manipulation sei. Der NLP-Anwender wisse eigentlich gar nicht so recht, was er alles bewirke, denn: weil man nicht nicht kommunizieren könne, gilt ebenso: „Man kann nicht nicht manipulieren“ (Rückerl).

An dieser Stelle wird nicht jedermann die NLP-Philosophie nachvollziehen wollen. Zwar kann sich Watzlawick nachträglich freuen, daß sein erstes Axiom eine derartige Aufwertung erfahren hat, aber man bedenke, was daraus folgt. Es gibt praktisch nichts, was man nicht nicht kann - und deshalb legitimiert ist, es zu tun, ja durch die Logik der Sache geradezu dazu genötigt wird: Wir müssen dies alles tun - mit NLP kommunizieren (also auch beeinflussen, manipulieren), weil wir es angeblich sowieso tun.

Rückerl spricht dann weiter von der berufsethischen Verpflichtung, daß man soviel wie möglich über Manipulation lernen müsse, der NLP-Anwender dürfe eigentlich nur „ethisch integer“ manipulieren! Demgegenüber ist festzustellen: Entweder gibt es ein ethisch problematisches Anwenderverhalten, dann ist auch eine Unterscheidung zwischen Manipulation und Nichtmanipulation zwingend. Oder aber es ist alles, was wir tun, sowieso Manipulation, dann hätten NLP-Trainer keinen Anlaß, sich gegenüber dem Vorwurf der Manipulation zu rechtfertigen. Zur Verdeutlichung des Gesagten sei der Schlußabschnitt zum Stichwort Manipulation aus Rückerls NLP-Handbuch vollständig zitiert:

Das Erlangen von Bewußtheit bietet die Chance zu ethischem Verhalten. Jede Kommunikation ist eine Manipulation. Da wir nicht nicht manipulieren können, ist es für NLP-Anwender eine berufs­ethische Verpflichtung, so viel wie möglich über Manipulation zu lernen. Nur wer die ohnehin stattfindenden Mechanismen der zwischenmenschlichen Beeinflussung verstanden hat, kann die Folgen seiner Manipulationen richtig einschätzen. Erst dann hat man eine Chance, ethisch integer zu manipulieren und dabei die Ökologie und die Würde seiner Mitmenschen zu respektieren. (Rückerl 1994, S. 127)

Hier zeigt sich ein weites Feld ungeklärter, den Privatideologien von NLP-Praktikern überlassener Grundsätze. Bei zunehmender Verbreitung von NLP kann Pacing durchaus auch Widerstand bei demjenigen wecken, der die Bemühungen des NLP-Anwenders durchschaut, und der, wenn es darauf ankäme, sich durch Offenlegung des Sachverhaltes jederzeit einen Führungsvorteil verschaffen könnte.

Es wäre allerdings unsachlich, NLP nur auf Pacing einzuengen oder irgend einem anderen „technischen“ Mo­ment im NLP-Konzept einen Sündenbock-Status zu verleihen. Das Ziel, ein größeres Reservoir an Verhaltensmöglichkeiten zu erschließen, Ressourcen zu entwickeln und sich mit neuen Lernformen neue Horizonte zu erschließen, ist human und glaubwür­dig. Damit sind aber, wie gezeigt wurde, noch längst nicht alle Fragen erledigt, die das NLP-Konzept aufwirft.

Nach Meinung von NLP-Autoren ist jedem freigestellt, mit NLP-Techniken in verantwortlicher Weise andere Menschen zu beeinflussen. Das bedeutet natürlich auch, im gewissen Sinne Macht über andere Menschen auszuüben. Milton Erickson, von dem Bandler und Grinder grundlegende Techniken der Beeinflussung lernten, lieferte in dieser Hinsicht Paradebeispiele. Erickson (vgl. Walker 1998, S. 222 f.) hatte in besonderem Maße Erfolg damit, sich an die Sprache und die Glaubenssätze anderer Menschen anzupassen, um damit tiefen Rapport herzustellen. Walker berichtet:

Er vermied, die in der Hypnose üblichen direkten Befehle und ersetzte sie durch vielfältige und elegante Methoden indirekter Beeinflussung. Der Kern dieses Vorgehens bestand in dem gezielten Auslösen erwünschter Assoziationen beim Klienten. (Walker 1998, S. 233)

Jay Haley erzählt über Erickson:

Erickson fühlte sich immer ziemlich wohl mit seiner Macht. Er scheute sich nicht, sie auszuüben oder zu gebrauchen. ... Ich denke es ist ein glücklicher Umstand, daß er bei seiner Bereitschaft, Macht auszuüben und Einfluß zu nehmen, ein wohlwollender Mann war. (Haley, in Walker 1998, S. 210)

Ob man dies von jedem Menschen, der Manipulationstechniken einsetzt, behaupten kann, ist fraglich. NLP bietet jedenfalls ein großes Beeinflussungspotential. Es käme nur an, wie und mit welchem Ziel es benützt wird. Neben der Sorge um das Mißverständnis „Manipulation“ gibt es bei den deutschen NLP-Autoren die gleichgroße Sorge, daß NLP nicht vom humanistischen Ansatz her, sondern nur von seinen „Techniken“ her begriffen werde. Diese Sorge macht etwa das „Vorwort an den deutschen Leser“ von Petzold und Stahl zum Band „Neue Wege zur Kurzzeit-Therapie“ (Bandler/Grinder 1983) deutlich. Anders als die Amerikaner stehen Deutsche - nicht zuletzt auch auf Grund besonderer historisch-politischer Erfahrungen - der „Faszination der scheinbar grenzenlosen Machbarkeit dieser ... äußerst hilfreichen ‘Technologie’“ (Petzold/Stahl, in Bandler/Grinder 1983, S. 7) vielleicht mit Skepsis gegenüber. Deshalb ist verständlich, wenn NLP-Autoren darauf verweisen, daß NLP nur in einem ganzheitlich-dynamischen Zusammenhang, nicht als bloße Technik der Verhaltensänderung, verstanden werden müsse.

Allerdings: Bezogen auf Kommunikation sind ca. 90 % der Ratschläge von NLP-Autoren ebenso in gängiger, nicht NLP anbietender Literatur zur Kommunikationsförderung zu finden (vgl. Fisher et al. 1998), während die „Techniken“ gerade das Interessante und Besondere an NLP bilden.

Obwohl sich NLP-Autoren auf Zielsetzungen der humanistischen Psychologie im allgemeinen und auf Fritz Perls im besonderen berufen, ist die Verfahrensweise von NLP eine andere als die der klientenzentrierten Beratung. Rogers hat klar zwischen nicht-direktiven (klientenzentriertenr) und direktiven Methoden unterschieden. NLP ist im Sinne von Rogers nicht klientenzentriert, sondern markiert den Übergang zwischen nicht-direktiver und direktiver Kommunikation. Rogers (1972, S. 29 f.), der vom Therapeuten höchste Zurückhaltung forderte, zählte die „Anwendung der Suggestion durch Stützen und Ermutigen“ ausdrücklich zu den alten „in Verruf geratenen Techniken“, denen er seine Methode entgegensetzte. Deshalb hat auch der Begriff Kongruenz im NLP-Konzept einen anderen Bedeutungsakzent als bei Rogers. Kongruenz als Übereinstimmung mit sich selbst ist bei Rogers eine Forderung, die das Verhalten des Therapeuten und Beraters betrifft. Im NLP bildet Kongruenz das angestrebte, noch herzustellende Zielverhalten des Klienten (der NLP-Trainer ist kongruent!). Falls der NLP-Trainer beim Klienten Inkongruenzen diagnostiziert, wird er sie - etwa auf dem Wege der unbemerkten Intervention - beseitigen:

Er greift die Inkongruenzen des Klienten auf und integriert sie in seine Vorgehensweise. Am Ende einer gelungenen Intervention sollte sich der Klient im Zustand der Kongruenz befinden. ... Wer souverän führen möchte, braucht eine kongruente Ausstrahlung. Nur ein wahrhaftiger Ausdruck kann so tief in der Seele wurzeln, daß er charismatische Kräfte weckt. Das NLP geht davon aus, daß jeder Mensch nach Kongruenz strebt. (Rückerl 1994, S.111)

Im Moment kommt niemand, der sich über Kommunikationstheorien im pädagogisch-pschologischen Bereich orientieren will, darum herum, sich mit NLP auseinanderzusetzen und das Potential ernsthaft zu prüfen, das dieses Konzept für die Veränderung von Verhalten bereithält. Eine übergreifende Fachdiskussion über theoretische und ethische Grundfragen von NLP ist zu wünschen.

Ein narrativer Schlußpunkt - rein hypothetisch: Nehmen wir an, zwei einander unbekannte NLP-Anwender versuchen, in einer für beide bedeutsamen beruflichen Entscheidungssituation über wechselseitiges Pacing sich in tiefsten Rapport zu versetzen, um anschließend zum Leading übergehen zu können. Im wechselseitigen Erkennen der intimen NLP-Vertrautheit wird jeder der beiden Konkurrenten plötzlich mit der metakommunikativen Herausforderung konfrontiert, entscheiden zu müssen, ob er so wie bisher „weitermacht“ oder ganz anders fortfährt. Das ist eine kommunikations- und systemtheoretisch interessante Frage, die in der NLP-Literatur bislang nicht diskutiert wurde. Je mehr Menschen NLP beherrschen, desto häufiger kann so etwas passieren. Der Augenblick, indem die gemeinsame NLP-Kommunikationsbasis wechselseitig zur Entdeckung kommt, ließe sich - so mein bescheidener Vorschlag - mit dem Ritus überbrücken, daß man sich halblaut-knapp mit dem Namen des besuchten NLP-Institutes sowie dem Grad der erworbenen Qualifikation wechselseitig vorstellt, um dann das Gespräch fortzusetzen. Dadurch könnte die vermeintliche Gleichheit der Kommunikationspartner wieder in Differenz aufgelöst werden. Der gedankliche Rückgriff auf Luhmann ist in dieser Situation auch durch das Theorem der doppelten Kontingenz hilfreich.


Yüklə 1,19 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   27   28   29   30   31   32   33   34   ...   40




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə