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In der Form von Leinwandgleichen erscheinen jetzt alle Waren nicht nur als qualitativ Gleiche, Werte
überhaupt, sondern zugleich als quantitativ vergleichbare Wertgrößen. Weil sie ihre Wertgrößen in einem
und demselben Material, in Leinwand bespiegeln, spiegeln sich diese Wertgrößen wechselseitig wider. Z.
B. 10 Pfd. Tee = 20 Ellen Leinwand, und 40 Pfd. Kaffee = 20 Ellen Leinwand. Also 10 Pfd. Tee = 40 Pfd.
Kaffee. Oder in 1 Pfd. Kaffee steckt nur 1/4 soviel Wertsubstanz, Arbeit, als in 1 Pfd. Tee.
Die allgemeine relative Wertform der Warenwelt drückt der von ihr ausgeschlossenen Äquivalentware,
der Leinwand, den Charakter des allgemeinen Äquivalents auf. Ihre eigne Naturalform ist die gemeinsa-
me Wertgestalt dieser Welt, die Leinwand daher mit allen andren Waren unmittelbar austauschbar. Ihre
Körperform gilt als die sichtbare Inkarnation, die allgemeine gesellschaftliche Verpuppung aller mensch-
lichen Arbeit. Die Weberei gesllschaftliche Verpuppung aller menschlichen Arbeit. Die Weberei, die
Privatarbeit, welche Leinwand produziert, befindet sich zugleich in allgemein gesellschaftlicher Form, der
Form der Gleichheit mit allen andren Arbeiten. Die zahllosen Gleichungen, woraus die allgemeine Wert-
form besteht, setzen der Reihe nach die in der Leinwand verwirklichte Arbeit jeder in andrer Ware ent-
haltenen Arbeit gleich und machen dadurch die Weberei zur allgemeinen Erscheinungsform menschlicher
Arbeit überhaupt. So ist die im Warenwert vergegenständlichte Arbeit nicht nur negativ dargestellt als
Arbeit, worin von allen konkreten Formen und nützlichen Eigenschaften der wirklichen Arbeiten abstra-
hiert wird. Ihre eigne positive Natur tritt ausdrücklich hervor. Sie ist die Reduktion aller werkliche Ar-
beiten auf den ihnen gemeinsamen Charakter menschlicher Arbeit, auf die Verausgabung menschlicher
Arbeitskraft.
Die allgemeine Wertform, welche die Arbeitsprodukte als bloße Gallerten unterschiedsloser menschlicher
Arbeit darstellt, zeigt durch ihr eignes Gerüste, daß sie der gesellschaftliche Ausdruck der Warenwelt ist.
So offenbart sie, daß innerhalb dieser Welt der allgemein menschliche Charakter der Arbeit ihren spefi-
zisch gesellschaftlichen Charakter bildet.
2. Entwicklungsverhältnis von relativer Wertform und Äquivalentform
Dem Entwicklungsgrad der relativen Wertform entspricht der Entwicklungsgrad der Äquivalentform.
Aber, und dies ist wohl zu merken, die Entwicklung der Äquivalentform ist nur Ausdruck und Resultat
der Entwicklung der relativen Wertform.
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Die einfache oder vereinzelte relative Wertform einer Ware macht eine andre Ware zum einzelnen Äqui-
valent. Die entfaltete Form des relativen Werts, dieser Ausdruck des Werts einer Ware in allen andren
Waren, prägt ihnen die Form verschiedenartiger besonderer Äquivalente auf. Endlich erhält eine besondre
Warenart die allgemeine Äquivalentform, weil alle andren Waren sie zum Material ihrer einheitllichen,
allgemeinen Wertform machen.
In demselben Grad aber, worin sich die Wertform überhaupt entwickelt, entwickelt sich auch der Gegen-
satz zwischen ihren beiden Polen, der relativen Wertform und Äquivalentform.
Schon die erste Form – 20 Ellen Leinwand = 1 Rock – enthält deisen Gegensatz, fixiert ihn aber nicht. Je
nachdem dieselbe Gleichung vorwärts oder rückwärts gelesen wird, befindet sich jedes der beiden Wa-
renextreme, wie Leinwand und Rock, gleichmäßig bald in der relativen Wertform, bald in der Äquivalent-
form. Es kostet hier noch Mühe, den polarischen Gegensatz festzuhalten.
In den Form II kann immer nur je eine Warenart ihren relativen Wert total entfalten oder besitzt sie selbst
nur entfaltete relative Wertform, weil und sofern alle andren Waren sich ihr gegenüber in der Äquivalent-
form befinden. Hier kann man nicht mehr die zwei Seiten der Wertgleichung – wie 20 Ellen Leinwand =
1 Rock oder = 10 Pfd. Tee oder = 1 Qrtr. Weizen etc. – umsetzen, ohne ihren Gesamtcharakter zu verän-
dern zu verändern und sie aus der totalen in die allgemeine Wertmeine Wertform zu verwandeln.
Die letztere Form, Form III, endlich gibt der Warenwelt allgemeingesellschaftliche relative Wertform,
weil und sofern, mit einer einzigen Ausnahme, alle ihr angehörigen Waren von der allgemeinen Äquiva-
lentform ausgeschlossen sind. Eine Ware, die Leinwand, befindet sich daher in der Form unmittelbarer
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Austauschbarkeit mit allen andren Waren oder in unmittelbar gesellschaftlicher Form, weil und sofern
alle andren Waren sich nicht darin befinden[24].
[24]Man sieht es der Form allgemeiner unmittelbarer Austauschbarkeit in der Tat keineswegs an,
daß sie eine gegensätzliche Warenform ist, von den Form nicht unmittelbarer Austauschbarkeit
ebenso unzertrennlich wie die Positivität eines Magnetpols von der Negativität des andren. Man
mag sich daher einbilden, man könne allen Waren zugleich den Stempel unmittelbarer Aus-
tauschbarkeit aufdrücken, wie man sich einbilden mag, man könne alle Katholiken zu Päpsten
mache. Für den Kleinbürger, der in der Warenproduktion das nec plus ultra[1*] menschlicher
Freiheit und individueller Un-
[1*] den Gipfel
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Umgekehrt ist die Ware, die als allgemeines Äquivalent figuriert, von der einheitlichen
und daher allge-
meinen relativen Wertform der Warenwelt ausgeschlossen. Sollte die Leinwand, d. h. irgendeine in all-
gemeiner Äquivalentform befindliche Ware, auch zugleich an der allgemeinen relativen Wertform teil-
nehmen, so müßte sie sich selbst zum Äquivalent dienen. Wir erhielten dann : 20 Ellen Leinwand = 20
Ellen Leinwand, eine Tautologie, worin weder Wert noch Wertgröße ausgedrückt ist. Um den relativen
Wert des allgemeinen Äquivalents auszudrücken, müssen wir vielmehr die Form III umkehren. Es besitzt
mit den andren Waren gemeinschaftliche relative Wertform, sondern sein Wert drückt sich relativ aus in
der endlosen Reihe aller andren Warenkörper. So ersheint jetzt die entfaltete relative Wertform oder Form
II als die spezifische relative Wertform der Äquivalentware.
3. Übergang aus der allgemeinen Wertform zur Geldform
Die allgemeine Äquivalentform ist eine Form des Werts überhaupt. Sie kann also jeder Ware zukommen.
Andrerseits befindet sich eine Ware nur in allgemeiner Äquivalentform(Form III), weil und sofern sie
durch alle andren Waren als Äquivalent ausgeschlossen wird. Und erst vom Augenblick, wo diese Aus-
schließung sich endgültig auf eine spezifische Warenart beschränkt, hat die einheitliche reltative Wert-
form der Warenwelt objektive Festigkeit und allgemein gesellschaftlcihe Gültigkeit gewonnen.
Die speizifische Warenart nun, mit deren Naturalform die Äquivalentform gesellschaftlich verwächst,
wird zur Geldware oder funktioniert als Geld. Es wird ihre spezifisch gesellschaftliche Funktion, und
daher ihr gesellschaftliches Monopol, innerhalb der Warenwelt die Rolle des allgemeinen Äquvalents zu
spielen. Diesen bevorzugten Platz hat unter den
abhängigkeit erblickt, wäre es natürlich sehr wünschenswert, der mit dieser Form verbundnen
Mißstände überhoben zu sein, namentlich auch der nicht unmittelbaren Austauschbarkeit der Wa-
ren. Die Ausmalung dieser Philisterutopie bildet Proudhons Sozialismus, der, wie ich anderswo
gezeigt, nicht einmal das Verdienst der Originalität besitzt, vielmehr lange vor ihm von Gray,
Bray und andern weit besser entwickelt wurde. Dies verhindert solche Weisheit nicht, heutzutage,
in gewissen Kreisen, unter dem Namen der "science"[1*] zu grassieren. Nie hat eine Schule mehr
als die Proudhonsche mit dem Wort "sceince" um sich geworfen, denn
"wo Begriffe fehlen,
da stellt zur rechten Zeit ein Wort sich ein".
[1*] "Wissenschaft"
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Waren, welche in Form II als besondre Äquvalente der Leinwand figurieren und in Form III ihren relati-
ven Wert gemeinsam in Leinwand ausdrücken eine bestimmte Ware historisch erobert, das Gold. Setzen
wir daher in Form III die Ware Gold an die Stelle der Ware Leinwand, so erhalten wir:
D) Geldform
20 Ellen Leinwand =