Die deutsche Gelehrtenrepublik. Ihre Einrichtung. Ihre Geseze. Geschichte des lezten Landtags. Auf Befehl der Aldermänner durch Salogast und Wlemar. Herausgegeben von Klopstock. Erster Theil



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Von verderblichen Irsalen.
Folgendes ist eins unsrer ältesten Geseze, und zu der Zeit gegeben worden, da wir nur Genossame, und noch keine Landtage hielten. Wer die wolbedachte Mischung deutscher Gutherzigkeit, und deutsches Ernstes darinn nicht sieht, der verdient kaum, daß er der Republik angehöre. Wir wollen das Gesez ganz hersezen.

Bringt wer ein Irsal in Schwang, und selbiges ist gering, so daß nur Gäuche werden, nicht aber Bösewichter, denen das Irsal behagt; so mag es ihm hingehn, und fält er nicht in Rüge deshalben, daß er die Menge der Gauch hat gemehrt: ist's aber mit nichten gemein, sondern mächtig und groß Irsal, was der Mann hat aufbracht, und kriegen die Leut dadurch bösartigen und argen Sinn; so wird ihm die Kühr vorgelegt zweyer Ding, nämlich: Er muß vor zehn Gelehrten, die da ehrsam und bider sind, frey öffentlich bekennen, und sagen, daß es ihm sey gar kärglich zu Theil worden an Hirn und Geist, und hab er eben kein sonderlich Pfündlein zu vergraben, muß ihm daher nicht verübeldeut werden sein gröblich Irsal, denn gewislich hab er kein arg habt aus dessen Anheb- und Stiftung, und nicht gewust, was er thät; das kann er kiesen. Oder er darf, bis sieben Jahr dahin und verlaufen sind, unter gelehrte Leut nicht eintreten; und mag er dann sein Wesen haben, wo da ist Trinkgelag, und allerley Gespasses, und Narrentheidung; das kann er auch kiesen.

Solche Acht über solchen Mann haben zu Schluß und Stande bracht zwölf Aldermänner, drey Zünfte, und des Volks eine gute Zahl, die einander durch den Herold hatten laden und bescheiden lassen, Rath zu pflegen über das gemeinsame Wohl.

Ist verhandelt, und in diese Rolle schrieben worden im drey und vierzigsten Jahr nach dem fünfzehnten Hundert.

Wir müssen etwas von den Genossamen sagen, die damals da noch keine Landtage waren, gehalten wurden. Im Vorbeygehn merken wir an, daß das Wort: Genossam noch jezt in der Schweiz und zwar, so viel wir uns erinnern, in Uri üblich ist, und einen Theil des Cantons anzeigt. Unsre Genossame bestanden aus so wenigen Mitgliedern, daß man, wenn einer gehalten wurde, nicht sagen konte, die Republik oder (nach dem gewönlicheren Ausdrucke der Jahrbücher) die Landgemeine wäre versammelt. Gleichwol sind verschiedne Geseze der Genossame auf den ersten Landtagen, und auch wol später, von der versammelten Republik bestätigt worden. Das macht, es waren oft kernhafte und vaterländische Männer, die in diesen alten Zeiten zusammen kamen. Unser erster Landtag war Anfangs auch nur ein Genossam. Da sich aber nach und nach die Zahl der Ankommenden immer vermehrte, so wurde dieser glükliche Zufall (wir können es wol so nennen, weil die Herolde, geschrekt durch ehmalige abschlägige Antworten, nur wenige eingeladen hatten) dieser Zufall wurde die Veranlassung die Landtage einzurichten. Nach dieser Einrichtung (die auch sonst noch vieles enthält) dürfen von den Aldermännern nur drey, auf den Zünften nur der Zehnte, und von dem Volke nur der Sechste fehlen. Eher kann der Landtag seinen Anfang nicht nehmen. Weil man vermutete, daß verschiedne Mitglieder des Volkes etwa saumselig seyn möchten, sich früh genung einzubinden; so wurde den Geschichtschreibern der Republik öffentlich befohlen, sie solten, in dem angeführten Falle, sobald ihnen die Aldermänner den Wink dazu geben würden, sagen, nach den Eingeschriebnen zu rechnen, wäre das Volk vollzählig, und zugleich bitten: Die verehrungswürdigen Aldermänner und Zünfter, wie auch das jezo versammelte gute Volk möchte es ihnen nicht zu Schulden kommen lassen, wenn sie etwa, aus menschlicher Schwachheit des Gedächtnisses, oder wol gar des Urtheils, diesen und jenen des Volkes in die Jahrbücher nicht eingeschrieben hätten.

Es wurde damals noch Eine recht gute Veranstaltung getroffen, über die man aber hernach nicht hat halten können. Sie war: Der Pöbel solte an den Gränzen bleiben, und nur alle drey Tage den Schreyer herüber schicken. Aber sie ist, wie wir schon angemerkt haben, gleich vielen andern guten Veranstaltungen in der Welt, in der Folge zu Wasser geworden.



Fragment eines Gesezes,

oder

das Gesez von der Eule,

wie es gewönlich genent wird.
Die Eule, Minervens Vogel, und die Nachtigall, Apollo's ...... Mag sie doch dazu ein Paar recht besondrer Augen im Kopfe haben, daß sie, wenn's Nacht ist .... die Dinge in ihrer wahren Gestalt ....... ja selbst das sey Afterrede, daß sie, was die liebe Sonne bescheinet .... Sogar ihre Kehle, die sie nur nicht nach Art und Weise des Gesanges .. ihr bisweilen anwandelt .... so daß auf der einen Seite gewiß mehr Friedfertigkeit .... mit gutem Bedacht derer Dinge richtige Beschauung, die bey Tage .... und ihr's etwa auch nicht einmal danach lüstete ...... bey solcher nicht zu ändernden Beschaffenheit der Menschen kein Wunder wäre ... Dieses freylich nun einmal erhaltnen, und, wo sie drauf bestünde, denn unverdienten Vorzugs halben .... wiewol in den vergangnen Zeitaltern eben diese Meinung ob gewaltet ..... Wolte man die Gränzsteine deß, was man für nüzlich hielte, so nah zusammenrücken; so könte man sogar dieß wenige Übrige mit gleichem Fug und Recht auch als überfliessig verwerfen, und dann nur das notwendige gelten lassen .... den Menschen erniedrigte, und ihn gerades Weges zur Wurzel, und zum Wild- und Fischfange, zurükbrächte ..... Wird also um dem alten Zwiespalte, der unterbrächte ..... Wird also um dem alten Zwiespalte, der unterzeiten sogar in Groll ausbricht, Ziel und Maaß zu sezen und damit nicht fernerhin vermeinte Überlegenheit und daraus entspringende Übersehung ..........

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Anmerk. Wo etliche Puncte hinter einander stehn, da sind verschiedne Zeilen manchmal wol fünf bis sechs völlig unleserlich.

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Wir haben dieß Fragment nicht weglassen wollen, ob wir gleich gern gestehen, daß wir uns nicht getrauen es so zu erklären, daß dem Leser kein Zweifel übrig bleiben könte. Wir wissen nicht, wodurch die Rolle so ist verdorben worden, daß darinn oft viel Zeilen hinter einander völlig unleserlich sind. Wir können eben so wenig errathen, warum die damaligen Geschichtschreiber der Republik das Gesez, wie sonst allzeit zu geschehen pflegt, nicht in die Jahrbücher eingetragen haben. Nach der Schreibart zu urtheilen, kann es sowol vom vorigen als vom jezigen Jahrhunderte seyn. Denn man wird bemerkt haben, daß die Gesezgeber auch in späteren Zeiten die Schreibart der früheren, in einem gewissen Grade, beybehalten haben.

Wir wollen unsre Meinung über den Inhalt dieses Gesezes sagen. Der Leser untersuche selbst, ob wir recht oder unrecht haben, oder auch, ob es vielleicht gar nicht erklärt werden kann.

In allen Jahrhunderten, (vielleicht kann man einige Zeitpunkte der Griechen ausnehmen) und unter allen gebildeten Nationen, haben gewisse Ansprüche auf den Vorzug die Gelehrten, welche sich den darstellenden Wissenschaften, und die, welche sich den abhandelnden widmeten, mehr oder weniger, heimlich oder öffentlich entzweyt. Diesem oft ungerechten Wettstreite um grössere Ehre Einhalt zu thun, scheint die Absicht dieses beynah halb verlornen Gesezes gewesen zu seyn. Man sieht leicht, welche von beyden Partheyen es gegeben habe. Es ist offenbar, daß sie damals sehr friedfertig müsse gewesen seyn; denn sonst würde sie das Gesez nicht einzuführen gesucht haben.

Wir wünschen beyden Partheyen fortdaurende Neigung zu dieser Friedfertigkeit. Denn irren wir auch in unsrer Auslegung, so scheint es uns doch ausgemacht zu seyn, daß die deutschen Gelehrten auch dadurch vor den Gelehrten anderer gebildeten Nationen einen Schritt weiter auf der grossen gemeinschaftlichen Laufbahn der Ehre thun würden, wenn sie nicht, gleich ihnen, durch stolzes Betragen gegen einander, die Bande auflösten, durch welche die Wissenschaften selbst vereinigt sind.



Der Zuruf.
Verschiedne Zünfter, und auch etliche vortrefliche Jünglinge aus dem Volke hielten 1769 eine besondre Zusammenkunft. In dieser wurde unter andern, weil das Gesez die Ausländer betreffend so lau beobachtet würde, beschlossen, auf dem bevorstehenden Landtage aus allen Kräften dahin zu streben, daß man die Mehrheit zu folgenden bekäme:

Zünfte und Volk wenden sich an die Aldermänner, und beschwören sie beym Vaterlande, daß sie es sich theure und liebe Pflicht seyn lassen, was ihnen der Herold auf dieser Rolle überreicht, und es gleich darauf öffentlich bekant machen wird.

Sie nanten es den Zuruf; und dieser lautete so:

Die Aldermänner sollen Sorge tragen, daß der Republik, durch Überschäzung der Ausländer, und Geringschäzung unser selbst, kein Unheil widerfahre.



Guter Rath der Aldermänner.
Einleitung.
Schon auf dem Landtage 1603 hat man angefangen unter dieser Aufschrift einige Bemerkungen, Warnungen, kürzere oder längere Sprüche, bisweilen nur Winke der Aldermänner, Anwalde, und Zunftältesten in die Jahrbücher zu schreiben. Aus diesen haben wir diejenigen gewählt, die uns am merkwürdigsten vorgekommen sind. Der Zeitordnung sind wir bey unsrer Samlung nicht gefolgt. Man wird dem älterem guten Rathe seine Jahre schon von selber ansehn. Freylich wird ihm von denen, die es bis zur Überfeinerung gebracht haben, dieß und jenes übel gedeutet werden; aber was kann ihm das schaden? Denn Männer, die Kern und Reife in der Seele haben, schäzen ihn doch nach seinem Werthe.

Der Tiefsinn des Meisterers.


Der Meister sezt den zwanzigsten Gedanken hin, und läst die andern alle weg, durch deren Hülfe er den hingesezten zur vollendeten Bestimmung gebracht hatte. Sein Meisterer, der sich denn doch auch gleichwol bis zu dem dritten empor geschwungen hatte, trit darauf hin, beschnizelt, verlängt, oder verkürzt jenen zwanzigsten Gedanken.

Grosser Unterschied.


Kleider machen Leute. Kleider machen keinen Mann. Scribenten, die ihre Werke so schönfarbig, und nach so modischem Schnitte kleiden, bescheidet euch immer Leute zu seyn; denn Männer seyd ihr nun einmal nicht. Zurük, Jüngling, sagte Ekhard, denn du hast es nicht recht gefast. Nakt, wie ein wilder Mann, darfst du deswegen nicht gehen.

Gemilderte Härte.


Horaz nante die Nachahmer sclavisches Vieh. Urban war das eben nicht; und auch sonst nicht so recht in der Ordnung, Denn er selbst . . (von zwanzig übrigen Versen des Alcäus zehn theils sogar nur übersezt) Um mit der Sache recht ins Gleis zu kommen, so kann Vieh immer weg bleiben; denn man behält ja an Sclaven genung übrig. Und auch dieß ist noch rauh und barsch; aber wahr ist's.

Gewönliche Regelmässigkeit.


Unrichtig angewendet, ist ein Sprichwort kein wahres Wort. Eben so angewendet, bringt die tiefsinnigste Regel eine Misgeburt hervor.

Notwendige Kentnis.


Da schwazen sie: Der eine kent die Leidenschaft; der andre kent ihre Schattierung. Wehe dem Dichter, der beydes nicht kent, wie der Bauer sein Feld, oder der Günstling den Fürsten, durch den er herscht, oder welches mit dem lezten völlig einerley ist, der Teufel die Seele, die er holt.

Vom guten Gebrauche der Sprache.


Wie dem Mädchen, das aus dem Bade steigt, das Gewand anliegt, so solt es die Sprache dem Gedanken; und gleichwol immer noch zehn Röcke über einander, und ein Wulst darunter.

Von der Entdeckung und der Erfindung.


Habe du wol acht auf den Unterschied, der da ist zwischen dem, der erfindet, und einem andern, der entdekt. Hernach kanst du folgende Fragen an dich ergehn lassen: Darf ich mich des Erfindens unterfangen? Soll ich suchen zu entdecken? oder muß ich beydes unterwegens lassen ? Wer entdecken will, siehet sich gar genau um in dem Gewimmel der Dinge, so um ihm her sind; und siehet er darinn etwas, das sonst noch Niemand hatte gesehn; so hat er entdekt. Ein solcher muß vor anderm Augen haben, und auch Feuers, und Ausdaurens genung, lang und oft hinzusehn, insonders dahin, wo ihm nun, war's auch nur noch in der Dämmerung, etwa ein Lichtlein aufgeht. Solche Flämlein pflegen immer heller zu werden, je länger man hinschaut. Meinst du, daß ein guter Weidmann, der auch nur das Ohr eines Rehes in einem Busch ist gewahr worden, raste und ruhe, er hab es denn? Wer erfindet, sezt Vorhandnes auf neue Art und Weise zusammen. Wie du nun zusammensezest, und was zulezt, hast du's bewerkstelligt, vor ein Zwek, Ziel, und Absicht daraus hervorblicken, das ist's eben, worauf es dabey gar sonderlich ankömt. Das ist nun eine grosse Schwierigkeit, und ist selbige kein solcher Knoten, da du nur könnest drein haun, und das Ding wäre dann gethan; ist ein Knoten, den du lösen must, oder dich lieber gar nicht mit selbigem befassen. Denn, wie gesagt ist, das Dreinhaun frommet da nicht. Sind manche Zusammensezungen, haben wenige und grosse Stük; müssen solche haben, weil's Zwek und Absicht also erheischen: sind wieder andre Zusammensezungen, haben viele Stük kleine und grosse; müssen sie haben, aus genanter Ursach. Sind aber auch solche, die nichts nicht haben, denn lauter kleine Stük; gebe keinen Pfifferling drum, angesehn sie untauglich Werk sind.

Von der Nachahmung.


Das Urbild ist der Baum, die Nachahmung sein Schatten; und dieser ist immer bald zu lang, und bald zu kurz, nie die wahre Gestalt des Baums. Der Jüngling. Schatten also erstlich; und dann verfehlte Gestalt? Der Aldermann. Recht, Jüngling. Schatten ohne Saft und Kraft, Bildung ohne Schönheit. Sieh nur die heilige Eiche, die edle Tanne an, und hierauf ihre Schatten. Und wenn nun vollends (der gewönliche Fall) eine ganze Baumgruppe in eine ungestalte Schattenmasse zusammen fliest.

Drey Fragen.


Wol thätest du, wenn du unter Zeiten herumwandertest in der gelehrten Geschieht, und kämest du dann vorbey bey den grossen Lichtern, die weiland glänzten und jezo sind erloschen, dich zu fragen anhübst: Warum sind ausgangen, die doch hiebevor so viel Scheines hatten? Ferner: Wie ist ihm zu thun, daß ich dereinsten nicht auch erlösche; solt's anders dahin kommen, daß der Funken, so etwa in mir ist, noch finge? Ist mancherley bey den Fragen zu bedenken, und 's komt allhie gar sonderlich auf die rechte Erforsch- und Beherzigung dessen an, was da ist wahr, und gut, und neu; was Mark hat und Kraft, was tief ergründet ist; was Gestalt hat voll Anmut, so daß Aug und Herz daran weiden möge, wer bider ist, und selbiger dadurch gelocket und entzündet werde ähnlich Werk hervorzubringen. Köntest auch noch die dritte Frag hinzufügen: Wie ist's kommen, daß ihrer etliche blieben sind, die sie vordem waren ? Müstest alsdann gar tief in ihren Sinn und Geist eindringen, und nicht ablassen, du habest denn ausforscht, was da sey ihr Leben und Weben, Lust und Liebe, Art und Eigenschaft, auch Eigenheit. Denn merke dir: Art und Eigenschaft ist gar notwendig Ding, fleugt Adlerflug; da hingegen alles, was nicht Art und Eigenschaft hat, umher flattert, und nicht weiß, wo es hin will.
Ekhards Reue.
Wer ein Mann ist, sagt nicht, was er thun will, sondern thut's .. Es verdreust mich auf mich selbst, daß ich vom Nichtreden geredet habe!

Anlegung der lezten Hand.


Deine Schrift ist vollendet. Auch mich freut's. Zu viel ausstreichen, ist Scylla; zu wenig, Charybdis. Sieh mir ins Gesicht, Jüngling! Kanst du steuren? Hast du Mut?

Zum höheren Comischen gehörig.


Ein Schauspiel, dem kein anderes gliche, wäre: Wenn ein Kurzsichtiger von Weitsehenden umgeben sie alle übersähe; und diese es aushielten, jenem die Augen nicht zu öfnen.

Die Vorlesung.


Wenn die Aussprache, die Stimme, die Kentnis, die Empfindung, und die Begeistrung einem Gedichte, das ein Gedicht ist, Hand in Hand, einen Tanz halten: so stehest du in einem Zauberkreise, und kanst da nicht eher heraus, als bis die Tänzerinnen ausruhn.

Die Stillschweiger.


Man hat sichre Nachrichten, daß noch hier und da viel Wissenswürdiges gleich verborgnen Schäzen vergraben liege. Wer den meisten neuern Untersuchern ein wenig nachspürt, der findet, daß sie, ohne auch nur Einen Schritt tief zu kommen, oben herum wühlen, viel bey ihrer Arbeit schwazen, und sich Wunder was zu seyn dünken, weil sie so bestäubt sind. Wie lächerlich werden diese Leute vollends alsdann seyn, wenn die rechten Schazgräber kommen, die kein Wort sprechen, der Raben nicht achten, aber graben.

Rohrdommels Weissage.


Laurenz Rohrdommel, der auf allen Landtagen, die wir in diesem Jahrhunderte gehalten haben, gegenwärtig gewesen ist, brachte auf dem Landtage 1733 von neuem vielerley sonderbare Dinge vor, unter andern ließ er sich so verlauten:

Ich bin kein Chiromant, oder Handgucker, aber ich bin ein Prosopomant, oder Gesichtsgucker, verstehe mich auf allerhand Prophezey aus Gebehrden und Gebehrdungen, und weiß sie dort gar genau heraus zu klauben. Wisset also, daß ich vor zwey Jahren auf einem Landtage der französischen Gelehrtenrepublik gewesen bin, und allda nach meinem Späh- und Prophezeygeiste auf Vieler Gesichtern gefunden habe, wie folget:

Bald werden die Franzosen die Wissenschaften nicht mehr verknüpfungs- und folgeweise, da eines immer dem andern die Hand beut, und es stets mehr ans Tageslicht bringt, sondern nach alphabetischer Methode vortragen, so daß sie, so lange diese Gewonheit dauert, nicht als ein wolgestalter Körper dastehn werden; wol aber als ein zerhakter und zerstükter vor den Augen der Leute herum liegen.

Hütet euch, liebe deutsche Landsleute, daß ihr nicht auch hier in die Fußtapfen der Franzosen tretet, oder gar, welches sich wol eher mit euch zugetragen hat, hinein tappet.

Diese Weissage wurde von den Zuhörern, deren er keine geringe Anzahl um sich versammelt hatte, mit lautem Gelächter empfangen; zwar auch wol deswegen, weil er sich unterstanden hatte, prophezeyen zu können; aber doch noch vielmehr aus der Ursache, weil es Unmöglichkeiten wären, die er prophezeyt hätte.

Je lauter das Gelächter wurde, mit desto grösserer Selbstgenügsamkeit strich sich Rohrdommel seinen weissen Bart, und ging nicht eher weg, als bis seine Zuhörer sich recht müde gelacht hatten.

Solte er auf unsern bevorstehenden Landtag kommen (er muß schon gegen hundert Jahre alt seyn) so wird man ihn gewiß nicht wenig anliegen, nun auch von den künftigen, hoffentlich nicht ähnlichen Vorfallenheiten unsrer Republik zu prophezeyn.

Wir müssen von Rohrdommeln noch anmerken, daß ob er gleich seit so langer Zeit auf unsern Landtagen gewesen ist, er sich doch beständig unter den dabey gegenwärtigen Ausländern aufgehalten hat, aber ohne jemals auch nur ein einziges Wort mit ihnen zu sprechen. Mit seinen Landsleuten spricht er noch wol unterweilen etwas; allein am liebsten ist er doch für sich, und hat er mit sich selbst zu thun.



Für junge Dichter.
Dreyerley vor allen Dingen, sagte ein Zunftältester zu einem Jünglinge, der ihm seine Neigung zur Dichtkunst gestanden hatte: Untersuchung des Menschen, Vorübungen, und Sprachkentnis. Wenn du den Menschen nicht kenst, wie er gewönlich ist; und wie er seyn könte, und selten ist: so weist du weder aus noch ein, wenn nun Noth an den Mann geht, das heist, wenn du den rechten, den vorzüglich, oder bisweilen allein wirkenden Punkt bey einer Vorstellung treffen solst. Doch diese Untersuchung erfodert Jahre; und du kanst, eh du sie vollendet hast, Vorübungen machen. Von Vorübungen hab ich noch nie etwas gehört. Es ändert bey der Sache nichts, daß du jezo das erstemal davon hörst. Zeichnet der künftige Maler nicht die Glieder des menschlichen Leibes einzeln, und die, bey denen es ihm am wenigsten gelingt, wol hundertmal, eh er sich an die ganze edle Gestalt wagt ? Und hat er etwa Unrecht, daß er es thut ? Und soll sich vielleicht der künftige Dichter deswegen nicht vorüben, weil seine Kunst schwerer ist? Die grammatische Richtigkeit der Sprache inne haben, macht den kleineren und leichteren Theil der Sprachkentnis aus. Versteh mich ja recht. Ich sage dieß nur in Vergleichung mit dem grösseren, und schwereren. Denn an sich selbst ist er weder klein noch leicht. Bey der eigentlichen und vorzüglichsten Sprachkentnis komt es darauf an, daß man die Bedeutungen der Wörter in ihrem ganzen Umfange wisse. Dieser begreift unter andern den Sinn in sich, den ein Wort, in der oder jener Verbindung der Gedanken, auch haben kann. Umfang sezt Gränzen. Du must also auch wissen, was ein Wort nicht bedeuten könne. Manche Wörter wimmeln, (ich rede besonders von unsrer Sprache) von vielfachen Bestimmungen der Hauptbedeutung oder Hauptbedeutungen; manche haben überdieß eine gewisse Biegsamkeit noch neue Bestimmungen anzunehmen, vorausgesezt, daß die Stelle, wo sie stehen, es erfodre, oder wenigstens zulasse. Diese neuen Bestimmungen sind oft nur kleine, sanfte Schattierungen; aber so klein sie sind, so gehören sie doch mit zur Darstellung. Ohne sie mangelt ihr etwas; sie ist noch nicht ganz vollendet. Wie wenig versteht also der von der Sprache, und was kann er darstellen, der nicht einmal die Hauptbedeutungen der Wörter recht kent. Ein Maler, der blau und roth nicht von einander unterscheiden könte, last sich zwar nicht denken, und doch gleicht ihm derjenige Dichter, dem es an jener Kentnis fehlt. Zu den vielfachen Bestimmungen der Hauptbedeutungen gehört auch sanfter und starker Klang, langsame und schnelle Bewegung der Wörter, ja sogar die verschiedne Stellung dieser Bewegungen. Wie soll ihm aber, (mich deucht du fragst mich das) ein Mann thun, dessen Sprache ihm zu solchen Bemerkungen wenigen oder keinen Anlaß giebt, und die nicht einmal Wörter genung hat, geschweige denn viele von starker, reicher, und vielseitiger Bedeutung? Allein was geht uns denn dieser Mann an? Meinent- und deinenthalben mag er so viel er nur immer will und kann in Prosa schreiben; und es so oft und lange, als es ihm gefällig ist, Poesie nennen. Doch wenn solcher Mann nun endlich zu der Einsicht komt, wie es, in Beziehung auf die Poesie, mit seiner Sprache eigentlich beschaffen ist, was soll er dann anfangen? Dafür laß du ihn sorgen. Freu du dich, daß du eine Sprache hast, die der griechischen nicht nur frey unter die Augen treten, sondern die ihr auch wol diese und jene Frage thun darf.

Man macht sich von dem, was die Sprache ausdrücken kann, keinen richtigen Begrif, wenn man sie sich, auf der einen Seite, durch Buchstaben bezeichnet; und auf der andern, von der Action des Redenden begleitet, vorstelt. Der eigentliche Umfang der Sprache ist das, was man, ohne den Redenden zu sehn, höret. Man hört aber Töne, die Zeichen der Gedanken sind, durch die Stimme so gebildet, daß vieles von dieser Bildung nicht gelehrt werden kann, sondern vorgesagt werden muß, um gelernt zu werden. Die unlehrbare Bildung der Töne begreift besonders das in sich, was das Sanfte oder Starke, das Weiche oder Rauhe, das Langsame und Langsamere, oder das Schnelle und Schnellere dazu beytragen, daß die Töne völlig zu solchen Gedankenzeichen werden, als sie seyn sollen. Man höret ferner mit dieser Tonbildung eine andre, die, in sehr vielen und sehr fein verschiednen Graden, Leidenschaft ausdrükt. Diese zweyte Tonbildung ist allen ein Geheimnis, denen ihr Gefühl nichts darüber sagt. Sie hat sogar mehr Schattierungen, als der Gesang. Nur der declamirt gut, dem diese doppelte Tonbildung gelingt. Wer Dichter werden will, kann von dem guten Declamator mehr als Eine Sache lernen, 1 Die Wirkungen des Wolklangs. Sogar rauhe Töne gehören, wenn sie der Inhalt erfodert, mit zum Wolklange. Cynthius zupfe dich beym Ohre, wenn du einen Trieb bey dir fühlst, diese Anmerkung zu misbrauchen. 2 Die Wirkungen des Silbenmaasses. Aber hier hat mancher sonst vortrefliehe Declamator noch selbst zu lernen. Da es so wenig ist, was er zu lernen hat, so ist es merkwürdig, daß er es noch nicht weiß. Wir müssen bey ihm voraus sezen, daß er seine Sprache und also auch ihr Tonmaaß kenne. Dieß also vorausgesezt, so hat er gar nichts weiter zu thun, als die Längen genung und recht hören zu lassen. Recht läst er aber die Längen nicht eher hören, als bis der Zuhörer die Verschiedenheiten derselben, die durch die Dehnung, und, im abgebrochnen Tonhalte, durch die Zahl und Beschaffenheit der Mitlaute, entstehn, bemerken kann. Geschieht dieses, so erfolgt alles übrige von selbst, und der Rhythmus fängt auf einmal an zu tanzen. Mehr oder weniger Schnelligkeit, oder auch mehr oder weniger Langsamkeit entstehn von selbst aus der rechten Tonbildung der Leidenschaft. 3 Wie viel die Wörter ausdrücken können. Man hatte oft einem Worte so viel Ausdrückendes nicht zugetraut, als man durch die volle gedoppelte Tonbildung der Declamation hört. 4 Was die Wörter nicht ausdrücken können. Der Declamator sieht wol, was der Dichter hat sagen wollen, er sucht ihm auch, ob er es gleich nicht gesagt hat, fortzuhelfen. Da er aber nichts Gezwungnes thun darf; und das vorkommende Wort nun einmal nicht gut gewählt ist; so muß er es wenigstens in einem gewissen Grade fallen lassen. Dieses fallen lassen des Deklamators kann manches Licht in der Wortkentnis geben. Du hast mich ein wenig erschrekt; aber ich will lernen; und ich freue mich, daß ich eine solche Sprache zu lernen habe.

Nicht gehaltnes Versprechen.
Es macht Freude, Schadenfreude wol, aber solche, wie du dir erlauben magst, wenn ein Männlein, das mit Dünkeln und Klügeln über allerley gelehrte Arbeit und Schrift, auch wol Meisterwerk seine Lebenstage hat zubracht, geblinzt, und gethan, als ob's sehen könt, beekelt und gethan, als hätt's 'ne Zunge, wenn solch Männlein nun selbst 'ne Schrift fertigt, und mit selbiger vor aller Welt Augen hervortrit. Darinn lebt und webt denn nun nichts, ist noch Kraft noch Anmut; Anstrengens wol, und vielerley miswachsner Zier; und wird kein halb Wort gehalten von alle dem, was da war durch so viel vorgängige Klügeley versprochen worden, auf die Ereignis hin, daß der Klügling einst selbsten auftrat, und redete. Lassen's auch die Zuhörer dafür das eine Ohr hineingehn, und das andre wieder hinaus, und vergessen's Übermorgen.

Gutachten über etliche Redensarten.


Sich mit ausländischen Schellen behängen .. Dinge, die aufrecht stehen, umkehren, damit man sie umgekehrt zeigen könne .. Den Musen die Leyer stimmen .. Nach der Pfeife des Tauben tanzen .. Den Pfuscher einseifen, und ihn mit dem weissen Barte sizen lassen .. Nicht einmal des Erostratus Ruhm erlangen können, weil's nicht brennen will .. Einen kleinen Zwek für einen Zwek halten .. Sich's hoch anrechnen, daß man, da man denn doch nun einmal Marktschreyer ist, gleichwol bey Leibe kein Seiltänzer seyn möchte .. Zwischen philosophischer Kunstwörterey, und wahren Gedanken, keinen Unterschied finden .. Zwischen einem guten Vortrage, dessen Gegenstände sich aber nur auf philosophische Kunstwörterey gründen, und wahren Gedanken, auch keinen Unterschied finden .. sind Redensarten, die mehr in sich halten, als mancher der Sachen und der Zeiten unkundige etwa vermeinen möchte.

Woran die Schuld liege.


Die Deutlichkeit der Rede stehet nicht allein mit dem Verstande, den Kentnissen, und der Aufmerksamkeit der Zuhörer in Verhältnissen; sondern auch mit den Gegenständen, die vorgestelt werden. Diese bestimmen nämlich, durch ihre verschiedene Beschaffenheit, die bey ihnen erreichbaren Grade der Deutlichkeit. Erhabne Gegenstände, wenn man sie von der rechten Seite angesehn, und mit wahrem Gefühl ganz empfunden hat, können vorzüglich deutlich vorgestelt werden. Oft ist es, um hier bis zu diesem Grade der Deutlichkeit zu kommen, nicht etwa nur gut; es ist notwendig kurz zu seyn. Die Kürze fasset wenige Theile durch Worte von starker Bedeutung zusammen, und leuchtet, gleich einer grossen Lichtmasse auf einem Gemälde. Gleichwol ist sie es, die am gewönlichsten der Dunkelheit beschuldigt wird. Aber von wem denn? Von Leuten, denen es entweder an Verstande, oder an Kentnissen, oder an Aufmerksamkeit, oder gar an allen dreyen fehlt.

Gegründete Befürchtung.


Wenn ich, sagte ein Zunftältester, etwas schreiben möchte, das, ohne meine Absicht, würde zur Satyre werden; so würd ich eine wahre Geschichte der Philosophie schreiben. Fromm wie ein Lamm, aber mit völliger Bestimmung würd ich es in seinem ganzen Umfange auseinandersezen, wie wenig die allermeisten Philosophen zur Erleuchtung des Verstandes, und zur Lenkung des Herzens beygetragen haben. Meine Lammfrömmigkeit würde besonders daraus hervorblicken, daß ich den Philosophen nichts, gar nichts andichtete; sondern die Sachen völlig so nähme, wie sie wirklich sind; und doch würd ich Unschuldiger ein reissender Wolf zu seyn scheinen, der ganze Heerden Schafe auf Einmal auffrässe.

Vom Geschmacke.


Komt da ein Wörtlein immer mehr und mehr auf, heisset: Geschmak; kann an sich selbsten weder frommen noch schaden, angesehn auf 'ne Gleichnisrede mehr oder weniger gar nichts ankomt; aber gleichwol stehet zu fürchten, daß dieses Wörtlein allerhand, das nicht gut ist, anrichten werde. Denn solche Gleichnisreden werden gewönlich in einem Sinne gefast, der bald hierhin schwankt, und bald dorthin, so daß zulezt Theoreyn daraus kommen, welche die Leut wie Irwische herumnarren. Möcht man's doch brauchen, wie's einem gut dünket' und lüstete, in gemeiner Rede; auch in allerley Zetteln, die umherfliegen, und an welcher Inhalt wenig liegt: aber in Büchern, die darthun sollen, was da sey die Ursach, die Weise, Gestalt, und Gebehrde dessen, das uns behaget, oder nicht behaget, möcht benantes Wörtlein vielleicht zu allerley Regulmässigkeiten verleiten, mit denen, und mit derer Geburten einer's in die Läng nicht aushallen könte.

Die Vergleichungssucht.


Untersuchest du deinen Gegenstand nur in Vergleichung mit andern; so wird es bald um dich von kleinen und grossen Irthümern wimmeln; untersuchest du ihn aber allein und für sich; so kanst du bisweilen dahin kommen, daß du ihn ganz siehest, und du stehest dann, in Absicht auf die Erkentnis, eine Stufe höher, als die Vergleicher.

Wer dieses noch nicht weiß, der buchstabiert noch; und gleichwol ist's nicht überfliessig es zu sagen. In unserm erleuchteten achtzehnten Jahrhunderte wird mehr verglichen, als jemals ist verglichen worden. Es versteht sich von selbst, daß dieses diejenigen am wenigsten glauben, die es am meisten angeht.

Wortklauberey.
Rohrdommel sagte: Tyrn deutete bey uns vor Alters eben das an, was heutiges Tages Tyrann. Dieß Wort ist aus dem griechischen Tyrannos entstanden. Tyrn und Tyrannos sind eben dieselben Wörter; und beyde sind aus einer und eben derselben älteren Quelle geschöpft. Wir haben aber Tyrn verloren, und an dessen Statt Tyrann aus dem Griechischen genommen. Gleichergestalt haben wir auch kritisch aus dem Griechischen genommen; (aus dem Französischen denn, wenn ihr's so haben wolt, und die Franzosen haben's von den Römern, und die Römer von den Griechen) aber das frühere Wort kriddsk haben wir nicht wie Tyrn gänzlich verloren; sondern es ist, nebst etlichen Wörtern gleiches Stammes, noch im Niederdeutschen vorhanden. Nun komt zwar der Glossierer, und sagt: Kriddsk kann nicht mit kritisch einerley seyn, so wie's Tyrn mit Tyrann ist. Denn kriddsk bedeutet zänkisch, auch haben die verwandten Wörter gleiche Bedeutung, als: Kriten (im Gothischen kritan) ein zankendes Geschrey erheben, kreischen; ferner: Kriddelije Streit, heftiger Wortwechsel, wie auch: Kriddeler ein Zänker. Das sagt der Glossierer nun zwar; aber ich bin auch einer, und wol ein besserer denn er, und sage: Er hätte bey seinem Vorbringen in Erwägung ziehn sollen, daß die angeführten Bedeutungen nur Nebenbedeutungen sind.

Denn Kritmann heisset Richter.

Woraus denn folget, daß Kriddeler auch Richter, Kriddelije auch Gericht, und kriddsk auch richterlich heisse. (Ich bemenge mich hiebey gar nicht damit, zu erörtern, wie Unrecht die Kritiker darinn haben, daß sie sich dünken lassen, Richter zu seyn; es komt mir einzig und allein auf die rechte Auslegung der Wörter an, durch deren Hülfe und Beystand sie sich, welcher Abkunft die Wörter auch seyn mögen, griechischer oder deutscher, das anmassen, was sie nicht haben.) Ich hätte also in dieser dunkeln Sache ein solches Licht aufgestekt, daß die Hauptbedeutung des Wortes kriddsk wieder hergestelt wäre. Aber, auf daß man mir nicht Unrecht thue, so muß ich sagen: Ich verlange der Wiederherstellung halben gleichwol nicht, daß man das griechische Wort kritisch verwerfe, und das alte, nur noch im Niederdeutschen übliche aufnehme. Denn fürs erste muß man zu wichtigen Dingen nicht ohne die gröste Noth übelklingende Wörter brauchen; und kriddsk klingt denn doch gewiß übel genung: fürs zweyte muß man sich hüten, Wörter aus den gemeinen Landessprachen ins Deutsche aufzunehmen. Sonst hätte freylich die Sache, wenn man sie nach der andern Seite herumdreht, auch ihre Vortheile. Kunstrichterey, welches man anstatt Kritik der Abwechslung wegen zu gebrauchen pflegt, ist zum Exempel kein gutes Wort; wenn wir aber (lasset uns die niederdeutschen Wörter, der möglichen Aufname halben, gleich deutsch aussprechen) wenn wir Kriteley aufnähmen; so hätten wir für Kunstrichterey ein gutes Wort. Keiner hat jemals kritisieren für ein gutes Wort gehalten. Es ist von ungefähr so eine Art Wort, wie hanthieren, hausieren; und nicht einmal so gut; denn es solte nach dem Französischen, wo es hergenommen ist, kritikieren heissen; aber es mag wol Anfangs dem Pöbel ein wenig durchs Maul gangen seyn, und allda die Verwandlung in kritisieren erlitten haben. Wer weiß nicht, daß manchem andern französischen Worte gleiches Unheil wiederfahren ist. Nehmen wir aber kriten auf; so können wir das verwahrloste kritisieren völlig entbehren. Kunstrichter will Manchen auch noch nicht so recht ein; Kritiker eben so wenig. Dieser Leute Bedenklichkeiten fielen nicht allein so gleich weg; sondern die Sprache würde auch, und gewiß durch keinen unnüzen Schaz, bereichert, wenn wir ihr Kritler und Kritmann gäben. Denn das lezte drükt mehr aus, als das erste. Wenn man schlechtweg Kritler sagt; so hat die Sache bey weitem den Nachdruk noch nicht, den sie durch Kritmann bekomt. Was endlich kritisch anbelangt; so ist das zwar ein recht gutes Wort; aber warum solten wir nicht auch kritsch (da kritisch oft auch kritsch ausgesprochen wird; so fält der Vorwurf einer etwanigen Härtlichkeit, wo nicht weg, doch zurük) ich sage, warum solten wir nicht auch kritsch aufnehmen, wenn wir Kriteley, kriten, Kritler und Kritmann aufgenommen hätten ?

Wem das Licht, das ich in dieser Sache aufgestecket habe, noch nicht genung einleuchtet, dem halte ich's hiemit ganz dicht vor die Augen, wie folget: Ich habe um das Wort Kritmann, das einen Richter anzeiget, und die Nebenbedeutung der Geschwisterwörter nicht hat, wie um eine Achse, mein Rad laufen lassen, so gut, daß ich, wo ich hingedachte, angerolt kommen bin, da nämlich: Die Hauptbedeutung des alten deutschen Wortes kritsch wieder herzustellen.

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(Kritmann) Das brem. Wörterb. giebt dem Kritmanne S. 868. eben diese Bedeutung.

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Der Scheideweg.


Der Tempel der Wahrheit liegt auf einem hohen Felsen. Zwey Jünglinge gingen mit einander auf der Heerstrasse. Jezt waren sie an einem Fußsteige, der von der Heerstrasse ab, und in Büsche hinein lief. Auf diesem kam ihnen die Kühnheit, und auf jener die Behutsamkeit entgegen. Folge mir! rief die Eine, mir! die Andre, und beyde waren beredt. Die Jünglinge nahmen von einander Abschied. Derjenige, welcher der Kühnheit gefolgt war, saß schon an der Schwelle des Tempels, als der andre noch in einer zurükführenden Krümme war, und dort in Sande watete.

Der verkante Untersucher.


Zweyerley komt mir lächerlich vor, und das dritte abgeschmakt.

Wenn einer durch den Gebrauch der Kunstwörter ein Philosoph zu seyn glaubt.

Wenn einer nicht einmal weiß, was andre Philosophen vor ihm gesagt haben; und sich doch dünken last, es verlone sich der Mühe gehört zu werden, was er nun zum zwanzigstenmale sagt.

Und wenn der, welcher dieses und jenes vereinigt, den wirklichen philosophischen Untersucher über die Achseln ansieht, weil dieser seines gleichen nicht ist.

Die Ironie.
Die rechte Ironie ist eine gar keusche Dirne, enthält sich mit grosser Strenge des Mitlachens. Am besten hat sie's troffen, wenn nicht etwa nur, wer mit Haut und Haar Gauch ist, sondern auch der Klügling denkt, sie meine das in allem Ernste, was sie sagt.

Besser ist besser.


Ich bin ein guter Leser, denn ich sehe ein, warum du das und das gesezt hast. Ich danke vielmals, und gewiß recht aufrichtig; aber ich kenne noch bessere Leser. Und wie sind denn diese beschaffen? Diese sehen auch ein, warum ich das, und das, und wieder das, und noch mehr weggelassen habe.

Die ekle Nase.


Ein kalter einsylbiger Mann hatte seine Bücher folgendermaassen geordnet:

In einem kleinen Cabinette hatte er die Originalwerke; und in einem grossen Saale die unzähligen Arbeiten der Nachahmer und der Ausschreiber. Jene nante er seine Blumen; und diese, nach einer wörtlichen Dolmetschung des französischen Ausdruks: seine verfaulten Töpfe. Kam einer zu ihm, und wolte seine Bücher sehen; so hatte er's bald weg, wohin er ihn führen müste. Es begab sich selten, daß er Jemanden ins Cabinet führte. Gewönlich ging er mit den Leuten in den Saal, machte links und rechts die Deckel auf, und ließ hinein riechen.

An ihn.
Den bescheidnen Tiedemann (er war vaterländisch gesint, und das bin ich auch) erbat ich endlich, daß er sich vornahm, aber wie man sich Sachen vornimt, die man thun will, die Geschichte von den Entdeckungen und Erfindungen der Deutschen zu schreiben. Tiedemann ist gestorben.

Die beyden Zepter.


Die lange Länge lang von drey Jahrhunderten beherschte Aristoteles die Scholastiker mit einem eisernen Zepter; endlich war's denn doch damit vorbey: und gleichwol hören die Theoristen der Dichtkunst noch nicht auf sein andres Zepter zu küssen.

Aristoteles hatte in Vielem Recht. Er war ein grosser Mann.

Wer leugnet denn das ? Er hat hinkende Nachtreter, die sich ein hölzernes Zepter schnizeln, und es mit Eisenerde übertünchen. Diese haben fast in allen Unrecht; und sind Leutlein.

Wer leugnet's denn?

Inhalt und Ausführung.
Ist Jemanden eine Schrift fertig worden, und hat er einen Freund, der nicht leugt noch treugt, und der scharfes Geistes ist, aber bey Leibe nicht spizfindiges; so geh er zu selbigem Freunde, und zeig ihm die Schrift vor, und thue ihm dabey folgende zwey bedenkliche Fragen:

Hat's auch Inhalt, was du da liesest ?

Hat's auch Gestalt gewonnen ? oder ist's so unlieblich anzuschaun, als ein Mensch, der nur in Haut und Knochen hängt?

Hapert's dem Freunde bey der Antwort auf die erste Frage; dann ohne Anstand und Säumnis mit dem Buche ins Feuer!

Gehn ihm aber nur bey der zweyten Frage die Achseln ein wenig in die Höhe; nun so magst du dich wol noch Einmal an dein Werk machen, nicht, daß du die Feile gebrauchest; denn du hast ja nichts abzufeilen: sondern, daß du dem Inhalte Gestalt gebest.

Was solchen Leuten nicht werden kann.


Wenn in gemeinem Leben einer dem ändern jezt eine freundliche, und gleich darauf eine spöttische Mine machte;

einer den ändern jezt mit einem Krazfusse bewillkomte, und ihm gleich darauf einen Tritt versezte;

einer seinem Gaste jezt gutes Räucherpulver, und dann Gestank aufstreute :

so .. jeder weiß, wie ein solch Betragen in gemeinem Leben würd angesehn werden.

Unter dem Vorwande der Unpartheylichkeit verfährt der grosse Haufen der Kritiker gegen die Scribenten eben so, auch gegen solche, denen an ihrer Freundlichkeit, ihren Krazfüssen, und ihrem Räuchern nichts gelegen ist.

Der grosse Haufen wird doch diesem allen ungeachtet nicht etwa gar verlangen, daß man nach den Regeln des gemeinen Lebens von ihm urtheile ?

Also sollen wir nur immer loben, und niemals tadeln?

Elender Behelf! Als wenn der Tadel nothwendig Gestank, und desgleichen seyn müste; und als wenn dem, der nicht so gerade zu fürlieb nimt, euer nichts entscheidendes Lob nicht gleichgültig wäre.

Der ehrerbietige Wegweiser.
Wer erfindet, der sint entweder die Ursachen zu schon vorhandnen Wirkungen aus, oder auch zu solchen Wirkungen, die erst noch entstehn sollen, und die er selbst hervorbringen, oder durch andre will hervorbringen lassen.

Bey der ersten Art der Erfindungen kann es selten mit Gewisheit ausgemacht werden, ob man gut erfunden habe. So ist es zum Exempel noch nicht entschieden, ob die Ursach der Sternbewegung, die zuerst Kepler, und, nach ihm, Newton erfand, die wahre sey.

Bey der zweyten Art der Erfindungen ist es offenbar, daß man nicht gut erfunden habe, wenn die abgezwekte Wirkung nicht erfolgt; und gut, wenn sie erfolgt. Man nehme zum Exempel an, daß der Arzt durch seine neue Arzeney völlige Genesung, der Dichter durch sein Gedicht starke Rührung, der Mechaniker durch seine Machine Forttreibung einer gewissen Last zu einer gewissen Weite haben hervorbringen wollen; so kann man von dem Werthe ihrer Erfindungen nicht anders, als nach dem Erfolge, urtheilen.

Die einfachsten Erfindungen können nur dann die schwersten genant werden, wenn durch Einfachheit die wenigsten Mittel zum Zwecke verstanden worden. In einem andern Verstande (und in diesem nimt man hier doch gewönlich das Wort einfach) sind die nicht einfachen Erfindungen die schwereren. Die Erfindung der Buchdruckerey war gewiß leichter, als des Papiers oder des Glases.

Das Erfinden kann nicht gelehrt, aber wer Fähigkeit dazu hat, kann auf den Weg, der zum Erfinden führt, gebracht werden. Vielleicht sind folgende die rechten Wegweisungen:

Man muß die schon vorhandnen Wirkungen, oder diejenigen, die man hervorbringen will, in allen ihren Theilen und Theilchen, bestirnt denken.

Man muß auch hier ein Mann seyn, und nicht erschrecken, wenn man in Anfange nur kleine Schritte thut.

Man kann sich den Reiz der Schwierigkeit so lebhaft vorstellen, daß man gern zu ihr zurükkehrt.

Man muß den Zwek, den man hat, so lange, und von so vielen Seiten betrachten, bis man ihn lieb gewint. Desto besser, wenn man ihn gleich Anfangs lieb gewonnen hat.

Man muß mit scharfer Wage wägen, was eigentlich Verdienst sey. Denn alsdann wird man sich keine kleine Zwecke vorsezen, und also nicht in die Gefahr gerathen mitten in der Unternehmung abzubrechen. Dieses Abbrechen erfolgt natürlicher Weise, so bald man das Unbedeutende des Zweckes gewahr wird.

Es ist keine Kleinigkeit, daß es die Deutschen sind, die, nach den Griechen, am meisten erfunden haben. Und ist es etwa eine, dazu beyzutragen, daß man einst, daß man nun bald sagen könne: Die Deutschen haben mehr, als die Griechen erfunden ?

Der Deutsche, der hierbey nichts fühlt, mag meinenthalben gar so sehr verfeinert seyn, daß er überhaupt klein von Vaterlande denkt. Spott und Verachtung über den Thoren! Doch das nicht einmal. Er werde mit dem Kaltsinne des Stillschweigens übergangen.

Der Fuchs, der Poetiker, und der Reimer.
War ein Fuchs, sah Trauben hängen, sprang vergebens danach, lief fort, und sagte: Sind der sauren! Ist gefabelt. Denn der Fuchs frist keine Trauben.

War ein Poetiker, sah die Muse mit der Nectarschal in der Hand oben aufm Hügel stehen, wolt zu ihr hinauf, kont nicht, lief fort, und sagte: Schmekt bitter! Abermal gefabelt. Denn der Poetiker hasset alles Selbstarbeiten; es ist ihm ein Greuel!

War ein Reimer, sah die Nectarschal, wolt hinauf, kont nicht, lief fort, und sagte: Schmekt bitter! Ist nicht gefabelt. Denn der Reimer wolt gern was arbeiten; kann's nur nicht.

Weniges von vielem.


Auch das gehört zu dem Vollendeten einer Schrift, daß alles darinn Beziehungen und Verhältnisse unter sich habe, und daß sich von diesen die seltneren Abstände nicht zu weit entfernen. Freylich sind diese Züge des Gemäldes manchem unsichtbar; aber sind sie deswegen nicht da, weil's Leute mit blöden Augen giebt ?

Die Wünschelruthe und der Stein des Weisen.


Wo liegst du? Sprich nicht, schlag. Ich schlage. Nach mir hin must du schlagen, und nicht so in die Luft streichen, wie du thust. Aber wo liegst du denn? Wo ich liege, das ist ja eben der Punkt, den du treffen must. So bald du ihn getroffen hast; so hüpf ich zu dir hinauf. Aber was bist du denn eigentlich? Du weist noch nicht einmal, was ich bin; und suchst mich doch. Du magst mir wol eine von den Wünschelruthen der Bergleute seyn; und mich gar für den berüchtigten Stein der Goldmacher halten! Harter Stein! das denn doch nur eben nicht; aber wenn ich dich schon genung kente; so braucht ich dich ja nicht zu suchen. Schlag! Wieder vorbey geschlagen. Wo bist du gewachsen, Wünschelruthe? Gewachsen bin ich .. Bey Sümpfen? oder nah an den Wolken? unter den Einflüssen des Nebels? oder der Morgenröthe? Ich bin gewachsen .. ja ich bin irgendwo gewachsen. Ich versteh alles. Schlag nun meinenthalben noch so viel; ich werde ruhig liegen bleiben.

Weitläuftigkeit und Vollständigkeit.


Wo diese noch mit einander verwechselt werden, da ist man noch ein halbes Jahrhundert von der Reife entfernt. Lasset euch die Weitläuftigkeit nicht irre machen, die sich mit Blumen puzt. Sie ist Weitläuftigkeit.

Zwey Antworten.


Er hat gut geschrieben für die Zeiten, in denen er lebte. Als wenn das Genie ein Sclav seiner Zeiten seyn könte; und dann, wenn jenes gleichwol gelten soll, als wenn die Griechen und Römer zu denen Zeiten, die zum Dekmantel dienen müssen, nicht schon wären da gewesen.

Aus dem goldnen Abece der Dichter.


Laß du dich kein Regulbuch irren, wie dik es auch sey, und was die Vorred auch davon bemeide, daß ohne solchen Wegweiser keiner, der da dichtet, könne auch nur Einen sichern Schritt thun. Frag du den Geist, der in dir ist, und die Dinge, die du um dich siehst und hörest, und die Beschaffenheit deß, wovon du vorhast zu dichten; und was die dir antworten, dem folge. Und wenn du's nun hast zu Ende bracht, und kalt worden bist von dem gewaltigen Feuer, womit du dein Werk hast arbeitet; so untersuch alle deine Tritt und Schritt noch Einmal; und wo sie etwa wankend gewesen sind und gleithaft, da geh du von neuem einher, und halt solchen Gang, der stark und fest sey. Wilst du dich nach gethaner Arbeit erholen und erlustigen; so nimm der dicken Regulbücher eines zur Hand, und lauf hie und da die Narrentheidungen durch, die du vor dir findest.

Anlaß zum Stillschweigen.


Wer die Wollust noch nicht geschmekt hat, welche die zu überwindende, und die überwundne Schwierigkeit geben, der ist noch ein Neuling, und solte sich des Mitsprechens enthalten.
Das poetische Genie.
Ist die Reizbarkeit der Empfindungskraft etwas grösser, als die Lebhaftigkeit der Einbildungskraft; und ist die Schärfe des Urtheils, in ungleichem Abstande von beyden, grösser als sie: so sind dieß vielleicht die Verhältnisse, durch welche das poetische Genie entsteht.

Nachsicht.


Magst du doch die oder jene Thorheit begehn; aber vor der Lächerlichkeit der Lächerlichkeiten sey auf deiner Hut, nämlich: Dem Meister Unterricht in seiner Kunst zu geben.

Auslegung eines Sprichworts.


Wo der Adler nistet, klekt's die Schwalbe nicht an. Weit entfernt eine Erklärung über dieß alte deutsche Sprichwort zu machen, wie Erasmus über die griechischen gemacht hat, merkte Ekhard nur an, daß die Schwalbennester unter andern auch vor den Steinen der Knaben nicht sicher wären.

Die Blinden.


Sassen zwey Blinde bey einer Schilderey. Der eine fühlte auf der unrechten Seite herum, sagte: Ist niedrig Buschwerk, wird etwa für einen Weidmann geconterfeyt seyn. Der andre fühlte auf der rechten Seite herum, sagte: Hügel sind's, etliche nur, all das andre ist Ebne. Trat noch ein Blinder, ihr guter Gesell, herein, ließ sich den Zwist erzählen, fühlte auf dem glatten Kamen herum, sagte.: Was? Stilles ebnes Meer ist's, worinn sich die liebe Sonne spiegelt. Hatten die Blinden einen andern guten Gesellen, der kont sehen. Da sie selbigem nun den Zwist der Länge nach hatten erzählt, sprach er: Bin hergewandert, euch zur Musika einzuladen, weil mir ein treflicher Geiger ankommen ist. Habt wol eh davon sagen hören, daß unter Zeiten der Himmel voller Geigen hinge. Da hat er eine herabgenommen, so spielt er! Aber die Streitigkeit? So komt doch. Ich mag die Schilderey nicht ansehn; sie betrübt mich nur. 's ist Hermann, der von seinen eignen Blutsfreunden ermordet wird! Aber komt immer. Der Mann wartet in der Laub auf uns, und still ist's, und Mondschein auch.

Doch sie spotteten nur des Sehenden, fochten das Ding fernerhin unter sich aus, und liessen ihn allein zum Geiger gehen.

Bring du diese Gleichnisrede, die dir etwa allzu lügenhaftig vorkommen mag, bey der Anwendung, nur an den rechten Mann; (thust am besten, wenn du dir einen Gelehrten zu diesem Manne kiesest) und sie wird dir gar glaubhaft vorkommen.

Ekhards Grille.


Aldermann Ekhard pflegt zu sagen, daß er viel lieber Einen troknen Ton, ja nur Laut von sich geben möge, als eine ganze lange Redseligkeit, wie sie wol eher zu seiner Jugendzeit wäre gelobpriesen worden; und nun besonders in seinen alten Tagen gelobpriesen würde.

Vielen unverständlich.

Die Umkreise dessen, was wir erforschen können, und dessen, was uns als Schön ganz gefält, sind kleiner, als wir es uns, in unserm Durste nach Erkentnis und nach Vergnügen, vorstellen. Gleichwol sind uns diese kleineren Umkreise bey weitem noch nicht völlig bekant, und das besonders daher, weil wir uns so viel über den Gränzen zu schaffen machen. Wohl dem, der innerhalb derselben bleibt, und hier noch unbekante Länder und Ländchen entdekt. Seze die Gränzsteine. Wenn ichs auch könte, so thät ichs doch nicht. Als wenn ihr nicht einer Spanne halben, die ich gefehlt hätte, und vielleicht auch nicht gefehlt, Streit anfangen würdet, indem ihr eben hundert Schritte irre gegangen wärt. Zudem so hab ich noch dieß und jenes innerhalb zu thun, und also keine Zeit übrig, selbst mit bessern Streitern, als ihr seyd, in die Schranken zu gehn.

Am besten an der Anwendung zu kennen.


Sind ihrer manche, die vielerley Reguln und Richtschnuren fertigen, wie der Dichter es solle machen, wenn er dichtet. Sind ihrer aber eben so wenige, die das Ding mit den Richtschnuren recht inne haben, als klein guter Dichter Zahl ist. Da sezen sich nun die Regulgeber hin, und meinen's auszugrübeln, was da Natur sey, und kennen doch keine Erfahrung; und ertappen sie ja 'mal was, das nach Natur aussieht, so können sie doch nicht damit umgehn, stellen's schief hin, werfen's durch 'nander; und wenn's nun gar recht zu dem geht, worauf's allein ankomt, so wissen sie vollends weder aus noch ein. Da sieht man's denn, wenn sie sich selbst was unterfangen, und mit ihrem Schiflein aufs weite Meer hinausfahren, da bleiben sie auf allen Sandbänken sizen, und ist kein Fels wo, auf den sie nicht stossen.

Mittel in sich zu gehen.


Thust wol, wenn du zwischen viel Bücherschreine geräthst, daß du gleich beym Eintritt dich der Sterblichkeit erinnerst deiner eignen Schriften, und hernach beym Herumwandeln unter den vielen verblichnen Werken dich des Spöttelns über selbige enthaltest. Zieh du vielmehr das Schiksal aller menschlichen Ding in Betracht; und der Geist der Spötteley wird schon von selbst die Flügel hängen lassen.

Von der Kürze.


Liebst du runden gediegnen Sinn, so bist du karglaut, und sezest da der Wörtlein nur etliche, wo andre ganze lange Zeilen daher laufen lassen. Bist dann freylich auch gar übel dran mit dem, welchem die Art des Verständnisses, so ihm etwa worden ist, sich nicht anders öfnet, als durch schlackichte und vieleckichte Gedanken. Solcherley Gedanken haben nun zwar, besieht man's beyn Lichten, nichts in sich, das nur etlichermaassen des Merkens werth sey; aber das verschlägt dem Manne nichts, dem nur durch sie das Verständnis kann geöfnet werden. Er hegt und pflegt sich nun einmal mit selbigen. Mag er doch. Aber was soll's der Demut dich mit ihm zu schaffen machen? Sorge du für die, denen du, bey aller deiner Karglautigkeit, viel eher ein Wörtlein zu viel, denn eins zu wenig sezen köntest.

Ein alter Schaden.


Ausser dem Vortreflichen und Guten noch etwas Halbgutes oder gleichsam Gutes in den Wissenschaften anzunehmen, ist mislich, und hat mancherley üble Folgen, und das aus der Ursach, weil das Halbgute und das Mittelmässige nie beyzulegende Gränzstreitigkeiten mit einander haben.

Wundergeschichte.


Es war einmal ein Mann, der viel ausländische Schriften las, und selbst Bücher schrieb. Er ging auf den Krücken der Ausländer, ritt bald auf ihren Rossen, bald auf ihren Rossinanten, pflügte mit ihren Kälbern, tanzte ihren Seiltanz. Viele seiner gutherzigen und unbelesenen Landsleute hielten ihn für einen rechten Wundermann. Doch etlichen entging's nicht, wie es mit des Mannes Schriften eigentlich zusammenhinge; aber überall kamen sie ihm gleichwol nicht auf die Spur. Und wie konten sie auch? Es war ja unmöglich in jeden Kälberstall der Ausländer zu gehen.

Die Luftschlösser des Gelehrten.


Den Entwurf zu einem Buche machen, das Neues enthält (mit Schnelligkeit, mit Feuer, mit Ungestüm!) und zugleich glauben, man werde den Entwurf ausführen, ist innige Herzenslust, und vielmehr als Vergnügen. So hab ich ihrer nicht wenige heut entworfen, und morgen die Hofnung aufgegeben sie zu schreiben. Vergessen sind sie! Doch bin ich darum weniger glüklich bey den Entwürfen gewesen?

Zurechtweisung.


Sind Viele, die allerhand Regelgeschwäz treiben über das, was dem Dichter obliege; frommet aber selbes nicht, sondern richt vielmehr Schaden an bey kleinlauten Gemütern. Wahrer und ächter Regeln des Dichtens sind nur etliche wenige; und die haben denn sichre und gewisse Merkzeichen, an denen sie gleich erkennen mag, wer Augen im Kopfe hat. Für erst sind solche Regeln gutes Ursprungs, das heisset so viel: Sie sind hergenommen aus des menschlichen Herzens Art und Eigenschaft, wie auch aus der Beschaffenheit und dem Zustande der Dinge, die um den Menschen her sind. Zweytens sind sie fein leicht anzuwenden, zeigen gerade, gebahnte Strasse dahin, wo der Dichter hin muß, wenn ihm vor Meistersänge ekelt. Sind drittens nicht kleine Ziele, zu welchen er durch diese Regeln bracht wird; sondern wenn er dort ankommen ist, so fährt er aufs Herz zu, daß einem schaudert, oder froh zu Mute wird, oder was es sonst mehr vor gewaltige Beweg- und Erschüttrungen sind, die einer gern haben mag. Must aber ja nicht dabey zu erwägen aus der Acht lassen, daß selbsten solche ächte und wahre Regeln zu nichts nicht taugen dem, der nicht Geisteskraft und Gabe dazu hat, etwas nach selbigen hervorzubringen.

Ungekante Gleichheit.


In einer gewissen verfeinerten Schreibart einiger Neuern, welche falschverstandner Atticismus ist, grosse Gedanken sagen, oder die Sitt und Weise der Scholastiker wieder aufwärmen wollen, ist einerley. Die Scholastiker liessen Engel auf Nadelspizen tanzen.

Die Meisterer betreffend.


Einem Meisterer ist ein zu ehrsamer Name worden, angesehn selbiger von Meister abgeleitet wird; solt arger Gesell heissen. Fält wol Widerrede, und wird gesagt: Eben dadurch, daß das Wort Meisterer von Meister komme, zeig es kräftiglich den an, der überm Meister seyn wolle; aber Mann und Knabe solten auch nicht `mal etliche Laut und Buchstaben mit´nander überein haben; und Meisterer solte lieber: arger Gesell, oder wie man sonst wolt, geheissen werden.

Die drey Wege.


Der Kritikbeflissene schlägt vornämlich drey Wege ein, auf welchen er den kurzsichtigen Leser irre führt; und demjenigen, der sich so nicht führen läst, und weiß, daß er auch eine Stimme habe, lächerlich, und, nach Gelegenheit, auch wol verächtlich wird.

Er wendet wahre theoretische Säze unrichtig an; dieß nur selten, denn die wahren sind ihm gar wenig bekant.

Manchmal verfalt er auch auf eine richtige Anwendung; abergewönlich sind die so angewandten Säze falsch. Von diesen wimmelt es zwar in den Lehrbüchern; aber keine geringe Anzahl derselben wächst auch dem Kritikbeflissenen, während daß er seine Aufsäze verfasset, unter der Hand wie Erdschwämme auf.

Was am meisten belustigt ist die unrichtige Anwendung falscher Säze. Erst stelle man sich so manchen lieben Leser vor, dem hier wahr und richtig weder kalt noch warm geben; und dann, daß, statt eines Pfeiles, ein Bolzen bey dem Ziele vorbey fliegt.

An den, welcher die Geschichte unsrer Sprache schreiben wird.
Jüngling, oder Mann, denn ich weiß nicht, sagte Ekhard, wer es thun wird, merke dir zuerst, und vor allen Dingen, daß deine Sprache eine reichhaltige, vollblühende, fruchtschwere, tönende, gemesne, freye, bildsame, (doch wer kann von ihr alles sagen, was sie ist?) mänliche, edle, und vortrefliche Sprache ist, der es kaum die griechische, und keine der andern Europäersprachen bieten darf.

Aus celtischer Wurzel wuchs sie nicht auf. Denn Cäsar rühmt's an Ariovisten, daß er gut gallisch spräche. Späh du ihrer Wurzel nicht nach. Denn wer wolte in solcherley Staube umsonst wühlen.

Die Barden, die über Cäsars Rheinbrücken, gerechte Leute, spotteten; Hermannen bewunderten, weil er's werth war; Bojokalen beweinten; die kühnen Franken vom schwarzen Meer an bis zu der Rheinmünde geleiteten; die .. von diesem allen sey kurz, denn du kanst weiter nichts, als ich auch kann, dieß nämlich: Ihrem Andenken eine heisse deutsche Thräne hinstürzen lassen.

In Ulphila findest du den ersten Quell der Sprache. Aber er fliest nur kärglich; denn nur wenig Überbleibsel haben wir gerettet.

Der Angel und der Sachse, die Britannien eroberten, haben viel Schäze hinterlassen. Ekler, aber auch dummer Kaltsinn hat sie vergraben. Scharre du sie auf.

Manesse sah beym Sammeln nicht sonderlich scharf; doch etwas Goldes ist gleichwol drinn.

Von den Minnesängern bis zu Luthern ist ein weiter Weg. Ich hatte nie der Musse genung um zu sehn, ob dort auch Rosen an den Dornen wären. Du must ihn auf deiner Wanderschaft gehen.

Niemand, der weiß, was eine Sprache ist, erscheine ohne Ehrerbietung vor Luthern. Unter keinem Volke hat Ein Mann so viel an seiner Sprache gebildet. Dein Weg führt dich zu unsern Zeitgenossen. Untersuche, und vergleiche sie unter einander. So nur kanst du's treffen. Trifst du's, so wird dein Ausspruch auch der Ausspruch der Enkel seyn. Gehab dich wol, Jüngling oder Mann, und geh an dein Werk.



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