Die Konzeption von Freiheit in Schillers „Don Karlos“ und „Maria Stuart“



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in das moralisch richtige Tun, das Neigungen überwindet – so sieht es Kant. Schiller geht aber 



noch weiter: Gut und befreiend ist auch ein Handeln aus einer Harmonie von Pflicht und 

Neigung heraus.

80

 Schiller weist den positiven Wegen bestimmte Begriffe zu: Eine „schöne 



Seele“ hat, wer Pflicht und Neigung vereint, wer also dem Gefühl vertrauen kann, um 

moralisch zu handeln; er wirkt „anmutig“.

81

 „Erhaben“ ist, wer sich dem Tod als „Gewalt, die 



er der Tat nach erleiden muß“ freiwillig unterwirft, was Schiller auch als „Resignation in die 

Notwendigkeit“ bezeichnet; damit behauptet der „moralisch gebildete Mensch“ seine Freiheit, 

indem der Geist über Naturgesetze und Sinnlichkeit triumphiert.

82

 Ein Subjekt handelt aber 



erst dann in dieser Weise selbstbestimmt,

83

 wenn die „physischen Bedingungen“ des 



menschlichen Daseins die Harmonie von Pflicht und Neigung unmöglich macht. Dann zeigt 

sich „das Erhabene“, indem das Subjekt bewusst seine eigenen Triebe unterdrückt, um 

moralisch richtig zu handeln; auf den Betrachter wirkt solch ein Mensch „würdevoll“.

84

 „Das 



Schöne“ wird im Essay „Über das Erhabene“ gewissermaßen als wichtige Vorstufe auf dem 

Weg zum „Erhabenen“ ausgeformt:

85

Zwar ist das Schöne ein Ausdruck der Freiheit, aber nicht derjenigen, welche uns über die Macht der 



Natur erhebt und von allem körperlichen Einfluß entbindet, sondern derjenigen, welche wir 

innerhalb der Natur als Menschen genießen. Wir fühlen uns frei bei der Schönheit, weil die 

sinnlichen Triebe mit dem Gesetz der Vernunft harmonieren; wir fühlen uns frei beim Erhabenen, 

weil die sinnlichen Triebe auf die Gesetzgebung der Vernunft keinen Einfluß haben, weil der Geist 

hier handelt, als ob er unter keinen andern als seinen eigenen Gesetzen stünde.

86

 



Ein „schöner Charakter“ handelt zwar auch moralisch, ist aber nicht ganz frei, weil sein 

vernünftiges Handeln durch die Sinnenwelt, z.B. durch Triebe, motiviert ist: 

Durch die Schönheit allein würden wir also ewig nie erfahren, daß wir bestimmt und fähig sind, uns 

als reine Intelligenzen zu beweisen. […] Die Sinnenwelt also erklärt das ganze Phänomen seiner [i.e. 

des schönen Charakters] Tugend, […].

87

 



Befreiung von äußeren Zwängen 

Laut Schiller ist, wie oben gesehen, das Wesen des Menschen das Wollen, das der Dinge das 

Müssen. Wenn ein Mensch Gewalt erleiden muss, kommt dies einem Verlust seines Mensch-

Seins gleich.

88

 Erst recht gilt dies für den Tod als völlig unbeeinflussbare Form der Gewalt. 



Hier stellt sich die Frage, wie sich der Mensch Mensch-Sein und Freiheit im Angesicht von 

Gewalt oder Tod bewahren kann. 

                                                 

80

 Vgl. „Über das Erhabene“ in: Schiller 1970, 87. 



81

 Vgl. „Über Anmut und Würde“, zit. nach Sörensen 2003, 280. 

82

 Vgl. „Über das Erhabene“ in: Schiller 1970, 84 f.; 87. 



83

 Vgl. „seine eigene Handlung geworden“ ebd., 84. 

84

 Vgl. „Über Anmut und Würde“, zit. nach Sörensen 2003, 280. 



85

 Vorstufe innerhalb der ästhetischen Erziehung des Menschen vgl. „Über das Erhabene“ in: Schiller 1970, 98f. 

86

 Ebd., 87 „Über das Erhabene“. 



87

 Ebd., 89. 

88

 Ebd., 83. 




 

24

Hierüber entwirft Schiller in seinem Essay „Über das Erhabene“ zwei Möglichkeiten der 



Naturbeherrschung:

89



 

den „realistischen Weg“: bezogen auf den Ernstfall der Todesdrohung behauptet das Ich 

seine Autonomie gegen äußere „Gewalt“, wenn es ihr „Gewalt entgegensetzt“; wenn es 

über „physische“ oder technische Mittel verfügt, die Todesgefahr abzuwehren. Gewalt soll 

also faktisch vernichtet werden; das Problem dabei ist, dass in bestimmten Situationen (z.B. 

wenn man zum Tode verurteilt worden ist und keine Rettungsmittel mehr vorhanden sind) 

der Tod unvermeidbar ist. 

 



den „idealistischen Weg“: idealistisch muss das Ich seine Autonomie gegen äußere 

„Gewalt“ behaupten, wenn es dieser Mittel, also in physisch-technischer Hinsicht 

ohnmächtig und der Todesgefahr hilflos ausgeliefert ist. Dann muss es die drohende 

Fremdbestimmung, die es de facto, also „der Tat nach erleiden muß“, „dem Begriff nach 

vernichten“.

90

 Schiller erläutert letzteren Ausdruck folgendermaßen: „Eine Gewalt dem 



Begriffe nach vernichten heißt aber nichts anderes, als sich derselben freiwillig zu 

unterwerfen“, heißt also „Resignation in die Notwendigkeit“.

91

 Gewalt wird also auf 



gedanklich-geistigem Wege vernichtet – diese Möglichkeit sei dem Ich immer möglich. 

 

Schillers Konzept des freien Willens 

Schiller übernahm das Konzept eines neutralen freien Willens, so wie es von seinem Jenaer 

Kollegen und zeitweiligen Freund, dem Philosophen Karl Leonhard Reinhold, formuliert 

wurde.

92

 Reinhold hat Schillers Rezeption der Kant’schen Philosophie stark beeinflusst. 



Schiller übernimmt Reinholds Konzept des neutralen freien Willens erstmals in seinem 

Aufsatz „Über Anmut und Würde“ (1793).

93

 Darin unterscheidet er zwischen dem „Willen“, 



dem „Naturtrieb“ und der „Vernunft“; der Wille ist als übersinnlicher Teil des Subjekts weder 

dem Naturgesetz und dessen Kausalität noch der Vernunft unterworfen.

94

 Insofern ist der Wille 



also frei, auch gegen die Vernunft mit ihrer Moral des Sittengesetzes zu verstoßen.

95

 



„Naturtrieb“ und „Vernunft“ – entsprechend der Zweiteilung von Körper und Geist – 

                                                 

89

  Vgl. „Über das Erhabene“ in: Schiller 1970, 84. 



90

 Ebd. 


91

 Ebd., 


84 

f. 


92

  Vgl. Roehr 2003, 121. 

93

 Ebd., 


127. 

94

  Ebd., 126 f. 



95

  Das Sittengesetz wird durch die Vernunft hergeleitet. Vgl Roehr 2003, 123; Sörensen 2003, 161. Als Inhalt 

des Sittengesetzes übernahm Schiller Kants „Kategorischen Imperativ“; diese moralphilosophische Regel 

Kants soll den Menschen eine moralische Begründung für ihr Handeln geben; er lautet: „Handle so, dass die 

Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“ 



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