Die Konzeption von Freiheit in Schillers „Don Karlos“ und „Maria Stuart“



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erscheinen. Sie beschreibt sie mit religiösen Symbolen (Agnus Dei [Lamm Gottes], 



Rosenkranz, Kruzifix in der Hand) und einem Diadem tragend als Ausdruck der Königswürde. 

 

„[D]as Beispiel edler Fassung“ 

Durch Hannah Kennedy, Marias frühere Amme, erfahren wir von Marias heldenhafter 

Haltung: 

Melvil! Ihr seid im Irrtum, wenn Ihr glaubt, 

Die Königin bedürfe unsers Beistands, 

Um standhaft in den Tod zu gehen! Sie selber ist’s, 

Die uns das Beispiel edler Fassung gibt. 

Seid ohne Furcht! Maria Stuart wird 

Als eine Königin und Heldin sterben. (V/1, V. 3375-80)

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Marias Haltung wird hier zu Beginn des fünften Aktes nicht nur prophezeiend als heldenhaft



sondern auch als vorbildlich bewertet. Worin dieses „Beispiel edler Fassung“ besteht, wird im 

Verlauf des fünften Aktes bedeutungsvoll ausgeformt. Hannah Kennedy fügt noch im Verlauf 

dieser Szene (V/1) hinzu: „Kein Merkmal bleicher Furcht, kein Wort der Klage / Entehrte 

meine Königin“ (V.3409). 

In der sechsten Szene des fünften Aktes gewinnt Marias vorbildliche „Beispiel edler 

Fassung“ an Kontur, als sie sich zum ersten Mal selbst zu ihrem bevorstehenden Tod äußert: 

im Angesicht des Todes fühlt sie „Die Krone […] wieder auf dem Haupt, / Den würd’gen Stolz 

in [ihrer] edeln Seele!“ (3493f.); sie fordert die Anwesenden auf, sich mit ihr zu freuen, weil 

sie den bevorstehenden Tod als eine Befreiung aus ihrem Kerker und von den einer Königin 

unwürdigen Zustände sieht (3480-83; 3486f.). „Wohltätig, heilend, nahet [ihr] der Tod“ 

(3489). Bereits hier – noch vor Marias Umdeutung des Todes in der Beichtszene (V.3735f.) – 

nimmt Maria dem Tod den Schrecken, indem sie ihn als Befreiung von „Schmach“ ( V.3491) 

und „Leiden“ (V.3481) deutet. Ihren Tod sieht sie nicht als Niederlage, sondern im Gegenteil 

als „Triumph“, denn Melvil sagt sie: „Ihr seid zu Eurer Königin / Triumph, zu ihrem Tode 

nicht gekommen.“ (3496f.). Er ist ein „Glück“ (3498), durch das „die frohe Seele sich / Auf 

Engelsflügeln schwingt zur ew’gen Freiheit.“ (3483 f.). 

Marias „Beispiel edler Fassung“ zeigt sich aber auch, wie oben erwähnt, an der 

Versöhnung mit sich selbst und anderen, insbesondere an ihrer Versöhnung mit Elisabeth. Zu 

einer persönlichen Begegnung zwischen ihnen kommt es nicht mehr. 

Obwohl Maria zweierlei Rechtsbeugung zu erleiden hat: einerseits Rechtsbeugung aus 

Gründen der Staatsräson andererseits die Rechtsbeugung Elisabeths aus persönlicher 

                                                 

64

 Vgl. auch V.3448 BURGOYN: „ihr [i.e. Marias] Heldenmut“. 




 

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Befindlichkeit, erscheint Maria durch ihre geistige Haltung nicht als Opfer. Denn Maria hat die 



Zwangslage aktiv und selbstbestimmt bemeistert. Sie ist frei im Glauben und im Geist, den sie 

sich nicht einsperren ließ. Maria wird durch ihre Umdeutung des Urteils, Entsagung aller 

irdischen Ansprüche und die Versöhnung mit allen, sogar mit ihrer einstigen Rivalin Elisabeth 

– zur menschlichen „Heldin“ (V. 3380), die „das Beispiel edler Fassung“ gibt. Insoweit hat 

sich der prophetische Inhalt von Hannah Kennedys Aussage bewahrheitet: „Maria Stuart wird / 

Als eine Königin und Heldin sterben.“ (V.3379 f.). 

 

3.

 

Deutung im Kontext von Schillers Freiheitskonzeption 

Die Deutung hat offene Fragen hinsichtlich des freien Handelns Elisabeths und Marias zu 

beantworten. In diesem Zusammenhang ist vom Schiller’schen Standpunkt aus zu klären, ob 

innere Triebe, Neigungen und Eifersucht den freien Willen einer Person ausschließen. Mit der 

Kenntnis darüber, wie sich der freie Wille verhält, kann geklärt werden, inwieweit Maria und 

Elisabeth während ihrer persönlichen Begegnung frei handeln. Ebenso ist der Frage 

nachzugehen, wie Elisabeths Handeln im Moment der Unterzeichnung des Todesurteils und 

Marias Sinneswandel hinsichtlich ihres Todes im Lichte der Schiller’schen Freiheitskonzeption 

gedeutet werden können. Zur Beantwortung dieser Fragen werde ich mich schwerpunktmäßig 

auf Schillers philosophischen Essay „Über das Erhabenebeziehen, der den Tod als Grenze 

der Freiheit zum Thema hat.

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 Um Schillers – auf Kant gründende – Philosophie zu verstehen, 



muss man zunächst das Schiller’sche Menschenbild umreißen;

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 die Übertragung auf „Maria 



Stuart“ erfolgt danach. 

 

Die „sinnlich-sittliche Doppelnatur“ des Menschen 

Der Mensch besteht - in der Schiller’schen Betrachtungsweise – aus Körper und Geist.

67

 Dem 



Körper entspricht die „sinnliche Welt“ mit ihren Trieben, Empfindungen und Affekten;

68

 



dieser Teil unterliegt Naturgesetzen und Zwängen und ist also von außen bestimmt 

(heteronom).

69

 Die „sinnliche Welt“ ist der Zeit unterworfen: sie ist vergänglich und die 



Erfahrungen, die im Laufe der Zeit gemacht werden, schlagen sich hier nieder. 

                                                 

65

 Die genaue Entstehungszeit dieses Essays lässt sich nicht angeben; er erschien 1801 in seiner Sammlung 



„Kleinere prosaische Schriften“, Teil III. Thematisch gehört die Arbeit in den Umkreis der Schriften „Vom 

Erhabenen“ und „Über das Pathetische“, also in die Periode seiner Auseinandersetzung mit Kantischen Ideen

man kann sich diese Schrift als abschließende Gedanken zu diesem Thema denken. Vgl. Schiller 1970, 126; 

Riedel 2007, 59. 

66

 Vgl. Feger 2005 über Schillers selbständige, ja stellenweise eigenwillige Kantrezeption. 



67

 Vgl. „Über das Erhabene“, Schiller 1970, 86 f. 

68

 Vgl. „sinnliche Welt” oder auch „Sinnenwelt”, ebd., 86; 90. 



69

 Vgl. „Über das Pathetische”, ebd., 55;62. „Heterogene Kräfte“ ebd., S.100. 




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