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Sommer 2005 ERMLANDBRIEFE



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Sommer 2005

ERMLANDBRIEFE

5

Vergesst das Leiden nicht



Versöhnt Euch mit den Feinden

„Europa-Bischof“ Dr. Josef Homeyer predigte bei den Ermländern in Werl

Von Martin Grote

Für Pater Urban Hachmeier, den neu-

en Wallfahrtsleiter in Werl, war es am 8.

Mai eine Premiere, erleben zu dürfen,

was es heißt, wenn „die Ermländer kom-

men“. Mit seinem Vorgänger Hans-

Georg Löffler hatte der Franziskaner die

Pfarrstelle in St. Ludwig, Berlin-Wilmers-

dorf getauscht, um die Pilgerseelsorge

an einem westfälischen Gnadenort zu

übernehmen, der den Heimatvertriebe-

nen besonders ans Herz gewachsen ist. 

Kurz vor 9 Uhr füllte sich der Basili-

kavorplatz ganz langsam. Verkaufsti-

sche wurden aufgestellt, Plakate ange-

klebt, das Bild von Bischof Kaller fand

seinen Platz zwischen den Portalen,

und davor begann man mit der Samm-

lung von Unterschriften: „Die Ermlän-

der gratulieren Papst Benedikt XVI.“!

Allmählich trafen immer mehr bekann-

te Gesichter ein. Vielen begegnet man

bei Heimattreffen das ganze Jahr über,

doch mit anderen kommt man nur in

Werl zusammen, zum Beispiel mit

Hans-Georg Tappert, einem treuen

Ermländer aus dem mecklenburgi-

schen Verchen, der sich in jedem Mai

mit seiner Ehefrau auf die Reise zum

Marienbild an den Hellweg begibt. 

In der Sakristei herrschte um 9.30

Uhr Hochbetrieb: Ungefähr 30 Priester

zogen sich um, Dorothea Ehlert stand

mit der Ermlandfahne bereit, die Kol-

lektanten sprachen sich ab, und der

Wiener Kaller-Biograph Pater Werner

Christoph Brahtz, der wiederum die

Rolle des Zeremoniars übernahm, er-

klärte den Messdienern den Ablauf. 

Der Hauptzeiebrant und Prediger war

in diesem Jahr kein Ermländer oder

Schlesier, sondern ein aus Harsewinkel

stammender Westfale: Bischof Dr. Josef

Homeyer. Der 75-jährige ist in seiner Di-

özese Hildesheim bereits emeritiert,

auch wenn bislang noch kein Nachfol-

ger für ihn feststeht. Prälat Johannes

Schwalke betete den Rosenkranz vor,

und um 10 Uhr zog Kanonikus Joseph

Sickart wieder alle Register der Basilika-

orgel, so dass das Pontifikalamt in feier-

lichster Weise mit „Getröst, getröst" er-

öffnet werden konnte. 

In seiner Predigt ging Bischof

Homeyer zunächst auf das Wesen des

lebendigen Gottes ein, ausgehend vom

Wort aus den Abschiedsreden Jesu:

„Ich habe deinen Namen den Men-

schen offenbart“. Dabei betonte der

frühere Hildesheimer Oberhirte, wir

hätten es mit keinem Partygott und

auch mit keinem Eventgott zu tun, son-

dern mit dem Gott Abrahams, Isaaks

und Jakobs, der Gott und Vater Jesu

Christi ist, der sich den Armen zuwen-

det, der den Gefangenen Befreiung ver-

heißt, der das Elend der Blinden lie-

bend umfasst und der die Zerschlage-

nen der menschlichen Geschichte in

Freiheit setzt. „Diesen Gott und keinen

anderen verkünden wir!“ 

Da der Schall der Mikrofone in erster

Linie in die Basilika hinausging, war der

Altbischof für die im Chorbereich sitzen-

den Pilger nicht einwandfrei zu verste-

hen. Dieses Akustikproblem wurde

nachher häufig bedauert, denn die Pre-

digt enthielt viele wichtige Akzente. 

Bischof Homeyer verdeutlichte, dass

wir nicht in Begriffe hinein glauben, son-

dern in den gekreuzigten und auferstan-

denen Christus. Insbesondere bezog

der große, weißhaarige Bischof diesen

Gedanken auf Maximilian Kaller und

lobte dessen unbedingte Zuwendung zu

den Menschen, egal ob im kulturellen

Gebrodel Berlins, im katholischen Erm-

land oder in der Heimat Schlesiens und

Ostpreußens: „Immer ging er in der

Spur Jesu, wie ein Heiliger!“ 

In einem zweiten Abschnitt seiner

Ansprache nahm Josef Homeyer auf

die 60. Wiederkehr des Kriegsendes

bezug, und er begab sich mit den Erm-

ländern auf die Suche nach einer

„christusförmigen Antwort“ auf den 8.

Mai 1945, die dann lautete: „Vergesst

das Leiden nicht, und versöhnt euch

mit den Feinden!“ Dieses sah der Hil-

desheimer Altbischof als den Maß-

stab Europas und als die „Antwort in

der Spur Jesu“ an. Der Bischof er-

wähnte, dass ihn die offensichtlich

noch immer tief sitzenden Verunsi-

cherungen zwischen Polen und Deut-

schen sehr bedrücken würden, und er

rief in Erinnerung, dass sich Polen

von Anfang an als Bollwerk des christ-

lichen Abendlandes gegenüber dem

Osten verstanden habe. „Das neue

Europa, die EU“, so Homeyer, „für die

sich gerade die Ermländer so einset-

Wallfahrern ein Grußwort des ermlän-

dischen Metropoliten Dr. Edmund

Piszcz. Er hatte dankend erwähnt, dass

die Vertriebenen, die vor 60 Jahren ihre

Häuser verlassen mussten, nun bereit

seien, mit den polnischen Ermländern

Frieden und oft sogar Freundschaft zu

schließen. „Am Rande des zu Ende ge-

henden Konzils“, so Piszcz, „haben wir

polnischen Bischöfe unseren deutschen

Amtsbrüdern einen Brief überreicht.

Die Botschaft lautete: Wir vergeben und

bitten um Vergebung. - Eure Bischöfe

haben darauf im gleichen Sinne geant-

wortet!“ Der Ermländischer Erzbischof

bat darum, den Weg der Brücken zwi-

schen West und Ost fortzusetzen, und er

sorgte sogleich für eine Überraschung,

indem er ein ganz besonderes Zeichen

setzte: Altvisitator Prälat Johannes

Schwalke wurde nämlich zum Ehren-

domherrn in Frauenburg ernannt, und

dafür erhielt er in der Werler Basilika

auch unmittelbar den verdienten Ap-

plaus. Zu den ersten Gratulanten gehör-

te natürlich Bischof Homeyer, der das

Wirken des Prälaten zu würdigen wuss-

te: „Gewiss sehe ich in dieser hochver-

dienten Ernennung auch die Anerken-

nung und Ehrung der deutschen Erm-

länder und ihrer unablässigen Bemü-

hungen um Verständigung und Versöh-

nung mit den jetzt in ihrer alten Heimat

lebenden Polen. Aber es ist auch die

Hochschätzung Ihres ganz persönlichen

Lebenswerkes, den vertriebenen Erm-

ländern hier eine neue Heimat zu schaf-

fen und die Beziehungen mit den jetzt

im Ermland lebenden Polen zu knüpfen

und zu vertiefen.“ Der Hildesheimer Alt-

bischof dankte jedoch genauso dem jet-

zigen Visitator Msgr. Dr. Lothar Schlegel,

da dieser eine große Aufgabe übernom-

men und mit ungewöhnlichem

Schwung und Elan weitergeführt habe. 

Nach der festlichen Messfeier bega-

ben sich die Geistlichen und die Ehren-

gardisten zum Mittagessen in den Pilger-

saal des Klosters, während sich die Wall-

fahrer auf die einzelnen heimatlichen

Treffpunkte aufteilten. 

Ab 14 Uhr standen die zahlreichen

Priester zu Gesprächen auf dem Basili-

ka-Vorplatz bereit, und um 15 Uhr split-

tete sich die Menschenmasse erneut.

Die ältere Generation versammelte sich

zur von Visitator Dr. Schlegel und Konsi-

storialdekan Lewald gestalteten Vesper

in der Basilika, und die GJE fand sich

nach einer verregneten Mittagspause in

der Propsteikirche St. Walburga ein, in

der Pastor Thorsten Neudenberger den

Hl. Franz von Assisi als Wegbereiter des

Friedens darstellte. Besonders auf den

Sonnengesang wies der Dortmund-Mar-

tener Konsistorialrat hin, und er führte

seinen Zuhörern die herrliche Flora

und Fauna des Ermlandes vor Augen,

die von den Menschen auf gar keinen

Fall zerstört werden dürfe. 

Nach der Vesper traf man sich traditi-

onsgemäß noch zum Eisessen in der

Fußgängerzone, bevor der Wallfahrtstag

um 17 Uhr beendet wurde, als Visitator

Dr. Schlegel das Eucharistische Brot aus

der ausgesetzten Heiligelinde-Mon-

stranz herausnahm und in den Taberna-

kel der Basilika zurücktrug. Für Pfarrer

Joachim Klemens Plattenteich, der seit

einiger Zeit zusammen mit Konsistorial-

rat Krause die Ermländergottesdienste

in Düren, Bergheim und Stolberg leitet,

war es in diesem Jahr die allererste

Werl-Wallfahrt, und Plattenteich zeigte

sich beeindruckt. „Besonders gefiel mir

das Progressive“, so der in Königsberg

geborene Priester, „denn die Ermländer

schauen hier nicht nur zurück, sondern

vor allem auch nach vorn, und sie rich-

ten ihren Blick auf ein vereintes

Europa!“

zen, ist ein Testfall

für das Gelingen der

Versöhnung und

darauf gründender

wirklicher Solidari-

tät (...) Und uns auf

diese Versöhnung

einzulassen, ver-

langt wirkliches Ein-

lassen aufeinander,

auch auf die Verlet-

zungen und Ver-

wundungen in der

gemeinsamen Ge-

schichte! Versöh-

nung meint mehr

als Entschuldigung:

die Beziehung soll

wieder aufgenom-

men und geheilt

werden, um mitein-

ander die Zukunft

zu gestalten.“ 

Vor dem Schluss-

segen traten die Prä-

laten Bronisław

Magdziarz und Juli-

an Żołnierkiewicz

sowie Kaplan André

Schmeier als Allen-

steiner Delegation

an den Ambo und

überbrachten den

Diesjährige Erstkommunionkinder am Gnadenbild der

Gottesmutter in Werl: Olivia Block und Damian Stobbe. 

Foto: Stobbe

Nach dem Pontifikalamt: Bischof Homeyer inmitten der

ermländischen Visitatoren. 

Foto: Norbert Block

Bischof Homeyer segnet die ermländische Pilgerschar beim

Auszug aus der Basilika 

Foto: Norbert Block



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