ERMLANDBRIEFE
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Sommer 2010
Ob Sie da nicht zu spät kommen, Herr Pastor?
Festliche Tage im Ermland mit Nikolaus Kopernikus
In Polen versteht man zu fei-
ern. Die Tage zwischen Christi
Himmelfahrt und Pfingsten
standen landesweit im Zeichen
des berühmten Frauenburger
Domherrn Nikolaus Koperni-
kus. Dieser hatte schon vor Ga-
lileo Galilei entdeckt, dass sich
die Erde um die Sonne dreht
und nicht umgekehrt. Kopper-
nigk, so sein nicht latinisierter
Nachname, stammte gebürtig
aus Thorn und hatte von 1522
bis 1529 als Deputierter das
ermländische Domkapitel im
preußischen Landtag vertreten.
Er starb 1543, als sein Haupt-
werk „De revolutionibus orbi-
um caelestium" in Nürnberg er-
schien, und wurde im Frauen-
burger Dom beerdigt. Bei Reno-
vierungsarbeiten stieß man in
jüngster Zeit auf ein Grab ne-
ben seinem Altar. Eine DNS-
Analyse machte es sehr wahr-
scheinlich, dass es die Gebeine
des berühmten Astronomen
enthielt. Das galt zu feiern.
Zur erneuten Beisetzung des
Kopernikus reisten auf Einla-
dung von Erzbischof Dr.
Wojciech Ziemba und des Frau-
enburger Domkapitels Visitator
Monsignore Dr. Lothar Schle-
gel, Konsistorialdekan Monsi-
gnore Achim Brennecke und
Konsistorialrat Prälat Prof. Dr.
Hans Jürgen Brandt ins Erm-
land. Auf dem Flug von Dort-
mund nach Danzig brachte De-
kan Brennecke seine beiden
Mitbrüder zum schallenden La-
chen. Er berichtete, wie er sich
von seiner Gemeinde verab-
schiedet habe: „Ich fahre ins
Ermland zur Beerdigung des
Nikolaus Kopernikus.“ Darauf
sagte eine Frau, die wohl den
mittelalterlichen Kopernikus
kannte, aber nichts von der
Wiederentdeckung seiner Ge-
beine wusste, mitleidig in köl-
schem Dialekt: „Ob Se da nit zu
spät kümme, Herr Pastor?“
Die Feiern erreichten ihren
Höhepunkt in den Tagen vor
Pfingsten. Am Abend des 20.
Mai 2010 wurde der Sarg mit
den Gebeinen des Kopernikus
in feierlicher Prozession vom
Schloss in Allenstein zur Proka-
thedrale St. Jakobi überführt.
Den Zug der Domherren und
Bischöfe führten die ermländi-
schen Konsistorialräte aus
Deutschland an, verstärkt
durch ihren westfälischen
Landsmann Domherr André
Schmeier. Das anschließende
Pontifikalamt feierte Bischof Dr.
Andrzej Suski aus Thorn, die
Predigt hielt Erzbischof Dr.
Wojciech Ziemba. Als sich nach
dem Auszug der Dom geleert
hatte, sangen wir deutschen
Konsistorialräte vor der Büste
von Bischof Maximilian Kaller
das österliche Salve Regina. Ein
Seminarist namens Wojciech,
der uns wegen seiner Deutsch-
kenntnisse freundlicherweise
vom Regens zugeordnet war,
sagte zu uns am anderen Mor-
gen erstaunt: „Sie tragen ja die
gleiche Kleidung wie unsere
Domherrn!“ Wir erzählten ihm
von Bischof Kaller, vom Schick-
sal der letzten deutschen Dom-
herrn in Frauenburg und über
unser Weiterleben bei den ver-
triebenen Ermländern in
Deutschland. Wojciech hatte
nie davon gehört.
Am Samstagmorgen, dem
22. Mai, begannen die Feiern
in Frauenburg. Die Prozession
der Domherren und Bischöfe
führte Dompropst Weihbi-
schof Dr. Jacek Jezierski wie-
der mit den Konsistorialräten
aus Deutschland an. Das Ponti-
fikalamt im überfüllten Dom
zelebrierte der päpstliche
Nuntius Józef Kowalczyk, der
vor wenigen Tagen als neuer
Erzbischof von Gnesen polni-
scher Primas geworden war.
Erzbischof Dr. Ziemba hatte in
seiner polnischen Begrüßung
zu Beginn der Messe auch Vi-
sitator Dr. Schlegel mit seinen
Ermländern aus Deutschland
herzlich willkommen gehei-
ßen. Am Schluss der Messe er-
folgte die erneute Beisetzung
des Kopernikus in seinem al-
ten Grab. Das darüber ange-
brachte neue, gediegene Epi-
taph aus schwarzem Marmor
bereichert in Konzeption und
Ausführung die kostbare Aus-
stattung des Domes. Alle Sei-
tenaltäre erstrahlten zum Fest
nach gründlicher Restaurie-
rung in neuem Glanz. Die Mit-
tagspause gab Gelegenheit
zum Imbiss und Spaziergang
hinunter zum Haff. Um 15 Uhr
begann im Mittelschiff des Do-
mes die konzertante Erstauf-
führung einer Messe zu Ehren
des Kopernikus mit Spitzen-
kräften aus ganz Polen. Wir
deutschen Konsistorialräte
nutzten dabei das nicht einbe-
zogene Chorgestühl, um mit
dem Rosenkranz still derer zu
gedenken, die vor uns hier ge-
betet haben. Otto Miller, Ger-
hard Fittkau, Johannes
Schwalke - um nur drei zu nen-
nen - hatten im Himmel sicher
ihre helle Freude.
Von Konsistorialrat Prälat Prof. Dr. Hans Jürgen Brandt
Die sterblichen Überreste des außergewöhnlichen Kanoni-
kers Kopernikus im Alleinsteiner Schloss.
Alle Fotos in dieser Spalte: Fox
Auszug der Prozession aus dem Schloss zur Konkathedrale
über die Schlossstr. (ul. Zamkowa), Markt (Rynek) und Un-
terkirchenstr. (ul. Staszica)
Vertreter des ermländischen Konsistoriums mit Domkapitu-
lar Msgr. Dr. Lothar Schlegel. Prof. Jürgen Brandt, Dekan
Achim Brennecke und Domherr André Schmeier.
Prozessionszug auf der Unterkirchenstraße mit zahlreichen
Vertretern aus Kirche und Gesellschaft. Vorne Vertreter des
ermländischen Konsistoriums.
Dompropst Weihbischof Jacek Jezierski, der die Suche nach
den sterblichen Überresten des Kopernikus in Auftrag gege-
ben hat.
In einer Pause bei den Feierlichkeiten zum 750-jährigen Jubiläum
des Ermländischen Domkapitels und zur Wiederbeisetzung von
Nikolaus Kopernikus im Frauenburger Dom: v.l. Prof. Dr. Sztych-
miller, Visitator Dr. Schlegel, Prof. Dr. Brandt,Domherr Schmeier
und Konsistorialdekan Msgr. Brennecke.
Ein kurzes Ge-
denken und
Gebet am Ge-
denkstein für
die Opfer der
Flucht. V.l. KR
B r e n n e c k e ,
Visitator Msgr.
Dr. Schlegel,
KR Prof. Dr.
Brandt und
Domkapitular
Schmeier.