ERMLANDBRIEFE
8
Sommer 2010
umgekehrt, denn Roswitha Ulbrich
sorgt nicht nur für einen reibungslosen
Ablauf der Treffen: Sie verleiht jeder
Zusammenkunft auch inhaltlich ein
besonderes Niveau. So erwartet die
Gäste im Pfarrheim neben einem her-
vorragenden Kuchenbuffet auch eine
Meditation, die in diesem Jahr den Ti-
tel „Meine Kerze für Dich“ trug. Auf
den gedeckten Tischen stand für jeden
Teilnehmer eine Kerze mit dem Gna-
denbild der Mutter Gottes von Diet-
richswalde bereit, und Roswitha lud
ein: „Die Kerze steht vor Dir, schau sie
Dir an. Ihre Flamme züngelt und be-
wegt sich. Versinke in Gedanken an da-
heim, ins wunderschöne Ermland! Wir
können anderen Menschen Licht
schenken, aber wir können zu nieman-
dem sagen, dass wir das Licht der Welt
seien. Das sagt nur Jesus Christus. Das
Licht ist Christi Zeichen: Es stillt die
Sehnsucht des Menschen.“ – „Das
Christentum“, so Roswitha Ulbrich,
„bietet einen Alternativentwurf zum
schnell verlöschenden Licht unserer
Zeit an. Darum mache Dich auf, und
werde Licht!“
Die Lichtsymbolik stand diesmal al-
lerdings nicht nur beim Kaffeetrinken
zentral. Auch in der Kirche nahm sie ei-
nen besonderen Platz ein, denn am En-
de der Vesper segnete Visitator Dr.
Schlegel die zwei großen Wallfahrtsker-
zen für die am darauffolgenden Sonntag
stattfindende Werl-Wallfahrt. Kerzen-
frau Dorothea Ehlert aus Velbert-Tönis-
heide war dabei persönlich anwesend
und erläuterte, was sie auf die Kerzen
geschrieben hatte: „Mutter, sieh Deine
Söhne und Töchter, die Ermländer“
stand auf der Marienkerze. Und die
Ermlandkerze, die mit dem Osterlamm
verziert war, trug die Aufschrift: „Die
Freude am Glauben an den Herrn war,
ist und bleibt unsere Stärke!“
Bevor im Saal, von Johannes Groß
am Flügel begleitet, das Ermland- und
das Ostpreußenlied gesungen wurde,
wandte sich der Visitator nochmals an
die Jubiläumsgäste. Er erwähnte, dass
bei der Ermländerwallfahrt im Oktober
in Kevelaer wahrscheinlich die erste In-
stanz des Seligsprechungsprozesses für
Bischof Maximilian Kaller auf der Döze-
sanebene abgeschlossen werden kann,
und ferner berichtete Dr. Schlegel, dass
er inzwischen auch zum Visitator von
Schneidemühl und Danzig ernannt wor-
den sei: „Diese Arbeit ist im Anfang
kompliziert, denn ich bin weder Schnei-
demühler noch Danziger, aber ich soll
es sein!“
Abschließend erzählte der Visitator
von einigen seiner noch ausstehenden
Reisen: z.B. von einer Fahrt nach Frau-
enburg, wo jetzt das Grab von Koperni-
kus gefunden zu sein scheint, so dass
man ihn im Dom neu beisetzen kann,
oder vom Ermländertreffen am 12. Sep-
tember 2010 in Daun, bei dem der Grab-
stein für Prälat Schwalke feierlich geseg-
net werden soll. „Egal, wo ich hinfahre“,
versprach Msgr. Dr. Lothar Schlegel, „in
Gedanken nehme ich Sie alle immer
mit, und wenn ich mal nicht hier in Her-
ne sein kann, ist das auch nicht so
schlimm, denn Sie haben doch ihren
guten Pfarrer Theo Surrey, der macht
das schon! Kommen Sie gut nach Hau-
se, bleiben Sie gesund und halten Sie
uns die Treue!“
20. Treffen der Ermländer in Herne
Licht stillt die Sehnsucht
Von Martin Grote
„Erinnern Sie sich an die diesjährige
Osterausgabe der Ermlandbriefe?“,
fragte Visitator Msgr. Dr. Lothar Schle-
gel, als er am 25. April 2010 seine Pre-
digt in St. Barbara, Herne-Röhlinghau-
sen, begann. „Dort war auf der Titelsei-
te ein Lamm zu sehen, und das war
nicht irgendeines. Es stammte aus dem
berühmten Isenheimer Altar von Mat-
thias Grünewald.“ Einige der 100 Erm-
länder, die zur diesjährigen Vesper ge-
kommen waren, kannten dieses Kunst-
werk von einer persönlichen Reise
nach Colmar, doch der Visitator ging
auf eine Abbildung des Altars ein, die
so gut wie niemand vor Augen hatte:
die Peinigung des Hl. Abtes Antonius.
Dieses Bild zeigt, wie hässliche Bestien
und Dämonen den frommen Mönchs-
vater plagen. Sie schlagen ihn mit Stök-
ken, entreißen ihm den Rosenkranz
und ziehen ihn an den Haaren. Prälat
Schlegel erläuterte die Bedeutung die-
ses ungewöhnlichen Bildprogramms:
„Ursprünglich war der Altar in der Spi-
talkapelle der Antoniter in Isenheim im
Elsaß beheimatet, und Kranke wurden
zu Beginn ihrer medizinischen Behand-
lung vor diese Gemälde geführt, die vor
allem Trost spenden sollten. Die Be-
trachter sollten eine geistliche Kräfti-
gung erfahren, um ihre körperlichen
Schmerzen zu vergessen.“
Auch viele Ermländer sind vor 65
Jahren großen Peinigungen ausgesetzt
worden. Sie mussten Haus und Hof ver-
lassen, wurden gequält und vertrieben,
aber letzten Endes hat Gott sie gerettet,
genau wie den hl. Antonius. Dieses ver-
deutlichte der Visitator, und er schlug
eine Brücke zum Evangeliumstext aus
Johannes 10, in dem der Evangelist das
Wort Jesu zitiert: „Niemand kann sie
der Hand meines Vaters entreissen“. –
„Auch wenn wir in unserem Leben
schwierigen Situationen ausgesetzt
sind, der Glaube trägt uns, und das An-
toniusbild soll uns Mut machen“, er-
munterte Dr. Schlegel die Zuhörer:
„Und wenn Gott uns in die Vertreibung
geschickt hat, dann hat er uns als Chri-
sten auch den Auftrag erteilt, aus dieser
Situation heraus etwas zu tun und et-
was zu bewerkstelligen.“
Die Ermländer des Ruhrgebiets ka-
men bereits zum 20. Mal in Herne zu-
sammen, und aus diesem Anlass erfuhr
der Visitator am Altar Unterstützung
von Konsistorial-Prodekan Clemens
Bombeck, KR Thorsten Neudenberger,
Pfarrer Theodor Surrey, Pastor Norbert
Hagemeister, Pastor i. R. Josef Lobert
und pastoraal werker Martin Grote.
„Die Geistlichen haben uns wirklich
noch nie im Stich gelassen“, freute sich
Roswitha Ulbrich, die das Treffen zu-
sammen mit Ehemann Werner bereits
seit vielen Jahren vorbereitet und leitet.
Früher bezeichnete Pastor Lobert
die Organisatorin als seine „rechte
Hand“, aber inzwischen ist es beinahe
60 mal Passionsandacht, 60 mal Adventsfeier und vieles mehr
Heimatliche Tradition in Köln
Von Clemens Herrmann
Angeregt durch den netten Bericht
von Frau A. Müller über die Advents-
feier im Kolpinghaus in Köln, habe
ich mich daran gegeben, ein wenig in
der Historie der Ermlandfamilie (GJE)
Köln zu kramen. Ab 1951 singen wir in
Köln unsere Ermländischen Passions-
lieder. Auch die besinnlichen Ad-
ventsfeiern wurden seit dieser Zeit or-
ganisiert. Von 1952 bis 1971 ging es in
der Fastnacht (Karneval) hoch her.
An die vielen Sommer und Ernte-
dankfeste in den Jahren von 1952 bis
1968 können sich viele dankbar erin-
nern. 1952 fuhr sogar ein Sonderzug
zur großen Ermländer-Wallfahrt nach
Werl. Mit großem Fahnen- und Meß-
dienergeleit wurde das „Opfer“ vom
Bahnhof zur Kathedrale eingeholt.
Seit 1953 konnte man dann die Sam-
melbusse, von Hans Kraemer organi-
siert, 46 Jahre lang zur Fahrt von Köln
(Bergheim) nach Werl besteigen.
Dann waren die frommen Pilger voll
motorisiert. Zur Rückschau auf diese
großartigen, aktiven, von Ehrenamtli-
chen getragenen Jahre gehört ja unbe-
dingt auch ein wenig Statistik. Die Pas-
sionsandachten wurden gehalten: 3 x
im Dreikönigsklösterchen, 5 x in der
Kirche St. Nikolaus in Köln-Dünnwald,
16 x in der Kirche St. Severin in Köln,
4 x wieder in Dünnwald, 12 x im Herz-
Jesu-Heim in Köln, dann mussten wir
10 x wieder nach St. Nikolaus in Dünn-
wald ausweichen. Als dann das Ti-
sche- und Stühleschleppen, das Ku-
chen backen oder besorgen und die
Arbeit mit dem vielen Geschirr ein-
fach zuviel wurde, wir waren ja in der
Zwischenzeit auch 50 Jahre älter ge-
worden, mussten wir nach einer ande-
ren Lösung suchen. Durch die Vermit-
telung von Thea Schilling, fanden wir
eine neue Bleibe in dem Deutsch-Or-
dens-Wohnheim in Köln-Neu-Brück.
Wir dürfen in der schönen Kapelle das
hl. Messopfer feiern. Anschließend
wird gegessen und getrunken und be-
zahlt und somit werden wir von der
sonntäglichen Arbeit befreit. Die Teil-
nehmerzahlen bei der Passionsan-
dacht lag am Anfang bei ca. 250, das
waren nur die Hälfte wie bei den Kar-
nevalsfesten. Sie nahm auch ganz dra-
stisch ab, als Bonn und Bergheim ihre
Zusammenkünfte auf den selben Tag,
den Passionssonntag, legten.
Waren wir 2002 im Deutsch-Ordens-
Wohnstift noch 90 Personen, kamen
wir 2010 auf gut die Hälfte. Ähnliche
Teilnehmerzahlen hatten wir wohl
auch bei den anderen Beisammen-
sein mit besinnlichem Inhalt.
Bis 1960 konnten wir auch den
nächtlichen Bußgang von Köln, auf
verschlungenen Wegen nach Alten-
berg machen. Nach der 7-Uhr-Messe
fuhren wir dann mit dem Bus nach
Hause. Solange Herr Dr. Reifferscheid
die Monstranz noch heben konnte,
sangen wir im Oktober bei der großen
„Hedwigs-Wallfahrt“ zum Kölner
Dom, in St. Andreas unsere ermländi-
sche Vesper. Als Organistin war mei-
stens Elisabeth Herrmann im Einsatz.
Bei dem Katholikentag in Köln 1956
saßen wir bei den Vorbereitungen am
runden Tisch und übernahmen ein-
zelne Teile der Organisation.
Die Adventsfeiern wurden auch
von der nächsten Generation der GJE-
Köln getragen und gestaltet.
Unsere Kölner Theater-Gruppe
führte dabei 12 mal ein der Zeit ent-
sprechendes Stück auf.
Meditationen und Dia-Vorträge er-
freuten die Teilnehmer. Als Veran-
staltungsraum diente vielfach der
Heidehof. Von den Kirchen St. Agnes,
Christi Verklärung, St. Engelbert durf-
ten wir die Pfarrsäle benutzen. Auch
das Kolpinghaus stellte uns einige
Male einen Raum zur Verfügung.
Die Sommer- und Erntedankfeste
von 1952 bis 1968 und die Fastnachts-
und Karnevalsfeste von 1952 bis 1971
wurden fast alle im Heidehof in Köln-
Dellbrück gefeiert. Hierbei trat dann
auch die Volkstanzgruppe auf. Aus-
flüge in andere Städte, in das Maximi-
lian-Kaller-Heim nach Helle, nach
Cassel zum Schlittenfahren waren
sehr beliebt.
Bei einer Rückschau der Vetera-
nen, gedachten wir auch der kleinen
Arbeitskreise, die sich vielfach bis
tief in die Nacht ausdehnten. Hierbei
hielten wir nicht die Hände zum Him-
mel, sondern schrieben die Anschrif-
ten für die Einladungen der ca. 600
Leute, die wir in unserer Kartei mit
der Zeit gesammelt hatten. Es war Ar-
beit und Freude.
In der Rückschau kann man sagen,
dass es manchmal eine nicht ganz
leichte, aber dennoch eine schöne
Zeit war. Immer waren wir bemüht,
unsere Landsleute zusammen zu füh-
ren, zu erfreuen und die ermländi-
sche Substanz zu erhalten.
Es war in all den langen Jahren im-
mer ein schönes Miteinander und
Füreinander.
Wie lange sich noch spezielle „reli-
giöse Ermländische Veranstaltun-
gen“ halten werden hängt ab von den
Teilnehmerzahlen und vor allem von
den noch erreichbaren ermländi-
schen Priestern. Kardinal Josef
Frings bezeichnete einmal unser Wir-
ken im christlichen Zusammenhalt
als befruchtend und wir waren dank-
bar für jedes Lob.
Die Volkstanz-
gruppe der Köl-
ner Ermlandfami-
lie im Heidehof
im Jahre 1953 mit
ihrem bekannten
Holzschuhtanz.
Foto zugesandt:
Clemens Herr-
mann, Köln