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Das Gleiche gilt für den Algorithmenentwurf. Ohne die Fähigkeit, effiziente
Lösungsverfahren für berechnungsaufwendige
Aufgaben zu entwickeln, sind viele
Forschungsvorhaben in den Naturwissenschaften wie beispielsweise das Genom
projekt, aber auch viele Projekte in anderen Wissenschaften nicht umsetzbar.
Vertiefte Gesellschaftsreife
«… gelangen zu jener persönlichen Reife […]
, die sie auf anspruchsvolle
Aufgaben in der Gesellschaft vorbereiten …»
(MAR Art. 5)
.
These:
Der konstruktive modellorientierte Lösungsansatz der Informatik ist ein
wertvolles Schulungsinstrument und gleichzeitig unentbehrlich für die Bewältigung
vieler Aufgaben in der modernen Gesellschaft.
Begründung:
Die moderne Welt stellt komplexe Probleme. Deren Lösung erfor
dert Modellbildung und Modellanalyse im weitesten Sinne.
Eine Schulung dieser
Kompetenz am Modellfall der Lösung von Problemen der Informationsverarbeitung
ist ausserordentlich nützlich. Dabei können spezifische Fähigkeiten gefördert wer
den wie kaum in einem anderen Bereich: Dazu gehören exakte Problemformulie
rung, eindeutige Beschreibung der Lösungsweges, Fehlersuche und Validierung der
Lösungen und der verwendeten Methoden, Dokumentation der Lösung sowie Team
arbeit.
Da die Informatik eine Leitwissenschaft ist, kommt dazu,
dass die Lösung vieler
Aufgaben gerade auch den Einsatz der Informatik erfordert oder dass sogar die
Lösung ein Informationssystem ist.
Die Bildungsziele
Im Folgenden wird eine Reihe von Themen der Informatik kurz vorgestellt, die als
Elemente einer Bildung in Informatik von Bedeutung sind. Dies geschieht zunächst
ohne Bezug zu den Bildungszielen, die in den vorangehenden Kapiteln erläutert
wurden. Anschliessend werden diese Elemente mit den Bildungszielen verknüpft.
Die erläuterten Themenbereiche legen jedoch noch bei Weitem keine exakt um
schriebenen Lehrinhalte und Lehrpläne fest.
1
Algorithmen und Daten
In der Datenverarbeitung geht es um die Berechnung (Erzeugung) von neuem Wis
sen aus den vorhandenen Daten als Informationsquellen. Das erste Ziel hier ist, die
Problemlösungsfähigkeit zu fördern, indem man Algorithmen als automatisierbare
Lösungsmethoden erforscht, entwickelt und bezüglich Effizienz analysiert.
Zweitens geht es um die sehr praktische Frage der Implementierung der Algo
rithmen, das heisst der Beschreibung von Rechenabläufen in Programmiersprachen
und die Darstellung der benötigten Daten in geeigneten Strukturen. Im Vorder
grund steht nicht das Erlernen einer bestimmten Programmiersprache.
Das ist nur
Mittel zum Zweck. Das Ziel hier ist der Erwerb und die Förderung einer Problem
lösungsfähigkeit und der Kenntnis einschlägiger und grundlegender Techniken der
exakten Beschreibung von Rechenabläufen und Datenstrukturen und der dazu not
wendigen Elemente formaler Sprachen.
2
Künstliche und natürliche Sprachen
Die Kommunikation mit den Computern geschieht auf allen Ebenen, nicht nur für
die Programmierung, mithilfe von künstlichen formalen Sprachen.
Damit wird eine
neue Facette von Sprache als Kommunikationsmittel sichtbar, die sich von natürli
3.3
Elemente einer
Informatikbildung
70
Die Bildungsziele
71
chen Sprachen klar abhebt. Die Grammatik (Syntax) und die Bedeutung (Semantik)
der künstlichen Sprache sind eindeutig und ohne Ausnahmen festgelegt und erlau
ben damit eine präzise Kommunikation in einem begrenzten Diskursgebiet. Dem
gegenüber sind sowohl Syntax und Semantik von natürlichen Sprachen weit weni
ger eindeutig festgelegt und darüber hinaus einem stetigen, schnellen Wandel
unterworfen. Sie dienen einem praktisch uneingeschränkten Diskursfeld. Die Kor
rektheit der Syntax einer künstlichen Sprache kann automatisch geprüft werden,
was bei einer natürlichen Sprache weit schwieriger ist. Umgekehrt können Gram
matiken künstlicher Sprachen als Modelle natürlicher Sprachen dienen.
In einer
Welt mit maschinellen Akteuren ist ein Verständnis künstlicher Sprachen unab
dingbar.
3
Grenzen der Automatisierbarkeit,
Berechnungskomplexität
Die Lösung von Problemen der Informationsverarbeitung unterliegt Gesetzen, die
man als Naturgesetze bezeichnen kann. Zuerst muss man feststellen, dass nicht
alle gegebenen Aufgabenstellungen mit automatischen Verfahren lösbar sind. Die
Informatik klassifiziert die Probleme in algorithmisch lösbare und algorithmisch
unlösbare Probleme und erforscht damit die Grenzen der Automatisierung. Für die
algorithmisch lösbaren Aufgaben existieren quantitative Gesetze, die besagen, wie
viel Rechnerarbeit ihre Lösung erfordert. Nicht selten übersteigt
der notwendige
Arbeitsaufwand die physikalischen Möglichkeiten unseres Universums. Dies gilt für
viele in der Praxis der Wissenschaft, der Technik und der Wirtschaft gestellten
Probleme. In solchen Fällen stellt sich die Frage, welcher Teil der gewünschten
Informationen mit vertretbarem Aufwand aus den Daten herausziehbar ist. Die
Erkenntnis der beschränkten Macht der Computer verändert vollständig die Ein
stellung zu Rechenprozessen. Die Verbesserung der Effizienz
von Algorithmen ist
wesentlich, weil die Reduzierung des Arbeitsaufwandes nicht durch den Einsatz
von immer schnelleren Rechneranlagen erreicht werden und damit auch nicht
durch den technologischen Fortschritt allein erfolgen kann.
4
Information, Codierung und sichere Kommunikation
Eine Information ist eine mindestens partielle Antwort auf eine Frage. Für die
Speicherung oder Übertragung muss sie in Daten umgewandelt werden, sei dies für
die maschinelle oder die menschliche Verarbeitung. Dies geschieht sowohl durch
Die Bildungsziele