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Da es sich fast ausnahmslos um sehr einfach verständliche und anschauliche Prob
lemstellungen handelt, steht eine motivierende Quelle von Aufgaben für die An
wendung der Entwurfs und Konstruktionsprinzipien zur Verfügung. Zudem liegt
hier auch eine Quelle von Synergien mit anderen Fächern, zuvorderst der (diskre
ten)
Mathematik, über die Schnittstelle der Simulation aber auch zu Physik, Bio
logie, Wirtschaft und anderen Fächern.
Damit ist eine Gliederung der Informatik als wissenschaftliche Disziplin in
grundlegende Prinzipien aufgezeigt, die als Basis für die Definition eines Schul
fachs Informatik auf der Stufe Gymnasium dienen können. Im Vordergrund stehen
dabei grundlegende und damit auch stabile Vorstellungen und Konzepte,
Verfahren
und Methoden. Es handelt sich zudem um Elemente, die in allen Computeranwen
dungen eine grundlegende Rolle spielen und deren Kenntnis daher zu einem ver
tieften Verständnis der Leistungen und der Grenzen des Computers verhilft.
Was ist Informatik?
55
Wie die historische Sicht aufzeigt, sind die
Fragestellungen, welche die Wissenschaft
der Informatik aufgreift, durch die Möglichkeiten des
automatischen Rechnens und
der automatischen Informationsverarbeitung entstanden. Das hat zu einer vertika
len Strukturierung der Informatik geführt, die sich in den Themenkreisen von
Denning niederschlägt. Die Prinzipien der maschinellen Informationsverarbeitung
befassen sich auf der untersten Ebene mit den Problemen des Rechnens nahe bei
der technischen oder logischen Architektur der Computer. Die Entwurfs und Kon
struktionsprinzipien betrachten auf einer höheren Abstraktionsstufe die Gestal
tung der Architektur von Rechenprozessen. Dabei wird bereits mit abgeleiteten
Begriffen, Datenstrukturen und Kontrollmechanismen gearbeitet, die eine (auto
matische) Übersetzung in maschinennahe Begriffe und Sprachen erfordert. Die
Kernmethoden sind bereits nahe den konkreten
Problemstellungen angesiedelt, die
für Anwendungen gelöst werden müssen. Während Anwendungen sich in zahlrei
che Einzelfälle auflösen, bieten die Kernmethoden eine Gliederung in grundlegen
de Aufgabenstellungen, die quer durch die Anwendungsfälle immer wieder auf
treten. Damit wird eine wissenschaftliche Systematisierung erreicht, welche die
Voraussetzung für eine effiziente Bildung von Anwendungssystemen bildet. Die
vierte und letzte Abstraktionsebene im Modell von Denning umfasst die Methoden
zur Gestaltung von Informationssystemen und vollendet damit die Brücke von der
Maschinenebene zur Anwendungsebene. Das ist die Ebene, mit der die Benutzer
konfrontiert werden und die das Bild der Informatik in der Öffentlichkeit prägt.
Das ideelle Schichtenmodell reflektiert das tatsächliche Schichtenmodell der
Informationstechnologie. Die Anwendungen bauen heute auf Entwicklungswerk
zeugen auf, die hoch abstrahiert sind. Diese Werkzeuge ihrerseits sind mit höheren
Programmiersprachen
realisiert worden, die immer noch ziemlich weit von der ei
gentlichen Maschinenarchitektur entfernt sind. Sie benutzen ferner ein Betriebs
system, das ein Management der Maschinenressourcen ebenfalls auf einer hohen
2.4
Das Schichtenmodell
Was ist Informatik?
56
Abstraktionsstufe ermöglicht. Die Programmiersprachen und Betriebssysteme selber
sind heute wieder über verschiedene Abstraktionsstufen in logischen Maschinen
realisiert, bis sich letztlich die unterste Abstraktionsebene auf die physische Ma
schinenebene bezieht und sich so die Leistungsfähigkeit der physischen Maschine
zunutze machen kann.
Das Schichtenmodell ist der Schlüssel zum Verständnis der Informationstechno
logie. Die Arbeit mit den heutigen Informatikarbeitsmitteln, der Textverarbeitung,
der Tabellenkalkulation,
der Computergrafik, dem EMail, dem Internet usw. findet
auf der obersten Fläche des Schichtenmodells statt. Alle unteren Schichten sind
unsichtbar. Damit erlaubt eine Schulung nur in den Informatikarbeitsmitteln kaum
einen Einblick in den Inhalt der Informatik als Wissenschaft und Schlüssel zu den
wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Informationsgesellschaft.
Was ist Informatik?
Thesen
5
57
Als Wissenschaft
n
ist die Informatik eine eigenständige Disziplin,
n
verfolgt die Informatik eigenständige Fragestellungen, die sich der
Erforschung der Gesetze der automatischen Informationsverarbeitung
widmen,
n
beruht die Informatik auf mathematisch-logischen Grundmodellen
der Berechenbarkeit,
n
abstrahiert die Informatik ihre Begriffe und Methoden von
maschinennahen Sichten über mehrere
Stufen bis zu anwendungs-
nahen Konzepten.
Als zu konzipierendes Grundlagenfach am Gymnasium
n
muss sich die Informatik an den grundlegenden Prinzipien
der Disziplin orientieren,
n
muss die Informatik in unterschiedlichen Abstraktionsebenen
– von maschinennahen bis zu abstrakten Konzepten – unterrichtet
werden,
n
soll die Informatik als Alleinstellungsmerkmal
eine Brücke
zu der konstruktiven Denkweise der technischen und ingenieur-
wissenschaftlichen Welt herstellen,
n
soll die Informatik die konstruktiven Aspekte abstrakter Prozesse
sichtbar machen,
n
soll die Informatik den Unterricht in Mathematik und den naturwissen-
schaftlichen Fächern ergänzen, bereichern und unterstützen.
Thesen
2
Was ist Informatik?