Zankt euch nicht und versöhnt euch nicht:
Zeigt euch ein Kameradschaftsgesicht
und macht das Gesicht für den bösen Streit
lieber, wenn ihr alleine seid.
Gebt Ruhe, ihr Guten! Haltet still.
Jahre binden, auch wenn man nicht will.
Das ist schwer: ein Leben zu zwein.
Nur eins ist noch schwerer: einsam sein.
Kurt Tucholsky 1890 - 1935
Eheszenen
(aus der Glocke)
Lieblich in der Bräute Locken
spielt der jungfräuliche Kranz,
wenn die hellen Kirchenglocken
laden zu des Festes Glanz.
Ach! des Lebens schönste Feier
endigt auch des Lebens Mai,
mit dem Gürtel, mit dem Schleier
reißt der schöne Wahn entzwei.
Die Leidenschaft flieht!
Die Liebe mußt bleiben,
die Blume verblüht,
die Frucht muß treiben.
Der Mann hinaus
ins feindliche Leben,
muß wirken und streben
und pflanzen und schaffen,
erlisten, erraffen,
muß wetten und wagen,
das Glück zu erjagen.
Da strömte herbei die unendliche Gabe,
es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
Und drinnen waltet
die züchtige Hausfrau,
die Mutter der Kinder,
und herrschet weise
im häuslichen Kreise
und lehret die Mädchen
und wehret den Knaben
und regt ohne Ende
die fleißigen Hände
und mehret Gewinn
mit ordnendem Sinn
und füllte mit Schätzen die duftenden Laden
und dreht um die schnurrende Spindel den Faden
und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer
und ruhet nimmer.
Schiller, die Glocke
Ein Andres
Geh! gehorche meinen Winken,
Nutze deine jungen Tage,
Lerne zeitig klüger sein:
Auf des Glückes großer Waage
Steht die Zunge selten ein;
Du mußt steigen oder sinken,
Du mußt herrschen und gewinnen,
Oder dienen und verlieren,
Leiden oder triumphieren,
Amboß oder Hammer sein.
J.W. Goethe
Ein edler Mensch
kann einem engen Kreise
Nicht seine Bildung danken.Vaterland
Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel
Muß er ertragen lernen. Sich und andre
Wird er gezwungen recht zu kennen. Ihn
Wiegt nicht die Einsamkeit mehr schmeichelnd ein.
Es will der Feind - es darf der Freund nicht schonen;
Dann übt der Jüngling streitend seine Kräfte,
fühlt was er ist und fühlt sich bald als Mann.
Es bildet ein Talent sich in der Stille,
sich ein Charakter in dem Strom der Welt.
Goethe
Ein finstrer Esel sprach einmal
zu seinem ehlichen Gemahl:
"Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen, kumm!"
Doch wie es kommt so öfter eben:
Die beiden blieben fröhlich leben.
Morgenstern
Ein Gespräch von Krieg
Ab Zeile 888 Faust 1
Bürger
Nichts bessres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
wenn hinten, weit in der Türkei,
die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus
Und segnet Fried und Friedenszeiten.
Zweiter Bürger
Ach ja Herr Nachbar, ja, so laß ichs auch geschehn:
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
mag alles durcheinandergehn:
Doch nur zu Hause bleibs beim alten!
Faust:
Vom Eis befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Sieh nur, sieh! Wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
"Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!"
Ein gleiches
Über allen Gipfeln
Ist Ruh',
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Ein graues Auge,
ein schlaues Auge;
auf schelmische Launen
deuten die braunen;
des Auges Bläue
bedeutet Treue;
doch eines schwarzen Augs Gefunkel
ist stets, wie Gottes Wege, dunkel.
Friedrich von Bodenstedt
Ein Liebeslied
Komm zu mir in der Nacht -
wir schlafen eng verschlungen.
Müde bin ich sehr,
vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler
Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich
und mir gerungen.
Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
und färben sich mit deiner Augen
Immortellen...
Komm zu mir in der Nacht auf Sieben-
Sternenschuhen
In Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten
Himmelstruhen.
Wir wollen wie zwei seltene Tiere
liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.
Else Lasker-Schüler 1869-1945
Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens !
Ringelnatz
Ein Vogel
Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frißt,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.
Wilhelm Busch
Ein weiser Mann
Ein weiser Mann, ihr Lieben, haschet
die Freuden im Vorüberfliehn,
empfängt, was kommt, unüberrascht,
und pflüekt die Blumen, weil sie blühn.
Und sind die Blumen auch verschwunden,
so steht am Winterherd umwunden
sein Festpokal mit Immergrün.
J. Heinrich Voss 1756-1826
Ein Wind weht von Süd
und zieht mich hinaus auf See!
Mein Kind, sei nicht traurig,
tut auch der Abschied weh.
Mein Herz geht an Bord
und fort muß die Reise gehn.
Dein Schmerz wird vergehn
und schön wird das Wiedersehn!
Mich trägt die Sehnsucht
fort in die blaue Ferne.
Unter mir Meer
und über mir Nacht und Sterne.
Vor mir die Welt,
so treibt mich der Wind des Lebens,
wein' nicht, mein Kind,
die Tränen, sie sind vergebens.
La Paloma ohe -
einmal muß es vorbei sein!
Nur Erinn'rung an Stunden der Liebe
bleibt noch an Land zurück.
Seemannsbraut ist die See,
und nur ihr kann ich treu sein.
Wenn der Sturmwind sein Lied singt,
dann winkt mir der Großen Freiheit Glück!
Wie blau ist das Meer,
wie groß kann der Himmel sein!
Ich schau' hoch vom Mastkorb
weit in die Welt hinein.
Nach vorn geht mein Blick,
zurück darf kein Seemann schau'n.
Cap Horn liegt auf Lee,
jetzt heißt es auf Gott vertrau'n.
Seemann, gib acht!
Denn strahlt auch als Gruß des Friedens,
hell in der Nacht
das leuchtende Kreuz des Südens,
schroff ist das Riff
und schnell geht ein Schiff zugrunde.
Früh oder spät
schlägt jedem von uns die Stunde.
La Paloma ohe -
einmal wird es vorbei sein!
Einmal holt uns die See,
und das Meer gibt keinen von uns
zurück.
Seemannsbraut ist die See,
und nur ihr kann ich treu sein.
Wenn der Sturmwind sein Lied singt,
dann winkt mir der Großen Freiheit
Glück!
La Paloma ohe! La Paloma ohe!
Ein Wörtchen Medizin
Schüler zu Mephistopheles,
Faust 1, ab Zeile 2000 bis Zeile 2038
S: Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen
Allein ich muß Euch noch bemühn
Wollt Ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
M: (für sich) ich bin des trocknen Tons nun satt,
Muß wieder recht den Teufel spielen.
(laut)
Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen,
Ihr durchstudiert die groß' und kleine Welt,
Um es am Ende gehen zu lassen,
Wies Gott gefällt.
Vergebens, daß Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seid noch ziemlich wohlgebaut,
An Kühnheit wird's Euch auch nicht fehlen,
Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,
Vertrauen Euch die anderen Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen!
Es ist ihr ewiges Weh und Ach,
So tausendfach
Aus einem Punkte zu kurieren,
Und wenn Ihr halbwegs ehrbar tut,
Dann habt Ihr sie alle unterm Hut.
Ein Titel muß sie erst vertraulich machen,
Daß Eure Kunst viel Künste übersteigt;
Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pülslein wohl zu drücken
Und fasst die, mit feurig-schlauen Blicken,
Wohl um die schlanke Hüfte frei,
Zu sehn, wie fest geschnürt sie sei.
S: Das sieht schon besser aus, Man sieht doch wo und wie!
M: Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
und grün des Lebens goldner Baum.
Enthaltsamkeit
Der Weise, welcher sitzt und denkt
und tief sich in sich selbst versenkt,
um in der Seele Dämmerschein
sich an der Wahrheit zu erfreun,
der leert bedenklich seine Flasche,
hebt seine Dose aus der Tasche,
nimmt eine Prise, macht hatschieh!
Und sprich: "Mein Sohn, die Sach ist die:
Eh man auf diese Welt gekommen
und noch so still vorlieb genommen,
da hat man noch bei nichts was bei;
man schwebt herum, ist schuldenfrei,
hat keine Uhr und keine Eile
und äußerst selten Langeweile.
Allein, man nimmt sich nicht in acht,
und schlupp! Ist man zur Welt gebracht.
Zuerst hast du es gut, mein Sohn,
doch paß mal auf, man kommt dir schon.
Bereits dein braves Elternpaar
erscheint dir häufig sonderbar.
Es saust der Stab, dann geht es schwapp!
Sieh da, mein Sohn, du kriegst was ab!
Und schon erscheint dir unabwendlich
der Schmerzensruf: das ist ja schändlich!
Du wächst heran, du suchst das Weite,
jedoch die Welt ist voller Leute;
Vorherrschend Juden, Weiber, Christen,
die dich ganz schrecklich überlisten,
und die, anstatt dir was zu schenken,
wie du wohl möchtest, nicht dran denken.
Und wieder scheint dir unabweislich
der Schmerzensruf: das ist ja scheußlich!
Doch siehe da, im trauten Kreis
sitzt Jüngling, Mann und Jubelgreis,
und jeder hebt an seinen Mund
ein Hohlgefäß, was meistens rund,
um draus in ziemlich kurzer Zeit,
die drin enthaltne Flüssigkeit
mit Lust und freudigem Bemühn
zu saugen und herauszuziehn.
Weil jeder dies mit Eifer tut,
so sieht man wohl, es tut ihm gut.
Man setzt sich auch zu diesen Herrn,
man tut es häufig, tut es gern
und möglichst lange tut man's auch;
die Nase schwillt; es wächst der Bauch,
und bald, mein Sohn, wirst du mit Graun
im Spiegelglas dein Bildnis schaun,
und wieder scheint dir unerläßlich,
der Schmerzensruf: das ist ja gräßlich!
Mein Sohn, du tust mir leid,
dir mangelt die Enthaltsamkeit.
Enthaltsamkeit ist das Vergnügen
an Sachen, welche wir nicht kriegen.
Drum lebe mäßig, denke klug,
wer nichts gebraucht, der hat genug!"
So spricht der Weise, grau von Haar,
ernst, würdig, sachgemäß und klar,
wie sich's gebührt in solchen Dingen;
läßt sich ein Dutzend Austern bringen,
ißt sie, entleert die zweite Flasche,
hebt seine Dose aus der Tasche,
nimmt eine Prise, macht hatschüh!
Schmückt sich mit Hut und Paraplü,
bewegt sich mit Bedacht nach Haus
und ruht von seinem Denken aus.
Wilhelm Busch
Er ists
Fruehling laesst sein blaues Band
Wieder flattern durch die Luefte;
Suesse, wohlbekannte Duefte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen traeumen schon,
Wollen balde kommen.
- Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Fruehling, ja du bists!
Dich hab ich vernommen!
Eduard Mörike
Erlkönig
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? -
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? -
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. -
»Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.«
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht? -
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind. -
»Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.«
Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? -
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau. -
»Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.«
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan! -
Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
Goethe
Ermutigung
Hach,
wer wird denn ängstlich
Hach! schrein?
Lasst uns
schwach sein!
Robert Gernhardt
Erster Schnee
Aus silbergrauen Gründen tritt
Ein schlankes Reh
Im winterlichen Wald
Und prüft vorsichtig, Schritt für Schritt,
den reinen, kühlen, frischgefallenen Schnee.
Und deiner denk ich, zierlichste Gestalt.
Christian Morgenstern
Es geht alles vorüber,
Es geht alles vorbei.
Auf jeden Dezember
Folgt wieder ein Mai.
Es geht alles vorüber,
Es geht alles vorbei.
Doch zwei, die sich lieben,
Die bleiben sich treu.
Auf Posten in einsamer Nacht,
Da steht ein Soldat und hält Wacht.
Träumt von Hanne und dem Glück,
Das zu Hause liegt zurück.
Am Himmel die Wolken, sie ziehen,
Ja, alle zur Heimat darin.
Und sein Herz, das denkt ganz still für sich,
Dahin ziehe einmal auch ich.
Lied Nr. 1 der Hitparade vom 19. April 1945,
wurde dann aber verboten, als ein Refrain auftauchte
Es geht alles vorüber,
Es geht alles vorbei,
Erst fliegt Adolf Hitler,
Dann seine Partei.
Es lohnt sich doch
Es lohnt sich doch, ein wenig lieb zu sein
Und alles auf das Einfachste zu schrauben.
Und es ist gar nicht Großmut zu verzeihn,
Daß andre ganz anders als wir glauben.
Und stimmte es, daß Leidenschaft Natur
Bedeutete im guten wie im bösen,
Ist doch ein Knoten in dem Schuhband nur
Mit Ruhe und mit Liebe aufzulösen.
Ringelnatz
Fand meinen rechten
Handschuh wieder
Als ich den einen verlor,
da warf ich den anderen ins Feuer
und kam mir wie ein Verarmter vor:
Schweinslederne sind so teuer.
Als ich den ersten wiederfand:
Shake hands, du ledernes Luder!
Dein eingeäscherter Bruder
Und du und ich - : Im Dreierverband
Da waren wir reich und mächtig.
Jetzt sind wir niederträchtig.
Ringelnatz 1929
Fehler
Du toller Wicht, gesteh nur offen
Man hat dich auf manchem Fehler betroffen.
Ja wohl! Doch macht ich ihn wieder gut!
Wie denn? - Ei wie's ein jeder tut!
Wie hast du das denn angefangen?
Ich hab einen neuen Fehler begangen,
darauf waren die Leute so versessen,
dass sie des alten gern vergessen.
Goethe
Feiertage
Mutter ist nervös
Vater ist nervös
Kind ist nervös
Oma ist nervös
Oma ist gekommen
um Mutter zu helfen
Vater hat gesagt
sei nicht nötig gewesen
Kind steht im Weg
Mutter steht im Weg
Oma steht im Weg
Vater steht im Weg
Alle ham geschafft
mit allerletzter Kraft
Vater hat gebadet
Mutter hat gebadet
Kind hat gebadet
Oma hat gebadet
Alle ham gepackt
Und alle sind gerannt
Und schließlich hat
Der Baum gebrannt
Mutter ist gerührt
Vater ist gerührt
Kind ist gerührt
Oma ist gerührt
Und dann werden
Die Pakete aufgeschnürt
Mutter ist gekränkt
Vater ist gekränkt
Kind ist gekränkt
Oma ist gekränkt
Denn jeder hat dem anderen
Was Falsches geschenkt
Schwiegertochter kommt
Patentante kommt
Lieblingsbruder kommt
Großneffe kommt
Kuchen ist zu süß
Plätzchen sind zu süß
Marzipan ist zu süß
Und der Baum ist mies
Mutter ist beleidigt
Vater ist beleidigt
Kind ist beleidigt
Oma ist beleidigt
Friede auf Erden
Und den Menschen ein Unbehagen
Vater hats am Magen
Mutter hats am Magen
Kind hats am Magen
Oma hats am Magen
Kann nichts mehr vertragen
Nach all diesen Tagen
Mutter ist allein
Vater ist allein
Kind ist allein
Oma ist allein
Alle sind allein
Doch an Ostern
Wollen alle
In jedem Falle
Wieder zusammensein.
Hans-Dieter Hüsch
Feiger Gedanken
Bängliches Schwanken,
Weibisches Zagen,
Ängstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Machet nicht frei.
Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei.
Goethe
Fliegerlied
Flieger grüß mir die Sonne!
Vom Nordpol zum Südpol
ist nur ein Katzensprung.
Wir fliegen die Strecke
bei jeder Witterung.
Wir warten nicht, wir starten!
Was immer auch geschieht,
durch Wind und Wetter
klingt das Fliegerlied:
Flieger, grüß mir die Sonne,
grüß mir die Sterne
und grüß mir den Mond.
Dein Leben,
das ist ein Schweben
durch die Ferne,
die keiner bewohnt!
Schneller und immer schneller
rast der Propeller,
wie dir's grad gefällt!
Piloten
ist nichts verboten,
Wenn es sein muß drum gib Vollgas
und flieg um die Welt!
Such' dir die schönste Sternenschnuppe
aus
und bring sie deinem Mädel mit nach
Haus!
Flieger, grüß mir die Sonne,
grüß mir die Sterne
und grüß mir den Mond!
Hoch oben im Äther,
da sind wir meist zu Haus!
Bei fünftausend Meter
sieht alles anders aus.
Da gibt's keine Grenzen!
Da gibt's keinen Paß!
Der Flieger fliegt und
fragt nicht: Wie und was?
Flieger, grüß mir die Sonne...
Es war einmal ein Flieger,
der jeden Flug gewann,
er flog um die Wette
mit einem Hurrikan.
Er flog mit fast vierhundert
zur Milchstraße empor,
der arme, alte
Hurrikan verlor:
Flieger, grüß mir die Sonne...
Folgen der Trunksucht
Seht ihn an, den Texter.
Trinkt er nicht, dann wächst er.
Mißt nur einen halben Meter -
weshalb, das erklär ich später.
Seht ihn an, den Schreiner.
Trinkt er, wird er kleiner.
Schaut, wie flink und frettchenhaft
er an seinem Brettchen schafft.
Seht ihn an, den Hummer.
Trinkt er, wird er dummer.
Hört, wie er durchs Nordmeer keift,
ob ihm wer die Scheren schleift.
Seht sie an, die Meise.
Trinkt sie, baut sie Scheiße.
Da! Grad rauscht ihr drittes Ei
wieder voll am Nest vorbei.
Seht ihn an, den Dichter.
Trinkt er, wird er schlichter.
Ach, schon fällt ihm gar kein Reim
auf das Reimwort "Reim" mehr eim.
Robert Gernhardt
Freiheit
Das ist der Weisheit letzter Schluss:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben
der täglich sie erobern muß.
II/5Akt
Zum Augenblicke dürft ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Aeonen untergehn.
sic:
dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen
Faust II, Goeth
Fremdlings Abendlied
Ich komme vom Gebirge her.
Es dampft das Tal, es braust das Meer.
Ich wandre still, bin wenig froh,
und immer fragt der Seufzer: wo?
Immer wo?
Die Sonne dünkt mich hier so kalt,
Die Blüte welk, das Leben alt.
Und was sie reden, leerer Schall,
Ich bin ein Fremdling, überall.
Wo bist du, mein geliebtes Land?
Gesucht, geahnt und nie gekannt!
Das Land, das Land, so hoffnungsgrün
Das Land wo meine Rosen blühn,
Wo meine Freunde wandeln gehn,
Wo meine Toten auferstehen,
Das Land, das meine Sprache spricht.
Und alles hat, das mir gebricht?
Ich wandre still, bin wenig froh,
Und immer fragt der Seufzer: wo?
Immer wo?
Im Geisterhauch tönt`s mir zurück:
Dort, wo du nicht bist, ist das Glück!
Georg Phillip Schmidt von Lübeck
Freudvoll und leidvoll
Gedankenvoll sein
Langen und Bangen
In schwebender Pein.
Himmelhoch jauchzend
Zum Tode betrübt:
Glücklich allein
Ist die Seele
Die liebt.
(Käthchen aus Heilbronn)
Goethe
Gut verloren - etwas verloren
Musst rasch Dich besinnen
Und neues gewinnen.
Ehre verloren - viel verloren!
Musst Ruhm gewinnen,
da werden die Leute sich anders besinnen.
Mut verloren - alles verloren!
Da wäre besser: nicht geboren!
Freut euch des Lebens
Weil noch das Lämpchen glüht;
Pflücket die Rose,
Eh' sie verblüht!
1. Man schafft so gerne sich Sorg' und Müh',
Sucht Dornen auf und findet sie
Und läßt das Veilchen unbemerkt,
Das uns am Wege blüht.
Freut euch des Lebens . . . . . .
2. Wenn scheu die Schöpfung sich verhüllt
Und laut der Donner ob uns brüllt,
So lacht am Abend nach dem Sturm
Die Sonne uns so schön.
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